CXXVIII
DIE SEELE DES WEINES

[149] Des weines geist begann im fass zu singen:

Mensch · teurer Ausgestossener · dir soll

Durch meinen engen kerker durch erklingen

Ein lied von licht und bruderliebe voll.


Ich weiss: am sengendheissen bergeshange

Bei schweiss und mühe nur gedeih ich recht ·

Da meine seele ich nur so empfange ·

Doch bin ich niemals undankbar und schlecht.[149]


Und dies bereitet mir die grösste labe

Wenn eines arbeit-matten mund mich hält ·

Sein heisser schlund wird mir zum süssen grabe

Das mehr als kalte keller mir gefällt.


Du hörst den sonntagsang aus frohem schwarme?

Nun kehrt die hoffnung prickelnd in mich ein:

Du stülpst die ärmel · stützest beide arme ·

Du wirst mich preisen und zufrieden sein.


Ich mache deines weibes augen heiter

Und deinem sohne leih ich frische kraft ·

Ich bin für diesen zarten lebensstreiter

Das öl das fechtern die gewandtheit schafft.


Und du erhältst von diesem pflanzenseime

Das Gott · der ewige sämann · niedergiesst

Damit in deiner brust die dichtung keime

Die wie ein seltner baum zum himmel spriesst.

Quelle:
George, Stefan: Baudelaire. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 13/14, Berlin 1930, S. 149-150.
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