Das Lied von der Freyheit

[126] Ich bin ein Preuße! Preuße seyn,

Ist seyn: Ein freyer Mann,

Der seiner Freyheit sich erfreun

In allen Ständen kann!


In allen Ständen ist Gesetz!

Wer nach Gesetzen lebt,

Zieht all' die Freyheit in sein Netz,

Die Herz und Geist erhebt!


Ich, ein Soldat, ich freue mich,

Der Kriegsgesetzes-Zucht!

Sie macht mich brav! Mit ihr schlag' ich

Den Feindmann in die Flucht!


Durch sie schütz' ich das Vaterland,

Und Weib und Kind und Freund!

Und drohe mit bewehrter Hand,

Dem der's nicht ehrlich meint!


Und werde, was ich noch nicht bin,

In tödtlicher Gefahr

Von vestem unbesorgtem Sinn,

Und besser als ich war!


Ich, etwa nur ein Grenadier,

Der Feinde schlagen kann;

In Todgefahren schein ich mir,

Erst recht ein braver Mann!
[127]

Und thu' ich alle meine Pflicht,

Und bin ich brav, und gut,

So tret' ich jedem ins Gesicht,

Und schwinge meinen Hut!


Und schaue, wenn der König kömmt,

Dem König ins Gesicht!

Und meines Herzens Freude hemmt

Des Hauptmanns: Stille! nicht!


Gehorsam jeglichem Befehl

Und seinem Eigensinn,

Hab' ichs sonst aber keinen Hehl,

Daß ich ihm böse bin;


Wenn er gerecht zu seyn vergißt,

Das er schon oft vergaß,

Und daß er zürnt, wenns Noth nicht ist,

Und streng' ist ohne Maaß!


Indeß, was ists in dieser Welt?

Frag' ich, der Grenadier;

Ist wohl, wenn man's am Licht erhellt,

Vollkommenheit in ihr?


Vollkommenheit ist aber doch

In jener! Das ist wahr!

Die Zeit geht hin! Wie lang' ists noch?

Nur etwa dreyßig Jahr!


Die dreyßig also wollen wir

Vesthalten unsern Eid,

Und gehn, als brave Grenadier,

Aus Zeit in Ewigkeit!

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Gedichte, Stuttgart 1969, S. 126-128.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon