Das V Hauptstück.
Von den Fürwörtern (Pronominibus).

[326] 1 §.


Es ist schon oben gemeldet worden, daß es unbequem seyn würde, in allen Fällen die Hauptwörter selbst zu brauchen. Darum haben alle Sprachen gewisse kleinere Wörter, die man an ihrer statt brauchet. Und weil sie also für andere gebrauchet werden: so nennet man sie Fürwörter. Man muß damit die Vorwörter (PRÆPOSITIONES) nicht vermengen, die nicht für, sondern vor andere gesetzet werden, wie wir hernach zeigen wollen. Es sind aber die Fürwörter 1) persönliche, 2) zueignende, 3) anzeigende, 4) fragende, 5) beziehende, und 6) noch einige uneigentliche Fürwörter. Alle haben gewisse Abänderungen, von denen wir besonders handeln wollen.


I. Persönliche Fürwörter.


(Pronomina Personalia.)


2 §. Die deutschen Fürwörter sind in ihren Abänderungen eben so wenig ganz gleichförmig, als die Fürwörter anderer Sprachen; sondern sie weichen zuweilen von ihrem Stamme merklich ab, sonderlich die persönlichen. Diese sind aber dreyerley, so viel es nämlich Personen giebt, von denen man sprechen kann. Denn der redende selbst, ist die erste Person: Ich. Derjenige, mit dem dieser spricht, ist die zweyte Person, Du: und von wem sie sonst, außer ihnen, sprechen, das ist[326] die dritte Person; Er, oder Sie. Denn in diesem Falle unterscheidet man in der einzelnen Zahl auch die Geschlechter; die aber in den beyden ersten Personen, wie hier in der mehrern, durchgehends einerley bleiben. Die Abänderung derselben wird so gemachet:


Einfach. Einfach.
I. P. Ich, II. P. Du, III. P. Er, Sie, Es,
Meiner, Deiner, Seiner, Ihrer, Seiner,
Mir, Dir, Ihm, Ihr, Ihm,
Mich, Dich, Ihn, Sie, Es,
o Ich! o Du! – – – – – –
von Mir, von Dir, von Ihm, von Ihr, von Ihm.

Vielfach.Vielfach.

Vielfach. Vielfach.
I. P. Wir, II. P. Ihr, III. P. Sie,
Unser, Euer, Ihrer,
Uns, Euch, Ihnen,
Uns, Euch, Sie,
o Wir! o Ihr!  – – –
von Uns, von Euch. von Ihnen.

3 §. Von dem Gebrauche dieser Fürwörter ist zu merken, daß die alten Deutschen, sowohl als die Griechen und Römer, dieselben in ihrer natürlichen Bedeutung gebrauchet haben: die Leute, mit denen sie redeten, mochten so vornehm seyn, als sie wollten. So hieß Diogenes den großen Alexander, Cicero den Cäsar, und Plinius den Trajan schlechtweg Du: und in Übersetzung alter Schriftsteller muß man dabey bleiben1; obgleich einige Neuere, z.E. Sartorius, in des Plinius Briefen, das Du allemal in Er verwandelt haben. Denn diese neumodische Höflichkeit würde in dem Munde der Alten nur lächerlich klingen, und ihre Rede entkräften. Ja, selbst unsere Dichter thun sehr wohl daran, daß sie, in ihren Gedichten, auch die großen Herren mit Du anreden: denn dieses klingt viel edler, und ersparet ihnen viel Umschweife von Titeln und weitläuftigen Redensarten.[327]

4 §. Als aber, in den mittlern Zeiten, die deutschen Longobarden, Franken und Gothen in Wälschland, Frankreich und Spanien herrscheten, hat man unvermerkt die Art von Höflichkeit und Ehrerbiethung eingeführet, daß man mit einer vornehmen Person in der vielfachen Zahl sprach; und sie anstatt du mit ihr anredete. Da dieses mehr und mehr Beyfall fand, ward es in ganz Europa allgemein, und erstreckete sich um Karls des V Zeiten schon auf alle Mittelleute, die mit ihres gleichen sprachen2. Und hiebey haben es die Franzosen und Engländer bis auf diese Stunde gelassen: die auch gegen Könige und Fürsten, mit ihrem VOUS, und YOU, auskommen. Wir Deutschen haben auch noch ein Überbleibsel davon übrig, wenn wir in einer Anrede sagen, und schreiben: Eure Majestät, Eure Durchlauchten, Eure Hoch- und Wohlgebohrnen, Eure Hochwürden, u.d.gl.m.

5 §. Doch dabey blieb es nicht. Im vorigen Jahrhunderte hat Deutschland und Italien einen höhern Grad der Höflichkeit darinnen gesuchet, daß man anstatt der zweyten Person Du, die dritte der einzelnen Zahl, nämlich Er und Sie, zu brauchen angefangen. Man sprach also, für, Du hast[328] mirs gesagt, Er hat mir gesagt, oder Sie hat mir gesagt: und so redeten die höflichsten Leute damals; ja noch itzo giebt es Landschaften in der Schweiz und in Niedersachsen, wo man damit zufrieden ist. Allein, bald zu Anfange dieses Jahrhunderts hat man die Sprache noch höher getrieben, und gar die vielfache Zahl der dritten Person, für die einfache der zweyten, zu brauchen angefangen. So heißt es nunmehr, anstatt des obigen:


Natürlich. althöflich. mittelhöflich.
1 P. Ich bitte dich, Ich bitte euch, Ich bitte ihn,
2 P. Du bittest mich, Ihr bittet mich, Er bittet mich,
3 P. Er bittet mich, Sie bitten mich, Dieselben bitten mich.

neuhöflich. überhöflich.
1 P. Ich bitte Sie, Ich bitte Dieselben
2 P. Sie bitten mich, Dieselben bitten mich.
3 P. Ich habe es von Ihnen, Ich habe es von Denenselben.

6 §. Aber auch in diesen Überfluß von Höflichkeit haben sich noch einige Unordnungen eingeschlichen. Man hat nämlich angefangen, einigen Wörtern andere Endungen zu geben, und wohl gar andere an ihre Stelle einzuschieben, als z.E. Ihro, anstatt Ihre, oder Ihrer; und Dero gleichfalls für Ihre, oder Ihrer: als wenn man saget: Ich kenne Dero Bibliothek; ich liebe Dero Haus. Und spricht man gleich häufig: Ihro Majestät, Ihro Durchl. so sollte doch dafür billig Eure gesetzet werden, wenn man die Person anredet. Hergegen wenn man in der dritten Person von ihr spricht; so muß es heißen: Seine Majestät, wenn es ein König, und Ihre Majestät, wenn es eine Königinn ist: wie auch wirklich die besten Schriftsteller bereits seit einiger Zeit gethan haben3. Es heißt also:


recht. falsch.
2 P. Eure Wohlgebohrnen, Ihre Wohlgebohrnen Gnaden.
3 P. Seine Wohlgebohrnen, Ihre Hochwohlgebohrnen
Gnaden.
3 P. Ihre Wohlgebohr, oder Ihre Hochgeb. Gnaden.

recht. falsch.
2 P. Eure Gnaden, oder Durchlauchten,
3 P. Seine Gnaden, oder Durchlauchten, Ihro Gnaden.
3 P.Ihre Gnaden, oder Durchlauchten. Ihro Durchl.

recht. falsch.
1 P. Unsere Majestät,
2 P. Eure Majestät, Ihro Majestät.
3 P. Seine, oder Ihre Majestät. Ihro Majestät.

7 §. Zu diesen persönlichen Fürwörtern kömmt nun noch ein gewisser erhöhender Zusatz, der bald ganz unabänderlich,[330] bald auch mit einigen verschiedenen Endungen gebrauchet wird. Es ist das Wörtchen selbst, selber oder selbsten: denn es ist ohne allen Unterschied auf dreyerley Art im Schwange. Man saget nämlich:


Ich selbst, Du selbst, Er selbst, Sie selbst.
Ich selber, Du selber, Er selber, Sie selber, u.s.w.

Doch in der zweyten Fallendung, um des Übelklanges halber, meiner selber, deiner selber, seiner selber, nicht im Gebrauche: und in der mehrern Zahl ist es eben so; daß man lieber unser selbst, oder selbsten, als, unser selber, saget und schreibt4. Sonst aber saget man ohne Unterschied:


Wir selbst, Ihr selbst, Sie selbst,
selber, selber, selber,
selbsten, selbsten, selbsten, u.s. w

8 §. Zu diesen gehöret noch das zurückkehrende Fürwort (PRONOMEN RECIPROCUM) Seiner, welches so abgeändert wird:


Einfach.


Die erste Endung fehlet,

Seiner, Ihrer, Seiner.

Sich, durchgehends; nicht im männl. Geschl. Ihm, im weibl. Geschl. Ihr.

Sich, nicht ihn, sie, oder es.

– – – – – –

von Sich; nicht von Ihm und von Ihr.


Vielfach.


Die erste Endung fehlet,

Ihrer,

Sich, nicht Ihnen,

Sich,

Die fünfte mangelt,

von Sich; nicht von Ihnen, wie einige sprechen.[331]


Man soll nämlich keine Undeutlichkeit dadurch einführen, daß man die dritte Person mit diesem zurückkehrenden Fürworte vermischet. Es heißt: sie haben das von sich selbst gethan: nicht von ihnen5 selbst. Denn mehreres Nachdruckes halber, wird dieß Wort gemeiniglich noch beygefüget.


Die zueignenden Fürwörter.


(Pronomina Possessiva.)


9 §. Das zueignende Fürwort ist, mein, meine, mein, welches wie ein Beywort dreyer Endungen, abgeändert werden kann; wie folget:


Einfach.


Mein Mann, meine Frau, mein Kind,
meines Mannes, meiner Frau, meines Kindes,
meinem Manne, meiner Frau, meinem Kinde,
meinen Mann, meine Frau, mein Kind,
o mein Mann, meine Frau, mein Kind,
von meinem Manne. meiner Frau. meinem Kinde.

Vielfach.


Meine Männer, Frauen, Kinder,
meiner Männer, Frauen, Kinder,
meinen Männern, Frauen, Kindern,
meine Männer, Frauen, Kinder,
o meine Männer, Frauen, Kinder,
von meinen Männern, Frauen, Kindern.

[332] 10 §. Nach eben diesem Muster gehen auch folgende fünf:


Dein, deine, dein,
Sein, seine, sein,
Ihr, ihre, ihr,
Unser, unsere, unser,
Euer, eure, euer.

In der einfachen Zahl nämlich, leiden sie nach den Geschlechtern eine Veränderung: in der mehrern Zahl aber nicht. Man merke nur, als etwas besonders: daß nämlich die Wörter des weiblichen Geschlechtes, anstatt des Fürwortes sein, allemal das ihr zu sich nehmen. Wenn zum Exempel der Lateiner saget: FEMINA SUAM HABET DOTEM; und der Franzos, LA FEMME À SA DOT: so saget der Deutsche nicht, die Frau hat sein Heurathsgut; sondern ihr Heurathsgut6.

11 §. Bey diesen Fürwörtern ist noch zu merken, daß sie bisweilen auch ohne Hauptwort zu stehen kommen: und alsdann nimmt das männliche Geschlecht in der ersten Endung der einfachen Zahl, ein er, das ungewisse aber ein es an: als:


Meiner, meine, meines,
Deiner, deine, deines,
Seiner, seine, seines,
Ihrer, ihre, ihres, u.s.w.

Ja man läßt es dabey nicht bewenden; sondern man bildet auch noch folgende Arten von abgesonderten Wörtern daraus, die mit dem bestimmten Geschlechtsworte gebrauchet werden:[333]


Der Meinige, die Meinige, das Meinige,
des Meinigen, der Meinigen, des Meinigen,
dem Meinigen, der Meinigen, dem Meinigen,
den Meinigen, die Meinige, das Meinige,
– – – – – – – – – – – – – – –
von dem Meinigen. der Meinigen. dem Meinigen.

Eben so gehen auch, der Deinige, Seinige, Unsrige, Eurige, Ihrige. In der mehrern Zahl heißt es davon in allen Geschlechtern unverändert:


Die Meinigen, Deinigen, Seinigen,
Unsrigen, Eurigen, Ihrigen,
der Meinigen, Deinigen, Seinigen,
Unsrigen, Eurigen, Ihrigen,
den Meinigen, Deinigen, Seinigen,
Unsrigen, Eurigen, Ihrigen,
die Meinigen, Deinigen, Seinigen,
Unsrigen, Eurigen, Ihrigen,
o ihr Meinigen, – – – – –
Unsrigen, – – – – –
von den Meinigen, Deinigen, Seinigen,
Unsrigen, Eurigen, Ihrigen.

III. Die anzeigenden Fürwörter.


(Pronomina Demonstrativa.)


12 §. Die Anzahl dieser Art Fürwörter ist ziemlich groß. Denn außer dem, daß der, die, das, auch als ein solches angesehen wird, wenn es ohne ein Hauptwort gebrauchet wird: so giebt es noch folgende: Dieser, jener, selbiger, solcher, derselbe, derselbige, derjenige, u.s.w. Wie sie abgeändert werden, zeigen diese Muster:


Einfach.


Der, die, das, Dieser, diese, dieses,
dessen, deren, dessen, dieses, dieser, dieses,
dem, der, dem, diesem, dieser, diesem
den, die, das, diesen, diese, dieses,
von dem, der, dem. von diesem, dieser, diesem.

[334] Vielfach.


Die, in allen Geschlecht. Diese, in allen Geschlecht.
derer, in allen Geschlecht. dieser, in allen Geschlecht.
denen, in allen Geschlecht. diesen, in allen Geschlecht.
die, in allen Geschlecht. diese, in allen Geschlecht.
von denen, in
allen Geschlecht. von diesen, in allen Geschlecht.

Hier bemerke man den Unterschied dieses Fürworts von dem bestimmten Geschlechtsworte, den wir oben a.d. 165 S. angezeiget haben; imgleichen, daß man unrecht im dritten Geschlechte, dis oder diß, schreibt: denn von dieser und diese, kann nur dieses; und verkürzet, durch Ausstoßung des e dieß, herkommen. Man läßt nämlich in der deutschen Zusammenziehung nichts mehr, als den Selbstlaut aus.

13 §. Wie aber die erste Hälfte dieser Classe von Fürwörtern aussieht, als ob sie einen unbestimmten Artikel vor sich hätte: so ist die letzte Hälfte derselben wirklich mit dem bestimmten zusammen gesetzt. Daher ändert sich auch die Abänderung derselben in etwas, und folgendes Muster wird zeigen, wie auch die übrigen dieser Art gehen müssen.


Einfach. Vielfach.
Derselbe, dieselbe, dasselbe, Dieselben,
desselben, derselben, desselben, derselben,
demselben, derselben, demselben, denselben,
denselben, dieselbe, dasselbe, dieselben,
die fünfte mangelt,  – –
von demselben, derselben, demselben, von demselben.

14 §. Man merke also, daß es auch in der mehrern Zahl ein Überfluß ist, dererselben und denenselben; imgleichen dererjenigen, und denenjenigen zu sagen und zu schreiben: weil das Geschlechtswort der, die, das, womit hier das selbe verbunden wird, diese Verlängerung nicht erfodert. Imgleichen ist es falsch, wenn man in der er sten Endung der vielfachen Zahl saget, dieselbe Männer; diejenige Freunde etc. da es heißen sollte, dieselben oder dieselbigen[335] Männer, diejenigen Freunde, und so weiter7. Denn daß das bestimmte Geschlechtswort der, die, das, solches n in der mehrern Zahl erfodere, haben wir oben im 5 §. a.d. 252 S. erinnert. Eben das ist von den vorigen Fürwörtern diese, und jene zu beobachten; welche auch an denen nach ihnen folgenden Beywörtern, in der vielfachen Zahl ein n begehren: als z.E. diese gelehrten Leute; jene schönen Kinder.


IV. Die fragenden Fürwörter.


(Pronomina Interrogativa.)


15 §. Die Deutschen haben eigentlich nur ein fragendes Fürwort, Wer? welches zugleich männliches und weibliches Geschlechtes ist, und im ungewissen was? hat. Es war auch sehr natürlich, das erste ohne Unterschied zu brauchen; da der Fragende eigentlich noch nicht weis, ob es Mann oder Weib seyn wird, der etwas gethan, oder gesaget hat. Die Abänderung geht so: doch das ungewisse Geschlecht hat nur die erste und vierte Endung.


Einfach.


Männl.
u. weibl. Wer? ungew. was?
wessen? in dreyen Geschl.
wem? in dreyen Geschl.
Männl. u. weibl. wen? was?
– – – –
von wem? in dreyen
Geschl. nicht von was?

Die mehrere Zahl fehlet auch gänzlich: indem gleichsam ein Fragender noch nicht weis, ob es einer, oder viele gethan[336] haben. Wem diese Ursache nicht zuzulangen scheint, der mag so gut seyn, und uns eine bessere geben.

16 §. Indessen pflegt man auch die Wörter, welcher, und was für einer, zu fragenden Fürwörtern zu machen. Das erste gehöret auch wirklich dazu; ob es gleich auch in folgender Classe, zu den beziehenden gerechnet wird: wo man seine Abänderung sehen kann. Das andere ist sehr zusammen gesetzet, und richtet sich ganz nach der Abänderung des Zahlwortes Einer, eine, eines. Man merke nur, daß man nicht sagen muß, was vor einer, sondern was für einer; wie bey den Vorwörtern in der Wortfügung gezeiget werden wird8. Zum Überflusse mag folgendes Muster noch hier stehen:


Einfach.


Was für einer? was für eine? was für eins?
was für eines? was für einer? was für eines?
was für einem? was für einer? was für einem?
was für einen? was für eine? was für eins?
von was für einem? was für einer? was für einem?

Vielfach.


Was für welche? in allen Geschlechtern,
was für welcher?
was für welchen?
was für welche?
von was für welchen?

[337] V. Die beziehenden Fürwörter.


(Pronomina Relativa.)


17 §. Eigentlich haben wir nur das einzige beziehende Fürwort, welcher, welche, welches; ob es gleich auch zu der Zahl der fragenden gerechnet werden kann, und muß. Seine Abänderung sieht folgender Gestalt aus:


Einfach. Vielfach.
Welcher, welche, welches, Welche,
welches, welcher, welches, welcher,
welchem, welcher, welchem, welchen,
welchen, welche, welches, welche,
– – – – – – – – – – – –
von welchem, welcher, welchem. von welchen.

18 §. Indessen ist zu merken, daß auch das Fürwort, der, die, das, mit zur Zahl der beziehen den gezogen werden kann. Man spricht nämlich eben sowohl: Derjenige, der mir das[338] gesaget hat: als, derjenige, welcher mir das gesaget hat: Helena, um deren willen Troja zerstöret worden; als, Helena, um welcher willen etc. Das Capitol, das einmal hölzern war; als, welches einmal hölzern gewesen. Seine Abänderung sieht daher so aus:


Einfach. Vielfach.
Der, Die, Das, Die,
dessen, deren, dessen, derer,
dem, der, dem, denen,
den, die, das, die,
– – – – – – – –
von dem, der, dem. denen.

Indessen brauchen gute Schriftsteller, weder eins, noch das andere allein; sondern wechseln damit, nachdem es der Wohlklang erfodert. Sonderlich muß man das Wörtchen das, welches sehr oft wiederzukommen pflegt, weil es bald das Geschlechts- bald das Fürwort, bald auch das Verbindungswort daß abgiebt, gut beobachten; damit es nicht etlichemal sehr nahe hintereinander vorkomme10. Man brauchet daher an seiner Stelle, im ungewissen Geschlechte, auch wohl was. Z.E. Das, was du mir gesaget hast: für welches, oder das.

19 §. Endlich wird auch das Wörtchen so sehr häufig, als ein beziehendes Fürwort, und zwar ohne Unterschied der Geschlechter, Fall- und Zahlendungen gebrauchet; und es fraget sich, was davon zu halten sey? Die Redensarten klingen so: Derselbe, so zuerst die Sache erfunden; Die Braut, so er sich erwählet; Dasjenige, so sie mir geschrieben etc. Die Gaben, so ihm von der Natur verliehen worden, u.d.gl. Nun wäre zwar diese, bey vielen eingeführte Art zu schreiben, gar wohl zu dulden; wenn nur dieses Wörtchen[339] nicht schon ohne dieß gar zu oft vorkäme. Denn auf sehr viele Verbindungswörter, als wie, weil, nachdem, seitdem, wofern, etc. folget es in der andern Hälfte des Satzes überall. Die Vergleichungen werden auch damit gemacht, so groß, so reich, etc. andere Fälle zu geschweigen. Man enthalte sich also dessen, als eines beziehenden Fürwortes, so viel man kann; und brauche es nur, wo entweder ein Wort des ungewissen Geschlechtes, oder wann viele Wörter von verschiedenen Geschlechtern vorhergegangen: so wird es nicht gar zu oft erscheinen11.


VI. Uneigentliche Fürwörter.


(Pronomina Impropria.)


20 §. Daß es noch verschiedene andere Fürwörter gebe, die zu den vorigen Arten nicht gehören, wird man leicht zugeben: wenn man sich nur auf man, es, einer, keiner, mancher, solcher, ein jeder, alle, ein einziger, jemand, niemand, jedermann und jedweder besinnt. Wir müssen also auch diese nicht vergessen. Dieses man, heißt fast soviel als jemand; nur daß es noch einen viel allgemeinern Gebrauch hat. Es ist aber eben sowohl unabänderlich, als das Wörtchen es, welches sich gar in der geschwinden Aussprache mit Wegwerfung des e, hinten an die Wörter[340] henken läßt. Z.E. ich habs ihm gesaget; er hats gesehen; er wirds thun. Das einer ist hier kein bloßes Zahlwort; wenn man saget: Was einer nicht gelernet hat, das kann er auch nicht. Denn es heißt soviel, als: was man, oder was jemand nicht gelernet hat etc.

21 §. Wir wollen also das Muster der Abänderung an keiner geben.


Einfach. Vielfach.
Keiner, keine, keines, Keine,
keines, keiner, keines, keiner,
keinem, keiner, keinem, keinen,
keinen, keine, keines, keine,
– – – – – – – – –
von keinem, keiner, keinem. von keinen.

Nach diesem richtet sich auch einer, nur daß dieses keine vielfache Zahl hat. Dafür aber können beyde und alle gelten, welche nur in der mehrern Zahl statt haben. Weil man also sagen kann, sie gehöreten dazu: so wollen wir sie zusammen paaren:


Einfach. Zwiefach. Vielfach.
Einer Eine Eins Beyde Alle
eines, einer, eines, beyder, aller,
einem, einer, einem, beyden, allen,
einen, eine, eins, beyde, alle,
o du einer, eine, eines, o ihr beyde! ihr alle!
von einem, einer, einem. von beyden. von allen.

Hergegen mancher und solcher, haben auch die mehrere Zahl, und gehen ohne alle Geschlechtswörter, so:


Einfach. Vielfach.
Mancher, manche, manches, Manche,
manches, mancher, manches, mancher,
manchem, mancher, manchem, manchen,
manchen, manche, manches, manche,
– – – – – – – – – – – –
von manchem, mancher, manchem. von manchen.

[341] 22 §. Ein jeder, ein jeglicher, ein jedweder, und ein einziger, richten sich ebenfalls mehrentheils nach diesem Muster; nur, daß das ein, auch für sich alle Abänderungen leidet; und gleichfalls keine mehrere Zahl hat.


Einfach. Vielfach.
Ein jeder, eine jede, ein jedes, fehlet
eines jeden, einer jeden, eines jeden, bey
einem jeden, einer jeden, einem jeden, allen,
einen jeden, eine jede, ein jedes, ausgen.
– – – – – – – – – die
von einem jeden, einer jeden, einem jeden. einzigen.

Was die übrigen anlanget, so haben sie gleichfalls ihre eigene Art der Abänderungen; wie wir gleich sehen wollen:


Jemand, Niemand, Jedermann,
Jemandes, Niemandes, Jedermanns,
Jemanden, Niemanden, Jedermann,
Jemanden, Niemanden, Jedermann,
– – – – – – – – –
von Jemanden. Niemanden. Jedermann.

In der vielfachen Zahl sind sie ihrer Bedeutung nach ungewöhnlich. Es ist ein Misbrauch, wenn viele, die aus gewissen Landschaften sind, in der ersten Endung zu sagen pflegen, jemands; oder in der sechsten, von jemandsen, niemandsen. Falsch ist auch jedermands, in der zweyten Endung: denn weil die erste kein d hat, so kann es auch die zweyte nicht bekommen. Außer dem s der zweyten Endung aber, nimmt dieß Wort keine weitere Bildung an; sondern bleibt in allen Verbindungen ganz unabänderlich.

Fußnoten

1 So hat der berühmte Ritter Hans von Schwarzenberg, im Anfange des XVI Jahrhunderts, den Cicero verdeutschet, und alle Römer einander du nennen lassen. S. seine übersetzten Officia, die er, von den tugendlichen Ämtern, gegeben hat; imgleichen den so genannten Teutschen Cicero, darinn das Buch dieses Römers, von dem Alter und von der Freundschaft enthalten sind. Auch in Nytharts verdeutschtem Terenz, der 1499 zu Ulm, in Fol. gedruckt worden, bemerket man eben dieses.


2 Schon am Ende des XV Jahrhunderts hat Hinrik von Alkmar, in Reineken dem Fuchse, alle Thiere einander ohne Unterschied mit ihr und euch anreden lassen! so gar, daß auch König Nobel, der Leu, die geringern Thiere eben so höflich anredet, als sie ihn anreden. Gleichwohl ist in fürstlichen Kanzleyen noch eine Spur der alten Art übrig, wenn große Herren ihre Edelleute und Amtleute, mit Du, Dir, Dich, anreden; da sie doch die Gelehrten, als Geistliche, ihr nennen. Der Kaiser nennet in öffentlichen Schreiben auch Fürsten, Du.


3 Man machet hier den Einwurf: man spräche gleich wohl, Ihre Majestät haben befohlen; und da sollte das haben uns erinnern: daß es heißen müßte, Ihre und nicht Seine Majestät. Wenn dem also wäre, so müßte das Ihre der PLURALIS seyn: denn wäre es ein SINGULARIS, so schicket es sich eben so schlecht zum haben, als Seine. Nun ist es aber ein bloßer SINGULARIS, wie aus dem nebenstehenden Majestät erhellet. Denn Majestäten saget man nur in dem Falle, wo von zwoen oder mehrern königlichen Personen die Rede ist. Und wenn man bisweilen von einer so redet, so ist es ein Misbrauch. Reden große Herren von sich in PLURALI; Wir etc. so bedeutet dieß, aus Bescheidenheit, Sie und ihren Rath, ohne den sie nichts befehlen. Die Räthe aber sind keine Majestäten. Es ist also in der neuen Art von Höflichkeit ein handgreiflicher SOLŒCISMUS, der durch das Ihre oder Ihro nicht gut gemachet werden kann. Und man sollte ihn desto mehr abschaffen, da er nach einer für freye Deutsche ganz unanständigen Niederträchtigkeit schmecket. In der ganz alten fränkischen Sprache ist keine Spur von solcher gezwungenen Redensart. Ottfried redet, in seiner Zueignungsschrift an König Ludwigen, immer in der dritten Person, ohne ihn damit anreden zu wollen.


Themo, tihton ich thiz buah,

Oba er das habe ruah,

Oda er thaz gewinnet scit,

thaz er sa lezan heizit etc.


Dem dichte ich dieß Buch,

Ob er etwa geruhe,

Oder Zeit gewinne,

Daß er es lesen heißt.


Und schreiben die Alten gleich iro, anstatt ihre, so schreiben sie auch sinemo, sinero, thinero, d.i. seinem, seiner, deiner, u.d.gl. themo, wemo, für dem, wem. Wer eins behalten wollte, der müßte alle behalten.


4 Es wäre denn, daß einige andere Wörter darzwischen kämen, etc. Z.E. Unser keiner lebet ihm selber, unser keiner stirbt ihm selber, etc. wo aber das ihm unrichtig ist. S. den folg. §.


5 Folglich hat D. Luther, sowohl in der obigen Stelle, als sonst in der Bibel und in andern Schriften, ganz unrecht das ihm für sich gesetzt. Unser keiner stirbt sich selber etc. sollte es heißen. Auch Opitz hat hierinn bisweilen gefehlet: z.E. in dem Lobg. auf König Vladislas:


daß ihm der Ackersmann

Zur Ärnte keinen Trost noch Hoffnung machen kann.


Allwo es heißen sollte: daß sich der Ackersmann. Einige seiner Landsleute pflegen darinn auch noch itzo zu straucheln.


6 Vieleicht kömmt das daher, weil die Lateiner nur das eine PRONOMEN POSSESSIVUM in der dritten Person haben, SUUS, SUA, SUUM, welches sich auf beyde Geschlechter schicken muß. Die Franzosen sind ebenfalls nicht reicher hierinn: wir Deutschen aber haben für jedes Geschlecht eins, sein, seine, sein, und ihr, ihre, ihr.


7 Die Herren Thüringer, Franken und Schwaben haben den Ruf, daß sie nicht nur in diesen, sondern fast in allen andern Wörtern das n am Ende verbeißen. Daher sprechen sie, lebe', gebe', nehme', anstatt leben, geben, nehmen. Ob das schön gesprochen sey, weis ich nicht. Indessen sieht man, von wem die Franzosen ihre Nachläßigkeit in Aussprechung der letzten Syllben gelernet haben.


8 Der sel. Hofrath Geßner stund hier in den Gedanken, für sey altfränkisch, und vor sey neu deutsch; seitdem man anstatt des untrennbaren Vorwortes vor, angefangen hätte ver, zu schreiben. Allein, hier kann man leicht zeigen, daß vor eben so alt ist, als für; und zwar in eben dem Unterschiede der Bedeutungen, die ich angebe: so wie in einer besondern Abhandlung in den kritischen Beyträgen erwiesen worden. In Notkers 43stem Psalme (S. Schilters THES. TOM. I.p. 98. im 17ten V.) steht: PRO PATRIBUS TUIS NATI SUNT FILII etc. Fure die Apostolos, die er uuaren, sind dir uuorden ihro chind; und im 46sten Ps. im 1 V. die uuurden ju fore gezeichnet, mit dero chinde etc. d.i. die wurden auch vorbedeutet durch ihr Kinder. Auch steht in des 54sten Ps. 3tem V. Unde bin getruobet fore des etc. fiendes Stimme, unde fore dero pinun des sundigen, d.i. ET CONTURBATUS SUM A VOCE INIMICI, ET A TRIBULATIONE PECCATORIS. S, auch den 9ten V. wo das for wiederum zweymal vorkömmt; imgleichen den 5ten V. des 53sten Cap. ne habeton sie Gott fore Augen. So sind denn diese beyden Wörter gleich alt, nämlich aus dem 10ten Jahrhunderte. Das ver aber, als ein untrennbares Vorwort, ist eben so alt, ob es gleich auch in viel neuern Schriften, als vor geschrieben und gedrucket worden. Notker hat in diesen Psalmen ferloren, fernim, ferchoren, ferchurin, ferbrennet, ferfuorton, u.a.m.


9 Z.E. Das ist der Gelehrte, welcher das Buch geschrieben hat. Sieh da, die Frau, welcher Tochter dein Bruder hat. Dieß ist das Buch, welchem ich so gut bin. Das ist der Jünger, welchen Jesus lieb hatte. Es kömmt die Zeit, von welcher ich euch gesaget habe etc. Leute, welche sich klug dünken lassen; welcher Ehre zu Schanden wird, welchen der Bauch ihr Gott ist, welche das Unglück treffen wird, welches sie andern bereitet haben; und von welchen noch keiner der Strafe entgangen ist.


10 Man sehe hiervon im engländischen Zuschauer, die Spötterey über einige Schriftsteller seines Volkes, die selbiges in allerley Bedeutung gar zu oft hintereinander brauchen, im I Bande, a.d. 399 S.


11 Z.E. Das jenige Buch, so sie mir angepriesen haben etc. nicht der Mann, so sie mir, sondern den, oder welchen sie mir gerühmet; auch nicht die Frau, so ihnen schön dünket, sondern welche, oder die ihnen gefällt. Imgleichen der Kutscher, die Kutsche und die Pferde, so mich bedienet haben, gefallen mir sehr wohl. Bisweilen bedienet man sich auch der Bindewörter, da, und wo, anstatt des beziehenden Fürwortes; sowohl wenn sie durch ein Vorwort regieret werden, als wenn sie allein stehen. Z.E. der Ort, wo durch ich gegangen bin, das Geld, dafür ich Bürge geworden; der Weg, wo das Vieh weydet, oder wo hin das Heer geht.[342]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 326-343.
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Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

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