177. Die goldene Laus bei Bismark.236

[159] Außerhalb der Stadt Bismark ist eine wüste Kirche gelegen gewesen, neben welcher ein schöner Kirchhof sich befindet, so zum h. Kreuze auch Maria Himmelskönigin genannt worden. Im Jahre 1350 ist zu derselben eine Wallfahrt entstanden, indem man daselbst ein Kreuz gehabt und vorgegeben, daß bei demselben viel Zeichen geschähen, wäre also häufig zugelaufen und geopfert worden, daß sich auch die Leute unter einander über dem Opfer erschlagen hätten, worüber auch die Wallfahrt wieder gefallen. Ein Weg geht noch auf den Kirchhof zu, welcher noch jetzt die heilige Straße genannt wird, vermuthlich daher, weil unter dem Papstthum die Prozession oder Wallfahrt durch diesen Weg nach der Kirche zu angestellt worden. Zu dieser mußte[159] früher selbst der Bischof von Halberstadt hierher kommen. Es geschahen aber fortwährend in der Kirche viele Wunder. Das merkwürdigste in derselben war aber eine große Laus, welche oben auf dem Thurme über dem Gewölbe der Kirche an einer goldnen Kette festgehalten wurde. Diese Laus verzehrte täglich ein Pfund Fleisch, und ist so groß gewesen, daß man sie unten in der Kirche hat ganz deutlich sehen können, wenn sie, wie das an den Wallfahrtstagen geschehen, oben vom Gewölbe her gezeigt worden ist. Eine Abbildung dieser Laus hat man unten an der Thurmmauer gesehen, die Kirche freilich ist jetzt längst zerstört, aber ihre Trümmer sieht man noch auf dem Felde unweit Bismark auf der Seite nach Stendal zu. Sie heißen jetzt die goldne Laus oder auch die verwünschte Laus.

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Nach Angelus S. 155. Beckmann Th. V. Bd. I. S. 75 und Verbesserungen S. 27. Ueber die Altmark Th. II. S. 229.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 159-160.
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