279. Die Cardinalsbirnen zu Magdeburg.344

[230] Im Jahre Christi 1453 hat der Papst den Barfüßermönch Johann Capistran mit andern seiner Brüder mehr ins Land Böhmen gesendet. Der kam auch nach Magdeburg mit dem Erzbischof und ward von der ganzen[230] Klerisei und der Gemeinde mit Kreutzen und Fahnen prächtig empfangen, man baute ihm einen Palast auf dem Neuen Markte, davon herab er predigte. Er predigte aber Lateinisch (denn er war ein Wehle), gemeiniglich zwei oder dritthalb Stunden, und hatte einen Doctor desselben Barfüßer-Ordens, von deutscher Geburt, bei sich, der that ihm alsbald die Predigt zu deutsch nach, das verlief sich auch wohl auf zwei Stunden, so daß ihrer beiden Sermon nicht kürzer als 4 bis 5 Stunden währte. Er trieb das Gesetz mit besonderem Ernst und predigte mit solchem Ernst und Eifer, daß man ihm alle Wurftafeln, Currerspiel, Würfel, Karten, Gaukelsäcke, Larven, sammt anderen Spielgeräthen, und die Frauen ihre Schnüre und Haare, die sie pflegen vorzubinden, und ihre Bretter, darauf sie ihre Schleier und Tücher zu kleistern oder anzustärken pflegen, brachten, und verbrannten sie auf dem Neumarkt öffentlich. Dieser Capistran soll zu Magdeburg einstmals sehr gute wohlschmeckende Birnen gegessen und dieselben gesegnet oder geweiht haben, daher sie Cardinalsbirnen geheißen wurden, welchen Namen sie noch heute zu Magdeburg haben.

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Nach Pomarius F.T. ij. (verso).

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 230-231.
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