493. Die Sage von dem Kloster Sittichenbach.584

[454] Im königl. preuß. Regierungsbezirke Merseburg, da, wo jetzt das Dorf Sittichenbach liegt, hat sich früher ein Cisterzienserkloster gleiches Namens befunden. Dasselbe ist sehr reich gewesen und hat sogar Münzen prägen lassen; nach seiner Zerstörung ist es aber daselbst umgegangen, ja eines Tages hat[454] man daselbst an dem Orte, wo es gestanden, am hellen Tage zwischen 11 und 12 Uhr eine ganze Prozession Mönche mit einem vor ihnen hergetragenen Crucifix gesehen, welche aus einem alten Keller herauskamen, rings um den Raum, den das Kloster früher einnahm, herumzogen, dann wieder in den Keller zurückgingen und daselbst verschwanden. Noch zu Anfange des vorigen Jahrhunderts hat man in dem Giebel des Kuhstalles auf dem Rittergute daselbst im Hofe einen rothen viereckigen Sandstein, mit Kalk eingemauert, wahrnehmen können, auf welchem folgende Figur ausgehauen war: ein großer Triangel, oben mit einem Scepter und unten auf einem mit Gras bewachsenen Hügel einen liegenden Löwen, hinter welchem ein Mönch, der ein Buch vor sich hat, kniet und dabei die rechte Hand mit zwei aufgereckten Fingern nebst dem Daumen emporhebt. Es hat sich nun um das Jahr 1629 ein Mönch aus Erfurt, der mit den geheimen Wissenschaften wohl vertraut war, dorthin begeben, sich diese Figur angesehen und mit Hilfe des Schlüssels Salomonis, des bekannten Zauberbuchs, herausgebracht, diese Figur sei allegorisch und bedeute, daß hier ein großer Schatz liege. Der Scepter zeige an, daß derselbe ein Königreich werth sei, der Löwe bedeute die Goldtinctur oder Stein des Weisen, der Mönch, der hinter dem Löwen kniet und zwei Finger über das aufgeschlagene Buch hält, zeige die Person an, die die Tinctur verfertigt habe und solches gleichsam mit einem Eide betheuere, der Triangel aber gebe zu verstehen, daß der Schatz gut verwahrt werde und daß ihn so leicht Niemand bekommen solle. Um dieselbe Zeit arbeitete bei dem dortigen Gutsverwalter Hans Stiel ein Kürschner, welcher erzählte, sein Großvater sei ein Maurer gewesen, der habe den Mönchen zu Sittichenbach nebst einem andern Gesellen einen theuern Eid schwören müssen, dann hätten diese zusammen ein ganzes Jahr hindurch heimlich Gewölbe machen müssen, die Mönche hätten sie alle Sonnabende für ihre Arbeit stattlich belohnt, allein auf einmal wären sie beide weggewesen und man habe nie erfahren können, wohin sie gekommen seien. Da man nun späterhin in der Nähe des Klosters ein am Eingange enges, dann aber sich zu einem weitläufigen Gange erweiterndes Loch gefunden hat, welches weit hinein durch den harten Felsen geht und sich darin eine Ader gelber Erde etwa zwei Finger tief in den harten Stein hinein verfolgen läßt, so hat man angenommen, es sei dies ein güldener Schwefel gewesen, mit welchem die Mönche vielleicht tingirt haben mögen, womit dann die erwähnte allegorische Figur erklärt wäre.

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S. Varamandus, Nachrichten von Schätzen S. 58 sq. und Schamelius, Histor. Beschreibung des alten Klosters Oldisleben etc. Naumburg 1730. S 117 sq.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 454-455.
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