780. Der Feldberg.

[695] (S. Enslin a.a.O. S. 15 etc.)


Der höchste Berg des Taunusgebirges ist der große Feldberg. Sein Gipfel ist 6 Stunden von Frankfurt a.M. entfernt und 2721 Fuß über der Meeresfläche. Auf der nordöstlichen Seite seiner kahlen, fast nur mit kümmerlichem Haidekraut bewachsenen flachen Kuppe erhebt sich ein zerklüfteter Quarzfels, welcher 12-14 Fuß hoch ist und 80 Fuß im Umfange hat. Er heißt Brunhildenstein (auch Teufelskanzel) und wurde in frühern Zeiten auch wohl Agrippinentempel und Venusstein genannt.

Nach der gewöhnlichen Sage soll er seinen Namen Brunhildenstein von jener grausamen Brunhilde, der Gemahlin Siegberts, Königs von Austrasien haben, die im achtzigsten Jahre wegen vieler von ihr begangenen Greuelthaten drei Tage lang gefoltert und endlich noch von einem wilden Rosse, an dessen Schweif sie gebunden worden war, zu Tode geschleift ward (613). Sie soll den Feldberg oft bestiegen, hier auch ein Schloß gebaut haben, welches sie ihr Bett nannte, und endlich unter jenem Felsen begraben worden sei.

Einer andern Sage nach109 rührt jedoch der Name Bettstein oder Bette der Brunhildis, lectulus Brunnihilde, der schon in Documenten des 11. Jhdts. nachzuweisen ist, von jener Brunhilde her, welche Sigurd in Frakland (d.h. Frankenland) in Hirdar Fiäld fand.

Zu der Zeit, als Bernhard von Clairvaux in Frankfurt das Kreuz predigte, pilgerte auf den Feldberg sehr oft die h. Hildegard aus ihrem Kloster Ruppertsberg bei Bingen an der Nahe hierher und flehte, daß Gott die Herzen der Menschen erweichen und den Worten des h. Bernhard Eingang in dieselben verschaffen möge. Knieend auf hartem Steine, dem Brunhildenfelsen, rang sie hier die Hände von früh bis zum Abend, endlich ermattete sie und sank auf denselben nieder, allein durch ein Wunder Gottes ward der Stein zu einem weichen Lager für sie, auf welchem sie sanft einschlummern konnte, und als sie am nächsten Morgen erwachte, war auf der Stelle, wo ihr Haupt geruht hatte, der Eindruck desselben zu sehen, wie heute noch jeder, der dorthin kommt, bemerken kann.

109

S. Frankfurter Archiv f. Kunst 1839 H. II. S. 1.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 695.
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