782. Der Altkönig und die Pfingstweide.

[696] (Nach Enslin S. 228 etc.)


Der Altkönig ist nächst dem großen und kleinen Feldberg der dritthöchste Berg im Taunusgebirge, derjenige der nach der Frankfurter Seite vor dem Feldberg steht und den Frankfurtern die Ansicht des letztern nicht zuläßt. Nach der Erzählung der Umwohner hat früher ein türkischer (!) Kaiser hier oben ein Schloß gehabt, worin er mit seinen vielen Frauen hauste und wovon angeblich noch die zwei aus Quarzblöcken bestehenden Ringwälle, welche seinen Gipfel umgeben, Zeugniß geben sollen. In einem Kriege ist das Schloß zerstört und der Sultan verjagt worden, seine Schätze aber liegen in dem Berge vergraben und werden von feurigen Geistern bewacht, welche diejenigen, welche nach ihnen graben, mit Steinen zu werfen pflegen. Einst wird aber der Sultan wiederkehren und sein Schloß wird er aufbauen und dann werden auch die Schätze wieder zu Tage kommen.

Auch an andern Orten in dieser Gegend, besonders zwischen Soden und Neuenhain liegen viele Schätze begraben, oft ist nach ihnen gesucht worden, allein die Polizei hat sich stets hineingemischt und das Schatzgraben untersagt. Einmal aber, sagt man, hätten die Schatzgräber doch eine schwere Kiste gefunden, hätten sie aber nicht aufmachen können, sie wären also mit derselben auf die sogenannte Pfingstweide110 gekommen und da ihnen kein Schlosser dieselbe habe zu öffnen vermocht, hätten sie solche einstweilen vergraben, um sie später wieder zu holen. Wie sie aber wieder dorthin gekommen seien, hätten sie den Platz, wo sie selbige eingescharrt hatten, nicht wieder finden können. Um dieses zu können, müsse man einen sogenannten Erdspiegel haben, der zeige den Ort an, aber nicht Jedwedem, sondern nur Sonntagskindern.

110

Die Pfingstweide am Ostende der Stadt gelegen diente früher (s. 1733) den Waisenkindern am Pfingstfeste zu ihrem großen Spieltage, an dem sie mit Reisbrei und Kalbsbraten gespeist wurden (am sogenannten Reisbreifeste). Von dieser Waisenspeisung zu Pfingsten scheint jene große Wiese ihren Namen zu haben (Frankfurter Waisengrün). Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts wird aber dieses Fest im Frankfurter Walde auf dem Forsthause gefeiert.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 696.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band