Epilog

Wie der Somma Reben sprießen

Auf vesuv'schem Schuttgerölle,

Als ob eine Saat von Grüßen

Aus versunknen Tempeln quölle;


Hätt' es Einer ahnen mögen,

Daß der Heidengötter Grabe

Einst entsteigt solch schöner Segen,

Dran manch guter Christ sich labe?


Wie zu Worms der Reben Kette

Um den Dom der Liebenfraue

Reich sich rankte an der Stätte

Der verbrannten Klosterbaue;


Wäre Ahnung wem geworden,

Daß einst gaukelnd um die Grüfte

Bärt'ger Kapuzinerhorden

Solch ein lieblich Träumen düfte?
[157]

Mögt ihr Reben aus dem Schutte

Fort und fort so herrlich wallen,

Bis zu duft'gem, saft'gem Schutte

Selber ihr im Herbst zerfallen!


Südens Reben, Nordens Reben,

Laßt empor die Ranken schießen,

Daß sie riesenhoch sich heben,

Beider Wipfel sich umschließen!


Wölbt euch dicht und schön zur Laube

Für die Freunde und den Dichter!

Südens Traub' an Nordens Traube

Und dazwischen Sonnenlichter!


Freunde, laßt uns lagern drunter

In dem grünen Dom der Zecher!

Keltert von den Trauben munter

In die tiefen goldnen Becher!


Und es werden selbst die Frommen,

Traun, uns nicht zu schelten taugen,

Da, durch Christi Thrän' entglommen,

Milch der Liebenfrau wir saugen!


Oeffn' ein bischen, Laubgewinde,

Uns zur Aussicht deine Halle,

Daß sich durch die sonn'gen Gründe

Unser Aug', ergehend, walle;


Daß wir durch den Kranz von Reben

Goldne Saaten wogend schauen,

Dorf und Kirchthurm blank sich heben,

Strom und ferne Meere blauen.
[158]

Und die Burg mit morschen Warten,

Die als Puppe hängt am Hügel,

Doch vielleicht als Rebengarten

Schlägt einst schöne Falterflügel!


Seht im Wind das Laub sich kräuseln!

Mög' es einst, wenn Hörer lauschen,

Wie ein frisches Laubessäuseln

Auch durch unsre Lieder rauschen!


Herz an Herz, und Arm' in Armen!

Weckt die jungen Keim' im Boden,

Daß sie meinen, zu erwarmen

Schon durch Frühlings lauen Odem!


Laßt ertönen die Gesänge,

Daß die Rosen in den Tiefen

Früh'r erweckt, als ob die Klänge

Eines Lenzes wach sie riefen!


Und umlacht von Blüthenscherzen

Und umspielt von Zephyrs Kosen,

Süße Hoffnungen im Herzen,

Sinken wir einst in die Rosen.

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 154-159.
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Schutt
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