Zweite Szene

[175] Ein offner Platz zwischen dem finnischen und schwedischen Lager. – Nacht.

Irnak tritt auf; gleich darauf kommt Usbek.


IRNAK.

Wer geht da? – Wie? Bist du es Usbek?

Es ist mir lieb, daß ich dich treffe!

USBEK.

Mein Diener hat mich aufgeweckt; er sagte,

Man säh am Himmel blutge Meteore

Und gräßliche Erscheinungen!

IRNAK.

Ja,

Die Nacht ist unheilschwanger –

– Wisse! die Schweden haben etwas vor; sie

Sind alle wach; – schon seit 'ner Viertelstunde

Umschleiche ich ihr Lager –

Sie legen sich die Panzer an!

USBEK.

Die Panzer?

Irnak! mir ahnt nichts Gutes!

IRNAK.

Und

Mir auch nicht! Dieser Gothland, den

Wir uns in unsrem Wahnsinne

Zum König wählten, haßt uns, und

Ich traue ihm das Schlimmste zu –

Doch still!

Ich höre Schritte!


Gustav tritt auf.


Es ist Gothlands Sohn!

USBEK.

Den senden uns die Götter! Ich

Will ihn verhaften!

IRNAK.

Laß das erst![175]

Er kommt vielleicht um seinen Vater zu

Verraten.

USBEK.

Wie? So unnatürlich schurkisch wird

Er doch nicht sein?

IRNAK.

Wer weiß, Berdoa hat

Ihn in der Schul gehabt!

GUSTAV die beiden gewahrend.

Ha, seid ihr es?

Ich hab euch Wichtiges zu sagen!

IRNAK.

Was denn?

GUSTAV.

Ihr wißt auf welche schnöde Art mein Vater

Durch Rossan mich beschimpfen ließ!

IRNAK.

Wir wissen es nur allzu gut!

GUSTAV.

Jetzt räch ich mich an ihm und zwar durch euch!

IRNAK.

Durch uns?

GUSTAV.

Ja, Irnak! Höre nur!

Mein guter Vater hat den Plan gefaßt,

Das ganze Finnenheer noch heute nacht

Dem Schwerte seiner Schweden auszuliefern!

USBEK.

Entsetzlich! greulich! greulich!

IRNAK.

Was?

Das ganze – (O die Zunge wird mir lahm!)

Das ganze Heer der Finnen?

GUSTAV.

Rossan ist

Der Einzge, welchen man vielleicht

Verschont!

USBEK.

O wenn der Mohr nur noch

An unsrer Spitze stände!

GUSTAV.

Rossan hat

Befehl, ihn hinzurichten.

USBEK.

Wohl,

So gilt es, daß wir uns auch ohne ihn

Verteidgen!


Er will abgehn.


IRNAK hält ihn zurück.

Geh nicht!

Dort in dem nächsten schwedschen Zelte

Spricht jemand! Horch!

ROSSAN im Zelte.

Mohr, wache auf!

BERDOA.

Wer weckt mich?

ROSSAN.

Dein Feind, du afrikan'scher Affe! Er

Will dir den übermütgen Kopf abschneiden![176]

USBEK, IRNAK UND GUSTAV.

Ho, Hund! das wollen wir dir wehren!


Sie stürzen mit gezogenen Schwertern in das Zelt; kurzes Gefecht; Rossan fällt und stößt einen Todesschrei aus; Usbek, Irnak und Gustav kommen mit Berdoa, welcher noch gefesselt ist, zurück.


BERDOA.

Reißt mir die Ketten ab!


Es geschieht.


Ich bin befreit!

Ich werd euch ewig dankbar sein!

USBEK.

Wir haben dich gerettet,

Jetzt rette uns!

BERDOA.

Wovon?

USBEK.

Vom Untergange!

Der König Gothland will heut nacht

Die finnische Armee ermorden lassen!

BERDOA.

Von wem erfuhrt ihr das?

USBEK auf Gustav deutend.

Sein Sohn verriet ihn.

BERDOA.

Sein Sohn? Das ist ja herrlich!


Zu Gustav.


Laß

Dich küssen, Goldjunge!


Beiseit.


Das muß ich sagen!

Dem Rangen hat meine Lehr gefruchtet!

Er ist ein wahrer Bösewicht

Gewor –


Laut, indem er ihn umarmt.


An meine Brust! an meine Brust!

Du bist mein Herzblatt!


Beiseit.


Sicher höre ich

Ihn einstens in der Hölle jammern!


Laut.


An dir erlebe ich noch meine rechte Freude!


Beiseit.


Der kleine sechzehnjährge Teufel!


Laut.


Ei, du Engel!

Du Zuckerpüppchen!


Er streichelt und liebkoset ihn. – Geräusch hinter der Szene.


USBEK.

Horch! welch seltsames

Geräusch! Es klingt beinah, als wenn[177]

Zehntausend Schnitter ihre Sensen schliffen!

IRNAK.

Es sind Arbogas Scharen!

Sie wetzen sich zu unsrem Mord die Degen!

BERDOA horcht auf.

Fürwahr, so ists! – Es gilt Entschlossenheit:

Harnische angezogen, – Äxte in

Die Fäuste! Dolche an die Hüfte!

Erweckt die Finnen aus dem Schlafe!

Stellt sie in Schlachtordnung zusammen!

Und während


Zu Usbek.


du mit ihnen dem

Arboga widerstehst, will ich

Mit Irnak und sechs andren Hauptleuten

Mich durch das Schwedenlager schleichen,

Den König Gothland, eh er sichs versieht,

In seinem eignen Zelt umzingeln, und

Gefangen ihn von dannen führen!

GUSTAV.

Hihihi! dann wird der Herr Vater einsehn, daß

Man mich nicht ungestraft verletzt!

BERDOA.

Ja!

Dann wird ers einsehn! – – O du Zuckerpüppchen!

Du Engel! Wie du mich entzückst! Ich könnte

Dich jahrelang umarmen! – –

Kommt!


Gehen ab.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 175-178.
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