Das siebzehnte Kapitel.

[127] Simplex sieht Hexen zum Tanz hinwegfahren,

Kommt auch zu ihren verteufelten Scharen.


Unter währendem diesem meinem Umschweifen haben mich hin und wieder in den Wäldern unterschiedliche Bauersleute angetroffen; sie seind aber allzeit vor mir geflohen, nicht weiß ich, wars die Ursache, daß sie ohndas durch den Krieg scheu gemacht, verjagt und niemals recht beständig zu Haus waren, oder ob die Schnapphahnen diejenige Abenteur, so ihnen mit mir begegnete, in dem Land ausgesprengt haben, also, daß hernach diese, so mich nachgehends gesehen, ingleichem geglaubt, der böse Feind wandere wahrhaftig in selbiger Gegend umher. Einsmals gieng ich in dem Wald etliche Tage in der Irr herum, derowegen mußte ich sorgen, das Proviant möchte mir aufgehen und ich dadurch endlich ins äußerste Verderben kommen, ich wollte dann wieder Wurzeln und Kräuter essen, deren ich nicht mehr gewohnt war. In solchen Gedanken hörete ich zween Holzhauer, so mich höchlich erfreuete; ich gieng dem Schlag nach, und als ich sie sahe, nahm ich eine Handvoll Dukaten aus meinem Säckel, schlich nahe zu ihnen, zeigte ihnen das anziehende Gold und sagte: »Ihr Herren, wann ihr meiner wartet, so will ich[127] euch die Handvoll Gold schenken!« Aber sobald sie mich und mein Gold sahen, ebenso bald gaben sie auch Fersengeld und ließen Schlegel und Keil samt ihrem Käs und Brotsack liegen. Mit solchem versahe ich meinen Ranzen wieder, verschlug mich in den Wald und verzweifelte schier, mein Lebtag wieder einmal zu Menschen zu kommen.

Nach langem Hin- und Hersinnen gedachte ich: »Wer weiß, wie dirs noch gehet; hast du doch Geld, und wann du solches zu guten Leuten in Sicherheit bringest, so kannst du ziemlich lang wohl darum leben.« Also fiel mir ein, ich sollte es einnähen; derowegen machte ich mir aus meinen Eselsohren, welche die Leute so flüchtig machten, zwei Armbänder, gesellete meine hanauische zu den schnapphahnischen Dukaten, tät solche in besagte Armbänder wohl arrestieren und oberhalb den Ellenbogen um meine Arme binden. Wie ich nun meinen Schatz dergestalt versichert hatte, fuhr ich den Bauren wieder ein und holte von ihrem Vorrat, was ich bedorfte und erschnappen konnte. Und wiewohl ich noch einfältig gewesen, so war ich jedoch so schlau, daß ich niemal, wo ich einst einen Partikul geholt, wieder an dasselbige Ort kam; dahero war ich sehr glückselig im Stehlen und ward niemals auf der Mauserei ertappt.

Einsmals, zu Ende des Mai, als ich abermal durch mein gewöhnlich, obzwar verbotenes Mittel, meine Nahrung holen wollte und zu dem Ende zu einem Baurnhof gestrichen war, kam ich auf das allerheimlichste in die Küche, merkte aber bald, daß noch Leute auf waren (Nota, wo sich Hunde befanden, da kam ich wohl nicht hin); derowegen sperrete ich die eine Küchentüre, die in Hof gieng, angelweit auf, damit, wann es etwan Gefahr setzte, ich stracks ausreißen könnte, blieb also mausstill sitzen, bis ich erwarten möchte, daß sich die Leute niedergeleget hätten. Unterdessen nahm ich eine Spalte gewahr, die das Küchenschälterlein hatte, welches in die Stube gieng; ich schlich hinzu, zu sehen, ob die Leute nicht bald schlafen gehen wollten. Aber meine Hoffnung war nichts, dann sie hatten sich erst angezogen und anstatt des Liechts eine schweflichte blaue Flamme auf der Bank stehen, bei welcher sie Stecken, Besem, Gablen, Stühle und Bänke schmierten und nacheinander damit zum Fenster hinausflogen. Ich verwunderte mich schröcklich und empfand ein großes Grauen; weil ich aber größerer Erschröcklichkeiten gewohnt war, zumal mein Lebtag von den Unholden weder gelesen noch gehöret hatte, achtete ichs nicht sonderlich, vornehmlich weil alles so still hergieng, sondern verfügte mich, nachdem alles davongefahren war, auch in die Stube, bedachte, was ich mitnehmen[128] und wo ich solches suchen wollte, und satzte mich in solchen Ge danken auf eine Bank schrittling nieder. Ich war aber kaum aufgesessen, da fuhr, ja schnurrte ich samt der Bank gleichsam augenblicklich zum Fenster hinaus und ließ meinen Ranzen und Feuerrohr, so ich von mir geleget hatte, vor den Schmierberlohn und so künstliche Salbe dahinten. Das Aufsitzen, Davonfahren und Absteigen geschahe gleichsam in einem Nu! Dann ich kam, wie mich bedunkte, augenblicklich zu einer großen Schar Volks, es sei dann, daß ich aus Schrecken nicht geachtet habe, wie lang ich auf dieser weiten Reise zugebracht. Diese tanzten einen wunderlichen Tanz, dergleichen ich mein Lebtag nie gesehen; dann sie hatten sich bei den Händen gefaßt und viel Ring ineinander gemacht mit zusammengekehrten Rücken, wie man die drei Grazien abmalet, also, daß sie die Angesichter herauswarts kehrten. Der inner Ring bestund etwan in 7 oder 8 Personen; der ander hatte wohl noch so viel, der dritte mehr als diese beide, und so fortan, also daß sich in dem äußern Ring über 200 Personen befanden. Und weil ein Ring oder Kreis um den andern links- und die andere rechtsherum tanzten, konnte ich nicht sehen, wieviel solcher Ringe gemachet, noch was sie in der Mitten, darum sie tanzten, stehen hatten. Es sahe eben greulich seltsam aus, weil die Köpfe so possierlich durcheinander haspelten. Und gleichwie der Tanz seltsam war, also war auch ihre Musik; auch sang, wie ich vermeinte, ein jeder am Tanz selber drein, welches eine wunderliche Harmoniam abgab. Meine Bank, die mich hintrug, ließ sich bei den Spielleuten nieder, die außerhalb der Ringe um den Tanz herum stunden; deren etliche hatten anstatt der Flöten, Zwerchpfeifen und Schalmeien nichts anders als Nattern, Vipern und Blindschleichen, darauf sie lustig daherpfiffen. Etliche hatten Katzen, denen sie in Hindern bliesen und auf dem Schwanz fingerten: das lautete den Sackpfeifen gleich. Andere geigeten auf Roßköpfen wie auf dem besten Diskant, und aber andere schlugen die Harfe auf einem Kühgerippe, wie solche auf dem Wasen liegen. So war auch einer vorhanden, der hatte eine Hündin unterm Arm, deren leierte er am Schwanz und fingerte ihr an den Dütten. Darunter trompeteten die Teufel durch die Nase, daß es im ganzen Wald erschallete; und wie dieser Tanz bald aus war, fieng die ganze höllische Gesellschaft an zu rasen, zu rufen, zu rauschen, zu brausen, zu heulen, zu wüten und zu toben, als ob sie alle toll und töricht gewesen wären. Da kann jeder gedenken, in was Schrecken und Forcht ich gesteckt.

In diesem greulichen Lärmen und abscheulichem Wesen kam ein Kerl auf mich dar, der hatte eine ungeheure Krotte unterm[129] Arm, gern so groß als eine Heerpauke; deren waren die Därme aus dem Hindern gezogen und wieder zum Maul hineingeschoppt, welches so garstig aussahe, daß mich darob kotzerte. »Sieh hin, Simplici,« sagte er, »ich weiß, daß du ein guter Lautenist bist, laß uns doch ein fein Stückchen hören.« Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der Kerl mit Namen nannte, und in solchem Schrecken verstummte ich gar und bildete mir ein, ich läge in einem so schweren Traum, bat derowegen innerlich im Herzen Gott den Allmächtigen, daß er mich doch erwachen lassen und mir aus diesem Traum helfen wollte. Der mit der Krott aber, den ich steif ansahe, zog seine Nase aus und ein wie ein kalekutischer Hahn und stieß mich endlich auf die Brust, daß ich schier davon erstickte. Derowegen fieng ich an, überlaut zu Gott zu rufen, und sagte: »Herr Jesu Christe!« Kaum ward dies kräftige Wort ausgeredet, da verschwand das ganze Heer. In einem Hui ward es stockfinster und mir so förchterlich ums Herz, daß ich zu Boden fiel und wohl 100 Kreuz vor mich machte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 127-130.
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