Das neunte Kapitel.

[105] Simplex das Lob der Jungfrauen beschreibet

Und die Zeit darmit sehr vielen vertreibet.


Sobald ich ins Haus kam, mußte ich auch in die Stube, weil adelig Frauenzimmer bei meinem Herrn war, welches seinen neuen Narrn auch gern hätte sehen und hören mögen. Ich erschiene und stund da wie ein Stummer, dahero diejenige, so ich hiebevor beim Tanz erdappet hatte, Ursache nahm zu sagen, sie hätte ihr sagen lassen, dieses Kalb könne reden, so verspüre sie aber nunmehr, daß es nicht wahr sei. Ich antwortete: »So habe ich hingegen vermeinet, die Affen können nicht reden, höre aber wohl, daß dem auch nicht also sei.« – »Wie?« sagte mein Herr, »vermeinst du dann, diese Damen sein Affen?« Ich antwortete: »Seind sie es nicht, so werden sie es doch bald werden: wer weiß, wie es fällt; ich habe mich auch nicht versehen, ein Kalb zu werden und bins doch!« Mein Herr fragte, woran ich sehe, daß diese Affen werden sollen? Ich antwortete: »Unser Affe trägt seinen Hindern bloß, diese Damen aber allbereit ihre Brüste, dann andere Mägdlein pflegten ja sonst solche zu bedecken.« – »Schlimmer Vogel,« sagte mein Herr, »du bist ein närrisch Kalb, und wie du bist, so redest du. Diese lassen billig sehen, was sehenswert ist; der Affe aber gehet aus Armut nackend. Geschwind bringe wieder ein, was du gesündiget hast, oder man wird dich karbäitschen und mit Hunden in Gänsstall hetzen, wie man Kälbern tut, die sich nicht zu schicken wissen. Laß hören, weißt du auch eine Dam zu loben und abzumalen, wie sichs gebührt?« Hierauf betrachtete ich die Dame von Füßen an bis oben aus und hinwieder von oben bis unten, sahe sie auch so steif und lieblich an, als hätte ich sie heuraten und noch einmal umfangen wollen. Endlich sagte ich: »Herr, ich sehe wohl, wo der Fehler steckt; der Diebsschneider ist an allem schuldig, er hat das Gewand, das oben um den Hals gehört und die Brüste bedecken sollte, unten an dem Rock stehen lassen; darum schleift er so weit hinten hernach; man sollte dem Hudler die Hände abhauen, wann er nicht besser schneidern kann. Jungfer,« sagte ich zu ihr selbst, »schafft ihn ab, wann er Euch nicht so verschänden soll, und sehet, daß Ihr meines Knäns Schneider bekommt, der hieß Meister Paulgen; er hat meiner Meuder, unserer Ann und unserm Ursele so schöne gebrittelte Röcke machen können, die unten herum ganz eben gewesen sein; sie haben wohl nicht so im Dreck geschlappt wie Eurer. Ja Ihr glaubet nicht, wie er den fänzigen Huren so schöne Kleider machen können, darinnen[105] sie geprangt wie Barthel.« Mein Herr fragte, ob dann meines Knäns Ann und Ursele schöner gewesen als diese Jungfer? »Ach wohl nein, Herr!« sagte ich, »diese Jungfer hat ja Haar, das ist so gelb wie kleiner Kinderdreck, und ihre Scheiteln sind so weiß und so gerad gemacht, als wann man Säubürsten auf die Haut gekappt hätte; ja ihre Haare sein so hübsch zusammengerollt, daß es siehet wie hohle Pfeifen, oder als wann sie auf jeder Seite ein paar Pfund Liechter oder ein Dutzent Bratwürste hangen hätte. Ach! sehet nur, wie hat sie so eine schöne glatte Stirn; ist sie nicht feiner gewölbet als ein fetter Arsbacken und weißer als ein Totenkopf, der viel Jahr lang im Wetter gehangen? Immer schad ist es, daß ihre zarte Haut durch das Haarpulver so schlimm bemakelt wird; dann wann es Leute sehen, die es nicht verstehen, dörften sie wohl vermeinen, die Jungfer habe den Erbgrind, der solche Schuppen von sich werfe, welches noch größer Schade wäre vor die funklende Augen, die von Schwärze klärer zwitzern als der Ruß vor meines Knäns Ofenloch, welcher so schrecklich glänzete, wann unser Ann mit einem Strohwisch davorstund, die Stube zu heizen, als wann lauter Feur darin stecke, die ganze Welt anzuzünden. Ihre Backen sein so hübsch rotlecht, doch nicht gar so rot, als neulich die neue Nestel waren, damit die schwäbische Fuhrleute von Ulm ihre Lätz gezieret hatten. Aber die hohe Röte, die sie an den Lefzen hat, übertrifft solche Farbe weit, und wann sie lachet oder redet (ich bitte, der Herr gebe nur Achtung darauf), so siehet man zwei Reihen Zähne in ihrem Maul stehen, so schön zeilweis und zuckerähnlich, als wann sie aus einem Stück von einer weißen Rübe geschnitzelt wären worden. O Wunderbild! ich glaube nicht, daß es einem wehe tut, wann du einen damit beißest. So ist ihr Hals ja schier so weiß als eine gestandene Saurmilch, und ihre Brüstlein, die darunter liegen, sein von gleicher Farbe und ohn Zweifel so hart anzugreifen wie ein Gaiß Mämm, die von übriger Milch strotzt. Sie seind wohl nicht so schlapp, wie die alte Weiber hatten, die mir neulich den Hindern butzten, da ich in den Himmel kam. Ach Herr! sehet doch ihre Hände und Finger an, sie sind ja so subtil, so lang, so gelenk, so geschmeidig und so geschicklich gemacht, natürlich wie die Zügeinerinnen neulich hatten, damit sie einem in Schubsack greifen, wann sie fischen wollen. Aber was soll dieses gegen ihrem ganzen Leib selbst zu rechnen sein, den ich zwar nicht bloß sehen kann. Ist er nicht so zart, schmal und anmutig, als wann sie acht ganzer Wochen die schnelle Katharina gehabt hätte?« Hierüber erhub sich ein solch Gelächter, daß man mich nicht mehr hören, noch ich mehr reden[106] konnte, gieng hiemit durch wie ein Holländer und ließ mich, solang mirs gefiel, von andern vexiern.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 105-107.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch: Roman
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch