Das zweiundzwanzigste Kapitel.

[156] Simplex erzählt, durch was vor einen Gang

Er zum Knan kommen, von dem er war lang.


Solang meine Wunde zu heilen hatte, ward ich allerdings fürstlich traktiert; ich gieng allezeit in einem Schlafpelz von güldenem Stück mit Zobeln gefüttert, wiewohl der Schade weder tödlich noch gefährlich war, und ich habe die Tage meines Lebens niemals keiner solchen fetten Küchen genossen als eben damals. Solches waren aber alle meine Beuten, die ich von meiner Arbeit hatte ohn das. Lob, so mir der Zar verliehe, welches mir aber aus Neid etlicher Knesen verbittert ward.

Als ich aber gänzlich heil war, ward ich mit einem Schiff die Walga hinunter nach Astrachan geschickt, daselbst wie in der Moskau ein Pulvermacherei anzuordnen, weil dem Zar unmöglich war, dieselbe Grenzfestungen allezeit von Moskau aus mit frischem und gerechtem Pulver, das man einen so weiten Weg auf dem Wasser durch viel Gefährlichkeit hinführen mußte, zu versehen. Ich ließ mich gern gebrauchen, weil ich Promessen hatte, der Zar würde mich nach Verrichtung solches Geschäfts wiederum in Holland fertigen und mir seiner Hochheit und meinen Verdiensten gemäß ein namhaftes Stück Geld mitgeben. Aber ach! wann wir in unseren Hoffnungen und gemachten Konzepten am allersichersten und gewissesten zu stehen vermeinen, so kommt unversehens ein Wind, der allen Bettel auf einmal übern Haufen wehet, woran wir so lange Zeit gebauet. Der Gubernator in Astrachan traktierte mich wie seinen Zar, und ich stellete alles in Kürze auf einen guten Fuß; seine verlegene Munition, die allerdings faul und versport war und keinen Effekt mehr tun konnte, goß ich gleichsam wiederum[156] von neuem um, wie ein Spengler aus dem alten neue zinnerne Löffel machet, so bei den Reußen damals ein unerhörtes Ding war, weswegen und anderer Wissenschaften mehr mich dann teils vor einen Zauberer, andere vor einen neuen Heiligen oder Propheten, und aber andere vor einen andern Empedoclem oder Gorgiam Leontinum hielten. Als ich aber im besten Tun war und mich außerhalb der Festung über Nacht in einer Pulvermühle befand, ward ich von einer Schar streifender Tartarn diebischerweise gestohlen und aufgehoben, welche mich samt andern mehr so weit in ihr Land hineinführeten, daß ich auch das Schafgewächs Borametz nicht allein wachsen sehen konnte, sondern auch davon essen dorfte. Diese vertauschten mich mit den niuchischen Tartarn um etliche chinesische Kaufmannswaren, welche mich hernach dem König in Korea, mit welchem sie eben Still stand der Waffen gemachet hatten, vor ein sonderbares Präsent verehreten. Daselbst ward ich wert gehalten, weil keiner meinesgleichen in Dusecken sich befinden ließ und ich den König lernete, wie er mit dem Rohr, auf der Achsel liegend und den Rucken gegen der Scheibe kehrende, dannoch das Schwarze treffen könnte, weswegen er mir dann gar günstig wurde und auch auf mein untertäniges Anhalten die Freiheit wiederschenkte und mich durch Japonia nach Macao zu den Portugesen gefertigt, die aber meiner wenig achteten; gieng derowegen bei ihnen herum wie ein Schaf, das sich von seiner Herde verirret, bis ich endlich wunderbarlicherweise von etlichen türkischen oder mahometanischen Meerräubern gefangen und, nachdem sie mich wohl ein ganzes Jahr auf dem Meer bei seltsamen fremden Völkern, so die ostindianische Insulen bewohnen, herumgeschleppet, von denselben etlichen Kaufleuten von Alexandria in Ägypten verhandelt ward. Dieselbe nahmen mich mit ihren Kaufmannswaren mit sich nach Konstantinopel; und weil der türkische Kaiser eben damaln etliche Galeeren wider die Venediger ausrüstete und Mangel an Ruderern erschien, mußten viel türkische Kaufleute ihre christliche Sklaven, jedoch um bare Bezahlung, hergeben, worunter ich mich dann als ein junger starker Kerl auch befand. Also mußte ich lernen rudern; aber solche schwere Dienstbarkeit währete nicht über zween Monat, dann unsre Galeera ward in Levante von den Venezianern ritterlich übermannet und ich samt allen meinen Gespanen aus der Türken Gewalt erlediget. Als nun besagte Galeera zu Venedig mit reicher Beute und etlichen vornehmen türkischen Gefangenen aufgebracht ward, war ich auf freien Fuß gestellet, weil ich nach Rom und Loretta pilgerweis wollte,[157] selbige Örter zu beschauen und Gott um meine Erledigung zu danken. Zu solchem Ende bekam ich gar leichtlich einen Paß und von ehrlichen Leuten, sonderlich etlichen Teutschen, eine ziemliche Steuer, also daß ich mich mit einem langen Pilgerkleid versehen und meine Reise antretten konnte.

Demnach begab ich mich den nächsten Weg auf Rom, allwo mirs trefflich zuschlug, weil ich beides, von Großen und Kleinen, viel erbettelte; und nachdem ich mich ungefähr sechs Wochen daselbst aufgehalten, nahm ich meinen Weg mit andern Pilgern, darunter auch Teutsche und sonderlich etliche Schweizer waren, die wieder nach Haus wollten, auf Loretta. Von dannen kam ich über den Gotthart durchs Schweizerland wieder auf den Schwarzwald zu meinem lieben Knän, welcher meinen Hof bewahret und unterdessen aufs beste alles verwaltet hatte, und brachte nichts Besonders mit heim als einen Bart, der mir in der Fremde gewachsen war.

Ich war drei Jahr und etliche Monaten ausgewesen, in welcher Zeit ich etliche unterschiedliche Meere überfahren und vielerlei Völker gesehen, aber bei denenselben gemeiniglich mehr Böses als Gutes empfangen, von welchem allem ein großes Buch zu schreiben wäre. Indessen war der teutsche Friede geschlossen worden, also daß ich bei meinem Knän in sichrer Ruhe leben konnte; denselben ließ ich sorgen und hausen, ich aber satzte mich wieder hinter die Bücher, welches dann beides, meine Arbeit und Ergetzung war.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 156-158.
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