Die vierde Abhandlung.

[91] Der Schauplatz stellet vor den Kaiserlichen Lustgarten.

Sophia. Das Fleisch. Die Welt. Der Tod. Der Teufel.


SOPHIA.

Wie wenn der rothe Blitz den düstern Wald erleucht /

Das müde Haselhun zur Bäume Schatten fleucht:

So flieh' auch ich zu dir / du schatten meiner Seele /

Du wahrer Lebens Baum / in dieser Folter-Höle!

Laß diese Zeder mir ein festes Bollwerck seyn /

Wenn man mich schrecken wird mit unergründter Pein!

Du weist ja / daß Sophie zu deiner Ehre leidet /

Und daß kein Donner sie von deiner Liebe scheidet!

Ach rüste nur mit Kraft auch meine Kinder aus!

DAS FLEISCH.

Sophie! Bedencke doch dein ädles Glieder-Haus /

Das auf den Gipfel dich der höchsten Wollust führet /

Das dich mit Schnecken-Blut und güldnen Lorbern zieret /

Das dich aus einem Mensch zur Göttin machen kan!

Du hast ja Fleisch und Blut! ficht dich kein Kitzel an?

Das dreymahlzehnde Jahr ist kaum bey dir vergangen /

Die Nelcken auf dem Mund / die Rosen auf den Wangen /

Die Lilgen auf der Hand / die Tulpen auf der Brust

Sind ja ein Paradies der allerschönsten Lust /

Das ieder küssen wil! Wer wolte nun verdammen

Des fleisches Lieblichkeit / die sanften Liebes-flammen?

Wilstu die Folterbanck erkiesen vor Scarlat?[92]

Ach ändre deinen Sinn / und folge meinem Rath!

Verlasse / was dich kränckt / und labe deine Glieder

Durch süssen Liebes-streit / und schönste Buhler-Lieder!

DIE WELT.

Sophie! Erwege doch die Anmuth dieser Welt /

Die weit mehr Sclaven hat / als Sternen in dem Zelt

Des grossen Himmels sind! Erwege doch die Gaben /

Womit dich meine Gunst im höchsten Grad kan laben.

Glück' / Ehre / Reichthum / Schertz soll'n deine Diener seyn!

Es sol bestrahlen dich der immerhelle Schein

Gantz unerschöpffter Lust / im Fall du mich wirst lieben /

Des Kaisers brennend Hertz durch Abschlag nicht betrüben /

Und nebst der Kinder Mund verehren sein Altar!

Ach geh doch in dich selbst! Du wirst ja Schmertz und Bahr

Nicht thöricht ziehen vor der zuckersüssen Wonne /

Die sänft're wärmde giebt / als die beflammte Sonne?

Du kanst noch lange Zeit genüssen meiner Lust:

Das Leben ist beliebt! Drumb reiß dich aus dem Wust

Zukünft'ger Henckerey! Entreisse dich den Wellen!

Jch kan dein Lebens Schiff in sichre Gräntzen stellen!

DER TOD.

Sophie! Erkenne doch des Todes grimme Macht /

Die Gottes wahren Sohn selbst an das Kreutze bracht!

Erkenne diesen Pfeil / den Bogen / diese Kertze /

Dadurch ich Sterbende mit tausendfachem Schmertze /

Mit tausendfacher Qual kan stürtzen in das Grab!

Der Lustbaum mahlt dir schon ein traurig Vorbild ab /

Wie dich des Kaisers Grimm / wo du ihm wirst versagen

Beliebte Gegengunst / wird ädern / martern / plagen.

Nicht aber dich allein wird treffen solche Noht;

Die Kinder werden auch durch Jammer-reichen Tod /

Durch Flammen / Lantz' und Beil in höchsten ängsten büssen /[93]

Und nach gehäuffter Pein ihr zartes Leben schlüssen!

Darumb erwehle doch die Gnade vor den Zorn /

Das Leben vor den Tod / die Rosen vor den Dorn /

Die Perlen vor das Glas / das Silber vor das Eisen!

Sonst wird der Hencker dir mein grauses Rach-Schwert weisen.

(DER) TEUFEL.

Sophie! Erzittre nicht / daß Rhadamantus itzt

Auf dieß beblühmte Feld mit seiner Fackel blitzt!

Jch bin zu deinem Trost aus sondrer Gunst erschienen.

Mein Kind / was quählst du dich aufs Glaubens Folterbühnen?

Was ists / das in dein Hertz der tolle Kummer steigt?

Jedweder Glaub' ist gutt / der Lust und Ehre zeigt!

Es wird sich Hadrian nicht selbst ins Unglück stürzen /

Noch ihm durch falschen Wahn der Götter Straffe würtzen.

Mein Kind! Geh in dich selbst! Du wirst nicht klüger seyn /

Als dieser kluge Fürst! Nein! Nein! Sophia / Nein!

Drumb ändre deinen Schluß / ruff an die alten Götter!

Sey nicht der Juno Feind / noch der Dianen Spötter;

So werd' ich für und für dein treuer Schutz-Herr seyn!

Jm Fall du aber nicht gehst diesen Vorschlag ein /

So wird dein bebend Hertz stets solche Qual empfinden /

Davon noch Gott noch Mensch dich glücklich wird entbinden.

ALLE VIERE:

Sophie! Auf! Schlummre nicht in der so grossen Noth!

Auf! auf! Es steht dir bey Fleisch / Hölle / Welt und Tod!

SOPHIA.

Spart euren Beystand nur / ihr Teuflischen Sirenen!

Sophie muß eure List und Zauberey verhönen!

(DAS) FLEISCH.

So acht Sophia nichts des Fleisches Zuckerkand?[94]

SOPHIA.

Vor Gottes Ehre wird das Fleisch mit Ruhm verbrannt.

(DIE) WELT.

So wil Sophia nicht der schönsten Welt geniessen?

SOPHIA.

Du kanst das Leben nur vergällen / nicht versüssen.

(DER) TOD.

So schreckt Sophien nicht des Todes scharffer Pfeil?

SOPHIA.

Dein Bogen ist mein Glück / dein Licht mein größtes Heil.

(DER) TEUFEL.

So fürcht Sophie sich nicht vor Satans Band und Ketten?

SOPHIA.

Aus deinen Ketten kan mein Jesus mich erretten!

ALLE VIERE:

Wird unsre Majestät so liederlich verlacht?

O überweises Weib! wir scheiden / Gutte Nacht!

SOPHIA.

Die Feinde sind nunmehr durch dich / O Gott / verjaget!

Ach schütze ferner Mich / wenn Hadrian Mich plaget

Durch schnöden Liebes-Reitz / damit mein reines Hertz

Nicht fall' in Sünd und Schand / und Lastervollen Schertz!

Dir hab Jch mich verlobt / du wirst mich auch erhalten!

So wird Sophiens Brunst nie gegen dir erkalten!


[95] Sophia. Julia Sabina. Serena. Flavia.


JULIA SABINA.

So schlägt das Unglück nun mit lichtem Donner ein?

Sol dieses Paradies Sophiens Kirch-Hof seyn?

Sol deine Tugendbluhm im Bluhmen Feld vergehen?

Und solstu an dem Baum als eine Sclavin stehen?

Ach Freundin! Sichre dich / dein überhäuffter Schmertz /

Dein Leiden / deine Schmach dringt Mir durch Seel' und Hertz!

Du weisst / das Julia dich für und für geliebet /

Du weisst auch / daß Jch nie der Christen Schaar betrübet /

Daß ich den Kaiser nie auf ihren Hals verhetzt!

Allein weil Hadrian stets aus den Augen setzt

Dein / und der Kinder Heil / und mein beweglich Bitten /

Dadurch ich fernre Qual und Marter wil verhütten /

Mit taubem Ohr' anhört / auch nun auf Plage sinnt /

Die dir und deinem Stamm den Sterbe-Kittel spinnt /

So wünscht' ich / daß Sophie in so bewandten Sachen

Doch glücklich möcht' entgehn des Todes grimmem Rachen /

Dazu Sabina ihr itzt wil behülfflich seyn.

SOPHIA.

Daß Mich die Kaiserin mit ihrem Gnadenschein

In dieser Unglücks-Nacht holdseelig an-wil-blicken /

Und mein beklemmtes Hertz mit Trost und Rath' erquicken /

Ist warlich solche Gunst / der ihre Magd kaum wehrt!

Doch wie der rauhe Nord der Bluhmen Pracht verzehrt /

Ob schon der Sonnen-Glantz höchstfruchtbahr sie beschienen:

So kan auch leider nicht die Gnaden-Bluhme grünen

Der grossen Julien / die Sie auf dieser Bahn /

Mir ärmsten Sclavin zeigt / weil sie Fürst Hadrian[96]

Durch seinen Grimm verweht / der auf die Christen wütet /

Und auch Sophiens Stamm durch solchen Sturm zerrüttet!

JULIA SABINA.

Sophie kan blüh'n und stehn / sie kan aus aller Noth

Glückseelig sich befreyn und trotzen Zeit und Tod /

Jm Fall Sie – Aber ach! Mein Hertze wil sich regen!

Seren' und Flavia / schaut / ob sie zu bewegen!

SERENA.

Ach wertheste Sophie! Wofern Serena darff

Eröffnen ihren Mund / so sey sie nicht zu scharff

In ihrem Glaubens-Werck / dadurch des Kaisers Gütte

In Rache sich verkehrt! Jch bitt! Jch bitt! Jch bitte!

Sophie / Sie gebe nach! Was kan doch süssres seyn /

Als wenn bey Printzen man mag gehen aus und ein?

Als wenn man früh und spat in solchen Zimmern lebet /

Wo Venus und ihr Sohn Cupido selber schwebet?

FLAVIA.

Holdseeligste Sophie! Mich jammert ihre Noth!

Sie glaube / Flavia ist fast vor beyleid todt /

Daß Sie das Wetter nicht / den Donnerkeil wil meiden /

Der nebst den Kindern Sie in zentnerschweres Leiden

Und tieffstes Elend stürtzt! Der Kaiser ist ergrimmt /

Der tausend Martern ihr und ihrer Schaar bestimmt.

Man drück ein Auge zu! Der ist nicht zu verdencken /

Der Malvasier erwehlt / eh' er sich Gift lässt schencken.

SOPHIA.

Wer in dem Glauben wil ein Auge drücken zu /23

Der macht die Seele blind / stöhrt die Gewissens-Ruh /

Verfehlt den Himmels-Port / und stehet auf dem Falle.

Es mag der Kaiser nun mit Zucker oder Galle[97]

Sophien greiffen an; Er mag vor Malvasier

Einschencken stärckstes Gift; Er mag die Kinder Mir

Durch grimmste Tyranney von meinen Brüsten reissen /

Sophiens morschen Leib vor Beer und Tyger schmeissen /

Ja es mag selbst die Welt mit Luft und Flut eingehn;

Sophie wird als ein Felß bey ihrem Jesus stehn!

JULIA SABINA.

O mehr als ädles Weib! O starcke Amazone!

Dir weicht Harpalice mit ihrer Sieges-Krone /

Und Rhodogune legt vor dir die Palmen hin!24

Jch werde gantz bestürtzt! Jch weiß nicht wo ich bin!

Dein Christus muß fürwahr besondre Kräfte haben /

Der schwache Frauen auch in höchster Angst kan laben!

Seren' und Flavia! Mein Hertze wird gerührt!

Auf! Liebt Sophiens Gott / der zu den Sternen führt!

SERENA.

Durchlauchtigste Princeß / das Demantfeste lieben

Der Himmlischen Sophie / die keine Qual betrüben /

Kein Schertz verführen kan / hat eben meinen Geist

Mit solcher Brunst entzündt / daß Er sich nun entschleusst

Den Götzen dienst zu fliehn / und den Gott anzubetten /

Der eintzig brechen kan des Rhadamantus Ketten.

Nimm / weiseste Sophie mich nur in deinen Bund!

Dein Christus ist numehr mein Schatz / mein Fels / mein Grund!

FLAVIA.

O übergrosse Treu! O unbesiegte Sinnen!

Die keine Tyranney noch Wollust kan gewinnen!

Sophie! ob ihrem Muth erstaunet Cloelia /

Und auch Hypsicrate! Sol hier nun Flavia

Nicht auch im Reyen seyn! Sich von Sophien trennen?

Ach nein! in meiner Brust soll auch die Liebe brennen.[98]

JULIA SABINA.

Halt inn! Was rauscht? Mich dünckt / der Kaiser ist nicht weit!

Sophie / gehab dich wol! Hier ist's nicht wartens zeit.


Sophia. Hadrianus, in Gestalt eines Schäffers.


HADRIANUS.

Jst meine Chloris dann an diesen Baum gebunden?

SOPHIA.

Welch frembder Unfall macht mir neue Seelen-Wunden!

HADRIANUS.

Sophie! Sophie! Sophie! Erkenne deinen Knecht!

SOPHIA.

Sophie hat über dich zu sprechen gar kein Recht.

HADRIANUS.

Holdseel'ge Schäfferin! Ach! liebe deinen Sclaven!

SOPHIA.

Du seyst auch wer du seyst / hier ist kein Liebes-Hafen!

HADRIANUS.

Sol hier nicht Liebe seyn / wo selbst die Venus wohnt?

SOPHIA.

Wer nach der Venus laufft / wird meistens schlecht belohnt.

HADRIANUS.

Wer kan die Seelen mehr als diese Göttin laben?[99]

SOPHIA.

Die Keuschheit führt mit sich weit grössre Wunder-Gaben.

HADRIANUS.

Die Keuschheit herrschet nur bey der geweihten Schaar.

SOPHIA.

Wer nicht die Tugend ehrt / der stürtzt sich in Gefahr.

HADRIANUS.

Die Keuschheit sonder Lust ist Tugend nicht zu nennen.

SOPHIA.

Die Wollusts-Neßel kan die Keuschheit nicht verbrennen.

HADRIANUS.

Bey Lilgen grünet oft ein rauher Nessel-Strauch.

SOPHIA.

Der Keuschheits-Lilge schad't kein gift'ger Schlangen-Hauch.

HADRIANUS.

Kan doch ihr Zungen Stich die Götter selbst verletzen.

SOPHIA.

Die Keuschheit muß sich nicht zu Schlang' und Nattern setzen.

HADRIANUS.

Die Klugheit wird oft eh'r / als Einfalt wundgemacht.

SOPHIA.

Der Geist wird nicht verwund't / der nach dem Himmel tracht.[100]

HADRIANUS.

Der schönste Himmel ist in diesem Paradiese!

SOPHIA.

Diß Paradies vergeht / doch nicht deß Himmels Wiese.

HADRIANUS.

Was dorten Sternen sind / das sind die Bluhmen hier.

SOPHIA.

Die Himmels-Bluhmen sind der Menschen höchste Zier.

HADRIANUS.

Du Himmels-Bluhme bist die Fürstin meiner Bluhmen!

SOPHIA.

Gebrauche Rosen nur / und Nelcken aus Idumen!

HADRIANUS.

Dein Purpur übertrifft der Rosen Scharlach Kleid!

SOPHIA.

Mein Purpur ist erblasst durch allzu strenges Leid!

HADRIANUS.

Die Freude folgt auf Leid! Nach plitzen scheint die Sonne.

SOPHIA.

Mein Hertze achtet nichts der Eitelkeiten Wonne!

HADRIANUS.

Es wohnt die Eitelkeit bey Edlen Schäffern nicht.

SOPHIA.

So Printz als Schäffer sind der Eitelkeit verpflicht.[101]

HADRIANUS.

Es kan Sophie durch mich zu einer Göttin werden /

SOPHIA.

Sophie verlanget nicht die Gottheit dieser Erden.

HADRIANUS.

Sie sol / wo sie mich liebt / gehn ins Elyser-Feld.

SOPHIA.

Gott hat ein schöner Schloß im Himmel mir bestellt.

HADRIANUS.

So wil nicht meinen Geist ihr göttlich Aug' erquicken?

SOPHIA.

Mein Schäffer lasse sich den Irrthum nicht bestricken!

HADRIANUS.

Diß ist kein Irrthum nicht / wenn man einander liebt.

SOPHIA.

Durch ird'sche Liebe wird Sophia nur betrübt!

HADRIANUS.

Wil sie der Götter Schluß / Natur und Recht verletzen?

SOPHIA.

Die Tugend kan sich nicht mit toller Brunst ergötzen.


Er entkleidet sich.


HADRIANUS.

Hier ist kein Satyrus! Sie schau den Kaiser an![102]

SOPHIA.

Ach dreymahl grosser Gott / nun ists umb mich gethan!

HADRIANUS.

Mein Schatz! Erzitter nicht / du weisst des Kaisers bitten!

SOPHIA.

Durch dieses bitten wird mein Lebensdrat zerschnitten!

HADRIANUS.

Die Kinder tauren mich / und noch viel mehr Sophie!

SOPHIA.

Der Fürst macht dießfalß sich nur gantz vergebne Müh!

HADRIANUS.

Ach ändre deinen Wahn! Bequäme dich den Göttern!

SOPHIA.

Eh'r wil ich lassen mich in tausend Stück zerschmettern!

HADRIANUS.

Ist keine Mutterlieb' in deinen Adern mehr?

SOPHIA.

Die Kinder sind mir lieb / doch mehr des Höchsten Ehr!

HADRIANUS.

Du kanst des Höchsten Ehr' / und auch die Kinder schützen.

SOPHIA.

Nein! weil der Kaiser wil auf meinen Glauben blitzen!

HADRIANUS.

Mein Blitz hat sich verkehrt in einen Liebes-Strahl.[103]

SOPHIA.

Der Ausspruch machet mir ein frisches Wundenmahl!

HADRIANUS.

Jch werd' auf deiner Brust dir alle Wunden heilen.

SOPHIA.

Mein Fürst / Er wolle mir kein Pflaster nicht ertheilen!

HADRIANUS.

Das Pflaster meiner Kuhr vergnüget Leib und Geist.

SOPHIA.

Ach daß der Kaiser mir so bittre Myrrhen weis't.

HADRIANUS.

Die Myrrhen sollen dir zum Liebes-Zucker werden.

SOPHIA.

Der Zucker seiner Brunst erweckt mir nur Beschwerden!

HADRIANUS.

Schmeckt deiner Seele nicht der Küsse Marcipan?

SOPHIA.

Die geile Schleckerey geht nichts die Keuschheit an.

HADRIANUS.

Was ist die Schönheit doch / die man nicht sol gebrauchen?25

SOPHIA.

Ein lieblicher Geruch / der niemahls kan verrauchen!

HADRIANUS.

Ein stummes Götzenbild! Ein Bogen sonder Seil![104]

SOPHIA.

Der Glieder Ehren mahl! Der Tugend Sieges-Pfeil!

HADRIANUS.

Sol Mund / und Brust / und Schoß bey dir so fruchtloß liegen?

SOPHIA.

Mein Gottverlobtes Hertz wird über alles siegen!

HADRIANUS.

Du bist Diana nicht / die keine Buhler acht!

SOPHIA.

Wer weiß / ob nicht Sophie beschämt Dianens Macht!

HADRIANUS.

Genug! So wiltu nicht mein brennend Hertze laben?

SOPHIA.

Der Kaiser lasse mich eh'r lebendig begraben!

HADRIANUS.

Warumb nicht liebstu den / der dich vergöttern kan?

SOPHIA.

Mir steht mein Jesus nur / und nicht ein Kaiser an!

HADRIANUS.

So sol ein scharffer Pfeil durch deine Brüste Krachen!

SOPHIA.

Die Pfeile werden mich zur Himmels-Venus machen.

HADRIANUS.

Wie? Kehrstu trotzig ab vom Fürsten dein Gesicht?[105]

SOPHIA.

Jch habe Christo mich / und nicht dem Fürst verpflicht!

HADRIANUS.

Vermaledeites Weib! Jch wil dich bald zerhauen!

SOPHIA.

Hau zu! Mir wird gantz nichts vor Blut und Säbel grauen!

HADRIANUS.

So nehm Jch mit Gewalt / was mir dein Mund versagt!

SOPHIA.

Mein JESUS! Schütze doch itzt sichtbar deine Magd /

Die man entehren wil!

HADRIANUS.

Welch Donner fährt hernieder!

SOPHIA.

Dieß ist der Geilheit Lohn!

HADRIANUS.

Mir beben alle Glieder!

Jch zitter! Jch erstarr! Auf! Auf! Trabanten / auf!

Kommt Eurem Fürst zu Hülff mit flügelschnellem Lauff!


Hadrianus. Heliodorus. Epictetus. Palladia. Antoninus. Svetonius. Julianus. Septitius. Honorius. Sophia. Fides. Spes. Charitas. Die Hofleute /Pagen / Trabanten / und Hencker.


HELIODORUS.

Was ficht den Kaiser an![106]

EPICTETUS.

Welch Unheil wil sich rühren?

ANTONINUS.

Welch Unstern lässt sich doch in diesem Himmel spühren!

PALLADIA.

Die Ohnmacht hält den Fürst! Schaut / daß er nicht vergeht!

SVETONIUS.

Bestreicht ihm Schlaff und Puls mit Balsam und Zibeth!

JULIANUS.

Auf! Grosser Kaiser! Auf! Hier stehen seine Knechte.

HONORIUS.

Wol! Er ermuntert Sich! Er kommet nun zu rechte!

SEPTITIUS.

Der Fürst entdecke doch den Zufall seiner Noth!

HADRIANUS.

Jhr grossen Götter ihr! leb / oder bin ich todt!

O Höchst verfluchtes Weib! Verteufelte Sophie!

In dem Jch von dem Baum sie zu befreyn mich mühe /

So macht die Zauberin / daß Blitz und Donner schlägt

In diese Ceder ein / der meine Kraft erlegt /

Und mich in Ohnmacht stürtzt: Drumb eilet bald von hinnen /

Jhr Treusten / daß der Wurm mit nichten mög entrinnen!

Du aber liefre mir die Kinder stracks hieher!

PALLADIA.

Empfindet nun der Fürst Sophiens Mord-Gewehr?[107]

HELIODORUS.

Soll der verdammte Balg dem Kaiser dieß beweisen?

EPICTETUS.

Wer Höll' und Teufeln dient / der fühle Rad und eisen!

ANTONINUS.

Schaut mehr die Furie vor einen Engel an!

SVETONIUS.

Mich wundert / daß ein Weib das Wetter zwingen kan!

JULIANUS.

Die meisten Christen sind die ärgsten Hexen-meister.26

HONORIUS.

Sie führen stets bey sich Kunstreiche Höllen Geister /

Die Sie –

HADRIANUS.

Halt inn! Es kommt die Schlangenvolle Schaar!

Sucht deine Tugend nun des Kaisers Gruft und bahr?

Wiltu durch Blitz und Knall den Lorbeer-Krantz zerschmettern?

Soll dich durch Zauberey dein Christus nun vergöttern?

Ha! Teuflische Sophie! Du lästerst nicht allein

Die Götter in dem Pol: Der Kaiser soll auch seyn

Dein kläglich Trauer-Spiel! Mit was vor Donner-waffen

Wird man dein Hexenwerck nach Würden wol bestraffen?

Jedoch auch diese That sol nicht das Rachschwert ziehn

Auf deinen Mörder-Hals: die Kinder sollen blühn

Nebst dir in höchster Lust und unbewegter Wonne /

Es sol dir strahlen stets des Glückes schönste Sonne /

Du sollst mein Auge seyn / im Fall du Christum lässt /[108]

Und unsre Götter ehrst! Wo nicht / so wird die Pest

Der grimmsten Henckerey dein frevlend Haubt erdrücken /

Und nebst den Kindern dich in Plutons Abgrund schicken!

Drumb sage frey heraus / was du zu thun gesinnt!

SOPHIA.

Der Fürst verzeihe mir! wer JESUM lieb gewinnt /

Wer seine Reinligkeit aus reiner Seele liebet /

Der wird durch keinen Dunst der Zauberey betrübet!

So ists auch hier bewandt! Sophie ist seine Magd!

Daß aber mich der Fürst durch falsche Laster plagt /

Und mir aufbürden wil ein Teuflisches Verbrechen /

Da mag das Urtheil nur selbst sein Gewissen sprächen /

Denn Jch den Kaiser nicht diß falls beschämen wil.

Es stehet ihm nun frey / was vor ein Trauerspiel

An mir und meinem Stamm sein Eifer aus wil führen:

Man wird Beständigkeit stets bey Sophien spühren.

HADRIANUS.

Wie aber stehts mit Euch / hertzliebsten Kinder / doch?

HELIODORUS.

Ach! werfft von eurem Hals diß Felsenschwere Joch!

EPICTETUS.

Ach! zieht doch euren Fuß aus diesen Folter-Ketten!

ANTONINUS.

Ach lasst aus diesem Schimpf / aus dieser Qual Euch retten.

PALLADIA.

Ach seyd nicht so verstockt! Lasst Mutter Mutter seyn!

SVETONIUS.

Ach geht der Götter Schluß / des Kaisers willen ein![109]

JULIANUS.

Ach nehmt diß Glück in acht / das euch mit Lorbern krönet.

SEPTITIUS.

Ach nehmt die Lust in acht / die alle Lust verhönet!

HONORIUS.

Ach schonet eurer selbst! Bequähmt Euch doch der Zeit!

ALLE.

Ach nehmt den Purpur doch vors blasse Todten-Kleid!

SOPHIA.

Lasst / Kinder / lasst Euch nicht der Worte Dunst verblenden!

FIDES.

Nein! Mutter! Nein! Mich sol von meinem Heiland wenden

Auch nicht die grimmste Qual! Was schertz'stu / Wüttrich / viel

Mit deiner Raserei / mit deinem Trauer-Spiel!

Vollzeuch / was dir beliebt! Jch bin bereit zusterben!

Denn Fides wird doch nicht durch solchen Tod verterben!

SPES.

Sanftmütiger Tyrann! Was spielstu mit der Pein?

Du schaust ja allbereit / daß wir beständig seyn /

Daß keine Marter uns kan zu dem Abfall zwingen?

Drumb mache nur ein End' / und laß uns freudig dringen

Durchs Todes schwartze Nacht zum ewig-hellen Licht!

CHARITAS.

Jch bin des Lebens satt! Drumb halt uns länger nicht

Mit deinem Mummwerck auf! Entblösse nur die Waffen

Geschminckter Grausamkeit! Die Sonne geht fast schlaffen:

Laß uns auch schlaffen gehn in die gewüntschte Ruh![110]

Glaubt / es wird Charitas höchstfreudig schliessen zu

Jhr sterbend Augenlicht und die erblassten Lippen!

Denn mich erschrecken nicht des Todes rauhe Klippen!

HADRIANUS.

Wollt ihr / eh kaum das neund' und zehnd' / und zwölfte Jahr

Des Lebens Euch erquickt27 / erkiesen Gruft und Bahr /

Vor Atlas / Gold und Sammt? Ach! lasst Euch doch erweichen!

FIDES.

Nein! Nein!

SPES.

Nein! Nein!

CHARITAS.

Nein! Nein!

ALLE DREY.

wir wündschen zuerbleichen!

HELIODORUS.

Vielleicht beweget sie der Mutter strenge Pein.

HADRIANUS.

Wol! peitscht die Bestie / biß ihre Schultern seyn

Von lauter Striemen roth!

EPICTETUS.

Sie werden sich wol geben /

Wenn sie die Mutter schaun in solchen Aengsten schweben!

FIDES.

Diß Rasen ist umbsonst! Uns schreckt nicht diese Noht![111]

SPES.

Die Mutter ist uns Lieb / doch mehr der höchste Gott!

CHARITAS.

Was kan die Christen wol mit grössrer Lust umbfassen /

Als wenn sie unverzagt vor Christus Ehr' erblassen?28

HADRIANUS.

O Sinnen von Metall! O gantz verstockter Hauff /

Der die Natur auch trotzt! Hört mit dem Geisseln auf!

Was ist doch hier zu thun?

HELIODORUS.

Die Schlangen müssen sterben!

EPICTETUS.

Soll'n unsre Tempel blüh'n / so muß die Pest verderben!

PALLADIA.

Verlangt der Kaiser Ruh / so tilgt diß Unkraut aus!

ANTONINUS.

Wil sich der Fürst erhöhn / so stürtzt diß Teufels-Haus!

SVETONIUS.

Sol Themis uns erfreu'n / so brauchet ihre Waffen!

JULIANUS.

Jtzt / itzt ists hohe Zeit der Christen Trotz zustraffen!

SEPTITIUS.

Lescht / eh die Feuers-Brunst zu vollen Kräften kömmt!

HONORIUS.

Eh uns die Flamme selbst den Untergang bestimmt![112]

HADRIANUS.

Wolan! Der Grimm reisst aus! Weil gar nichts sie kan zwingen /

So mag der Donnerkeil durch diese Kröten dringen!

So mag die gift'ge Pest zum Teufel fahren hin /

Aus welchem Sie entsprosst! Jhr beide / Antonin /

Und du Septitius / lasst in geschwinder Eile

Der Nattern jüngstes Paar hinrichten mit dem Beile /

Wenn Fides wird zuvor in lichter Glut vergehn!

Doch bey dem Trauer-Spiel muß auch die Mutter stehn /

Die / wenn sie satt gequält durch ihrer Kinder sterben /

Hernach ins Kerckers Wust sol bleiben und verderben!

Diß ist mein ernster Schluß!

ANTONINUS. SEPTITIUS.

Wir werden uns bemühn /

Was uns der Kaiser schafft / gehorsamst zu vollziehn!


Antoninus. Septitius Clarus. Sophia. Fides. Spes. Charitas. Unterschiedliche Trabanten und Hencker.


ANTONINUS.

So geht es / wenn man wil der grossen Götter lachen!

Jtzt wird Asträens Zorn auf eure Glieder krachen!

Eur Sterbe-Licht erscheint! Jhr müsset untergehn

Gleich Sternen / die nicht mehr am blauen Himmel stehn!

SEPTITIUS CLARUS.

Auf! Bringet Stock und Beil / Pech / Stroh / und Holtzgebünder

Vor diß verfluchte Volck / vor die verstockten Sünder!

Pfuy! schäme dich / Sophie / daß du dein Fleisch und Blut

So zu der Schlachtbanck führ'st! Ha! Teufelischer Muth!

Du bist nicht werth gewest die Kinder zugebehren![113]

SOPHIA.

Der Gott / der sie mir gab / dem wil Jch sie gewehren:

Viel besser / daß ihr blut versprütz' auf diesem Sand /

Daß ihrer Glieder Schnee fall' in des Henckers Hand /

Das Hölle / Welt und Tod sich gantz auf sie erbosse;

Als daß mein Jesus sie aus seinem Reiche stosse!

Spes! Fides! Charitas! Eur Freyheits Tag kommt an!

Eur Fessel bricht entzwey! Auf! geht die rauhe Bahn

Mit heldengleichem Muth! Erschreckt nicht vor dem Sterben!

Gott muste selbst durch Pein den Himmel uns erwerben!

FIDES.

Ach! Edler Freyheits-Tag / der Flammen mir gewehrt /

Wodurch mein Glaube wird wie reines Gold bewehrt!

Die heiß-entbrannte Glut ist ja des Glaubens-Zeichen!

Wie könte Fides doch ein schöner Grab erreichen?

SPES.

Ach Edler Freyheits-Tag / der mir das Eisen zeigt /

Wodurch ins Wolckenschloß mein Hoffnungs-Ancker fleugt!

Der Hoffnung Sinnenbild ist Stahl und festes Eisen:

Drumb kan ja billig Spes sich mit dem Richtbeil weisen!

CHARITAS.

Ach Edler Freyheits-Tag / der mir den Purpur schenckt /

Wodurch mein blutend Haubt sich zu den Sternen lenckt!

Mit Purpurfarbe muß ja stets die Liebe prangen;

Wie könnte Charitas doch schönern Tod erlangen?

SOPHIA.

Recht so! Beständigkeit verzuckert allen Schmertz /

Und macht auch in dem Tod' ein recht erlauchtet Hertz![114]

ANTONINUS.

Es ist nicht Plauderns Zeit! Die Stunden die verlauffen!

Fort! Werfft die grösste Schlang' auf diesen Scheiter-Hauffen:

Und zündt die Reiser an! Es ist des Keisers Schluß!

FIDES.

Jch finde mich bereit. Ade mit diesem Kuß!

SOPHIA.

Geh / liebste Fiedes! Geh! Dein Glaube wird bestehen /

Wenn jener grosse Tag des Richters an-wird-gehen!

Geh / Liebste Fides / Geh! Der Glaube trotzt den Tod /

Der Glaube bringet dich zum Allerhöchsten Gott!

FIDES auf dem Holtz-Stosse.

Grosser Fürst / den stets bedienen

Vielmahl tausend Seraphinen /

Schaue doch auf deine Magd!

Du weisst ja / daß dir zu Ehren

Fides lässt den Leib versehren /

Und in keiner Angst verzagt /

Liebster Jesu! Hilff Mir kämpfen!

Hilff die Pein des Todes dämpfen!

Denn du bist mein Trost und Licht!

Steh mir bey in diesen Flammen /

Wenn die Glut nun schlägt zusammen /

Und mein Mund kein Wort mehr spricht!

SEPTITIUS CLARUS.

Welch Wunder sehen wir! Wil nicht der Holtz-Stoß brennen?

Wil von der Natter sich die lichte Flamme trennen?

ANTONINUS.

Legt mehr Gebünder an! Werfft Pech und Schwefel drauf!

Jhr Götter! Jch erstarr! wer hemmt der Glutt den Lauff?

Jst etwan Zauberey in diesem Werck verborgen?[115]

SOPHIA.

O blinder Aberwitz!

SEPTITIUS CLARUS.

Lasst uns im minsten sorgen!

Es helffe Spiß und Stahl / wenn nichts verfängt der Brand!

Nihm Cajus alsobald die Lantze in die Hand /

Durchbohre diesem Wurm sein gantz-vergiftes Hertze.

FIDES.

Erlöser / nim mich auf!

ANTONINUS.

Vermehret Schmertz mit Schmertze/

Und haut der blassen Leich den tollen Schedel ab!

SEPTITIUS CLARUS.

Ehrt nun dein stoltzer Sinn des Kaisers Richterstab?

SOPHIA.

Jch ehre zwar den Fürst / mehr aber Gottes-Rechte.

ANTONINUS.

Jtzt köpft die zweite Schlang' aus diesem Mordgeschlechte!

SPES.

O Freudenreiches Wort / das meinen Geist anlacht!

Empfangt den Abschieds Kuß! Und hirmit gute Nacht!

SOPHIA.

Geh / allerliebste Spes! Dein Hoffen wird bestehen /

Wenn alle Hoffnung wird der eitlen Welt vergehen!

Geh / allerliebste Spes! Die Hoffnung hilfft aus Noth!

Die Hoffnung bringet dich zum allerhöchsten Gott![116]

SPES vor dem Richtblocke.

Liebster Heiland / dessen Stärcke

Oft die grössten Wunderwercke

Auch in zärtsten Kindern zeigt;

Sey bey mir in dieser Stunde /

Wenn nun mit erstarrtem Munde

Sich mein Haubt zur Erden neigt!

Dir zu Ehren wil ich sterben /

Und auf diesem Sand verterben

Recht mit hertzlicher Begier.

Stärcke mich in solchem Leiden /

Und wenn Leib und Seele scheiden /

Nim / O JESU / mich zu dir!

ANTONINUS.

Lasst nun dem kleinsten Molch den Nacken auch durchhauen /

CHARITAS.

Frau Mutter! Nur getrost! Sie sol ein Lust-Spiel schauen

An ihrer Charitas! Was ist doch diese Welt?

Ein grosses Folter-Haus / ein Schlangenvolles Feld /

Ein Bisamirtes Gift / ein Schau-Platz blasser Leichen!

Wer wolte freudig nicht aus dem Morast entweichen?

Wer wolte freudig nicht vor seinen Jesus stehn

Auf Flammen / Stahl und Pfal? Wolan! Jch wil auch gehn /

Wohin die Schwestern Mir sind rühmlich vorgegangen!

Jch wil die Märtrer-Kron' und Palmen auch erlangen!

In deß nehmt diesen Kuß / und lebet mehr als wol /

Biß wir einander schaun in dem gestirnten Pol!

SOPHIA.

Geh / liebste Charitas! dein Lieben wird bestehen /

Wenn alle Liebe wird der geilen Welt vergehen!

Geh / liebste Charitas! die Liebe trotzt den Tod!

Die Liebe bringet dich zum allerhöchsten Gott![117]

CHARITAS vor dem Richtblocke.

Süsser Bräut'gam meines Hertzen /

Der durch Marter / Angst und Schmertzen

Sich auf ewig mir vertraut /

Laß doch deine Liebes Strahlen /

Deines Nectars güldne Schalen

Jtzt erquicken deine Braut!

Du weist ja / daß lauter Liebe

Mich mit Gott geweihtem Triebe

Liefert auf diß Mord-Altar!

Ach so liebe mich nun wieder /

Und wenn Charitas sinckt nieder /

So führ Sie zur Engelschaar!

SOPHIA.

Wie wird mir! Sind sie todt? Ach nein! Die Kinder leben!

Schaut / wie sie schon in Gold und Diamanten schweben!

Wie sie mit Spiß und Stahl den grimmen Henckern dreu'n /

Und auf der Mutter Brust Narciß und Rosen streu'n!

Ach seel'ge Märtrer! Ach! Wie wird man Euch begraben!

Was wird eur blasser Leib vor eine Ruhstätt haben!

Kein Traurflor deckt Euch zwar; Doch trauret selbst die Luft!29

Kein Aedler leuchtet Euch mit fackeln zu der Gruft;

Doch wil der Himmel selbst mit Sternen Euch bedienen:

Es heult kein Klage-Weib; Jedoch die Seraphinen

Erheben ihre Stimm / und singen selber Euch

Ein lieblich Sieges-Lied in dem Saffirnen Reich!

SEPTITIUS CLARUS.

Sie raaset! greifft sie an / und führt sie stracks von hinnen /

Ins Kerckers düstern Schacht / da mögen ihre Sinnen

Durch tolle Schwärmerey sich quählen für und für!

Die Leichen aber lasst indeß im Garten hier /

Wo keine Wache sie vor Räubern darff bewahren /

Biß uns der Kaiser schafft / wie dißfalls zuverfahren!


[118] Die Drey Leichen. Irene.


IRENE singet in Begleitung etlicher Violen di Braccio und di Gamba höchstlamentirlich folgender gestalt.

Reine Sonnenwerthe Leichen /

Habt ihr nun den Lauff vollbracht

Durch die grimmen Marter-Zeichen /

Durch des Todes schwartze Nacht?

Muß dann / O ihr Princeßinnen /

In dem schönsten Blumenreich /

Eure Pracht so schnell zerrinnen /

Und so schmertzlich werden bleich?

Fides! Wo sind die Corallen /

Deiner Wangen Helfenbein?

Spes! Dein Marmor ist zerfallen!

Charitas! Dein Glantz geht ein!

Eure Schönheit ist verschwunden

Wie beym Sonnenstrahl der Schnee /

Weil sich Höll' und Welt verbunden

Wieder Euch! O Schmertz! O Weh!

Weint ihr Augen! Weint! O Weinet!

Zeiget einen Thränenfluß!

Weil solch Traurspiel itzt erscheinet /

Und die Unschuld sterben muß!

Sel'ge Kinder / nehmt indessen

Von Irenens treuer Hand

Diese wenige Zypressen /

Als ein letztes Liebes-Pfand!

Schlaffet wol / ihr ädlen Ritter /

Die ihr Noth und Tod besiegt!

Schaut / wie alles Ungewitter

Jtzt zu euren Füssen liegt!

Schlaffet wol nach Angst und Streiten!

Denn der Schlaff kommt Kämpfern zu /[119]

Biß die Engel Euch begleiten

In die ewigsanfte Ruh.


Reyen


Der Heidnischen Seeräuber / der Flüchtigen Christen / und der Christlichen Kirche.

Der Schauplatz bildet ab einen Wald am Meere.


DER I. SEERÄUBER.

Brüder / ihr wisset des Kaisers Versprechen /

Daß / wer getrost auf die Wellen sich wagt /

Und Hals und Glieder den Christen wird brechen /

Dieser so Freyheit / als Reichthum erjagt.

Drumb lasst uns schaun / wo die Hunde zufinden!

Glücke wil sich stets der Kühnheit verbinden.

DER II. SEERÄUBER.

Titan wil heute mit Golde nicht prangen /

Aeolus stürmet gewaltig aufs Meer;

Unsere Kühnheit wird schwerlich was fangen /

Schimpflich ists / wann wir heim kommen gantz leer.

Rathsamer wär es / im Walde zubleiben /

Und die durchreisenden schnell auf zureiben.

DER III. SEERÄUBER.

Zage Gemütter / kleinmüttige Sinnen

Pflegen das donnernde Wetter zu scheun!

Wilstu was kriegen und rühmlich gewinnen /

Muß auch die Hölle nicht schröcklich dir seyn.

Unsere Segel sind also beglücket /

Das sie noch blitzen / noch knallen zerstücket.[120]

DER IV. SEERÄUBER.

Harpax / ich schelte dein freches Beginnen /

Welches auf eigene Stärcke so pocht:

Thetis bestraffet verwegene Sinnen;

Unglück ist meist der Vermessenheit Frucht /

Lasset uns lieber bey Schattichten Bäumen

Lauren / und also die Christen aufräumen.


Die Seeräuber verstecken sich hinter die Bäume.


ALLE VIER SEERÄUBER.

Wol! wol! Es sey! Ein ieder theile sich:

Biß reiche Beut erquicket mich und dich.


Vier flüchtige Christen / als ein Vater / nebst seinem Weibe / Söhn- und Töchterlein.


ALLE VIER.

Ach Schmertz! Ach Leid! wie werden wir geplagt /

Seit wir von Rom ins Elend sind verjagt!

DAS WEIB.

Wir sind im Wald; Was ist nun hier zu thun?

DER MANN.

Das Wetter braust / last uns ein wenig ruhn.

Setzt / Kinder / Euch auf dieses grüne Feld /

Biß wieder sich die sanfte Luft einstellt.

DAS SÖHNLEIN.

Ach Mutter! Ach! Gebt mir ein Stückchen Brodt!

DAS TÖCHTERLEIN.

Mir auch! Mir auch! Jch leide grosse Noth![121]

DAS WEIB.

Esst / Liebsten / esst / was Euch die Mutter giebt /

Die sich nebst Euch biß in den Tod betrübt!

DAS SÖHN- UND TÖCHTERLEIN.

Ach tränckt uns auch! Sonst müssen wir vergehn!

DAS WEIB UND DER MANN.

Schaut euren Tranck auf unsern Wangen stehn!

ALLE VIER SEERÄUBER.

Wir müssen Euch so speis' als Tranck gesegnen!

ALLE CHRISTEN.

Ach weh! Ach weh! was wil uns itzt begegnen!

DIE SEERÄUBER.

Gebt Geld! Gebt Geld! wo nicht / so seid ihr todt!

DIE CHRISTEN.

Wir haben nichts / als nur diß liebe Brodt.

DIE SEERÄUBER.

Jhr Bestien! Jhr garst'ge Christen-Hunde /

Die ihr mit Höll' und Teufeln steht im Bunde /

Die Jhr in Rom nichts schafft als Zanck und Weh /

Fort mit Euch / fort in die erzörnte See!

DIE CHRISTEN.

Ach! Ach! Ach! Ach! Ach! sollen wir nun sterben!

Jm grimmen Meer so jämmerlich verterben!

Ach lasst uns loß! Wir woll'n vor eur Altar

Uns ohn Verzug mit Opfern stellen dar.


[122] Der innere Schauplatz eröffnet sich / und stellet die auf dem ungestümen Meer schiffende Christliche Kirche vor / welche die Christen also singende anredet.

Ritorn. von Posaunen und Flöten.


Freunde / lasst euch nicht erschrecken /

Durch gedreute Qual und Pein!

Wolt ihr euren Geist beflecken

Und dem Teufel dienstbar seyn?

Wolt ihr vor das kurtze Leiden

Engel / Gott / und Himmel meiden?

Liebste / dencket was zurücke!

Schaut doch eure Mutter an:

Raset schon das Ungelücke

Auf den schwachen Kirchen-Kahn /

Glaubet fest / er wird beschützet /

Ob gleich Welt und Hölle blitzet.

Kan Euch nicht Sophie bezeugen /

Wie man durch Beständigkeit

In den Sternen-Saal kan steigen

Zu der wahren Herrligkeit?

Jhrer Kinder Heil'ge Sinnen

Werden ja eur Hertz gewinnen.

Es wird nimmermehr vergehen

Fides / Spes und Charitas /

Jhr Lob wird auch stets bestehen /

Weil sich zeiget Laub und Gras:

Denn durch Marter / Angst / und Wunden /

Haben sie den Himmel funden.

Quelle:
Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke. Band 2, Berlin und New York 1975, S. 91-123.
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