(CLXV.)
Der Gern-Goldmacher.

[246] Erstgedachte Rähtsel ist auß folgender Geschichte genommen / deßwegen wir derselben Erklärung zu Ende beyfügen wollen. Es ist aber hier zu mercken / daß zugleich in den Gleichniß Rähtseln etliches mit eingeflochten / als daß der Rauch und Dunst für Falschheit / der Kohlen Brand für die betrügliche der Chymisterey / und der Sonnen Gemähl für den Reichthum / der alles erleuchtet / und verblendet genommen wird.

2. Berlinger / ein Syracusaner von geringem Stand und grossem Verstand / (wann anderst die Klugheit also zu nennen) hatte erst in dem zehenden Jahre seines Alters zu reden angefangen / gleichsam / als ob er so lang gedichtet / so lang die Elephanten trächtig gehen / Fürsten und Herrn zu betrügen; allermassen in den Kinderspielen von Jugend auf darzu einen Anfang gemachet / und seiner Schalckheit meisterliche Proben geleistet.

3. In der Jugend wurde er zu der Schul gehalten / daß er etlicher massen deß Lateins mächtig worden / welches gleich dem Zucker ist / und keine Suppen verderbet / ich wil sagen / zu allen Ständen dienlich ist. Nach deme nun sein Vatter das zeitliche gesegnet / (dann seine Mutter Todes verblichen / als sie ihn auf die Welt geboren) begabe sich dieser Berlinger zu einem Goldmacher / die Kunst zu erlernen / welche die verborgene Schätze / so der Geitz und die Natur vergraben / außscharret. Mit diesem Meister schiffet er in Africa / lässet sich zu Zeiten für einen Meerrauber gebrauchen / und erbeutet so viel / daß er sich entschleust ein andres Leben anzufangen / darmit er nicht sein Leben / und zugleich in einer bösen viertelstunde verlieren möchte / was er durch etlicher Jahre Gefährligkeiten erarnet hatte.

4. Sein Angesicht war von der Sonnen verbrant / seine Augen schwartz und lieblich anzusehen / seine Haare lang /[247] krauß und pechschwartz / und hatte auf seiner Raise die Africanische Sprache frey zu reden gelernet / daß er sich in seinem Vatterland für einen fremden angeben dürffen. Nachdem er nun sein fahrend Haab / ich verstehe sein Schiff versilbert und zu Golde gemachet / sich mit einem langen schwartzen Rock bekleidet / stiege er zu Malta / alldar war er angefahren / nachdem er ein Türckisches Schiff / dessen Haubtmann sich zu dem Christlichen Glauben bekehret / und in der H. Tauff Odoart benennet worden / in eine Neapolitanische Galeen / und setzte glücklich über.

5. Unterwegs kommet er in Erfahrung / daß alldar viel reiche und vornehme Leute / unter welchen auch ein Herr von Caraffa / dem Chymischen Rauchwerck obligt: Bemühte sich deßwegen einen Diener zu haben / der von solchen Handel einen Bericht hätte / und fande eben einen / der zuvor bey dem Herrn Caraffa gedienet / den er zu sich genommen. Berlinger nennte sich Odoart von Africa / und wiese vor seinen Tauffzettel / welchen er den vorbesagten Türcken entwendet / zu beglauben daß er sich zu dem Christlichen Glauben bekehret.

6. Diesem seinen Diener Chiomo vertraute er / nach dem er zuvor die Verschwiegenheit eidlich versichert / wie er und sein Priesterliches Geschlecht eine Geheimnüß wüsten / auß andren Metallen Gold zu machen; heisset ihn deßwegen einen Distillierofen / Kolben / Tigel / Kohlen und andre Geretschaft einkauffen / weil er Geld vonnöthen hätte. Als solches beschehen / setzte er Quecksilber ein / und bestreuet es mit einem weissen Pulver / dardurch es dicht Gold würde / wie der Diener vermeinte / und solches wurde ihn zu verwechslen anvertrauet. Der Diener bringt das Geld für das Gold / und eröffnet so bald seinem ersten Herrn / wie er den Meister über alle Meister gefunden / und erzehlet / was er mit Augen gesehen und mit eignen Händen getastet.

7. Caraffa eilet diesen Africaner zu umfangen / und erkauft mit vielen höflichen Worten / und kostbaren Beschenckungen etliche Gerstenkörner schwer von besagtem Goldpulver. Wer[248] aber in seinem Sinne glückseliger als Caraffa? So gar / daß er seinen Freunden seine Freude nicht verbergen mögen / und ihnen die Prob dieser Goldmachkunst gewiesen; darüber sie erstaunt / und verlangt / solches auch zu erlernen. Diese haben ihn nun gastiret / mit Kleinodien / Kunststücken und allerhand Seltzamkeiten beschencket / dargegen aber gar wenig von den Pulver / auf viel Millionen aber Hoffnung erkaufft.

8. Es war dieses Pulver gefeiltes Gold / welches mit einer weißlichen Farbe bedecket gewesen / wann nun das Quecksilber verrauchet / so ist das Pulver zerschmoltzen / und das Gold flüssig worden. Dieses Pulver nun wuste er jedem in Geheim bey zubringen / und zu berichten / daß Gott alles mit seinem außwachsenden Samen erschaffen / daß alle Metalle Gold oder Silber / wegen Mangel der Sonnenhitze / mehr od' minder reiff / und daß solchen Mangel das Kunst-Feuer ersetzen / und ein Pulver die Metalle fruchtbar und zeitigen könne.

9. Nachdeme er nun seine Geschencke durch die dritte Hand / mit Vorwand / daß er solche wieder verschencket / zu Gelde gemachet / und bey 5000. Ducaten / durch Wechsel nach Rom gehen lassen / giebt er vor / daß er ein Gelübd gethan / bey seiner Bekehrung / barfuß nach Rom zu walfarten / seine Andacht alldar abzulegen. Von Rom übermachet er seine Gelder nach Venedig / unn folget bald hernach / von dar wandert er in Savoyen / wandelt mit den Kleidern den Namen und den Bart / nennet sich einen Ritter von Syracusa.

10. Weil ihm aber sein Gewissen sagte / daß er in gantz Italien nit sicher seyn könte / nimmt er seinen Weg in Flandern / und verspricht dem Hertzog von Parma / damaligen Stadthalter / wegen deß Königs in Hispanien 1000. Italianer auf seinen Unkosten zu werben / wann ihm für jeden Mann / nachdem selber überkommen / eine bedingte Summa Geldes bezahlet werden würde. Solchem Versprechen giebt der Hertzog Glauben / begnadet ihn mit einem schönen Rappier / einer guldnen Ketten / und fertiget ihn mit gebräuchlichen Werbbrieffen wieder ab.[249]

11. In deme er sich nun zu Florentz aufhält / fügte sich / daß Caraffa / (welches Vermögen und Hoffnung inzwischen verrauchet ist) mit seinem Diener Chiomo sich auch alldar befunden / und Kriegsdienste anzunehmen gewillet / sich bey diesem Werber angeben. So bald Berlinger diese zween ersihet / erschricket er / wendet sich üm / und befiehlet seinen Befehlhaber einem / sie zu andrer Zeite wieder zu bescheiden / ist aber bedacht / sich auß dem Staub zu machen.

12. Caraffa hätte diesen Betrüger nicht erkannt / wann er nicht Nachts einen Traum von ihm gehabt / der ihm den vermeinten Africanischen Odoart / in Soldaten Kleidern eigentlich vorgestellet. So bald nun der Tag angebrochen / und Berlinger in der Kirchen Meß hörete / betrachtet ihn Caraffa unvermercket / und wird auß allen Umständen in seinem Wahn bestättiget / wie auch Chiomo: Eröffnet deßwegen dem Groß-Hertzog / was mit diesem Landbetrüger und Leutbelüger sich verloffen. Der Groß-Hertzog lässet Berlinger in Verhafft / und von dar auf die Galeen bringen / giebet aber dem Caraffa nichts von seinem Vermögen / sondern vermeint / daß solches deß Hertzogen von Parma Mittel / und muste er sich mit diesem Bescheid abfertigen lassen; Er hette sein Geld auf keinem redlichen Spiel verlohren.


Rähtsel.


Eine Königin ohn Land

ist ein überschönes Weib /

führet keinen Königsstand /

hat nur einen halben Leib:

und die Kron ohn Königreich:

Wer sie höret wird verliebt /

wer ihr glaubet wird betrübt.

Rahtet alle nun zugleich!


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 246-250.
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