(CXXXV.)

Der gemarterte Jud.

[464] Es ist eine schwere Frage: Ob man die Juden dulden sol oder nicht? fůr das ja streiten folgende Ursachen: Weil sie Gottes Volk / das die H. Schrifft biß auf unsre Zeit verwahret / die sich bekehren[464] können / und wie Paulus zum Rom. 11. v. 25. schreibet / bekehret werden / nach deme die Fülle der Heiden wird eingegangen seyn. Stossen wir sie nun von uns / so haben sie keine Gelegenheit das Evangelium anzuhören. Ein vornemer Mann hat recht gesagt / Er liebe alle Juden /wegen eines Juden / nemlich deß HErrn Christi. Hiewieder wird eingewendet / daß sie ein faules / unsauberes / betrügliches und schändliches Volk / das Christo und allen Christen feind / wieder sie täglich bete /von der Armen Schweiß und Blut lebe / sich mit Wucher nehre und nicht arbeite / den Diebstal fördere /und alle Nahrung der Christen hindere und hemme. Etliche gehen nun hierinnen den Mittelweg / und sagen / daß man die aufgenommenen Juden / ohne erhebliche Ursachen / nicht könne aus der Statt schaffen: wann aber die Frage / ob man solche Gesellen sol aufnehmen / da antwortet man mit Nein: weil allezeit in einer Statt besser ist eine / als zwo widerige Religionen haben.

2. Im Jahr 1642. den 11. Augusti hat man in Wien drey der vornemsten Juden / wegen verübten Diebstals / in Verhafft genommen: unter diesen war einer ein Rabbi gewesen / hat sich aber in Polen tauffen /und Ferdinand Frantz Engelberger nennen lassen /auch die Zeit seines wärenden falschen Christenthums / wieder die Juden geschrieben / und etliche Bücher darinnen er die Juden verdammet / in offentlichen Druck gegeben. Dieser nun hat den andern zweyen Gelegenheit gemachet / daß sie in Ihr Hochfůrstl. Durchl. Ertzhertzogen zu Osterreich Schatzkammer /dahin er einen Zutritt / vermittelst gebrauchter Diebs Schlůssel gebrochen / und viel tausend Thaler daraus entwendet / deßwegen sie alle drey zum Strang verurtheilt worden.

3. Weiln aber GOtt der Allmächtige nicht zulassen und verhengen wollen / daß ein solcher Ertzbößwicht unter dem Namen eines Christen sein Leben enden solte / hat sich zugetragen / daß in dem diese[465] drey für das Halsgericht gestellet worden / er sich sehr eindächtig geberdet / und verhofft / weil er ein Christ /sein Leben zu retten: als er aber aus abgelesenem Urtheil verstanden / daß er gleich den andern solte gehenket werden / hat er das Crucifix / das er in den Händen tragen sollen / auf die Erden geworffen / dasselbe angespeyet / mit Fůssen getretten / und darauff gesprungen: mit vielen Lästerungen wieder die Christen sich erkläret / als ein Jud zu sterben / und solle er gleich in den Abgrund der Höllen fahren / wie Korah /Dathan und Abiram / etc.

4. Als man ihm nun zugesprochen / er solte sich besinnen / was er thäte / und daß er das Heil. Abendmal den Tag zuvor empfangen / hat er darauf trotziglich geantwortet / daß er solches nicht genossen / sondern in einem Fatzolet / mit Ehren zu melden / in das heimliche Gemach geworffen / wie es dann auch darinnen / besagter massen in dem Amthaus / da er gefangen gesessen gefunden worden. Hier aber hat einer von den H. Jesuiten aus Eifer gesagt / daß es kein Wunder / wann man alle die Juden zu Boden schlüge / und mit Füssen trette / wie dieser das Bildnis unsers Erlösers. Hierüber hat sich ein Tumult erhoben / daß etliche Juden erschlagen / und ihre Häuser geplündert worden.

5. Als nun solches für Kaiserl. Majest. gebracht worden / haben sie sich darüber sehr entsetzet / und allergnädigst befohlen / man sol die zween Juden henken / diesen dritten aber / als den Samaritischen Rabbi / wieder in Verhafft führen / welches auch / wie wol wegen deß ergrimmten Volks / nach herbey gekommenen Abend beschehen. Folgenden Tags / als der Jud wieder für geführt / und befragt wurde /warum er gestern so lästerlich mit dem Crucifix verfahren / und so viel Gottsvergessne Reden außgestossen? hat er geantwortet / daß er solches den Juden zu Ehren / und den Christen zur Schande gethan / und was er zuvor als ein Christ gethan / sey ihm niemals von Hertzen gegangen / er hette das H. Abendmal nie genossen / sondern allezeit aus dem Mund genommen /[466] und an unsaubere Ort geworffen: ja einen mehrern Abscheu darvor gehabt / als für schweinen Fleisch. Kurtz zu sagen / er hat solche Gottslästerungen hören lassen / daß viel gefůrchtet die Erde thue sich auf /und verschlinge ihn.

6. Deßwegen wurde diesem Juden eben an dem Sabbath / zu der Zeit / da die andern ihre Abgotterey verrichten / ein anders Urtheil vorgelesen / welches auch alsobald an ihm vollzogen worden. Erstlich ist er auf die vier Haubplätze der Stat / auf einem hohen Wagen gefůhret worden / mit einer glüenden Zangen hat man ihn in die rechte Brust gezwicket / ferners hat man einen Riemen von Halß an über den Ruck / aus dem Leib geschnitten / und gerissen / auf der lincken Brust wiederum gezwicket / und dann wie zuvor /noch einen Riemen aus ihm geschnitten.

7. Bey diesem ist es nicht verblieben / sondern man hat ihn von dem Wagen genommen / auf eine Schleiffe gebunden / da er grausamlich geschrien und geruffen / Gott der niemals geboren worden / solte sich seiner erbarmen etc. An der Richtstatt wurde ihm die Zunge heraus geschnitten / die rechte Hand / als einen Bundbrüchigen in der H. Tauffe abgehauen / hernach sein halbtodter Leichnam bey den Füssen mit einer Ketten aufgehengt / und also lebendig gebraten / und samt den Galgen verbrennet: daß er also wider alle Vermahnung verstockt biß an das Ende verblieben.

8. Dergleichen erzehlet der Trauergeschichtschreiber von S. Lazaro (aus welchem wir etliches gedolmetschet) daß zu Bayana / Catharina Fernandes eine Portugesin / die H. Hostien aus dem Munde genommen / und in ihrem Fatzolet verborgen. Ob sie sich nun wol entschuldiget / daß sie gehustet / und die Hostien wieder nehmen wollen / zu andrer Zeit / hat man ihr doch als einer Jüdin keinen Glauben wollen zustellen / sondern es ist solche in dem Sacrament-Häußlein mit grosser Ehrerbietung wieder verwahret worden: ob wir wol die Zeichen der Sacramenten / ausser ihrem Gebrauch (wie das Wasser bey der Heil. Tauff) noch ehren noch anbeten.[467]

9. Weil aber ein falsches Geschrey außgekommen /daß die Oberrichter deß Orts / sich von den andern Juden bestechen lassen / hat der gemeine Pövel die Jüdin aus der Gefängnis mit Macht genommen / in ein Faß gestecket / und lebendig verbrennet: ja ihr nicht die Zeit gelassen / daß sie ihre kostbare Ringe von den Fingern gezogen / welche hernach unter der Aschen verschmoltzen gefunden worden. Hierüber haben alle eingeflohene Juden so aus Hispanien vertrieben worden / in 24. Stunden weichen / und die Statt raumen müssen.


10. Weh dir / o verstockter Jud!

Weh dir blinde Teuffelsbrut!

Jesu Christi theures Blut /

wird dir die Bestraffungs Rut /

daß du brennest in der Glut /

ferne von deß Himmels Gut /

in verkehrten Sinn und Mut

weh dir / o verblendter Jud.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 464-468.
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