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[102] Dass deine Brüste hocherbaulich sind,

hat auch der Theologe tief empfunden

und will dich nun in keuscher Liebe retten.

Du gutes Kind! Welch Seelenzwist für dich!

Ich kenne das, auch ich war einmal fromm

und hab ein schönes Mädchen retten wollen.

Du armes Kind! Heut bin ich lasterhaft,

und mich entzückt dein junger, weisser Leib

weit mehr, als deine Tugend je vermöchte.

So geh zu ihm und lass dich retten. – Nein?

Mich hast du lieb, der dich nicht anders will,

als dich die gütige Natur geschaffen? Wie?

– O Kind: du bist so lasterhaft, wie ich!

In sündigen Gluthen schlingst du deine Arme

um mich, dein Mündchen spottet zügellos

des reinen Jünglings, der dich retten möchte –

dem deine Brüste hocherbaulich sind.

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 102-103.
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