Das erste Zechgelag

[155] Er sitzt zum ersten Mal –

Gebt Acht, gebt Acht! –

Vor dem Pocal –

Ob ihr ihn taumlig macht!

Das ist für ihn so viel,

Wie für die Maid

Der erste Kuß, der ihr für's süße Spiel

Die Lippen weiht.


Er trinkt schon tapfer mit

Und wird schon roth!

Gleich übertritt

Der Knabe ein Gebot.

Paßt auf, er spitzt den Mund!

Gewiß, er thut

Uns seinen letzten Kirschen-Diebstahl kund

Und stralt von Muth.


Wir sind bei'm dritten Glas!

Noch immer still?[155]

Was ist denn das,

Daß er nicht plaudern will?

Kann er schon mehr vertrau'n?

Hat er verzagt

Schon zum Versuche hinter'm Gartenzaun

Den Kuß gewagt?


Wir schenken wieder voll!

Nun winkt er mir!

Was ich wohl soll?

Nur zu! Ich horche dir! –

Er schlich sich heimlich her,

Denn, als er bat,

Verbot die Mutter ihm das Zechen schwer:

Da ist die That!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 155-156.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe letzter Hand)
Gedichte
Werke, 5 Bde., Bd.3, Gedichte, Erzählungen, Schriften
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte
Gedichte