Rath von Oben

[58] »Stilles Leiden, frommes Meiden

Aller Erdenpracht und Lust,

Heilig Lieben, stetes Ueben

Sei fortan dir nur bewußt.


Weinend büßen Ihm zu Füßen,

Der der Sünderin vergab,

Heilig Sehnen, fromme Thränen

Waschen deine Flecken ab.


Beten, Leiden, muthig Streiten

Gegen Teufel, Welt und Lust,

Diese Waffen nur verschaffen

Sieg und Ruhe deiner Brust.« –
[59]

Hab' Erbarmen mit der Armen,

Hab', o Herr! mit mir Geduld!

Ach nicht richte – nein, vernichte,

Vater! meine große Schuld.


Sieh im Herzen meine Schmerzen;

Sende Deines Geistes Licht;

Stetes Weinen soll mich reinen:

Laß mich sehn Dein Angesicht!


Sieh, ich habe Dir zur Gabe

Ganz geopfert dieses Herz;

Und ich werde von der Erde

Selig schweben himmelwärts.


Mit Dir ringend, Dich bezwingend

Halt' ich, wie einst Jacob, Dich.

Mußt gewähren mein Begehren,

Nimmst in Deinen Himmel mich.


Berlin, 1817.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 58-60.
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Lieder (Ausgabe von 1879)
Lieder: Ausgabe von 1879
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