|
[37] Ich habe einen Liebsten funden,
Derselb' ist nicht von dieser Welt,
Dem hab' ich einzig mich verbunden,
Ihm treu zu sein in allen Stunden;
Er ist's, der mir allein gefällt.
Früh stand Er schon an meiner Wiegen,
Sah lächelnd auf mein kindlich Spiel.
Ich that so gern mich an Ihn schmiegen
Und forschte nur in Seinen Zügen,
Ob auch mein Spiel Ihm wohlgefiel.
Er hatte mir von weißer Seiden
Ein feines Kleidchen angethan:
»O Lämmlein, komm zu Meiner Weiden;
Nun mußt Du Dich von Allem scheiden,
Was dies Gewand beflecken kann.«
[38]
O wär' ich doch mit Dir gegangen,
Du treuer Hirt, mit Dir allein!
Ein Andrer wies mir Glanz und Spangen; –
O weh! die goldnen Ketten schlangen
So fest sich um das Herze mein.
Da ging ich mit dem Fremden lieber
Und riß mich los von meinem Herrn;
Der sah noch oft zu mir herüber,
Ich sah wohl auch nach Ihm hinüber,
Doch immer schien Er mir zu fern.
Bald dreht' ich mich in bunten Tänzen
Und träumte nur von Tand und Scherz;
Ich that an schnöden Festen glänzen
Und war geschmückt mit eitlen Kränzen,
Und hatte doch kein ruhig Herz.
Da dacht' ich einst, welch' blut'ge Wunden
Für mich der treue Heiland trug;
Ich dacht' an frühe sel'ge Stunden –
Die ganze Welt war mir verschwunden –
Ich weint', und weinte nie genug.
[39]
Da sah ich meinen Heiland stehen,
Er war so ernst und war so mild;
Ich mußte immer nach Ihm sehen;
Mein Herze wollte fast vergehen
Und war mit Lieb' und Leid erfüllt.
Ich meint': Er würde mich nicht kennen,
Mein Kleid war nicht mehr weiß und rein.
Bang that ich Seinen Namen nennen,
Und wollte nie mich wieder trennen
Und ganz und gar Sein eigen sein.
Da sah Er meine Thränen fließen,
Da rief Er freundlich: »Lämmlein, komm!«
Froh eilt' ich hin zu Seinen Füßen;
Sein Blut that auf mich niederfließen,
Da war ich wieder rein und fromm.
So hab' ich meinen Liebsten funden,
Der besser ist denn diese Welt,
So hab' ich Ihm mich neu verbunden,
Ihm treu zu sein zu allen Stunden:
Er ist's, der einzig mir gefällt.
Berlin, 1816.
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder (Ausgabe von 1879)
|
Buchempfehlung
Das 1663 erschienene Scherzspiel schildert verwickelte Liebeshändel und Verwechselungen voller Prahlerei und Feigheit um den Helden Don Horribilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen. Schließlich finden sich die Paare doch und Diener Florian freut sich: »Hochzeiten über Hochzeiten! Was werde ich Marcepan bekommen!«
74 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro