Gruß dem Kränzchen

[379] Es hegt ein blühender Garten

Viel zarte Blümelein;

Der Herr thut ihrer warten

Mit Thau und Sonnenschein.


Und all' die blühenden Kronen

Umzieht ein grüner Hag,

Drin Nachtigallen wohnen

Mit süßem Sang und Schlag.


Auch sind sie treuen Händen

Zur Pflege anvertraut;

Mit schützenden Geländen

Sind milde sie umbaut.


Jüngst weht' aus weiter Ferne

Ein herbstlich Blatt der Wind

Recht zwischen die blühenden Sterne

Und dreht's im Kreise lind.
[380]

Da singen die Nachtigallen

Und duften die Blümelein;

Wohl muß es dem Blatte gefallen:

Es sieht ja den Lenz sich ernenn.


Aus Blumenkelchen leise

Ein Lied nun aufwärts schwebt,

Das ist – ach! dieselbe Weise,

Die es gerauscht, gebebt,


Als noch das Nest der Taube

Gedeckt sein junges Grün

Und lieblich durch die Laube

Ihm Maiensonne schien. –


Doch daß es weiter reise,

Trägt es ein Hauch hinweg,

Und Thränen perlen leise

Auf seinen einsamen Steg.


Und nimmer wird's vergessen

Das Kränzlein, in das es einst fiel,

Bis dort an den Cypressen

Ihm winkt sein Reiseziel.


Auf dem Dampfschiff, 1859.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 379-381.
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