In einer Dorfkirche

[201] Immer muß ich Sein gedenken,

Immer Seiner Huld mich freun,

Immer her die Schritte lenken

Zu dem Kirchlein arm und klein.


O, du Wunder aller Gnade,

Das der kleine Schrein umschließt!

Ja, in dieser armen Lade

Wohnt Er, dem das All entfließt.


O des Glückes, das der Glaube

Seiner Gegenwart mich lehrt!

O der Wonne, die im Staube

Meine Seele schon erfährt!
[201]

Seele, und du schaust noch trübe

Auf die Dinge niederwärts?

Giebt's für dich noch andre Liebe?

Erdenfreude? Erdenschmerz?


Sieh, in dieser Silberschale

Ruht dein Gott, dein einzig Gut;

Und du darbst beim reichsten Mahle?

Und du frierst bei höchster Glut?


Auch der kleinen Ampel Schimmer

Mahnt dich, ganz für Ihn zu glühn,

Herz, o säumst du denn noch immer,

Ganz in Flammen zu versprühn?


Langenberg, 1856.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 201-202.
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Lieder (Ausgabe von 1879)
Lieder: Ausgabe von 1879
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