[Nanettens Onkel kam zurück]

[170] Nanettens Onkel kam zurück

Von einer langen Reise.

Johann empfängt ihn, wünscht ihm Glück

Und spaßt nach seiner Weise.

Allein, Herr Hastig unterbricht

Ihn schnell mit zwanzig Fragen

Und hört mit Wohlbehagen,

Sein Nichtchen hab' ein Angesicht[170]

So schön, daß auch der Neider nicht

Zu tadeln könnte wagen.

Eins, spricht Herr Hastig, wenn Ihr's wißt,

Möcht' ich noch gerne hören:

Weiß Nettchen schon, wie schön sie ist?

Das kann ich als ein guter Christ,

Versetzt Johann, beschwören.

Zum Henker! konnte denn mein Weib

Ihr keinen bessern Zeitvertreib,

Als den von schmeichlerischen Laffen,

Die immer Weihrauch streu'n, verschaffen?

Gefehlt, Herr Hastig, spricht Johann,

Madame wies jeden aus dem Hause,

Der zu des Mädchens Ohrenschmause

Das kleinste Schmeichel(wort?) begann.

Nur einer richtet Unheil an,

Doch der ist einmal in dem Hause.

Madame, das sag ich ungelogen,

Ist selber ihm gar sehr gewogen

Und läßt es ungestraft geschehn,

Daß es dem eitlen Nichtchen schmeichelt,

Wenn diese mit ihm kost und äugelt

Und ihn um jedes Band befrägt,

Das sie an Kopf und Busen trägt.

Herr Hastig zieht die St ...

Aus seinen Augen ...

So eil und wirf den Schurken gleich

Hinunter in den Gartenteich.

Er hebt den Stock, um auszuholen.

Erschreckt und flüchtig eilt Johann

Die schmale Wendeltrepp' hinan

Und tut, was ihm sein Herr befohlen.

Nanette hat indes vernommen,

Der Oheim sei zurückgekommen,

Zum Freunde will sie nur erst eilen,

Ihm ihre Freude mitzuteilen

Und findet – ach, die Stätte leer.

Ihr Freund, ihr Liebling ist nicht mehr.

Sie weint, sie klagt und hört beklommen,

Wohin ihr treuer Freund gekommen,

Sie eilt hinab mit tiefen Wehn,

Dem Lieben trauernd nachzusehn.

Will dicht sie ...

Und lacht des Oheims strenger Wut.

Denn schmeichelnd hält die klare Flut

Ihr einen andren Freund entgegen.

Quelle:
Frank Spiecker: Luise Hensel als Dichterin. Evanston 1936, S. 170-171.
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