Vierter Auftritt.

[163] Vorige. Marie als Wallfahrer.


WALLFAHRER. Gott zum Gruß – edle, gestrenge Herren! Wohl mir, daß ich auf der Strasse diese Herberge gefunden habe – ach! meine Kräfte haben Erhohlung nöthig – die Angst, die ich in voriger Nacht ausgestanden habe – brachte mir bald den Tod.

GÜNTHER. Veit! reiche dem alten Mann einen Trunk Wein. – Woher kommt ihr? Veit reicht ihm Wein.

WALLFAHRER. Aus Palästina! Neun Jahre bin ich von Deutschland entfernt – ich wallfahrtete zu Fuß nach Jerusalem, um durch dieses Gelübde für meine Sünden zu büssen. – Vorige Nacht überfiel mich das Gewitter – ich suchte Obdach, und fand dieses in einer Mühle, die hier links der Heerstrasse liegt.

VEIT fährt auf. Du lieber Gott! das ist die Teufelsmühle.

WALLFAHRER. Ja wohl mögen Unholden und böse Geister darinn einst ihr Wesen getrieben haben.

GÜNTHER. Setzt euch, alter Mann! und stärket euch durch diesen Labetrunk – dann fahret fort in eurer Erzählung.

WALLFAHRER setzt sich. Dank euch, edler Herr!

GÜNTHER. Nun – Veit! da du so nahe bey dieser Mühle wohnst, kannst du uns vielleicht nähern Bescheid geben.

VEIT. Gestrenger Herr! leider ist alles wahr, was man sich in der ganzen Gegend davon erzählt. Viele tausend Menschen liegen dort begraben. Hört nur: da war einmal ein Müller, er hieß Kilian, den hat man nur den Teufelsmüller geheissen – der ist mit einem Ritter im Bund gestanden – Leiser. man will aber sagen, daß der Ritter Niemand anders als der leidige Satanas soll gewesen seyn.

GÜNTHER lacht. Ha ha ha! nur weiter mit dieser abentheuerlichen Erzählung –

FROWALD. Ja – ja – hört nur: in der Mühle war an dem Boden ein Loch, wenn da ein Fremder darauf getretten, so ist das Brett mit ihm hinunter gegangen unter die Erde – und in dem Loch waren spitzige Dolche und Schwerter, die haben die Menschen umgebracht – auf einmal ist der Müller und sein Weib verloren gegangen, man weiß nicht wie – und seit der Zeit kann kein Mensch mehr in der Mühle wohnen.[164]

GÜNTHER. Eine wunderbare Mähre! Wenn ich ein Freund von dergleichen Abentheuern wäre, traun! ich hätte wohl Lust, diesen Spuck näher zu untersuchen.

VEIT. Ja! Hört nur die ganze Geschichte, die wir euch erzählen wollen. –


Romanze von 2 Stimmen.


Veit. Frowald.


In jener Mühle, wie bekannt,

Da haußte Kilian,

Der Teufelsmüller einst genannt,

Er war ein böser Mann;

Es sind jetzt bald die dreissig Jahr,

Verschrieb er sich dem Satan gar,

Und mordete zum Zeitvertreib

Zuletzt sogar sein eignes Weib.


Das Weib war fromm, so wie es heißt,

Das Leben war ihr schwer;

Nun wandert sie umher als Geist,

Und neckt den Wandrer sehr.

Bald foppt der Geist manch armen Tropf,

Setzt Eselsohren ihm an Kopf –

Spuckt Tag und Nacht, spuckt weit und breit,

Doch thut er Niemand was zu leid.


In jener Mühle ist verwahrt

Ein wundergrosser Schatz;

Und vieles Geld ist eingescharrt

An jenem Teufelsplatz.

Und wer den Geist erlösen kann,

Der wird ein reicher, reicher Mann,

Er trägt – bewahr uns Gott! – zum Lohn,

Das Geld und auch den Schatz davon.


Beyde ab.


Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 163-165.
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Die Teufelsmühle am Wienerberg
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