Morgengesang

[403] Noch schlummr' ich, und der Morgen graut!

Bald hätt' die Sonne mir

Ins Aug' gestrahlt, die uns zerstreut,

Uns blendet und betrügt.


Die rauhe Pindars-Doris winkt

Zum letzten Mal ins Feld

Des Ruhms und rauscht mit ihrer Eul'

Schon lichtscheu in die Nacht.


Nicht fliehe, Pallas, die Du mich

Umsonst bei Mitternacht[403]

Geweckt! nimm meine späte Reu'

Und diesen Opferrauch


Und zieh ihn, bis Du wiederkommst,

Rund um mich her zur Nacht,

Daß ich, geschützt vor Glanz und Gold

Und Thoren, mich nur seh'


Und Dich und Jene, deren Bild

Die träge Zähre küßt,

Und auf Dich wart' und, wenn Du kommst,

Mich, ich zu sein, entschließ'.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 403-404.
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