17.

[143] Um auf einen fruchtbarern Weg zu kommen, als dieser trockne Nebenbegrif gewähret, macht Hr. L. einen Sprung, den ich ihm nicht nachthue. »Die Poesie schildert durch successive Töne; folglich schildert sie auch Successionen,1 folglich hat sie auch Successionen, und eigentlich nichts als Successionen zum Gegenstande. Successionen sind Handlungen: folglich« – und folglich hat Hr. L. was er will; aber woher kann ers haben? Den Begrif der Handlung fand er in der Succession; und daß sie nur fortschreitende Gegenstände schildere, schloß er, weil sie in successiven Tönen schildert – wo bleibt hier die Kette? Gesetzt, daß das Aufeinanderfolgen der Töne in der Dichtkunst das wäre, was das Nebeneinanderseyn der Farben in der Malerei: welche Proportion ist in dem Successiven der Töne, und in dem Successiven der Gegenstände, die sie schildert: Wie weit halten diese einen Schritt? Wie kann man auch nur an Vergleichung denken? Und wie weit weniger Eins aus dem andern zu schließen? – Und wenn sie auch denn Successionen schilderte, warum müssen diese Successionen Handlungen sein? u.s.w. Die Gränzscheidung nach solch einem Risse kann kaum richtig seyn.

Kaum richtig von Seiten der Malerei, »ihr Wesen sei, Körper zu schildern,« wenigstens bin ich mir fortschreitenderer Handlungen der Malerei bewust, als wovon Hr. L. ein Beispiel giebt:2 nämlich eine Drapperie, die in ihrem Wurfe zwei Augenblicke vereinige.[143]

Noch minder aber von Seiten der Dichtkunst, wo aus dem Successiven der Töne wenig oder nichts folgt. Nicht: daß sie keine Körper schildern solle; denn können keine successiven Töne Begriffe von coexsistirenden Dingen erwecken; so sehe ich nicht, wie irgend die Rede, die blos hörbare Rede anschauende Erkänntniß wirken könnte: denn Bilder würde ich sagen, sind nicht hörbar. So sehe ich nicht, wie irgend die Rede zusammenhangende Bilderbegriffe erwecken könne; denn die successiven Töne hangen nicht zusammen. So sehe ich endlich auch nicht, wie in der Seele aus vielen Theilbegriffen ein Ganzes, z.E. der Ode, des Beweises, des Trauerspiels entstehen könnte; denn die ganze Succession der Töne macht kein solches Ganzes: »für das Ohr sind die vernommenen Theile jedesmal verloren.« Es läßt sich also hieraus Alles oder Nichts folgern.

Noch weniger folgt hieraus, »die Untauglichkeit der ganzen descriptive Poetry,3 das Unpoetische aller malenden Poesie.«

Noch weniger hieraus, daß das Wesen der Dichtkunst Fortschreitung sey;4 daß die Dichtkunst nur eine einzige Eigenschaft der Körper nutzen müsse: daß Einheit der Malerischen Beiwörter ihr Regel sey5

Ja nicht einmal, daß sich »nur aus diesen Grundsätzen die große Manier Homers bestimmen und erklären ließe.« Ich läugne Hrn. L. viel, und in seinem Grunde Alles, aber darum läugne ich nicht alle Sachen, die nur Er auf diesen Grund bauet. – Darf ich von Homer anfangen? –

»Homer malet nichts, als fortschreitende Handlungen: alle Körper, alle einzelne Dinge malet er nur durch ihren Antheil an den Handlungen, gemeiniglich nur mit Einem Zuge. Zwingen ihn ja besondere Umstände, unsern Blick auf einen einzelnen körperlichen Gegenstand länger zu heften: so weist er durch[144] unzälige Kunstgriffe diesen einzelnen Gegenstand in einer Folge von Augenblicken, in deren jedem er anders erscheint«6 – Schön! vortreflich! die wahre Manier Homers! – Nur ob Homer diese Manier gewählt, weil er mit successiven Tönen schildern wollte,7 weil er körperliche Gegenstände anders zu schildern verzweifelte, weil er besorgen mußte, daß, wenn er uns in der schönsten Ordnung von einem Theile des Gegenstandes zum andern führte, daß, wenn er uns auch die Verbindung dieser Theile noch so klar zu machen wüßte;8 dem Auge zwar die betrachteten Theile in der Natur beständig gegenwärtig blieben, für das Ohr hingegen die vernommenen Theile, folglich die Mühe des Dichters, verlohren wäre – ob deßwegen Homer seine Gegenstände in eine Folge von Augenblicken gesetzt, ist mir nie bei Homer beigefallen.

Wenn seine Hebe z.E. uns den Wagen der Juno Stück vor Stück zusammensetzt,9 entkommt da der Dichter dem Versuche, ein Coexsistentes nicht mit Folgetönen zu schildern? Ich sehe Räder, Achsen, Sitz, Deichsel, Riemen, Stränge, nicht wie es beisammen ist, sondern erst langsam zusammenkommt. Erst werden mir die Räder, nicht blos die Räder, sondern die Theile derselben, die ehernen Speichen und die goldnen Felgen, und die Schienen von Erzt, und die silberne Nabe u.s.w. langsam vorgezält, denn erst Achsen, denn erst der Sitz, alles in seinen Theilen; und ehe das letzte Stück dran ist, habe ich sicherlich das Erste vergessen. Der Wagen steht zusammen: und Trotz der Phantasie, die sich jetzt das Bild des Wagens mit Einem Blicke und doch in allen seinen Theilen z.E. die ehernen Speichen und die goldnen Felgen, und die Schienen von Erzt u.s.w. auf Einmal anschauend denken könne! Ich sehe also kaum, was Homer gethan hätte, um gleichsam die Wirkung successiver Töne zu schwächen, um durch unzälige Kunstgriffe uns das Coexsistente gegenwärtig zu machen? Liegt[145] es hier einmal am klaren Begriffe des Coexsistiven in allen seinen Theilen, »welche größere Mühe, welche schärfere Anstrengung kostet es, diese langsamen Eindrücke alle in eben der Ordnung so lebhaft zu erneuren, sie nur mit einer mäßigen Geschwindigkeit auf einmal zu überdenken, um zu einem etwanigen Begriffe des Ganzen zu gelangen.« Arbeitete der Dichter auf diesen Begrif des Ganzen, da er uns seine Theile zerlegte, um ihn nachher in allen diesen Theilen zusammengesetzt darzustellen; so sage ich, hat er eben so vergebens gearbeitet, als Brockes, wenn er uns Kräuter malet. Das Zusammensetzen, die Handlung der Hebe kommt gar nicht in Rechnung; das Nacheinander zusammensetzen, was mit Einmal gezeigt, gedacht werden sollte, ist Augenmerk: dies ist bei beiden gleich, ja bei Homer durch das Zusammensetzen noch langsamer. »Doch nicht blos da, wo Homer mit seinen Beschreibungen weitere Absichten verbindet, sondern auch da, wo es ihm um das bloße Bild zu thun ist, wird er dieses Bild in eine Art von Geschichte des Gegenstandes verstreuen, um die Theile desselben, die wir in der Natur neben einander sehen, in seinem Gemälde eben so natürlich auf einander folgen, und mit dem Flusse der Rede gleichsam Schritt halten zu lassen. Der Bogen des Pandarus z.E.«10 – aber wie kann Hr. L. hier in Homers Beschreibung eine Parallele der Folge in den Tönen, mit dem Coexsistiren der Theile, und der Theile des Objekts mit den Theilen der Rede finden? Wenn Homer uns den Bogen des Pandarus malen will, und uns erst auf die Jagd des Steinbocks führet, aus dessen Hörnern der Bogen gemacht worden: und uns erst den Felsen zeigt, wo ihn Pandarus erlegt, und nun erst die Hörner des Steinbocks Längelang ausmißt; nun erst sie in Arbeit giebt, nun erst uns jeder Arbeit des Künstlers zuschauen läßt – wer kann sagen, Homer habe das Successive seiner Beschreibung der Natur des Coexsistenten gleichsam näher bringen, und die Theile des Bogens mit dem Flusse der Rede Schritt halten lassen! Statt,[146] daß sie durch diese Homerische Manier näher zusammen kommen sollten; sehe ich sie sich weiter hinaus zerstreuen; unter vielen andren fremden Zügen: (Jagd, Steinbock, Ort des Erhaschens, Ort der Verwundung, Lager des gefällten Steinbocks, Werkstäte des Künstlers) liegen sie versteckt: und hätte Homer mit seiner Geschichte des Bogens darauf gezweckt, um mir nachher mit Einmal alle Theile des Bogens anschaulich zu geben: so hätte er eben den schlechtesten Weg genommen. Meine Phantasie wenigstens hat sich der Geschichte überlassen, dem Pandarus einen Bogen zu zimmern, aber ihn sich nachher in allen seinen Theilen auf Einmal zu denken, die fremden Züge in der Geschichte erst wegzulassen – welche Mühe! welche Absonderung! »Homer malet den Schild Achilles in mehr als hundert prächtigen Versen, nach seiner Materie, nach seiner Form, nach allen Figuren, welche die ungeheure Fläche desselben füllten, so umständlich, so genau, daß es neuern Künstlern nicht schwer gefallen, eine in allen Stücken übereinstimmende Zeichnung darnach zu machen. Er malet dies Schild nicht als ein fertiges vollendetes, sondern als ein werdendes Schild. Er hat also auch hier sich des beschriebenen Kunstgriffes bedienet, das Coexsistirende seines Vorwurfs in ein Consekutives zu verwandeln, und dadurch aus der langweiligen Malerei eines Körpers das lebendige Gemälde einer Handlung zu machen.«11 Feine Bemerkung! richtiger Gegensatz mit Virgilen! Ob aber Homer dies Werden des Schildes ergriffen, um gleichsam mit dem Consekutiven ein Coexsistirendes zu liefern? ob er »die mehrern Züge für die verschiedenen Theile und Eigenschaften im Raume in einer gedrängten Kürze schnell auf einander folgen lasse, damit wir sie alle auf einmal zu hören glauben sollen?«12 ob es mit dem Werden des Schildes sein Zweck gewesen, den Raum in die[147] Zeitfolge zu verwandeln, und uns durch diese den Anblick Eines Ganzen zu geben, den wir nur durch jenen fassen konnten?13 – Sollen diese Fragen ihr Ja bekommen: so bekenne ich die Schwäche meines Gedächtnisses, diesen Zweck an mir nicht erreichen zu können. Mögen zehen oder noch weniger Gemälde auf dem Schilde seyn: möge ich sie auch werdend gesehen haben; ich erstaune über das Werk, aber nicht mit dem gläubigen Erstaunen eines Augenzeugen, dem jetzt der ganze Schild vor Augen, bei dem das Consekutive in ein Coexsistirendes verwandelt wäre. Nur in dem Haupte des Göttlichen Künstlers kann der Schild mit allen seinen Figuren ein Malerisches Ganzes gebildet haben; ich muß aufs neue das Schild herum, wenn ich die mit jedem successiven Wortzuge verlohrne Figur wieder sehen soll, und doch wo sind sie, wenn ich sie zu einem ganzen Schilde ordnen soll? Das Werdensehen hat hiezu nichts gethan, und kann hiezu nichts thun, es sei denn, um mich noch weiter zu zerstreuen; das Nacheinander werden ist und bleibt der Knoten.

Homers Sprache sei so vortreflich, als sie seyn kann, – jedes Wort liefre ein Bild – ohne alle Suspension der Beziehungen – so schnell fortschreitend, als Diane in ihrem Gange;14 soll dies schnelle Fortschreitende da seyn, um gleichsam das Hinderniß des Raums zu mindern, zu vernichten, um dadurch den täuschenden Anblick eines räumlichen Gegenstandes, eines Körpers im Raume zu erwecken – dies kann keine Rede. Dazu wohl kaum wird Homer seiner schreitenden Manier so treu geblieben seyn: dazu eben nicht für jedes Ding nur Einen Zug gehabt; dazu am wenigsten das Consekutive Werden gewählt haben: »um die Theile seines Gegenstandes mit dem Flusse der Rede einerley Schritt halten zu lassen.« Dies kann keine Rede: noch minder wills die Rede des Dichters: am mindsten wollte es der Erste der Dichter. Seine ganze Manier zeigt, daß er nicht fortschreite, um[148] uns es sei, wovon es sei, ein Bild des Ganzen durch Succession zu geben, sondern er schreitet durch die Theile, weil ihm an dem Bilde des Ganzen ganz und gar nicht lag.

Ich wollte um alles nicht, Hrn. L. einen falschen Sinn angedichtet zu haben: in der Sache selbst mit ihm eins, machen mich nur in dem Grunde der Sache seine Schlüsse und Verbindungen verlegen. Dünkt jemand dieser Unterschied unbeträchtlich – so liegt mir nichts daran; andern wird er beträchtlich scheinen.

Homer ist immer fortschreitend in Handlungen, weil er damit fortschreiten muß, weil alle diese Theilhandlungen Stücke seiner ganzen Handlung sind, weil er ein Epischer Dichter ist. Ich brauche also den Wagen der Juno, und den Zepter des Agamemnon, und den Bogen des Pandarus nicht weiter kennen zu lernen, als sie in die Handlung mit eingeflochten, mitwirken sollen auf meine Seele. Darum also höre ich die Geschichte des Bogens, nicht damit mir diese statt Gemälde sey; sondern um einen Begrif von seiner Stärke, von der Macht seiner Arme, mithin von der Kraft seiner Sehne, seines Pfeils, seines Schusses zum Voraus in mich zu pflanzen. Wenn nun Pandarus den Bogen vornimmt, die Sehne anlegt, den Pfeil ansetzt – abdrückt! – wehe dem Menelaus, den der Pfeil eines solchen Bogens trift, wir kennen seine Stärke. Hr. L. kann also nicht sagen, es sey Homeren mit seiner Geschichte des Bogens, um sein Bild, und blos um sein Bild zu thun gewesen. Um nichts minder, als hierum: die Stärke, die Kraft des Bogens war seine Sache: sie, und nicht die Gestalt des Bogens, gehört zum Gedichte: sie, und keine andre Eigenschaft, soll hier energisch mitwirken, daß wir, wenn nachher Pandarus abdrückt, wenn nachher die Senne schwirrt, der Pfeil trift – um so mehr den Pfeil empfinden. Dieser Energie zufolge, die in einem Gedichte das Hauptwerk ist, erlaubt sich Homer, aus der Schlacht auf die Jagd zu spatzieren, und die Geschichte des Bogens zu dichten: denn ich sehe keine andre Art, diesen Begrif[149] in aller Stärke, als durch Geschichte. Durch ein Bild können wir eigentlich nur Gestalt lernen: aus der Gestalt müssen wir Größe, aus dieser Stärke erst schließen; durch eine Geschichte lernen wir diese unmittelbar – und wenn es dem energischen Künstler, dem Dichter, blos um diese Stärke zu thun ist, was soll er sich andre Arbeiten aufbürden? Der Maler male Bild, Gestalt; er aber wirke Stärke, Energie. – Die wirkt auch Homer von Anfange zu Ende der Beschreibung; nur freilich nicht, wenn ich ihn in der Umkleidung lese, die Hr. L. mit dem Schusse Pandarus macht; aus ihr ist blos ein successives, nicht aber (der Hauptzweck des Dichters!) ein energisches Bild zu hören: wobei wir nicht durch successive Töne Malerisch, sondern in jedem Tone energisch getäuscht werden, daß wir zusammen fahren sollen, wenn endlich ein solcher Bogen trift.

Ein gleiches gilt vom Zepter Agamemnons: ich betrachte die Geschichte desselben gar nicht »als einen Kunstgriff, uns bei einem einzelnen Dinge verweilen zu machen, ohne sich in die frostige Beschreibung seiner Theile einzulassen.«15 Sein Zepter ist ein uraltes, Königliches, Göttliches Zepter! Der Begrif soll wirken; um alle andre Kunstgriffe und Allegorien bleibe ich unbekümmert.

Der Wagen der Juno wird beschrieben:16 warum? natürlich, weil ich ohne den Dichter, diesen Wagen nicht gesehen, weil ich ihn erst kennen lernen muß, um einen himmlischen Wagen zu kennen. Warum wird er zusammengesetzt? Natürlich, weil wir einen himmlischen Wagen nie so gut kennen lernen, als wenn er erst in seinen Theilen da liegt, und zusammen gesetzt wird. Um also die Vortreflichkeit dieses Götterwagens, um den innern Werth aller seiner Theile, um seinen künstlichen Bau zu schildern, wird er zusammen gesetzt, nicht aber, um diese Theile successiv zu sammlen, da man sie coexsistent nicht sehen kann. Das Zusammensetzen ist hier kein[150] Kunstgrif; kein, quid pro quo, um uns so das Ganze zu geben: den ganzen Anblick zu sammlen, ist kein Zweck des Dichters; im Zusammensetzen selbst liegt die Energie der Rede; nichts mehr. Bei jedem Theile sollen wir ausruffen: prächtig! Göttlich! Königlich! – ist dies: ist dieser Begrif sinnlich vollkommen in der Seele; das Ganze mit seinen Theilen war nicht mein Bild: das mag ein Kutscher lernen. – Der Wagen ist zusammen: die Energie also vollendet: ich ruffe nochmals aus: prächtig! Göttlich! Königlich! und lasse Juno und Minerva kutschieren.

Der Schild Achilles17 wird unter der Hand Vulkans: warum wird er? Natürlich, weil er werden soll! Achilles hat Waffen nöthig: Thetis flehet Vulkan darum an: er versprichts, steht auf, arbeitet – warum soll er nicht arbeiten? Im ganzen Homerischen Gedichte sind Götter wirksam: ihre Auftritte wechseln mit den Auftritten der Menschen ab: nun ist Nacht: die Handlung steht: Vulkan haben wir so lange nicht gesehen: seit dem er als hinkender Mundschenke der Götter erschien: Achilles hat seine Waffen mit Patroklus verlohren; nun gehe Thetis zum Vulkan, nun kann Vulkan schmieden: der Schild ist werdend. – Die ganze Scene gehört zur Handlung des Gedichts, zum Gange der Epopee, und ist keine Figur, die aus seinem Poem vorruffe, keine Besonderheit der Homerischen Manier. Im Werden, in der Schöpfung des Schildes liegt ja hier alle Kraft der Energie, der ganze Zweck des Dichters. Bei jeder Figur, die Vulkan aufgräbt, bewundere ich den schaffenden Gott, bei jeder Beschreibung der Maaße und der Fläche erkenne ich die Macht des Schildes, das dem Achilles wird, auf welches der in das Interesse der Handlung verflochtne Leser so sehnlich, als Thetis, wartet. –

Kurz: ich kenne keine Successionen in Homer, die als Kunstgriffe, als Kunstgriffe der Noth, eines Bildes, einer Schilderung wegen, da seyn sollten: sie sind das Wesen seines Gedichts, sie sind der Körper der Epischen Handlung. In jedem Zuge ihres Werdens[151] muß Energie, der Zweck Homers liegen: mit jeder andern Hypothese von Kunstgriffen, von Einkleidungen, um das Coexsistente der Schilderung zu vermeiden, komme ich aus dem Tone Homers. Ich weiß, daß dieser Vorwurf groß sey, daß kein größers Hinderniß der Kraft eines Dichters gelegt werden könne, als nicht in seinem Tone zu lesen; allein deßwegen nehme ich meinen Vorwurf nicht zurück. Wer in dem Zusammensetzen des Wagens der Juno, und in der Geschichte des Bogens und des Zepters, und in dem Werden des Schildes, nichts als einen Kunstgrif bemerken will, um einem körperlichen Bilde zu entkommen: der weiß nicht, was Handlung des Gedichts sey, an dem hat Homer seine Energie verfehlet. Wenn Homer ein körperliches Bild braucht, so schildert ers, wenn es auch ein Thersites seyn sollte; er weiß von keinen Kunstgriffen, von keiner Poetischen List und Gefährde: Fortschreitung ist die Seele seines Epos.

1

p. 153. 154. [463–4. freies Citat].

2

p. 178. 179. [477–8]

3

p. 174. 175. [475]

4

p. 154. 155. [464]

5

p. 155.

6

p. 155. [157 = 465]

7

p. 153. [463]

8

p. 167. [471]

9

Iliad. E.v. 722–731.

10

Laok. p. 163. 164. [469]

11

Laok. p. 183. 184. [480]

12

[p. 181 = 479]

13

p. 166. [471]

14

Laok. p. 180. 181. [478–9]

15

Laok. p. 159–63. [467–9]

16

Iliad. E.v. 722–731.

17

Iliad. Σ. 478 etc.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Kritische Wälder oder Betrachtungen, die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend, nach Maßgabe neuerer Schriften. 1769, in: Herders Sämmtliche Werke. Band 3, Berlin 1878, S. 143-152.
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