[538] Du bist so dunkel, als die Nacht ...
An Emma R.

[538] Du bist so dunkel, als die Nacht,

Wenn sternenlos sie ihren schwarzen Mantel breitet.

Das letzte Licht ertränkt in tiefstem Schacht;

Nein, dunkler noch, im grausten Dunkel gleitet

Dein weißes, bleiches Angesicht

Und mit geheimem Schimmer

Loht die Nacht vor dir

In magisch blaues Licht getaucht.


Komm, Königin der schwülen Nacht

Und lege deinen, weißen kühlen Arm

Um meine sonnverbrannten, heißen Schläfen,

Komm, führe mich in deinen marmordunkeln Tempel ein,

Den meine Liebe dir erhellen soll.

Dann soll nicht eine einzge Sonne mehr

Dann soll Sternensonnen ›uns‹ ein ›Heer‹,

Die Hochzeitsfackel durch die Nacht entflammen!

Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg; München 1964, S. 538-539.
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