Herbst

[136] Die Faune treten aus den Wäldern alle

Des Herbstes Chor. Ein ungeheurer Kranz.

Die Hände haltend, springen sie zum Schalle

Der Widderhörner froh zu Tal im Tanz.


Der Lenden Felle schüttern von dem Sturze,

Die weiß und schwarz wie Ziegenvlies gefleckt.

Der starke Nacken stößt empor das kurze

Gehörn, das sich aus rotem Weinlaub streckt.


Die Hufe schallen, die vom Horne starken.

Den Thyrsus haun sie auf die Felsen laut.

Der Paian tönt in die besonnten Marken,

Der Brustkorb bläht mit zottig schwarzer Haut


Des Waldes Tiere fliehen vor dem Lärme

In Scharen flüchtig her und langem Sprung.

Um ihre Stirnen fliegen Falterschwärme,

Berauscht von ihrer Kränze Duft und Trunk.


Sie nahn dem Bache der von Schilf umzogen

Durch Wiesen rauscht. Das Röhricht läßt sie ein.

Sie springen mit den Hufen in die Wogen

Und baden sich vom Schlamm der Wälder rein.


Das Schilfrohr tönt vom Munde der Dryaden,

Die auf den Weiden wohnen im Geäst.

Sie schaun herauf Ihr Rücken glänzt vom Baden

Wie Leder braun und wie von Öl genäßt.
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Sie brüllen wild und langen nach den Zweigen.

Ihr Glied treibt auf, von ihrer Gier geschwellt.

Die Elfen fliegen fort, wo noch das Schweigen

Des Mittagstraums auf goldnen Höhen hält.
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Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 136-138.
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