Hora Mortis

Gebannt in die Trauer der endlosen Horizonte,

Wo nur ein Baum sich wand unter Schmerz,

Sanken wir, Bergleuten gleich, in das Schweigen der Grube

Unserer Qual. Und von Leere schwoll uns das Herz.


Trüb wie die Winde, im Schierling, bei Büschen und Weiden

Haben wir unsere Hände im Dunkel gesenkt,

Und dann gingen wir lässig, und freuten uns unserer Leiden,

Arme Spiegel, darin sich ein düsterer Abend fängt.


Nachtwandlern gleich, gejagt vom Entsetzen der Träume,

Die seufzend sich stoßen im Dunkel mit ›bleicher‹ Hand,

Also schwankten wir in des Herbstes verschwindende Räume,

Der wie ein Riese sich hob in die Nacht und versank.


Aber im Wolkenland, im Finstern, sahn wir die Schatten

Schwarzer Reiher und hörten den traurigen Flug,

Und wir schwanden dahin in Schwermut und bittrem Ermatten,

Blutleere Seele, die Lethe durch Höhlen voll Kummer trug.
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Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 317-318,320-321.
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