[Heimlich aus der Höhe kam's]

[177] Heimlich aus der Höhe kam's,

Geisterhaft gelinde,

Von den trüben Augen nahm's

Sacht die Nebelbinde.


Und ich sah die Welt umher

Frühlingsheiter prangen,

Der ich blind und kummerschwer

Lang vorbeigegangen.


Mutter, war's dein sel'ger Geist,

Der es sah mit Leide,

Daß dein Kind so glückverwaist

Sich vom Leben scheide?


Oder war's mein Genius,

Den es still erbarmte,

Daß ich ohne Gruß und Kuß

Winterlich verarmte?
[177]

Wie ist nun in tiefstes Blau

Nebeldunst verschwunden!

Nur ein leiser Morgentau

Kühlt die Lebenswunden.

Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 177-178.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Neue Gedichte und Jugendlieder
L'Arrabbiata Und Gedichte (Dodo Press)
Andrea Delfin. Prosa und Gedichte.