Heyraths-Gedancken

[6] C.H.v.H.


Sol denn die traurigkeit den gantzen geist beschlüssen

Und die gewünschte zeit samt aller lust verflüssen?

Sol denn die einsamkeit/ o meisterin der pein!

Des hauses bester schatz/ des bettes zierrath seyn?

Nein/ nein/ es müssen nicht die sehnen müßig liegen/

Es soll das alter hier nicht ohne zeugen siegen.

Es ist gut einsam seyn/ wenn schnee das haupt bedeckt/

Ein winter-kaltes eyß uns in den lenden steckt.

Und uns der zeiten zahn die besten adern rühret.

Wer sonnen-heisse glut noch in den sehnen führet/

Der tret in zuversicht ein gleiches wesen an/

So glut zu halten weiß/ und glut erregen kan.

Ist doch in dieser stadt noch wohl ein bild zu finden/

So die aus Cypern kan mit schönheit überwinden/

Bey welcher der corall den süssen mund bedeckt/

Ja selbst der sonnen krafft in beyden augen steckt/

Von welcher lippen nichts als amber-tropffen fallen;

So schnee auff ihrer brust vermischet mit corallen.

Und welcher mit verdienst das hohe lob gebührt/

Daß sie den schwanen selbst die farbe hat entführt.

Das ist ein zeitvertreib/ so die erwehlen sollen/

Die in der sterbligkeit mit recht verfahren wollen.

Must alles fleisch gepaart in Noens kasten gehn/

Wie will man ungepaart in dieser welt bestehn?

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte zweiter Teil, Tübingen 1961, S. 6.
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