Vielfarbige Distichen

[119] Und so begrabt mich einst, wie heut sie das Mädchen begruben,

Nahe dem blinkenden Strand, nahe dem schattigen Hain.

Jünglinge faßten sie sanft, und Jünglinge hoben die Bahre,

Flöten umtanzten den Zug, Kränze umschwebten ihn dicht.

Habt ihr sie liegen gesehn, auf schmiegendem Purpur gebettet,

Leuchtende Blumen um sie, sterbende, kaum noch erblüht?

Reifen im duftenden Haar, mit bräutlichen Binden durchflochten,

Seh ich die schimmernde Stirn blinken durch bläulichen Rauch.

Weihwasserkrüge zur Seit, die wilden Empusen zu bannen,

Knistert der Weihrauch und dampft, Rosen schwimmen im Krug,

Flammen nun schlagen empor, still atmende heilige Flammen,

Lösen die reine Gestalt, lösen verklärend sie auf.

Löscht nun die zischende Glut mit duftendem Weine von Chios,

Deckt sie mit Blumen! o streut Farben, nur Farben darauf!

Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, S. 119-120.
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