Er erwacht in den spähten Herbst-Morgen

[237] Ode Jambica.


Der trühbe Morgen dunckelt/

der Dag bricht kaum schon für/

mein Lämpgen sprüht und funckelt/

ich fühls/ noch horcht wer vor der Dhür.

Noch ist er nicht verwichen/

ich schlieff/ er hat gewacht/

mit Augen lengst verblichen

stund er die gantze Nacht.

Sein Seiger saust/ die Stunden rinnen/

sey wer du seyst/ du mußt von hinnen![238]


Ich soff und hab gefrössen/

gehurt mit nichts alß Pakk/

mit Truddeln und mit Trössen

behing ich dihsen Maden-Sakk.

Wein/ Weibrichins und Karten/

nichts war mir ji zu bundt/

mein Hieber hieb sich Scharten

in manchen Lumpen-Hund.

Noch Keinen hat man so bedroffen/

allein – wie ist daß abgeloffen?


Schlohweiß sind meine Brauen/

mein vor so froher Mund

ward for mir sälbst zum Grauen

ein zubedäkkter Abgrunds-Schlund.

Mein Rükken hängkt gebogen/

ich krige kaum mehr Lufft/

mein Mercks fäult außgesogen/

mein Fleisch räucht nach der Grufft.

Ich känne würcklich nicht mehr wihder

mein fürmahls stoltzes Pfau-Gefihder!


Morbonens gifftge Schlangen

ümbringeln mir mein Stroh/

kaum ist so ergangen

sälbst jenem armen Lazaro.[239]

Fast ward ich schon zum Kinde/

fast such ich nur noch Den/

für dem die Würbel-Winde

sanfft wie die Zefirs gehn.

Sein Eyffer-Grimm auff mich/ sein Wühten

lässt sich durch nichts von mir begühten!


Für meine Dhrenodieen

verstopfft Er sich sein Ohr/

ümbsonst auff beyden Knyen

ruttsch ich Ihm biß fürs Pärlen-Dhor!

So sehr ich mich auch sträube/

ich Leim/ ich Mist/ ich Koht/

Er gläubt nicht/ daß ich gläube/

und lässt mich meiner Noht!

Kein sündig Hertz daugt nicht zum Tempel/

dihß lehrt mein drauriges Exempel!


Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 237-240.
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