Er durchsaufft mit seinen Gesöllen die gantze Nacht im blauen Oriflanten

[103] Qwodlibet.


Printz Hesper kam gegangen/

sein Silber spihlt im Kolck;

lengst traumt auff seinen Stangen

das prawe Hühner-Volck.

In den geschwärtzten Gassen

geht Licht an Lichtgen auff;

daß Zweene sich ümbfassen/

ist itzt der Welt ihr Lauff.

Das faule Fiamettgen

begibt sich schon zur Ruh/

erst kükkt es unters Bettgen/

dan mümmelt es sich zu.

Nur wir/ die gantz Entbrannten/

sind noch so ranck wie risch/

im blauen Oriflanten

dröhnt unser Runda-Disch![104]


Bachus/ wer sich dir verpflicht/

blazzt nicht an der Wasser-Gicht!

Lüderlich mit Espagnol

stopfft er sich die Nase voll/

Schwamm und Schimmel Finger-dikk

zihren ihm sein Bücher-Rükk!

Dein Burdeau

mach uns froh!

Soll er dir verkellern?

Blizzen laß

Glaß an Glaß

zwischen Kuchen-Dellern!

Fast so sind uns deine Weine

bläncker alß Cytherens Beine!

Wer sich deiner nie beflissen/

wird bespukkt und rauß geschmissen!


Pallas/ altes Schrekk-Gestell/

du ligst uns im Magen!

Dein mit Staub bepudert Fell

schafft uns nicht Behagen!

Dein Kleid auß violettem Dafft

ist würcklich schon waß mangel-hafft!

Zwar deinem Scheddel fehlts an Grüzze/

doch däkkt ihn eine Zobel-Müzze/

darfor so hänckt dir ohngelogen

dein Rükken wie ein Fidel-Bogen![105]

Alles schlampt dir schon verqwarckt –

sizz dich auff den Kräutter-Marckt!


Titan bläst auff seinem Rohr

blohß noch denen Lämmgens vor/

weil sein Hertz zu jeder Zeit

Dafne/ Dafne/ Dafne schreyt!

Nichts vergleicht er an Gewalt

ihrer himmlischen Gestalt;

gleich so ist er hin für Glükk/

siht er blohß ihr Achter-Stükk!

Lengst verdreusst uns sein Gebrülle

über ihre Busen-Fülle;

for die Waden vihl zu kortz

ist ihr kleiner Schäffer-Schortz!

Ob sie/ wan sie an ihn dänckt/

würcklich ihm ein Zährgen schänckt?

Schafft ein Zwiebelgen uns ran/

daß man ihn beweinen kan!


Mars/ der vor blohß Kugeln spieh/

ward zum Alamodo-Vieh.

Seine Zokker-Zunge schläkkt

nur noch waß nach Frankreich schmäkkt!

Die Stieffelgens auß feinstem Jochten/

die Hahre durch und durch verflochten/

das Mäntelgen auß steiffstem Sammt –

kaum Troja sälbst hat so geflammt![106]

Morgends schon um halber Vier

sizzt der Lemmel beym Bolbier/

dan so sucht er nachts biß speht/

wo der Weg durch Mäntschen geht.

Basilille/ alte Kuh/

plinck ihm nicht verstohlen zu!

Sein Fläschgen ist schon fast wie leer

und die Dinte fleusst kaum mehr!


Volcanus/ rauch an Hahren/

läßt donndrend einen fahren;

er blihb/ zu sehr gesund/

der alte grohbe Hund!

Den lezzten Deut verkehrt der Zwikkel

zu Mett-Worst und zu Bompour-nikkel

und stellt for Malvasir

ein sehr gutt Zerbster-Bier!

Blanck bezihren hundret Reste

seine Uhr-Großvatter Weste/

darzu so speyt er Thobakks-Safft/

solches ist jo ekkel-hafft!


Venus/ seine lihbe Frau/

kännen wir fast zu genau/

die durch alle Gassen rennt/

weil sie wie ein Stroh-Wisch brennt!

Offt schon hat sie ohngenirt

uns das Canapee bezihrt;[107]

daß ihre Ründungen nicht treugen/

läßt sie sich jeden überzeugen.

Wie schön/ daß Sowaß heut der Mann

schon for zwo Gröschen haben kan!


Cupido/ Vettergin/

wirff deinen Bogen hin/

weil nichts nicht dihse Nacht

uns dir zintz-bahr macht!

In kein Kleidgen ohne Schleiffen

werden wir biß morgends greiffen;

Fillis kan uns nicht bekräncken/

wenn wir unsre Gläser schwäncken!

Rhein-Wein blohß und Mosel

schleifft uns ran die Rosel/

nach der Väter Weise

drincken wir im Kreise!

Sälbst der geulste Hottendott

kippt itzt einen Bergamott/

er bräucht dan/ ziht er zihmlich kühn/

nicht erst den Medicum bemühn.

Friß! Schling!

Sauff! Sing!

Sizz dich zu uns/ kleines Männgen/

statt deß Zolps wähl dir ein Känngen!


Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 103-108.
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