Er schüttelt sein Hertz auß

[178] Qwodlibet.


Das Feld steht Kräutter-leer/

Frau Flora lacht nicht mehr/

der Wald hat allbereit

sein bundtes Stärbe-Kleid/

ein schönes Schau-Gerüst/

das bald Verwehsung küsst.

Wo blihb die Amstel hin/

das Singe-Vögelgin?

Der Fröschgen ihr Coax

beschehmbt nicht mehr Hannß Sachs.

Drümb sey es endlich hihr geklagt/

waß mir das Hertz benagt![179]


Unsre Gaben/ süsses Kind/

flüchtig wie Narzissen sind/

und es fährt mit uns die Zeit

strakks in die Vergässenheit.

Einst so welckt mir dihse Haut

trukkner alß ein Sommer-Kraut/

einst so zwikkt mir dihß Gebein

Bodagra und Zipperlein.

Hengen laß ich dan mein Maul

wie ein alter Karren-Gaul/

stakkrich sezz ich Fuhß for Fuhß

wie ein steiffer Tapp-ins-Muhß.

Nachts/ wenn mich die Flöhe jükken/

krault mir keine mehr den Rükken/

denn for sowaß/ lihbes Kind/

bün ich dan zu keusch gesinnt.

Amors Zokker-süsser Poltzen

ist mir dan durchauß zerschmoltzen/

und ich seufftz die gantze Zeit

in betrühbter Einsamkeit!


Alles blüht und muß vergehn/

dir wird Gleiches mahl geschehn!

Die weissen Kugeln/ so sich itz

so süß und anmuhtsvoll bewegen/

wird einst ein ungeheurer Plitz

in nichts wie Staub und Asche legen.[180]

Dan wird dich niemand mehr betasten/

dan lihgt dein Leib im schwartzen Kasten/

dan triefft/ dan stinckt nach Talg

dein runtzlig fauler Balg.

Dein Mund so süß benelckt

klafft jämmerlich verwelckt/

von Rohsen nicht die Spur/

zwo trukkne Schruntzeln nur/

zermürbelt und zerbrochen/

von Kröten überkrochen!


Laß die mit den weissen Bäffgen/

sie seynd Aeffgen!

Laß sie pappeln/ laß sie plarren/

sie seynd Narren!

Ob Jüde/ Heyde/ oder Christ/

er wird zu Mist!

Morgen lengst ist alles auß/

Mäntsch/ du bist nur eine Lauß/

morgen/ oder gar schon heut/

dröhnt vom Thurm dein Grab-Geläut!

Eins nur ist uns dan gewiß:

schwartz-polihrte Fünsterniß!


Laß uns alles drümb vergessen/

Rohsen pflantzen ümb Zypressen/

die dein Auge/ wenn es strahlt/

gleichsahm wie mit Goldt bemahlt![181]

Deinen weichen Alabaster

trukk ihn auff mich rächt alß Pflaster/

Mund an Mund und Brust an Brust/

in verschwihgner Götter-Lust/

biß ihr Pärlen-Safft dich/ Kind/

gantz durchrinnt!


Ob sie Jungffern oder Huren/

alle in die Grube fuhren/

nichts mehr war ihr Schön-Seyn nüzze

in der schwartzen Lethe-Pfüzze!

Selbst Helena mit göldnen Hahren

ist Stanck und Gifft seit dausend Jahren!

Drümb so künt es fast geschehn/

daß die Augen mir voll Wasser stehn!


Waß ist die Welt und ihr berühmbtes Gläntzen?

Ein Blizz bey Nacht.

Eh welcke Rohsen eure Scheitel kräntzen/

singt/ drinckt und lacht!

Heut sind wir noch jung und roht/

morgen hat uns schon der Dodt/

morgen sind wir Asche!


Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 178-182.
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