Er spazzirt mit ihr durch einen schönen Sommer-Tag

[137] Ode Trochaica.


Weil die schönen Sommer-Wochen

wihderümb herfür gekrochen/

bün ich gleichsahm wie entzükkt/

wenn betaut von Pärlen-Kräntzen

der saffirnen Felder Gläntzen

fast mich auß mir sälbst entrükkt!


Morgends schon in aller Frühe

dreibt Melampus seine Kühe/

Titan sälbst ist kaum schon wach/

und sie hängen ihre Eutter

Bluhmen-käuend in die Kreutter/

blanck vorüber rauscht der Bach.[138]


Zwischen grünen Amaranthen/

zwischen feisten Alakanten/

wo die dikksten Spindeln stehn/

unter Wolcken-hohen Eichen/

die fast an die Sterne streichen/

laß uns itzt spazziren gehn!


Wo die weissen Lämmer grahsen/

stört uns kein Trompeten-Blahsen/

Mars lihgt itzt der Venus bey.

Weil ihn ihre Brüste pressen/

hat er gantz und gar vergessen

Trummel-Schlag und Feld-Geschrey.


Mit Frau Florens bundter Waare/

kräntzt er ihr die göldnen Hahre/

daß das Hertz ihr lacht und springt/

biß sie wie zwey Reben-Trauben

zahrt sich durcheinander schrauben/

worzu süß ein Vogel singt.


Sih auß spihlenden Opalen

dort den Regen-Bogen strahlen –

fort die Grillen-Fängerey!

Hindter unbeschnittnen Myrthen

blahsen durchauß ferne Hirten/

niemand/ der nicht frölig sey![139]


Itzt mit Dünnen/ wie mit Dikken/

schlägt sich mancher in die Wikken/

oder auch ins Rokken-Feld;

überall auff allen Trifften

hört man nichts wie Heyrath stifften/

klar-blau blizzt das Götter-Zelt.


Dort in jene kühle Grotte

schlipffte eben Marmelotte/

sollte drin nicht Strephon seyn?

Laß die Frevel-Mäuler schwezzen!

Wenn sie sich nur rächt ergezzen!

Wer wird gleich Lamento schreyn?


Auß verguldeten Narzissen/

gantz auff Ueppigkeit beflissen/

kukk/ Mirtillchen und Mirtill!

Zwo bewegliche Korallen

üben sich auff ihm mit Knallen/

wie ein Lämmgen hält er still.


Nicht doch/ nicht doch/ lihbes Kindgen/

nicht doch/ nicht doch/ kreischt Dorindgen/

doch es ist bereits geschehn/

und ihr zu verlihbtes Bübgen

küzzelt sie schon in das Grübgen –

kom/ wir wollen weiter gehn![140]


Denn auch wir sind keine Engel/

pfiff der kleine Galgen-Schwengel

uns nicht dihse gantze Nacht?

Unter dausend süssen Schertzen

lagen wir uns Hertz am Hertzen/

ach/ hat mich das froh gemacht!


Jenes angenehme Jükken

fühlen sälbst die Mammelükken/

drümb so laß sie gantz allein;

wo zwey Lihbste und mit Lachen

durchauß Gribbes-Grabbes machen/

darff man niemahls Argus seyn!


Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 137-141.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Dafnis
Des Schäfers Dafnis Fress-, Sauf- & Venuslieder
Dafnis. Lyrisches Portrait aus dem 17. Jahrhundert
Dafnis Lyrisches Portrait aus dem 17 Jahrhundert

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Lotti, die Uhrmacherin

Lotti, die Uhrmacherin

1880 erzielt Marie von Ebner-Eschenbach mit »Lotti, die Uhrmacherin« ihren literarischen Durchbruch. Die Erzählung entsteht während die Autorin sich in Wien selbst zur Uhrmacherin ausbilden lässt.

84 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon