An den Geheimenrath Klotz, als er eine Geschichte des Cupido in einer seiner Schriften entworfen, und eine Geschichte der Hölle angekündigt hatte

[206] Dort, wo der May hernieder blickt,

In jenem Thale, das, entzückt,

Sich mit den ersten Blumen schmückt,

Sah' ich ein Chor von Liebesgöttern

Vertieft in den Geschichten blättern,

Die eine Muse Dir erzählt:

Wie Grazien den Amor wiegten,

Und ihn durch manches Spiel vergnügten;

Wie er mit Psychen sich vermählt;

Wie seine goldnen Waffen kriegten

Und über alle Götter siegten;

Wie, bey der Leyer Harmonie,

Den stärksten Löwen er bezwungen,

Und dann die Keule sich errungen,

Die bis zum Tartarus gedrungen,

Dieß, Freund! dieß alles lasen sie.

Da sprach ein Amor zu dem andern:[207]

Uns will, der dieses schrieb, entfliehn;

Des Pluto Reich will er durchwandern;

Allein wir selbst begleiten ihn.

Ixions Rad muß er nicht hören,

Ihn darf der Zerberus nicht stören,

Ihm rauschet nicht der Höllenfluß;

Nicht sehen wird ihn Tantalus,

Und nicht der müde Sisyphus.

Nur auf besonnten stillen Höhen,

Soll er mit Liebesgöttern gehen.

Im blühenden Elysium

Versammeln wir um ihn herum

Corinnen, Lesbien, Helenen,

Mit allen einst gepriesnen Schönen.

Umarmen soll ihn einst Tibull;

Ein neues Lied singt ihm Catull,

Der dort in seines Mädchens Hand

Den muntern Sperling wieder fand.

Es sollen artige Satyren

Den besten Wein zur Hölle führen,

Und da, wo sonst kein Becher winkt,

Wo man nur Lethens Wasser trinkt,

Soll er, wir wollen ihn belauschen,

Sich mit Anakreon berauschen.

Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 1, Zürich 1819, S. 206-208.
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