Lalage an Gliphästion[200] 1, über seinen jüngern Freund Jacobi

Berlin, 1768.


Wann seh' auch ich mit forschbegier'gen Blicken

Den jungen wunderbaren Mann,

Der Lieder singt, den Musen zum Entzücken;

Der dich bezaubern kann?


So ganz bezaubern, daß du von Vergnügen

Berauschet bist, und mich jüngsthin

Vergessen hast, und lange mir geschwiegen,

Mir, deiner Schäferin!


Die Suada muß ihn auferzogen haben;

Ach! reden muß er, wie Merkur,

Der ehedem, gleich einem Schäferknaben,

Von dem Olympus fuhr,
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Und vor dem immer wachenden Bemerker

Der armen Inachide, süß

Und kläglich schön, und stark, und immer stärker

Die Flöte tönen ließ,


Und nach dem Spiel ihn mit Geschwätz ergötzte,

Das lieblich von den Lippen floß,

Bis im Entzückungsschlummer sich das letzte

Der hundert Augen schloß!

Fußnoten

1 oder: Die Karschinn an Gleim.


Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 1, Zürich 1819, S. 200-202.
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