Zweyter Gesang

[146] Leosthenes sah, daß die Burg mit Sturm

Schwer zu erobern war; Er gab demnach

Befehl, sie in den Brand zu stecken. Schnell

Warf der Ballist, statt Steinen, eine Saat

Von Klumpen griechschen Feurs1. – Wie, wenn Vesuv

Sein brennend Eingeweid hoch durch die Luft

Umher speyt, mit erschrecklichem Geräusch

Der Feuerregen in ein Feuermeer

Im Thal zusammenfließt, und weit das Feld

Mit laufenden und rothen Wellen deckt,

Daß sich das Wasser in den Seeen scheut[146]

Und vor dem Lande flieht, daß Felß und Meer,

Erschrickt und jammert: So floß in der Burg

Der Feuerregen in ein Feuermeer

Zusammen; Todt und Schrecken schwamm darauf.


Bald donnert' in des Schlosses Innerem

Die Flamme wie im Bauch der Höll', und fuhr

Zu allen Fenstern und zum Dach heraus

In Strudeln. Und der ganze Bau ward Gluth,

Fiel in einander, wie ein Fels, von Blitz

Gespalten, fällt. Die Erde zitterte;

Des Himmels weiter Raum erscholl umher. –

Zu löschen war umsonst. Auch drang der Feind

Stets wüthender heran, und dacht einmal

Den macedonschen Muth zu schwächen. – Doch

Er schwächt' ihn nicht, und Cißides blieb stets

Derselbe; Paches auch. Sie breiteten

Nacht übers Volk Athens, mit Pfeilen, aus,

Ermunterten ihr Heer, und wo Gefahr

Groß war, da waren sie. Begegneten

Sie sich, so sahen sie vergnügt sich an.

Schwieg gleich der Mund, so sprach ihr Auge viel,

Und sagt: Unsterblichkeit ist unser Theil! –

Doch auch die Freundschaft sah zum Blick heraus,

Und es blieb ungewiß, ob Heldenmuth

Die Freunde mehr beherrscht', als Zärtlichkeit.

Sie drückten sich die Händ', und eilten dann

Wohin sie Ehre trieb, und wo der Tod

In Feur und Stein, und Pfeilen sausete. –

Gleich unerschrocken blieb ihr kleines Heer.

Sah jemand seinen Freund getödtet: floß,

Vom trüben Aug ihm eine Thränenfluth;

Doch schickt er Pfeil auf Pfeil dem Feinde zu. –


Zuletzt befiel den von dem Streit, vom Brand

Und Noth an Ruh, erhitzten Cißides

Ein heftger Durst. Er kämpfte lange schon

Mit Angst und Ohnmacht, weil Getränk gebrach.[147]

(Des Schlosses Brunnen war verschüttet von

Ruinen. –) Ach ich sterbe! sagt' er schwach

Zum Paches; schon seh ich den Himmel schwarz;

Durst ist mein Tod und nicht Leosthenes. –

Sein Freund erblaßte mehr für Angst als er,

Und eilte fort, und schöpft in seinen Helm

Von eben nur Erschlagnen, Blut, und brachts

Dem Cißides, und sagte: Trink! Er trank

Und seufzte schaudernd: Ach! ihr Götter! ach!

Wozu bringt ihr die schwachen Sterblichen! –

Allein er ward erquickt, und Heiterkeit

Kam ihm ins Antlitz. Nach dem Thau der Nacht

Erheben Blumen so (die schon die Au

Besäen wollten mit der Blätter Schmuck,

Gedruckt vom Sonnenstrahl des vorgen Tags)

Voll Pracht ihr hangend Haupt, und glänzen, wie

Der helle Morgenstern, der auf sie sieht. –

Er ward erquickt der tapfre Cißides,

Und eilte zu der Maur, wo alles noch

Mit Löwenmuthe stritt', ob gleich die Zahl

Der Todten seines Volks schon größer war,

Als der noch Lebenden. Er kam nicht hin!

Ein Pfeil flog über die zerfallne Burg,

Und fuhr dem Helden – Ach erschreckliche

Erinnrung! Müssen auch des Todes Raub

Diejengen seyn, die zu der Erde Glück,

Zu leben ewiglich verdieneten! –

Fuhr in den Rücken ihm und durch die Brust.

Er fiel aufs Angesicht. Gefühllos lag

Er lange so. – Erhohlte sich dennoch,

Und wollte sich erheben, aber Kraft

Gebrach ihm. – Paches kam, und fand den Freund

Im Blute schwimmend. Ach, wer kann den Schmerz

Des Redlichen beschreiben! Ohne sich

Zu regen stand er. – So erstarrt die Fluth

Im Winter, wenn der rauhe Nordwind stürmt;

Sein Athem rührt sie an, und sie ist Stein.[148]

Ach, sagte Cißides, zieh doch den Pfeil

Mir aus dem Rücken, Freund, und kehr mich um!

Der Tod fürs Vaterland wird mir nicht schwer;

Die Art des Todes nur wird mirs. Wer so

Mich findet, kann vermuthen, als hätt ich

Die Brust dem Feinde nicht gezeigt. Laß nicht

Mit Schande mich mein Leben endigen,

Da stets mein Wunsch nur Ehr und Tugend war!

Und Paches zog den Pfeil2 zur Wund' heraus

(Blut stürzt dem Eisen nach, wie Wasser aus

Der Quell') umarmet' und erhub den Freund

Mit Thränen in dem Aug, und kehrt ihn um.

Hab Dank! – – Leb ewig wohl! – – sprach Cißides,

Freund! – – und verschied. Von tausend Sterbenden

Die Quaal zusammen, ist kein Theil der Quaal,

Die Paches fühlt'. Er glaubt nur halb zu seyn,

Wehklagte laut und irrte wild umher,

Wie eine Löwin in der Wüste, wenn

Man ihr die Jungen raubt. Das Heer erschrack,

Und klagte mit. Der Feind erfuhr den Schmerz

Desselben, durch Ballist und Katapult.

Von Neuerschlagnen raucht umher das Feld,

Blut und Gehirn und Leichen deckten es.


Ende des zweyten Gesangs.


Fußnoten

1 Le feu gregeois, ce feu inextinguible dont le Secret s'est perdu depuis bien des siecles, etoit composé de souffre, de bitume, de gomme, de poix & de resine, qui bruloit jusques dans l'eau. On le nomme gregeois du nom de Grecs qui s'en sont servi les premieres. Ray de St. Genie, Art de la guerre pratique. T.I.p. 97.


2 Die Alten hatten vielerley Arten Pfeile, und einige davon waren mit keinen Wiederhacken versehen. Die es nicht waren, konnten also leicht aus einer Wunde gezogen werden. Siehe den Lipsius.


Quelle:
Ewald Christian von Kleist: Sämtliche Werke. Stuttgart 1971, S. 146-149.
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