Vier und zwanzigster Brief.

An den Herrn Commerzienrath Müller in Hamburg.

[203] ........ den 4ten Julius 1771.


Ich denke, ich muß Ihnen doch noch einmal schreiben, ehe Sie nach Dännemark gehn, es wird Ihnen diese Zeilen ein Holländer überreichen, der nach Hamburg reiset, und den ich hier habe kennen gelernt.

Das ist nun freylich so ein Volk von Menschen, mit denen ich durchaus nicht sympathisieren kann. Ihr ganzes Wesen ist Handel, Pflegma und Unempfindlichkeit – Wissen Sie die Geschichte des Mannes, dem man, als er nach Amsterdam gieng, wohl[203] eingeprägt hatte, er solle, ehe er von einem Holländer eine Dienstleistung, oder sonst irgend etwas annähme, vorher mit demselben über den Preis einig werden? Er kam also an, und bath einen am Ufer stehenden Holländer, ihm ein gewisses Haus zu zeigen. Der Mensch fragte, wie viel er ihm zur Belohnung geben würde; Sie wurden einig; der Fremde bezahlte, und der Holländer, ohne sich vom Platze zu bewegen, wies nur mit der Hand zurück, indem er sagte: »Hier, hinter mir, das Haus, so Ihr da seht, das ist es!«

Mit dem allen aber ist der Mann, der Ihnen diesen Brief bringt, ein bisgen besser, als seine gewöhnlichen Landesleute; Ich empfehle ihn daher Ihrer Güte. Er kann Aufträge von Ihnen in Holland besorgen.

Wenn werden wir uns denn einmal sehen? Auf das Frühjahr komm ich gewiß nach Hamburg; aber dann sind Sie vielleicht[204] nicht mehr dort. Mein ehrlicher Oncle will, wenn er kann, die Reise mitmachen; Aber ich fürchte, seine Gesundheit fängt an wankend zu werden.

Ich bin sehr vergnügt hier auf dem Lande, studiere das Bauernvolk, ihre Charactere, ihre Vorurtheile, ihre Lieder, und wahrlich, ich finde manche originelle Menschen unter ihnen. Darüber schreibe ich viel auf, auch ihre Vorurtheile, Gesänge und Tänze sammle ich; Sie sollen nächstens etwas davon lesen. Da werden Sie hören, daß man das Messer nicht auf den Rücken legen darf, damit die heiligen Engel nicht in die Schneide treten, daß man, während es zur Kirche läutet, nichts essen soll, damit die Zähne nicht ausfallen; Wie man es anzufangen hat, um nicht behext zu werden, und dergleichen mehr. Unter den Liedern werden Sie einige recht herzergreifende finden; Aber da müßten Sie dieselben auch hier fingen hören.[205]

Die Einlage1 bitte ich geschwind zu besorgen. Sie ist mir gestern eilig von Urfstädt geschickt worden. Von wem der Brief ist, weiß ich nicht.

Leben Sie wohl, mein Lieber! und vergessen mich nicht,


von Weckel.

Fußnoten

1 Den folgenden Brief.


Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 3, Riga 1781–1783, S. 207.
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