Der 1. Absatz.

Von etlich gemeinen fruchtbaren Bäumen.

[579] Unter denen fruchtbaren Bäumen seynd bey uns die Aepfel- und Birn-Bäum etc. die gemeinste und bekannteste / deßwegen sie auch da keiner sonderen Beschreibung bedärffen / als welche uns fast täglich unter die Augen kommen.1 Sage nur / daß der Apfel-Baum wegen seines Nutzens und Fruchtbarkeit / vor anderen Bäumen häuffig und mit Fleiß in den Gärten gepflantzet werde. Er wachset zwar fast überal / doch liebt er ein fettes Erdreich; dann im sandigen Boden /wann er nit begossen wird / kommt er schlecht fort /und bringt meistens nur Wurm-stichige Früchten. Er muß auch zu Zeiten von überflüßigen Aesten gestutzet werden / daß nit die Feuchtigkeit / so der Frucht zur Nahrung dienen soll / in dieselbe schlage.

Was aber die Aepfel selber anbelangt / seynd derselben gar vil unterschidliche Art und Gattungen.2 Plinius lib. XV. c. 14. erzehlet / deren neun und zwantzigerley / welche schon damahlens in Italien bekannt waren. Bauchinus aber lib. 1. Hist. Plant. c. 1. meldet wohl von 70. Arten. Es mögen aber alle füglich in 3. Gattungen hauptsächlich abgetheilt werden /nemlich in süsse / saure und mittelmäßige / oder eines von der Säure und Süsse vermischten Geschmacks: die erste wärmen und laxiren / die andere kälten und constringiren / die dritte seynd dem Geschmack die annemlichiste / und der Gesundheit die gedäulichiste. Die ungeschmacke und wässerige / seynd zur menschlichen Nahrung wenig dienlich.

Die Aepfel seynd vor Zeiten hoch geachtet worden / daß alle Gastereyen darmit beschlossen / gleichwie hingen von den Eyren angefangen worden / woher bey den Lateineren das Sprüchwort entstanden ist: ab ovo ad poma, welches so vil heisset / als / vom Anfang biß zum End.

Die edlere und fürtrefflichere Arten der Aepflen seynd mala punica, oder mala granata, dieGranat-Aepfel / mala cydonica, die Kütten / mala aurea, mala citrea, die Pommerantzen und Citronen / mala lemonica, oder Lemonien / mala persica, die Pfersich etc. Einige werden auch Adams-Aepfel genennt / andere Sodomitische Aepffel / welche zwar von aussen gar schön anzusehen seynd / innerhalb aber / wann man sie voneinander schneidt / ist nichts als Staub und Aschen: und deßwegen stellen sie uns füglich vor die eitle Welt-Freuden / und zeitliche Glückseeligkeit / welche dem äusserlichen Schein nach hoch schätzbar / schön und annemlich ist / in der Sach selbsten aber /wan mans recht betrachtet / (ein lautere Eitelkeit) ja gegen dem Ewigen ein pures Nichts zu rechnen ist. Eben dergleichen kan auch von der Gleißnerey oder Scheinheiligkeit gesagt werden / als welche von aussen glantzet /[579] und von innen nichts ist; inmassen die äusserliche Tugenden vor GOtt nichts gelten / wann sie nit mit den innerlichen vergsellschafftet seynd.

Die Granat-Aepfel aber seynd also beschaffen: sie wachsen an dem Granat-Baum / welcher nit hoch ist /schmale dicke Blätter hat / Saat-grün / mit rothen Aederlein durchzogen / die auch an rothen Stihlen hangen: sein Blüh ist langlecht und leibfarb / nach welcher die Frücht oder Granat-Aepffel erfolgen / welche rund seynd / ausserhalb röthlecht / und inwendig gelb / mit vilen rothen safftigen Kärnlein besetzt / schön von Farb / lieblich von Geschmack / und gesund zu essen.

Die Granat-Aepfel wachsen häuffig in Italien / in Teutschland aber werden sie schwerlich aufgebracht /dann sie haben zu ihrer Zeitigung eine grosse Hitz vonnöthen: wie ich lise / behalten sie die Blüh auch wann sie schon Früchten tragen. Durch dise Frucht kan ein geistlich- oder weltliche Communität oder Gemeind verstanden werden / in welcher alle Mitglider Krafft brüderlicher Lieb und Einigkeit / als wie die Körner in dem Granat-Apfel vermittelst des Saffts / versammlet und vereiniget seynd / ein solche Gemeind ist schön / annemlich und nutzlich.

Aber wiederum auf die Aepfel / und Aepfel-Bäum insgemein zu kommen / so ist zu beobachten / daß ein Apfel auf Lateinisch malum genennt / welches Wörtlein malum zugleich auch ein Ubel heißt / welches sich gar wohl zusammen schickt: dann à Malo Malum, von dem Apfel kommt vil Ubles.3 Obwohlen der Apfel schön zu sehen / und gut zu essen ist / ja eben darum weilen er schön und gut ware / haben sich unsere erste Eltern Adam und Eva von der höllischen Schlang im Paradeyß betrügen und überreden lassen /wider das Gebott GOttes von der verbottenen Frucht geessen / und mithin so wohl ihnen selbst / als ihren Nachkömmlingen / sambt der Erb-Sünd alles Ubel auf den Halß gezogen.

Ja / nit nur gleich anfangs Erschaffung der Welt /sondern auch forthin zum öffteren hat es geheissen: à Malo Malum, vom Apfel kommt Ubels. Der Kayser Theodosius der Jüngere hat einstens seiner Gemahlin ein schönen und überaus grossen Apfel verehrt / welcher wegen seiner ungewöhnlichen Grösse für etwas rares gehalten wurde: Die Kayserin nahme zwar den Apfel mit Freuden an / und hatte ein Wohlgefallen darob. Weilen aber ein gewisser treuer Diener und gelehrter Minister oder Hof-Herr / Paulinus mit Nahmen / an dem Podagra kranck lage / so hat ihm die Kayserin zu sonderem Gefallen / und ihme ein Freud zu machen / den Apfel zugeschickt und verehrt. Der Kayser hat dises unwissend der Kayserin verkundschafftet / und aus falschem Argwohn / als wann sie mit disem Hof-Herrn eine wider die eheliche Treu heimliche Verständnuß hätte / sehr übel aufgenommen: Er nahme deßwegen den Apfel wieder zu sich /begab sich darmit zu der Kayserin / und fragte / wo sie den Apfel hingethan? sie erschrack darüber / und gedraute ihr es nit zu gestehen. Sie gabe also die Unwahrheit vor / und sagte / sie hab ihn gegessen / und hat es mehrmahlen ernstlich befragt / auch mit einem Schwur bekräfftiget. Auf dises ist der Kayser in seinem Argwohn noch mehr gesteifft worden / und hefftig ergrimmt: Er zoge den Apfel hervor / stiesse ihr selben unter die Augen / und sprach mit zornmüthigen Gebärden / wie ist dann diser Apfel aus eurem Magen wiederum in meine Händ kommen? die Kayserin wurde schamroth / und wuste nichts zu sagen. Der Kayser aber / theils aus Argwohn der verletzten ehelichen Treu / theils wegen der hartnäckigen Lugen hat Eudoxiam von dem Kayserlichen Ehe-Beth[580] und Thron verstossen / Paulino aber das Leben nehmen lassen.

Nit besser ist es zu Constantinopel mit einem Apfel ergangen: als der Türckische Kayser Bajazeth in seinem Lust-Garten mit eigner Hand ein Apsel-Bäumlein gepflantzet hatte / welches ihm überaus schön und grosse Früchten herfürgebracht / er besichtigte selbe mit grossem Lust / und verbotte ernstlich /daß kein Mensch einen Apfel von disem Bäumlein abnehmen solle. Aber einer von den Edelknaben / die dem Kayser aufwarteten / liesse sich von dem Lust überwinden / er brache heimlich ein Apfel ab / und asse ihn. Der Kayser vermerckte es alsobald / und schöpffte gleich einen Argwohn über die Edelknaben / ergrimmte hefftig darüber / und weilen es auf strenges Nachforschen keiner bestehen wolte / befahle er allen den Bauch und den Magen aufzuschneiden / um zu erfahren / ob / und welcher den Apfel genommen und geessen habe. Es hat sich aber / Zweiffels ohne aus sonderbarer Schickung begeben / daß gleich in des ersten aufgeschnittenen Magen der noch nit verkochte Apfel ist gefunden / und also die andere gleichwohl errettet / und beym Leben erhalten worden. Da hat es abermahl ja freylich geheissen: à Malo Malum, von dem Apfel kommt das Ubel.

Schier ein gleiches Unglück hat aus Gelegenheit der Aepflen erlitten ein Sohn des Königs in Thracien / welchem Trajanus der Kayser das Königreich / so er seinem rebellischen Vatter hat abgenommen / wiederum zuzustellen gesinnet ware: Weilen aber diser junge Prinz dem Kayser einstens ein Lugen gethan hat / und gesagt / er komme eben von dem Studiren her /da er doch in dem Garten Aepfel abbrechen ist gesehen worden / so hat ihne der Kayser des Reichs unwürdig geschätzt / und mit Ungnad verstossen / sprechend: Es gezime sich nit / daß Rom (ich sage besser die Catholische Kirch) als ein Mutter der Warheit /ein lugenhafftes Kind habe.

Aus den ermeldten Begebenheiten / und vil mehr anderen dergleichen / erscheinet auch klar / wie daß die Lugen bey GOTT und denen Menschen so schwerlich verhaßt seyen / und öffters auch in disem Leben gestrafft werden.4

Bey gewissen Völckern ist vor Zeiten ein Gesatz gemacht worden / daß derjenige / so zum drittenmahl gelogen hatte / nit nur aller Aembter und Ehren für unfähig geschätzt wurde / sondern auch forthin sein lebtag kein Wort mehr reden durffte. Der König Artaxerxes aber haßte die Lugner so sehr / daß er ihnen die Zungen dreyfach mit Näglen durchstechen liesse. Und Demosthenes hielte darfür / daß ein Lugner nit weniger / als der / so eine falsche Müntz präget /straffmäßig sey. Ananias und Sophira, so bald sie dem heiligen Apostel Petro wegen dem verkaufften Acker die Unwahrheit vorgeben haben / seynd sie todt vor seinen Füssen darnider gefallen: Abominatio Domino labia dolosa.5 Lugenhaffte Zungen seynd dem HErrn ein Greul / die aber getreulich handlen / gefallen ihm wohl. Qui mendacia loquitur non effugiet; der Lugen redet / wird der Straff nit entrinnen. Der H. Augustinus sagt / gleichwie GOtt Vater seinen Sohn / als die ewige Wahrheit gebohren / also hat der Teuffel nach seinem Fall die Lugen gebohren /und auf die Welt gebracht. Er hat zwar die Menschen alle Laster gelehrt / aber den Anfang gemacht in dem Paradeyß von dem Liegen / welches er am tauglichisten zu seyn erachtet hat / die Menschen zu verderben. In disem hat er all sein Stärcke gesetzt / spricht der heilige Leo.

Wie Fornerus anmercket / so hat Christus der Heyland aus allen Gattungen der Sünder einige erwählt /und an sich gezogen / oder zur Bekehrung gebracht: aus den stoltzmüthigen Verfolgern der Catholischen[581] Kirchen den H. Paulum / aus den Wucherern und Geitzhälsen den H. Matthäum / aus den Geilen die H. Magdalenam / aus den Ehebrecherischen die Chnanäerin / aus den Mörder und Strassen-Rauberen den rechten Schächer: aber von keinem Lugner liset man nit / gleich als hätte er ein absonderlichen Haß und Greuel vor disem Laster / weilen er nemlich die Wahrheit selber ist / und von welchem David längsten vorhinein bezeuget hat / veritatem dilexisti, du hast die Wahrheit geliebt.6

Neben dem / daß die Lugen auch der natürlichen Ehrsamkeit / oder einem freyen und ehrlichen Gemüth und Geblüt zuwider / und ein knechtliches verächtliches Laster seynd / wie es der Kayser Carolus der V. wohl erkennt / indem er es dahin gebracht hat / daß /wann man etwas bey adelichen Ehren bezeugte / oder verspreche / es die Krafft und Sicherheit eines Eydschwurs hätte.

Aber wer ist es / der niemahl ein Unwahrheit begangen hat?7 Quis est hic & laudabimus eum? es ist jener sechtzig jährige Heydnische Priester / welchen nach Zeugnuß Suetonii, der Kayser Augustus aus Egypten mit sich nacher Rom gebracht / und als etwas rares im offentlichen Triumph geführt hat / der Ursachen / weilen ihm bewußt ware / daß er niemahl gelogen hätte: deßwegen hat er ihn auch zum obristen Priester gemacht / und ihm zu Ehren in dem Capitolio ein Statuam lassen aufrichten. Es ist auch gewesen der H. Einsidler Arnulphus, der in seinem letzten End bezeugt hat / er habe sich allzeit sorgsam beflissen /daß er niemahl ein Unwahrheit redete. Ein gleiches Lob hat auch erhalten der Abbt Benus, nunquam iratus, nunquam mentitus, daß er sich niemahl erzürnt /und niemahl gelogen habe. Es ist es ferner gewesen Ferdinandus, ein Fürst in Lusitanien / von welchem Spondanus bezeuget / daß er niemahl die Unwahrheit geredt. Auch Alexander de Oliva bezeugt von sich selber / daß er von Kindheit an / da er als ein junger Knab in den Orden des H. Augustini eingetretten /niemahl etwas wider die Wahrheit geredt habe. Deßgleichen P. Vincentius Regius, Caspar Sanctius, Berckmanus, Cardinalis Bellarminus, Ægidius Coninck, Ludovicus Modina, und andere mehr. Ja einige haben vil lieber sterben / als das Leben durch eine Lugen erhalten wollen.

Von dem obgemeldten Aepfel-Baum jetzund auf den Birn-Baum zu kommen / so ist auch diser ein gemeiner / und jedermänniglich wohl bekannter / fruchtbar- und nutzlicher Baum / der so wohl einem Lust-als Hauß-Garten wohl anständig ist.8 Seine Früchten seynd wohlgeschmack und annemlich zu essen / doch der Gesundheit schädlich / wann man derselben zu vil ist / sie beschweren den Magen / verursachen Wind und böse Feuchtigkeiten etc. sonderlich wann sie nit mit einem Trunck Wein corrigirt werden. Ein solche Beschaffenheit hat es auch mit den zeitlichen Gütern /Wollust und Kommlichkeiten: sie seynd lieblich und süß / als wie die Birn / das ist dem Menschen angenehm.9 Aber wann man sie mißbraucht / und nit mit dem Wein der Discretion oder Bescheidenheit temperirt und mässiget / da seynd sie schädlich / sie beschweren das Gewissen / sie verursachen die Wind des Hochmuths und der Eitelkeit / wie auch die böse Feuchtigkeiten der unordentlichen Gelüsten und Anmuthungen. Es werden aber die Birn eingetheilt in pyra domestica, und Silvestria, in zahme / die in den Gärten gepflantzt werden / und wilde / oder sogenannte Holtz-Birn / die für sich selber in den Feldern oder Wäldern wachsen.10 Jene wiederum in præcotia und serotina, in fruhzeitige oder spate Birn / beyde wiederum in vil andere Art und Gattungen / als butyracea, aquosa, aromatica oder odorantia: in Schmaltz- oder Butter-Birn[582] / die nemblichen so mürb seynd / daß sie fast im Maul vergehen / in wässerige /die zwar voll wässerigen Saffts seynd / aber das Fleisch ist derb und hart / und in Gewürtz oder wohl-schmeckende Birn / als wie die Muscateller-Birn / Citronen-Birn etc. welche alle an der Gestalt / Farb und Grösse zimlicher massen voneinander unterschiden seynd. Ubrigens seynd die gekochte Birn gesünder /und geben bessere Nahrung als die rohe.

In dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten f. 659. lise ich von einem seltsamen Birn-Baum / der sich in der Insul Bermuda befindet / und auf dem Meer-Felsen wachsen soll / und also von dem Meer selbsten sein Feuchtigkeit / von dem Felsen aber sein Krafft und Nahrung haben soll.11 Diser Baum trage ein Zeit lang keine Früchten / hernach aber / wann er zu tragen anfangt / da bringt er das gantze Jahr hindurch unaufhörliche Frucht oder Birn. Es habe zwar dises Gewächs den Nahmen eines Baums / obwohlen es keine Aest oder Zweig habe / sondern nur Blätter und Gestäud. Die Frucht aber / oder die Birn selber /gebe einen rothen / süssen und gesunden Safft; inmassen man nie gehört habe / daß jemand / so von solcher Frucht geessen / darvon erkranckt seye. Also sihet man auch im sittlichen Verstand / daß der Mensch /oder das menschliche Hertz auch auf einem harten Felsen der Trangsalen gegründet / und von den Meer-Wellen der Verfolgungen umgeben / und öffters die schönste und häuffige / GOtt angenehme Früchten /reichlicher Verdienst und guter Wercken herfürbringe / und gleichsam von den harten Steinen und tobenden Wellen / das ist / von dem Creutz und Leyden sein Nahrung und Wachsthum habe / indem es selbe durch unüberwindliche Gedult bestens ihm zu Nutzen machet.

Der Nuß-Baum aber ist gantz anderst geartet: er wachset hoch und dick / tragt auch häuffige Früchten oder Nussen / aber er gibt nichts mit Lieb und Willen davon her / die Nuß fallen nit leicht und freywillig ab / als wie die Aepfel und Birn / wann sie schon zeitig seynd / sie lassen sich auch nit abschüttlen / sonder man muß Gewalt anlegen / und nur fein grob darmit umgeben / mit Prügel darein werffen / oder mit Stangen darein schlagen / wann man was haben will.12 Ja mit disem ist es noch nit ausgericht / man muß ferners die Schelffen von den Nussen ablösen / und die Schale aufschlagen oder aufbeissen / alsdann kan man erst die Frucht oder den Kern geniessen. Fast ein ein solche Beschaffenheit hat es in sittlichem Verstand mit denen trägen und ungehorsamen Kindern / Knecht und Mägden / welche keine freywillige Früchten herfür bringen / das ist / nichts mit Lieb und Willen thun und verrichten / sondern alles nur gezwungen und gedrungen: gleichwie ein Schiff auf dem Wasser / wann man nit mit stetem Ruderen anhaltet / steht es gleich still / oder gehet gar zuruck / oder als wie ein Uhrwerck / wann es nit immer durch die Schwere des Gewichts getrieben wird / steht es alsobald.13 Dahin zihlen auch ab jene bekannte Verslein:


Nux, asinus, mulier, simili sunt lege ligati,

Hæc tria nil faciunt recti, si verbera cessant.


Beym Nuß-Baum / Esel / und bösen Weib /

Ists noth / daß mans mit Schlägen treib.


Ja wann man schon von faulen und ungehorsamen Leuthen mit Gewalt einige Früchten / oder gute Werck erzwingt / so seynd sie doch noch hart / als wie die Nuß / oder unvollkommen / man muß sie erst poliren / hoblen und ausbesseren.

Es hat die Nuß-Bäum nit ein jeder gern in seinem Garten / dann sie nehmen ein grossen Platz ein / und[583] es wachset nit gern etwas darunter: der Schatten von dem Nuß-Baum ist ungesund / und schädlich demjenigen / so darunter schlafft. Auch die Faulentzer und widerspennige Leuth hat man nit gern in einem Hauß / oder in einer Gemeind / dann sie nehmen den Platz umsonsten ein / und lassen andere nit aufwachsen /das ist / sie verhinderen sie von dem Guten.

Aber wann schon ein junger Nuß-Baum im Winter verfrühret und scheint / als wann er verderben wolle /so muß man ihn doch nit gleich gäntzlich umhacken /sonderen man soll ihm pflegen / versetzen und zuwarten / so schlagen im Sommer wiederum etliche Zweiglein aus / und der Baum wird Frucht tragen. Eben also / wann schon der Mensch in der Jugend nit gut thut / und es scheinet / als wann nichts aus ihm werden wolte / so soll man doch nit an ihm verzweifflen /ihne hinschätzen und verwerffen / sondern ihm zusprechen / und fleißige Obsicht haben / so wird er sich mit der Zeit / und der Hülff GOttes erholen / besseren / und Frucht bringen.

Sonsten kan wohl auch die Buß und Abtödtung durch die Nuß verstanden werden: dann gleichwie die Nuß zwar ein bittere Schelffen / ein rauhe und harte Schalen / aber ein guten süssen Kern darunter verborgen hat / den man geniessen kan / wann man die Schalen aufbeißt: also ist die Buß und Abtödtung von aussenher / dem Ansehen nach zwar rauh / bitter und hart / sie kommt das Fleisch / die Sinnlichkeit schwer an / aber wann man die Beschwernuß hertzhafft überwunden / da findet und verkostet man den süssen Kern des Trosts / der geistlichen Freud in der Hoffnung / die man schöpffen kan wegen Nachlaß der Sünden / von wegen der ewigen Belohnung.14 Welches unter vilen anderen der H. Augustinus wohl erkennt / und aus eigner Erfahrnuß bezeuget hat / indem er gesprochen: Dulciores sunt lachrymæ pœnitentium, quàm gaudia theatrorum. Es seyen lieblicher die reumüthige Zäher der Büssenden / als die freudige Schauspil auf den Schaubühnen.

Wann man die Nussen / oder das hieraus gepreßte Oel mäßig gebraucht / so gedäyen sie zur Gesundheit / und dienen wider die gifftige Speisen oder Sachen: aber noch vilmehr dienet die Buß und Mortification zur Gesundheit der Seelen / und bewahret von dem tödtlichen Gifft der Sünden.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 579-584.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Über den Umgang mit Menschen

Über den Umgang mit Menschen

»Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.« Adolph Freiherr von Knigge

276 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon