Der 2. Absatz.

Von noch anderen fruchtbaren Bäumen.

[584] Die gröste Zahl unter den gemeinen fruchtbaren Bäumen machen diejenige aus / welche das sogenannte Stein-Obs tragen: als da seynd die Pfersich- und Marillen-Bäum / die Pflaumen- und Zwetschgen-Bäum /die Kersch- und Weixl-Bäum / welche alle / wie bekannt / voneinander an der Farb / Grösse / Geschmack / Gestalt und Würckung zimlich ungleich oder unterschieden seynd: doch seynd es mehrentheils lauter annemliche safftige / und kühlende Früchten.15 Von der Gesundheit oder Ungesundheit diser Früchten will ich da nichts melden / sondern selbes den Herren Medicis zu urtheilen überlassen. Gewiß ist es / daß der Mißbrauch oder Uberfluß derselben (wie in allem anderen) schädlich seye / und gern ein Fieber verursache.

Die Pfirsich oder Pfersich / mala persica auf Lateinisch / haben nach Zeugnuß Plinii, ihren Nahmen aus der Landschafft Persien / als von welcher sie ursprünglich herkommen / und dann erst in unseren Landen seynd gepflantzt worden.16 Es seynd aber derselben zweyerley Gattungen: die erste und gemeinere seynd weich / safftig / und lassen leicht ab von ihrem Stein. Die andere / die[584] bey uns nit so gar gemein / seynd grösser und schöner / ihr Fleisch ist kürnig / rothlecht / und nit so wässerig als wie die erstere / sie lassen auch den Stein nit gern von ihrem Fleisch. Uber dise aber befleißt man sich in Franckreich noch vilmehr andere Arten der Pfersich zu züglen / deren ein lange Lista von mehr als zwantzigerley Nahmen zu sehen ist.

In dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten f. 803. lise ich von einer Weiß / ungemein grosse Pfersich aufzubringen. Man nehme 3. oder 4. Pfirsich-Stein / und füge oder vereinige sie also fest zusammen / daß sie gleichsam ein Cörper machen: selbe setze man in ein Faß / mit gemisteter Erden angefüllt / und vergrabe sie darein / doch also / daß oben am Deckel ein Loch offen bleibe / dardurch die vereinigte Kerner die Sprößling herfür treiben mögen: alsdann wachsen die Kerner zusammen / und entspriesset aus ihnen ein eintziger Baum / der mit der Zeit Pfirsich traget / die einer ungemeinen Grösse werden.

Fernere Beschreibung dises und anderer dergleichen in Teutschland wohl bekannnten Bäumen / erachte ich unnöthig zu seyn / als welche uns schier täglich unter die Augen kommen: will also den geneigten Leser da nit aufhalten.

Von den Marillen finde ich nit vil merckwürdiges zu melden.17 Sie kommen den Pfirsich zimlich gleich / ausser daß sie ins gemein etwas kleiner / aber süsser seynd / Gold-gelb mit roth untermengt. Sie haben ein harten Stein / schier wie die Pfirsich / der sich nit ohne Gewalt zerbrechen last: in disem ist ein Kern enthalten / der bey anderen bitter / bey anderen aber süßlecht ist. Es seynd auch die eine Marillen grösser /die andere kleiner / welcher Unterschied theils aus Güte des Erdreichs / theils aus fleißiger Abwarth herkommt. Je öffter man dise Bäum versetzt / je besser und vollkommener wird die Frucht. Der Marillen-Baum ist in der Blüh und mit den Früchten nach der Jahrs-Zeit einer unter den ersten. Sie werden auch deßwegen auf Lateinisch armeniaca præcocia, das ist / fruhzeitig genannt.

Die Pflaumen- und Zwetschgen-Bäum haben kein daurhafftes Holtz / sie können in dem Wetter nit vil ausstehen / und wann sie ein wenig angehauen werden / faulen sie bald.18 Doch ist dises Holtz den Schreinern oder Tischlern und Drechslern angenehm und anständig / weil es mit einer artigen Röthe von Natur begabet ist. Was aber die Frucht oder die Pflaumen selbsten anbelangt / so seynd derselben gar vil unterschiedliche Art und Gattungen / die eine blau / andere gelb-roth / theils rund / theils langlecht / süsse und saure / also / daß mans schwerlich alle genugsam erzehlen und beschreiben kan / wie Mathiolus in lib. 1. Dioscoridis c. 132. anmercket. Unter die Gattungen der Pflaumen werden auch die Zwetschgen oder Prunellen gezehlt / pruna damascena auf Lateinisch genannt / schwartz-blau / süß und langlecht / so bey uns die gemeinste seynd: pruna Iberica, Spanische Pflaumen / pruna nigra acida, Kriechen / pruna hungarica majora & minora, groß- und kleine Ungerische Pflaumen / pruna urea, Spilling / oder wachs-gelbe Pflaumen / pruna autumnalia, Wein Pflaumen Wein-Schlehen.

Eben so vilfältig und unterschidlich an der Grösse /Farb / Gestalt und Güte seynd auch die Kirschen.19 Aber fürnemlich werden sie in 2. Geschlecht abgetheilt / nemlich in zahme und wilde: die zahme wiederum in einheimische / süsse und saure / als Weixlen und Amerellen / und in frembde / so man auch Welsche oder Spanische zu nennen pflegt. Deren seynd einige schwartz / andere roth / weiß / oder gelb / süß oder saurlecht / als wie die Weixlen / rund oder langlecht.

Von disen und mehr anderen so vil unterschiedlichen Bäumen und Früchten sage ich kürtzlich und überhaubt /[585] daß sie uns in sittlichem Verstand unterschiedliche Tugenden vorstellen und anzeigen.

Dann gleichwie die vilfältige Bäum und Früchten einen Garten zieren und bereichen / also thun unterschidliche tugendhaffte Stands-Persohnen die allgemeine Catholische Kirchen mit ihren vilfältigen Verdienst- und Tugend-Wercken auszieren und bereichen.20 Der eine Baum tragt dise Frucht / der ander ein andere: und der eine Mensch hat dise Tugend / der ander ein andere: kein Baum bringt zugleich vil unterschidliche Früchten / als zum Exempel / Aepfel / Birn / und Kerschen. Eben so wenig hat insgemein ein Mensch allein alle Talenten / Tugend und Wissenschafften beysamen / sondern GOtt der Allmächtige pflegt selbe auszutheilen nach seinem göttlichen Wohlgefallen / dem einen dises / dem anderen ein anderes / wie der Apostel Paulus anmercket / wann er sagt: Ipse dedit quosdam quidem Apostolos, quosdam autem Prophetas, alios verò Evangelistas, alios autem Pastores & Doctores.21 Er hat etliche geben zu Apostlen / etliche aber zu Propheten / andere zu Evangelisten / wiederum andere zu Hirten und Lehrern. Und wiederum: Numquid omnes Apostoli? numquid omnes Prophetæ? omnes Doctores?22 Seynd sie alle Apostel? alle Wunderthäter? haben sie alle die Gab gesund zu machen? reden sie alle die Sprachen? können sie alle auslegen? Er will sagen nein / sondern der eine hat dise Gab von GOTT empfangen / und der ander ein andere.

Die unterschidliche Baum-Früchten seynd schön und nutzlich in einem Garten / sie ergötzen die Augen / wann man sie anschaut / den Geschmack / wann man sie kostet / und den Geruch / wann man daran riechet: Aber noch vil schöner und nutzlicher seynd die Tugenden und gute Werck so vil gottseeliger Seelen in der Catholischen Kirchen / sie stärcken und perficiren alle drey Kräfften der Seelen / den Verstand / den Willen / und die Gedächtnuß.

Gleichwie die Baum-Früchten gar unterschidlich beschaffen seynd / die eine süß / die andere saur / die eine groß / die andere klein / die eine hart und trucken / die andere weich und safftig / die eine gelb / die andere grün / blau oder roth / die hat dise Krafft und Würckung / die ander ein andere: Also seynd auch die vilfältige Tugenden gantz unterschidlich beschaffen /die eine zihlet ab auf die Lieb GOttes und des Nächsten / die andere auf die Handhabung der Gerechtigkeit / die dritte auf die Hülffleistung denen Nothleydenden / und Erweisung der Barmhertzigkeit / die vierdte auf die Erhaltung der Jungfrauschafft / die fünffte übt sich in der Demuth / und die sechste in der Gedult.

Aber gleichwie die Früchten gut seynd / wann man sie mäßig braucht / schädlich hingegen und ungesund / wann man sie mißbraucht / und zu vil darvon isset: also auch die Tugenden selbst seynd mangel- und tadelhafft (ja es seynd keine Tugenden mehr zu schätzen) wann man in Ubung derselben die gebührende Maß überschreitet.23 Dann virtus consistit in medio, wie Aristoteles sagt / die Tugend bestehet in dem Mittel / das ist / sie haltet das Mittel zwischen zwey äussersten Dingen: als zum Exempel / die Freygebigkeit ist eine Tugend / welche das Mittel trifft zwischen zwey äusserist-entgegen gesetzten Lastern /nemlich zwischen dem Geitz und der Verschwendung: die Hertzhafftigkeit ist ein Tugend / die in dem Mittel bestehet zwischen der allzu grossen Frechheit und der Zaghafftigkeit: die Hoffnung haltet sich in Mitten der Verzweifflung und Vermessenheit / und also weiters von anderen zu reden.24

Die gute Bäum und Früchten erforderen gute Abwarth / und fleissige Obsicht / daß sie zu ihrer Vollkommenheit gelangen / daß die Früchten nit in der Blüh versticken /[586] nit vor der Zeit abfallen / oder verfaulen: die Bäum müssen auch zu seiner Zeit von den überflüßigen Aesten gestutzt / begossen / oder gedunckt werden / die garzu grosse Hitz und Kälte / die scharpffe Wind und Reiffen seynd ihnen schädlich. Noch mehr Sorg und fleißige Obsicht haben die Tugenden und tugendsame Menschen vonnöthen / auf daß sie in gutem Stand erhalten werden / und ihre Vollkommenheit erreichen / damit die Früchten der guten Wercken und Verdiensten reichlich herfür kommen und zeitigen / müssen die sittliche Bäum die tugendreiche Menschen / von dem Uberfluß der zeitlichen Güter / Wollust und Kommlichkeiten gestutzt /hingegen mit dem Wasser des himmlischen Trosts begossen / und mit dem Geist der Demuth angefeuchtet werden: ja sie müssen auch von der Hitz der bösen Begirden / von der Kälte der Trägheit / von dem Wind und Reiffen der Hoffart / von der eitlen Ehr bewahrt und geschützet werden. Dann wie der H. August sagt: Mens non potest habere regnum virtutum, nisi priùs excluserit regnum vitiorum. Die Tugenden können in dem Gemüth nit herrschen / wann nit zuvor die Laster ausgetrieben seynd: und kein Tugend ist ohne Mühe / der Fleiß und die Mühe ist der Aufnahm und Wachsthum der Tugend.25 Und in disem Verstand hat der Heil. Apostel Paulus gesprochen: Fructus Spiritus est charitas, Pax, Patientia, Castitas.26 Die Frucht des Geists ist die Liebe / der Fried / die Gedult / die Keuschheit.

Auch die Heydnische Welt-Weise haben die Fürtrefflichkeit diser sittlichen Früchten / das ist / der Tugenden wohl erkennt: dann Seneca hat gesprochen: Nulla possessio, nulla vis auri, & argenti pluris quàm virtus æstimanda est. Keine Schätz und Reichthum seynd der Tugend gleich zu achten. Aristoteles aber sagt: Virtus est bonarum rerum conciliatrix & conservatrix. Die Tugend ist / so alle Güter zuwegen bringt / und selbe erhaltet. Cicero endlichen: qui virtutem habit, is nullius rei ad bene vivendum indiget, der die Tugend besitzt / der hat weiters nicht mehr vonnöthen wohl zu leben: hingegen beatus esse sine virtute nemo potest, niemand kan ohne Tugend glückseelig seyn. Obwohlen dises Wort von einem Heyden geredt worden / so verdienen sie doch tieff in das Hertz eines jeden Christen Menschen eingeschriben zu werden.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 584-587.
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