Das VI. Capitel.

Von den Blumen.

Auch die Blumen seynd so vilfältig und unterschidlich / daß man leicht ein gantzes Buch darvon zu schreiben vermöchte / wann man alle dergleichen Gattungen / Gestalten / Farb / und Eigenschafften beybringen wolte / wie es bereits von einigen geschehen ist / ich aber / damit auch diese Materi nicht gäntzlich ermangle (indem ich von den meisten / und fürnehmsten Geschöpfen etwas zu schreiben mir vorgenommen hab) will ich gleich wohl was weniges / von etlich derselbigen vermelden / und ein kleine sittliche Application darüber machen: Es seynd gewißlich die Blumen solche Lust-Gewächs / an welchen offtermahl die Kunst / und die Natur zugleich arbeiten / und gleichsam in die Wett streiten: sie seynd ein Zierd / und Kleinod der Erden / als wie die Sternen des Himmels /und was jene an der Höch / und Grösse haben / daß ersetzen diese mit der Schönheit der Farben / und mit der Annehmlichkeit des Geruchs / neben der heilsamen Krafft / welche vil derselben in sich haben.1

Nur ist zu bedauren / daß sie so kürtzlich dauren /und so bald verwelcken / und leicht von einer schwachen Hand können abgebrochen / oder von einem bösen Lufft / und Reiffen verderbt werden. Welches zweyfels ohne der allweise und fürsichtige GOtt darum geschehen laßt / daß sich die Menschen in Ansehung dessen ihrer Sterblichkeit / und Zergänglichkeit alles Zeitlichen erinneren: absonderlich dessen /was der gedultige Job. c. 14. v. 1. & 2. gesprochen hat: Der Mensch lebt ein kurtze Zeit: er gehet auf als wie ein Blum / und fallet ab: er fliht dahin / als wie ein Schatten / und bleibt nimmer in einem Stand. etc.

Es können aber die Blumen in virerley Sorten abgetheilt worden: erstlich in Plantas Bulbosas, oder Zwibel-Blumen / die an statt der Wurtzen Zwiblen haben.2 2. In Plantas Tuberosas, oder knöllichte Gewächs / welche knöllichte Wurtzen haben: 3. In die jenige Blumen / welche zöserliche Wurtzlen haben /und Plantæ Fibrosæ genent werden. 4. In die jenige Blumen / welche auf Stauden wachsen.

Ein andere Austheilung der Blumen kan folgender Weiß gemacht werden: 1. In solche Blumen die gerad aufwachsen / und für sich selbst aufrechts stehen bleiben 2. In solche / die auf der Erden liegen / und sich gleichsam[650] mit kriechen ausbreiten. 3. In die / so eines Pfahls / oder Geländers nöthig haben / woran sie sich halten / und daran aufsteigen mögen. Deßwegen sie auch Plantæ Scandentes genennt werden.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 650-651.
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