Achter Auftritt

[146] DER VISITATOR allein. Wenn die Frage entsteht: ob ich Lust habe, dir in der größten Geschwindigkeit den Hals zu brechen? So ist die Antwort jederzeit: ja – Für so viel Bemühungen mit ein paar leeren Worten mich abzuspeisen! Aber so gehts in der Welt. Es gibt nicht leicht einen ehrlichen Mann im Dienst, der nicht einen Narren oder einen Schurken über sich hätte. Will man eilig und schleunig seinen Bissen Brot in Ruhe verzehren, so muß man sich ebenso vor leeren Köpfen und vollen Wänsten bücken, wie der alte Kaberdar vor Kühen und Ochsen. Mit Achselzucken. Er ist mein Vorgesetzter – Er macht die Augen oft zu, wenn ich die Taschen aufmache; also nur frisch wieder dran, ihm zu dienen! Er schleicht an Sir Johns Tür und legt das Ohr ans Schlüsselloch. Ich höre in der Ferne ein Geräusch, als ob der Hagel ein morsches Dach zerschlüge. Pause. Nein, nein, es ist die Stimme der Mistriß Pause. die verdammten Kanarienvögel schreien so laut, daß man keine Silbe deutlich unterscheiden kann. Geschwinde! geschwinde! Er läuft hinüber an Kaberdars[146] Tür. Da ists still wie im Grabe, Pause. doch nein, Gurli trillert ein Liedchen, Pause. das Singen mag wohl recht gut sein, aber meine Wißbegierde wird nicht satt davon. Er läuft wieder an die andere Tür. Hier ists mäuschenstill geworden. Pause. Jetzt fängt Miß Liddy an zu sprechen. Pause. Gleich hat der Henker die verdammten Kanarienvögel wieder bei der Hand. Ich kann das Geschmeiß nicht leiden; sobald man ein lautes Wort spricht, schreien sie alle mit. Er läuft wieder auf die andere Seite, kaum aber hat er das Ohr ans Schlüsselloch gelegt, als Musaffery die Tür öffnet, und ihn beinahe übern Haufen rennt.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 146-147.
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