17. Die drei Bälle.

Iserlohn.

[251] Es war einmal ein deutscher König, der vernahm, daß der König in England eine überaus schöne Tochter habe. Er forderte deshalb seinen Sohn auf, die Prinzeßin[251] zu freien. Der Prinz sandte einen Boten an sie und ließ sie zur Gemahlin begehren. Aber die Schöne entbot ihm wieder: »Ich mag keinen Deutschen; lieber wollte ich einen Schweinhirten nehmen.« Wie diese Antwort den Prinzen ärgerte, läßt sich leicht denken. Er gab zwar seinen Wunsch, die stolze Prinzeßin zu gewinnen, nicht auf, beschloß aber, sie zugleich für den Schimpf zu strafen. Er ließ drei Bälle machen, einen silbernen, einen goldenen und einen demantenen, versah sich mit Gelde und reiste nach England. Angekommen vor dem Schloße der Königstochter war er rathlos, was nun weiter zu thun sei. Da treibt gerade der Schweinhirt aus. Dem sagt er: »Was soll ich dir geben, wenn du mich heute und noch zwei Tage die Schweine hüten läßt?« Der Hirt glaubte anfangs, die Frage sei dem feinen Herrn Scherz. Als dieser aber betheuerte, es wäre sein völliger Ernst, da wurden sie bald einig um ein schönes Geschenk. Der Prinz zog nun einen groben Kittel an, hütete am Vormittage die Schweine und spielte mittags im Sonnenschein mit seinem schönen silbernen Balle vor den Fenstern der Prinzessin. Die sah ihm zu und schickte bald zu ihm, wie viel er für den Ball haben wolle. Er gab die Antwort: »Verkaufen thu' ich den Ball um keinen Preis; aber die Prinzeßin kann ihn verdienen, wenn sie eine Nacht ihr Bette mit mir theilt.« Das wurde denn endlich angenommen. Aber die Stelle der Prinzeßin mußte eine Kammerjunfer vertreten. Der Prinz merkte das gleich, lieferte jedoch am andern Morgen den Ball aus. Er ging nun wieder und hütete die Schweine, aber am Mittage sah man ihn mit einem goldenen Balle unter dem Fenster der Schönen spielen. Sie begehrte auch diesen zu kaufen und erhielt ihn unter der nämlichen Bedingung. Der vermeintliche Hirt wurde nun auf dieselbe[252] Weise betrogen. Als er aber am dritten Mittage mit dem diamantenen Balle spielte, und die Prinzeßin auch den zu haben wünschte, erklärte er: »Zweimal hat sie mich hintergangen; diesen Ball erhält sie durchaus nicht anders, als wenn sie selbst eine Nacht bei mir schläft.« Anfangs wollte sie darauf nicht eingehen, als aber ihre Kammerjunfer sagte: »Thut es nur, Prinzeßin! Es gilt gleich, ob ihr diesen Mann bei euch im Bette habt, oder einen Klotz«, da sagte sie zu, hielt Wort und empfing den Ball. Der Schweinhirt bekam nun das versprochene Geschenk. Die Prinzeßin war aber nicht so wohlfeilen Kaufs zu dem kostbaren Balle gekommen, wie sie gedacht hatte. Bald erfuhr das der Prinz durch den Schweinhirten, bei welchem sie sich angelegentlich nach dem Gehülfen erkundigt hatte. Da ging der Prinz zu ihr und forderte sie auf, sich von ihm in sein Vaterland entführen zu laßen. Sie willigte ein. Während sie sich mit Gelde und Kleinodien versah, sorgte er heimlich für Wagen und Pferde. Darauf reisten sie ohne Wißen des Vaters ab und fuhren über das Waßer nach Deutschland. In der ersten Stadt angekommen, gab sich der Prinz abends ans Spielen und verspielte Kapp und Kugel, nur seine Frau nicht. Als er ihr dann sagte, daß Wagen und Pferde und Geld fort wären, fing sie an, bitterlich zu weinen. Sie mußten ihre Reise nun zu Fuß fortsetzen und sich ein Unterkommen suchen. Da kamen sie am Abend in eine Herberge und blieben daselbst ein paar Wochen. Als sie wieder abreisen wollten, kam der Wirth und forderte Bezahlung. Der Prinz erklärte, er besäße so viel nicht. Da ward der Wirth grob und behielt ihre Sachen zum Unterpfande. So verlor die Prinzeßin auch ihre drei Bälle, ihre Kleinode und besten Kleider. Sie waren nun endlich in die Nähe eines königlichen Schloßes gelangt,[253] da sagte der Prinz: »Ich bin gesund und stark; ich will sehen, daß ich hier Arbeit bekomme.« Abends kam er wieder und brachte Geld. »Das hat mir«, erzählte er, »der königliche Schatzmeister vorschußweise gegeben; dafür muß ich ein halbes Jahr arbeiten.« Er setzte hinzu, er habe es darum vorausgenommen, daß sie Wirthschaft treiben und einen kleinen Handel mit irdenen Waaren anfangen könnten. Da seufzte sie und sagte zu sich selbst: »Warum muß mir doch ein solches Schicksal werden!« – Einige Zeit ging es gut mit Wirthschaft und Handel. Deß freute sie sich. Da kamen eines Tages königliche Soldaten, die ließen sich das Beste von allem geben und wollten am Ende fortgehen, ohne zu bezahlen. Als die Frau sie der Zahlung mahnte, nahmen sie das gar übel, zerschlugen ihr die Sachen und bezahlten doch nicht. Da setzte sie sich auf die Scherben und weinte. Als der Prinz am Abend wiederkam und die Zerstörung sah, sagte er: »Ich sehe wol, so geht's nicht. Aber auf dem Schloße brauchen sie eine geschickte Köchin. Da kannst du dienen, dich und unser Kind ernähren.« Bald darauf ging im Lande das Gespräch, der Königssohn sei von einer großen Reise heimgekehrt und wolle sich vermählen. Abends vor der Hochzeit sagte der Prinz zu seiner Frau: »Du darfst in der Küche nicht fehlen; so hast du Gelegenheit, auch uns einige gute Bißen zukommen zu laßen.« Am andern Tage sagte der Oberkoch des Königs zur Köchin: »Bring dieses Gericht zum Prinzen! Du mußt als jüngste Köchin den ersten Tanz1 mit ihm thun.« Ihre Weigerung wurde nicht angenommen; sie mußte sich in den Festsaal begeben. Sie erkannte sogleich in dem Prinzen ihren[254] Mann und fiel in Ohnmacht. Als sie wieder zum Bewußtsein kam, hatte sich alles mit ihr verändert. Sie fand sich fürstlich gekleidet und geehrt, und hörte aus dem Munde dessen, dem sie einst einen so groben Korb gesandt hatte, daß ihr dies alles widerfahren wäre, um sie von ihrem stolzen Uebermuthe zu heilen.

Fußnoten

1 Auf Hochzeiten in der Grafschaft Mark tanzt nach alter Sitte der Koch mit der Braut.


Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 251-255.
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