10. Der Himmlische Daphnis vermählet sich in dem Himmel auff ewig mit Clorinda; krönet sie mit dem köstlichen Krantz der Seligkeit/ und ladet alle Sünder zu der Buß ein

Veni de Libano, Sponsa mea, veni de Libano, veni, coronaberis.

Cant. 4. v. 8.


Komme von Libano/ meine Braut/ komme von Libano/ gehe herein/ du solt gekrönet werden.


1.

Komme/ liebste Braut Clorind'/

Komm' von Libano geschwind/

Du bist frey

Von des Unglücks Wüterey;

Hitz/ und Kälte seynd nun ferr/

Keine Nordwind' rasen mehr;1

Pein/ und Qual

Seynd vergangen überal;

Da ist nunmehr kein Bemühen/

Lieblich blühen

Nun die Blumen allerhand/2

Wollust ist in diesem Land.
[329]

2.

Durch den stäten Busses-Fleiß

Bist du worden Lilien-weiß/

Schön/ und rein/3

Wie der göldne Sonnen-Schein;

Von so vielen Tugend-Glantz

Bist du nun holdselig gantz/

Göttlich schier/

Weil kein Flecklein mehr an dir/

Steigest gleich der Tags-Auroren,4

Neu-geboren

Unverwendt in deinem Lauff/

Von dem Weissen-Berg herauff.5


3.

Komme/ Freundin/ komm' zu mir/

Ich will mich vermählen dir6

Ewiglich/

Und Glorwürdig krönen dich;

Es wird nun kein Affter-Glück

Können stossen dich zurück/

Du wirst kein'

Eh-verschmächte Vahsti seyn;7

Dich kein Mißgunst wird entehren/

Noch verstöhren;

Dieses Land entfernet ist

Weit von Untreu/ Neyd/ und List.
[330]

4.

Du kanst da nicht werden alt/

Noch viel minder ungestalt/

Immer neu

Werk en seyn die Lieb und Treu:

Da ist weder Raach/ noch Zorn/

Weder Distel/ weder Dorn:

Zanck/ und Streit

Seynd von hinnen ferr/ und weit:

Hier wird dich kein Unmuht äffen/

Minder treffen;

Die Betrübnuß ist vorbey/

Du bist aller Sorgen frey.


5.

Ohne Eckel/ und Verdruß

Ist allda der Freud-Genuß;

Niemahl kan

Werden dir was Läids gethan:

Weder Hunger/ Krieg/ noch Pest/

Keines sich hier blicken läßt;

Dieses Reich

Ist befreyt von aller Seuch;

Da ist man/ gleich wie die Engel/

Ohne Mängel;

Hier ist die Vollkommenheit

Weit von der Gebrechlichkeit.


6.

Da ist nichts/ als Freud/ und Wonn;

Jeder gläntzet/ wie die Sonn:8[331]

Nichts als Lust

Diesen Burgern ist bewußt/

Welche in Zeit-loser Eyl/

Schneller/ als des Parthers Pfeil/

An den Ort/

Wo sie wöllen/ fliegen fort;

Nichts kan ihnen widerstehen/

Sie durchgehen/

Wie der Plitz/ die harte Stein/

Wie durch Glaß der Sonnenschein.


7.

Alle Wiesen seynd geblümt/

Weit vor dem Hymett'9 berühmt:

Aller Spaß

Findt sich da ohn' Underlaß;

Feld- und Wälder seynd geziert/

Daß man sich darein verliert;

Göldne Frücht'

Man an allen Bäumen sicht:

Alle Bäche von dem süssen

Nećtar10 fliessen;

Alle Brünne schencken ein

Unbeschreiblich guten Wein.


8.

Ein so hoch beglücktes Reich/

Dem die gantze Welt nicht gleich/

Will ich hier

Heute noch einraumen dir/[332]

Tausend Engel/ O Clorind/

Werden seyn dein Hoff-Gesind;

Ohne mich

Will ich niemahl lassen dich/

Sondern mit Wollust ergetzen/

Und dich setzen

Für den ausgestandnen Hohn

Auff den hohen Ehren-Thron.


9.

Dieses ist der Lohn der Buß/

Welchen man verdienen muß/

Ohne Müh

Wird man ja gekrönet nie:11

Müßte nicht auch Ich so gar/

Der Ich Gottes Sohn doch war'/

Gleicher Weiß

Kauffen mir das Paradeiß?12

Durch viel Leiden/ und Trübsalen/

Angst/ und Qualen

Muß man in das Reich eingehn;13

Zärtling müssen draussen stehn.


10.

Die der Welt ergeben/ seynd

Wahrlich ihre eigne Feind'/

Weil ihr Ziel

Nur gericht auf Kinder-Spiel:[333]

Lassen sich offt saur/ und heiß

Werden/ auch biß auf den Schweiß/

Nur allein

Auff der Welt beglückt zu seyn;

Lauff- und rennen auff/ und nieder/

Hin/ und wider/

Wagen Leben/ Leib und Blut

Um ein wenig schnödes Gut.


11.

Achten meine Schätz gering/

Nur vertiefft auff solche Ding'/

Welche strachs

Sich vertieffen/ wie das Wachs:14

All ihr Trachten/ Hertz/ und Sinn

Steht auff Wucher/ und Gewinn;

Auff die Ehr

Seynd erhitzet sie noch mehr:

Ihrer Seelen underdessen

Gantz vergessen:

Um das zeitlich Glück/ und Heyl

Bieten sie den Himmel feil.


12.

Diese Freud/ die ewig währt/

Man hingegen nicht begehrt/

Halten sie

Nicht für eine Linsen-Brüh;

Schätzen meine Werck/ und Lehr

Nun für eine Fabel mehr/[334]

Voll des Neyds

Gegen mich/ und meinem Creutz;

Wöllen es nur von sich jagen/

Nicht nachtragen/

Ob ich schon es bey dem Stab

Des Gebotts befohlen hab.15


13.

O ihr Menschen/ mercket diß/

(So unfehlbar/ und gewiß)

Daß niemand

Creutz-loß kommt in dieses Land:

Durch das Creutz seyt ihr erlößt/

Durch die Lust des Heyls entblößt/

Unberührt

Jenes nicht zum Himmel führt:

Seyt ihr nicht/ O Adams-Kinder/

Worden Sünder

Durch die Lust/ im Paradeiß

Wegen der verbottnen Speiß?


14.

Es seynd ja die gute Täg'16

Zu dem Leben nicht der Weg:

Wer ist/ der

Ohne Arbeit Lohn begehr'?

Kostet offt ein Stücklein Gut/

Zu besitzen/ so viel Blut/

Was soll man[335]

Nicht thun umb den Himmel dann?

Oder aber ist er schlechter?

(O Gelächter!)

Als ein Land/ so nichts als Kath/

Nichts/ als müh/ und Arbeit hat?


15.

Ey so würcket/ würcket dann/

Grosse/ Kleine/ Weib und Mann/

Weil noch ist

Vor der Thür die Gnaden-Frist;17

Würcket/ und befleißt euch doch

Euer Heyl zu würcken noch/

Weil es gilt/

Dann darnach ist es verspielt;

Schätzt den Himmel nicht geringer/

Als die Finger/

Es ist werth/ daß man nicht träg18

Umb denselben sie beweg.


16.

Seyt doch nicht wie Pharaon,

Hart in dem verkehrten Wohn/

Denckt/ wie er

Endlich wurd' gestrafft so schwer;

Nemmt ein Beyspiel doch an ihm;

Höret euers Daphnis Stimm;19

Wartet nicht/

Biß ich sitze zu Gericht;[336]

Jetzt könnt ihr das Heyl erwerben/

Vom Verderben

Euch gar leichtlich machen frey/20

Und mir ewig sitzen bey.


17.

Schlagt doch dieses nicht in Wind/

Folgt mir weißlich/ wie Clorind'/

Seht/ wie sie

Worden groß mit schlechter Müh:

Niemand ist zur Buß zu schwach;

Büssen ist kein solche Sach/

Daß man müß'

Haben starcke Händ'/ und Füß';

Braucht nur einen starcken Willen/

Mich zu stillen

Durch ein hertzlich-wahre Reu/

Und zu lieben auff das neu.


18.

Einer solchen Hertzens-Buß

Ich die Sünd verzeihen muß/

Kan diß dann

Nicht verrichten jedermann?

Diß ist ein' so ringe Sach/

Daß kein Krancker ihr zu schwach/

Was für Peyn

Kan doch wohl Gott lieben seyn?

Oder ist das Sünde-fliehen

Karren-ziehen?

Sünde seyn ein schwäres Joch/21

Welches abzuscheuhen hoch.
[337]

19.

Wann man grosser Sünden loß/

Ligt man in der Freuden-Schoß;

Sünden-frey

Ist ein stäte Gasterey:22

Wie ist nicht hingegen der

Sünden-Last so grausam schwer!

Herculs-Burd'

Leichter ihm zu tragen wurd':

Ey so kommt/ zu meinen Gnaden

Eingeladen/

Kommt/ ich will erquicken euch23

Nach so schwärer Sünden-Seuch.


20.

Ach bedencket offtermal

Diese Freud/ und jene Qual/24

Freud/ und Läid25

Seynd in euren Händen beyd:

Ach! erwehlet doch das Best'!

Werdet dieser Freuden Gäst'/

Dann euch ist

Meine Mahlzeit zugerüst:26

Laßt euch von verkaufften Rindern27

Doch nicht hindern/

Dann diß ist ein solch Geschäfft/

Woran euer Heyl gehäfft.28


Fußnoten

1 Iam hyems transiit. Cant. 2. v. 11.


2 Flores apparuerunt in terra nostra. Cant. 2. v. 11.


3 Electa ut Sol. Cant. 6. v. 9.


4 Quasi Aurora consurgens. Cant. 6. v. 9.


5 Libanus candidus Glossa.


6 Sponsabo te mihi in sempiternum. Oseæ 2. v. 19.


7 Esther. 1.


8 Iusti fulgebunt, licur Sol. Matth. 13. v. 43.


9 Ein Blumreicher Berg.


10 Götter-Tranck. Poët.


11 Non coronatur, nisi legitimè certaverit. 2. Tim. 2. v. 5.


12 Nonne hæc oportuit pati Christum, & ita intrare in gloriam suam. Luc. 24. v. 26.


13 Per mulsas tribulationes oportes nos insrare in Regnum Dei. Act. 14. vers. 21.


14 Omnes, quæ sua sunt, quærunt, non quæ Iesu Christi. ad. Philip. 2. vers. 21.


15 Qui non accipit crucem suam, & sequitur me, non est me aignus. Matth. 10. v. 38.


16 Quis est homo, Qui vuls visam, diligis dies viaero bonos? Psal. 33. v. 13.


17 Dum tempus habemus, operemur bonum. ad Galat. 6. vers. 10.


18 Faul/ nachlaßig.


19 Hodie si vocem ejus audieritis, nolite abdurare corda vestra. Ps. 94. v. 8.


20 Ecce nunc tempus acceptabile est, Ecce nunc dies salutis. 2. Cor. 6. v. 2.


21 Drucken den Menschen in die Höll hinunder.


22 Secura mens juge convivium. Prov. 15. v. 15.


23 Venite ad me omnes, qui laboratis, & onerati estis, & ego reficiam vos. Matth. 11. v. 28.


24 Memorare novissima, & in æternum non peccabis. Eccl. 7. v. 40.


25 Apposuit sibi ignem, & aquam, ad quod volueris porrige manum tuam. Eccl. 15. v. 17.


26 Ecce, prandium meum paravi. Matth. 22. v. 4.


27 Juga boum emi quinque, & eo probare illa. Luc. 14. v. 19.


28 Porrò unum necessarium est Luc. 10. v. 42.


Quelle:
Laurentius von Schnüffis: Mirantisches Flötlein. Darmstadt 1968, S. 325-326,329-338.
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