11.
Jac. Mich. Reinhold Lenz Verse auf die Nachricht von dem Tode der seligen Fr. Pastorin Sczibalski und der tödtlichen Krankheit seiner Schwester

[80] 1771.


Ach meine Freundin todt? – den Zähren

Um Sie darf keine Weißheit wehren,

Empfindung ehrt die größte Brust:

Doch lasset uns den Tod betrachten;

So werden wir sie glücklich achten,

Und unser blinder Schmerz wird Lust.


O Tod! Der Pöbel nur mag zittern,

Du werdest ihm sein Glück verbittern,

Da doch das Glück stets mit dir zieht:

Mit schöner Streng, um uns zu retten,

Zerreißest du die tausend Ketten

Die uns ans Elend angeschmiedt.


Mit jedem Tage lernt man klärer,

Daß nur der Tod der große Lehrer

Der Tugend und des Glückes sei.

Um glücklich in der Welt zu leben,

Dazu gehöret viel Bestreben

Der Boßheit und der Heuchelei.


Ein Eigennutz der nichts verschonet

Und Redlichkeit mit Tücke lohnet,

Die Boßheit, die als Tugend gleißt,

Und Wege findt zu den Gemüthern:

Das sind die Mittel zu den Gütern

Durch die der Thor hier glücklich heißt.[81]


Hier werden unverfälschte Frommen

Aufs höchste nicht in Acht genommen,

Wo nicht verlästert und gedrückt.

Hier müßen oft die schönsten Seelen

Sich unbemerkt im Elend quälen

Und Thorheit ist mit Glanz geschmückt.


Mein Damon! wünsche nicht ins Leben

Die Gattin, die mit Glanz umgeben

Dir zärtlich aus dem Himmel winkt.

Wer, kaum der wilden Fluth entschwommen,

An schönen Ufern angekommen,

Willt du daß der zurücke springt?


Laß ab, laß ab um sie zu weinen.

Der Tod wird euch gewiß vereinen:

Das Leben ist ein Augenblick,

Ein trüber Traum, ein Mittagsschlummer,

Ein unbeträchtlich kleiner Kummer, –

Und Tod ist unaussprechlich Glück.


Ja süßer Tod! auch mit den Meinen

Wirst du mich einst gewiß vereinen,

Denn du gebietest jedermann.

Du willst die Schwester mir entziehen –

O warte, bis ich mit ihr fliehen

Zu bessern Welten fliehen kann.


Was schön ist, muß zuletzt verderben.

Was liebenswürdig ist, (das) muß sterben.

Die Welt behält kein seltnes Gut.

Da wir hier nichts besitzen können,

So laßt uns nach dem Himmel brennen –

Vielleicht verzehrt uns diese Gluth.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 80-82.
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