50.

Der Frühling

[148] Da der göldne Sonnen-Wagen

Frühlings-Zucker bringt getragen,

Daß die süssen Zwillings-Küsse

Tag und Nächte machen süsse,

Da der Himmel gütig lachet,

Da die Erde Schmüncke machet,

Da sich Feld und Wiesen mahlen,

Da der Bäume Häupter pralen,

Da die Brunnen Silber gissen,

Da mit funckeln Bäche flissen,

Da die Vogel Lieder singen,

Da die Fische Sprünge springen,

Da für Freuden alles wiebelt,

Da mit gleichem gleiches liebelt:

O, so muß für trübem kräncken

Bloß der Mensch die Stirne sencken!

Weil zumal bey Frühlings-Lüsten

Mars erfrischet sein verwüsten,

Da er diß für Lust erkennet,

Wann er raubet, schändet, brennet.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 148.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)