[160] Der Schauplatz stellet für ein verbrenntes Hauß und Garten.
Flavius Scevinus. Antonius Natalis. Epicharis. Subrius Flavius. Sulpitius Asper. Maximus Scaurus. Venetus Paulus.
FLAVIUS SCEVINUS.
Hier seht das güldne Rom das Bild der Eitelkeit
Den schönen Kirchhof an! Mag dieses Hertzeleid
Ein mehr als steinern Hertz auch ohne Thränen sehen?
Ich sehe mein schön Hauß hier durch den Wind verwehen;
Die Bäume lind verfängt / die wilden Kräuter stehn
Viel höher als die Thürm / und auf den Mauren gehn
Unnütze Neßeln auf.
SCAURUS.
Dis sind der Zeiten Früchte.
Sie bauen heute was / und morgen wirds zu nichte.
Die Jahre rasen selbst auf ihren eignen Brutt.
Was itzt die See ansätzt reißt die erzürnte Flutt
Mit Wucher morgen weg. Die Gräber gehn zu Grabe /
Man mißt das Land mit Bley / die Seen mit dem Stabe;
Scheut doch die Eitelkeit der Götter selber nicht /
Wenn sie des Jupiters geweyhtes Bild zerbricht /
Dianens Heyligthumb / Neptunus Mauren stürmet.
Wie solte denn dein Hauß ja Rom selbst seyn beschirmet
Für Fall und Untergang / die ihre Eltern sind?
Carthagens kostbarn Staub verspielt itzt Luft und Wind /
Mooß decket Babylon / und Troja faule Buchen /
Dort muß man Stadt im Meer / hier unter Bergen suchen.1[160]
EPICHARIS.
Ja! Strom und Kwäll versäugt / und was man ewig schätzt.
Man hat die Thürme selbst vom Nil nach Rom versätzt /2
Man wil den Sternen gar die erste Größ entziehen
Der Sonn ihr rechtes Maaß. Alleine sich bemühen
Der Zeit zu mäßen bey so viel / ist Aberwitz.
Wir heucheln unser Schuld. Der ungeheure Blitz
Der so viel äschert ein / wird in den schwartzen Hertzen
Der Sterblichen gezeugt. Der Brand / den wir beschmertzen
Kommt vom Verhängnüs nicht / er rührt nicht ungefähr /
Nein / von der Mißethat des grimmen Blutthunds her.
Die Boßheit ist der Pful aus dem die Pest entsprungen /
Die Rom verzehret hat. Er hat vergnügt gesungen
Von Iliums Verterb /3 als die ihm schöne Glutt
In Rom sein Troja fraß. Wer aber wagt sein Blutt
Für das gemeine Heil? Ist diese Gifft zu dämpften
Kein Curtius mehr dar? Wir fallen ohne Kämpften
Und sehn / weil man uns nur noch heute läst zu Ruh /
Der ärgsten Tiranney wie feige Lämmer zu /
Die umb die Schlachtbanck stehn / und für dem Tod erzittern.
Steckt nichts mehr Römisches in Römischen Gemüttern?
Wo ist die edle Zeit / da man durch Flammen lief /
Da auch ein Weib den Stahl auf die Tirannen schlief
Und durch die Flüße schwam.4 Itzt ist uns leider allen
Nicht nur das Hertz allein / auch die Vernunft entfallen;
Er wüttet so viel Jahr / und eine geile Nacht
Hat die Tarquinier5 umb Reich und Geist gebracht.
Ihr Römer / wacht doch auf! Ein Sclav ist Herr und König
Des Käysers / welcher nur sein Leben achtet wenig.
Kan meine schwache Faust die schöne That begehn /
So mag mein Fleisch der Glutt stracks für ein Opfer stehn.
NATALIS.
Wahr ists der Römer Muth ist schier zur Kleinmuth worden /
Wir sehn den grimmen Brand / und sein unmenschlich Morden
Mit furchtsamen Gemütt und gantz verstarter Hand /
Ja naßen Augen an. Jedoch euch ist bekand:
Wer mit zu schwacher Faust ein Nest-voll Drachen störet
Der warnt / er tödtet nicht. Der Pöfel der ihn ehret /[161]
Weil er die Klauen nur in edlem Blutte wäscht6
Und durch der Reichen Gutt7 nur seinen Geld-Durft läscht /
Die Schaaren / die umb Sold ihn Tag und Nacht beschirmen /
Sind durch die Hand-voll Volck nicht möglich zu bestürmen.
SUBRIUS FLAVIUS.
Hält dieser Einwurff uns zurücke von der That /
Die doch des Adels Kern in Rom beschworen hat?
Mag ein behertzter Mann sich für dem Pöfel scheuen?
Der nach erlittnem Brand ihm selbst fängt an zu dreuen.
Ein Aug / ein Helden-Blick schreckt eine gantze Schaar.
Sorgt ihr denn so von der / die ihn bewacht / Gefahr?
Sind nicht die Redlichfsten in heilgen Bund getretten /
Von grimmer Tyranney die Römer zu erretten?
Bey uns / die wir bißher fürs Käysers Heil gewacht
Mit unverrückter Treu / ist schon der Schluß gemacht
Ihm durch der Adern Brunn den kalten Stahl zu treiben.
Ja Rufus unser Haupt wünscht selbst zu unterschreiben
Den Schluß / den wir gemacht / weil er den Tigillin
Des Blutthunds rechtes Aug ihm selbst weit vor siht zihn.8
EPICHARIS.
Was hält uns nun mehr auf behertzt ins Werck zu sätzen
Dis was die Welt erfreun / die Römer wird ergätzen?
Nun durch die Leibwach uns der Weg ist aufgethan
Zu des Tirannen Grufft. Ich selbst wil greiffen an
Wo mehr kein Männer-Hertz in eurem Busem stecket.
Bin ich die andre nicht / die durch solch Blutt beflecket
Das Weiber-Eisen hat / wil ich die erste seyn.
Gesätzt wir mischten auch selbst unser Blutt mit ein:
Ein Thier ein Elefant verlangt nach dem Gelücke:
Daß er nur sterbende / den Drachen mit erdrücke /
Der ihm sein Blutt saugt aus. Des Ruhms verspritzte Blutt
Für allgemeine Ruh ist eine Purpur-Flutt
Daraus die Tugend uns / die wir großmüttig sterben
Und lachen Seind und Tod / muß Ehren-Fahnen färben
Die Welt und Nachwelt rühmt. Verschiebt / ihr Helden nicht
Dis / wornach Rom so säuffzt / der Rath euch billich spricht /
Worzu viel tausend uns / die sein unmenschlich Wütten
Auch in den Aemptern drückt / die Hände werden bitten.[162]
Ich selbst weiß außer uns viel / die ihm Spinnen-seind
Und grämer sind als wir.
VENETUS PAULUS.
Wer wird hirdurch gemeint?
EPICHARIS.
Ihr kent den Proculus?
MAXIMUS SCAURUS.
Dem nach dem Mutter-Morden
Der Anicet zur See ist vorgezogen9 worden?
EPICHARIS.
Den mein' ich. Diesem ist nebst uns sein Leben feil /
Zu dem beuth er uns an der Schiff-Macht gröstes Theil /
Den Anschlag außzuführn.
VENETUS PAULUS.
Wer hat uns den verbunden?
EPICHARIS.
Wo alle Lib und Gunst zum Fürsten ist verschwunden
Kan Haß ihm wider ihn Gefährten leicht vermähln.
VENETUS PAULUS.
Wil sie uns den Verlauff des Werckes nicht erzehln?
EPICHARIS.
Der Himmel hat sich mir so ungeneigt erzeuget:
Daß ich: Ob Mutter-Milch / ob mich ein Wild gesäuget /
Ob Klippen oder wer sonst meine Eltern sind /
Viel Jahre nicht gewust. Man hat mich als ein Kind
Den Räubern abgekaufft am Lybybeer-Strande.
Zu Syracuse wuchs ich auf in dienstbarm Stande /
Jedoch lebt ich vergnügt und ohne Freyheit frey /
Wiewol der Himmel mir warf strenge Herrschafft bey
Am ernsten Dicearch: Von dem in so viel Jahren
Ich meinen Uhrsprung nicht vermochte zu erfahren
Den doch die Räuber ihm vermuthlich kund gemacht;
Denn als ich fünfzehn Jahr in Diensten zugebracht
Dorft Asylas sein Knecht mir Eh und Gunst antragen;
Sein Wunsch ward aber ihm vom Herren abgeschlagen:
Mit Vorwand: Daß es doch zu strenge Rache sey:
Ein mehr als Edel-Blutt zu legen Sclaven bey.
SUBRIUS FLAVIUS.
Der kräfftige Geruch entdeckt des Balsams Gütte:
Der Glantz den Diamant / die Tugend das Geblütte:
Die lehrt: Daß nur das Glück ist Knecht gewest an dir.
EPICHARIS.
Hierauf erzeugte sich der Himmel holder mir /
Weil Ariane mir der Außbund dieser Erden
Die Neffe meines Herrn begonte hold zu werden.
SULPITIUS ASPER.
Welch Unmensch konte denn vorher ihr unhold seyn?
EPICHARIS.
Die Wolcke ward verkehrt in heitern Sonnenschein.[163]
Ich ward der Arian als eigen heim gegeben:
Bey ihr verzuckert ich mein vor vergälltes Leben,
Ihr Antlitz war mein Trost / ihr Thun mein Unterricht /
Ja meine Dienstbarkeit war mir kein Dienen nicht.
Sie lebt' in süßer Lull / ich diente mit Vergnügen /
Bis Aristid und sie von Rom die Bottschafft kriegen:
Es blase Palamed ihr Bruder schon den Geist
Durch hundert Wunden aus. Schnurstracks wird abgereist
Den Bruder und den Sohn zum letzten mahl zu küßen.
Das Glücke ließ uns zu das große Rom zu grüßen /
Und lacht' uns Anfangs zwar mit Rosen-Lippen an /
Doch bald erfuhren wir: Daß Dorn und Gift nicht kan
Entfernt von Anmuth seyn. Wir funden ihn genesen
Und den / den Palamed ihm zum Orest erlesen /
Den Sohn Hermocratens den edlen Held Melint.
VENETUS PAULUS.
Erzehle / wo sie zwey verwundet worden sind.
EPICHARIS.
Es hatte Nero sie mit seinem Mörder-Hauffen
Auf Antrieb Marcellins so grimmig angelauffen:
Daß sie Emilie bey schwartzer Mitter-Nacht
Kaum nebst Camillen hat halb todt ins Hauß gebracht.
MAXIMUS SCAURUS.
Was trieb den Marcellin solch Mordstück anzugeben?
EPICHARIS.
Die Ehr- und Eyfer-Sucht / die stets nach Blutte streben.
Es wohnte Palamed einsmahls den Schauspieln bey /
Damals von allem Reitz der blinden Liebe frey /
Ward aber auf einmal verliebet in Camillen /
Emili' in Melint. Umb Palamedens willen
Muß neben ihm Melint Camillen suchen heim.
ANTONIUS NATALIS.
Der Frauen Schönheit ist ein zeher Seelen-Leim /
An dem die Flügel selbst der Tugend kleben bleiben.
EPICHARIS.
Lernt / wie uns Thörchte doch muß das Verhängnüs treiben.
Daselbst macht Marcellin mit beyden sich bekand /
Zu dem Camille vor ihr gantzes Hertz gewand /
Bemüht des Käysers Gunst sich ihnen zuzuneigen.
Sie müßen endlich gar mit auf den Schauplatz steigen /
Auf welchem ihre Kunst das erste Kleinod krigt.
Ja Nero / welchen sie so überaus vergnügt[164]
Spricht Syracuse frey / auf des Melintes Bitte /
Von allen Schätzungen.
SUBRIUS FLAVIUS.
Ist des Tirannen Gütte
Hier nicht zu karg gewest?
EPICHARIS.
So viel trägt Marcellin /
Als aber sich Camill itzt sein sucht zu entziehn
Erforscht er Cyanen bis sie ihm Nachricht giebet:
Daß Palamedes sey in ihre Frau verlibet.
Hört: Was die Eyfersucht für Schelmstück stiften kan.
Der Marcellin klagt sie beim Käyser Undancks an
Sagt: Daß sie den Gesang des Käysers durchgezogen.
Der Käyser wird schnur-stracks zu Rach und Grimm bewogen
Und / weil dem Marcellin bereit verkundschafft war
Des Palamedes Gang / greift er nebst seiner Schaar
Die edlen Helden an: Ja als / wie ich erzehlet /
Dem falschen Marcellin sein Meichel-Mord gefehlet;
Erwegt er / daß Betrug mehr als Gewalt offt thu
Und schickt dem Palamed ein giftig Pflaster zu.
Da dieser Arglist auch durch Vorsicht vor ward kommen /
Ward zwar das Schwerd von ihm noch einst herfür genommen;
Doch diesen bluttgen Sturm hat zweyer Sclaven Muth
Großmüttig abgeweltzt / und ihr recht edel Blutt
Für beyder Herren Heil und ihrem Ruhm verspritzet.
VENETUS PAULUS.
Hatt es durch disen Schlag nun gäntzlich außgeblitzet?
EPICHARIS.
Bis Marcellin den Glantz der Arian erblickt /
Die ihn durch einen Strahl gantz ausser ihm entzückt.
MAXIMUS SCAURUS.
So ist die Eyfersucht verschwunden umb Camillen.
EPICHARIS.
Noch größre spaan sich an umb Arianens willen.
Denn der durch dise Brunft bey ihr erregte Schmertz
Traf Palamedens Seel und des Melintes Hertz.
Als Marcellin sich siht verhaßter als die Spinnen /
Müht er durch Wunder sich ihr Hertze zu gewinnen:
Befleckt mit böser Lust Dianens keusches Hauß /
Putzt sich wie Jupiter mit Blitz und Adler aus.
ANTONIUS NATALIS.
Damit ja sein Betrug gar Göttlich sey bescheinigt?
EPICHARIS.
Läßt / wo sich Arian im heilgen Bade reinigt /
Sich / wie zu Danaen auf Wolcken zu ihr ab
Ja / als dis Mummwerck ihm nicht sattsam Ansehns gab /
Wagt er sich mit Gewalt der Keuschheit reine Blüthe[165]
Zu erndten von ihr ein. Allein ihm miß-geriethe
Sein Frevel / weil nebst mir Dianens Priesterin
In das Gemach drang ein.
SULPITIUS ASPER.
Wo kam der Gott da hin?
EPICHARIS.
Sein Leib slieg in die Lufft / sein Geist auf neue Tücken.
Er ließ den Aristid aufs freundlichste beschicken
Verlangende zur Eh ihm sein geliebtes Kind.
Sie sage was sie wil / ihr Vater wird gesinnt
Dem Schlimmsten auf der Welt die Beste zu vermählen.
Weil sich so sie / Melint / und Palamedes kwälen
Verschleyer ich nach Art der Ariane mich
Geh in das Heyligthum / wo Marcellinus sich
Verzweifelnde befand / und melde: wie ich glimme
Für heißer Liebes-Brunst / ihm mit verbrochner Stimme.
Des Wiederwillens Kwäll sey Palamed allein /
Er solte sich zur Nacht in Garten finden ein
Der an der Tiber ligt umb unser Lust zu büßen.
Der Thörchte solgt und kommt und läßt sich dar verschlüßen
Bis ich den dritten Tag nachdem er fast verschmacht
Ihm sein bestimmtes Grab höchst ungern aufgemacht
Auf Arianens Heisch.
VENETUS PAULUS.
Kont er den Schimpff verschmertzen?
EPICHARIS.
Die Galle stieg hierauf ihm wieder zu dem Hertzen /
Das nichts als Rache kocht. Er mahlt dem Käyser für
Der Ariane Lob / doch sagt er: Daß er ihr
Nicht würde / sonder Blutt der Freindschafft / habhaft werden.
Dem / der es schlechter schätzt als Schwämme schlechter Erden
Als Amphitritens Saltz / gefällt der Anschlag wol:
Daß man ihr Hauß rings her ins Feuer sätzen sol;
Und mit bewehrter Schaar iedwedes Thor umbringen.
Umbsonst! Die Tugend weiß durch Flamm und Stahl zu dringen
Die Helden brechen durch und bringen ausser Noth
Und Rom / uns ingesammt. Selbst Marcellin bleibt todt /
Durch des Melintes Faust. Als aber er zu Nachte
Den Weg zu forschen aus nebst Palameden dachte /
Wird dieses edle Paar von Nerons Volck umbringt /
Und hin nach Rom geführt. Mein treu Gemütte zwingt
In Männer-Kleidern mich den Helden nachzuziehen.[166]
Indem / daß sie umb Schutz der Unschuld sich bemühen /
(Weil man für ihre That den grausen Mord-Brand hält10)
Nehm ich ein Knecht zu seyn vom Kerckermeister Geld /
Verschaffe Seil und Schiff sie beyde frey zu machen.
Der Palamedes läßt sich glücklich in den Nachen /
Stracks aber fällt die Zinn / an dem das Seil hing ein.
Was sol Melintes thun / im Fall er frey wil seyn?
Es muß sein Bett-Tuch ihm zu einem Segel werden /
Er schiffet durch die Luft und läßt sich ab zur Erden.
MAXIMUS SCAURUS.
Glutt / Lufft und Welle wird den Tugenden zur Bahn.
EPICHARIS.
Wir kamen endlich wol zu Syracusen an /
Allein als sich Melint und Arian entschlüßen
Der Lib in keuscher Eh und Wollust zu genüßen /
Muß mit dem Dicearch die Aermste nach Corinth /
Weil er sie zu vermähln mit Pisistraten sinnt /
Und auf ihr Weigern sie in Junons Tempel stecket.
Jedoch ward dem Melint durch mich ein Weg entdecket:
Daß Ariane wird aus Angst und Hafft gebracht /
Zur Hauptstadt in Epir. Gleich / als sie sind bedacht
Zu der Vermählung sich in Tempel zu erheben /
Wird öffentlich Befehl vom Käyser außgegeben:
Zu bringen des Melint und Palamedens Haupt.
Als allen diese Post fast Hertz und Sinn geraubt
Entschlüß ich als ein Mann mich wieder zu vermummen /
Verfüge mich an Port zu schaun: ob fort zu kommen
Wo noch ein Mittel sey. Zum Unglück trifft mich dar
Der Kerckermeister an / dem ich entlauffen war;
Heischt für den Hauptmann mich. Ich / sagt ich / muß gestehen:
Daß ich mich ihm verkaufft. Doch / wil er in sich gehen /
Muß er: Daß ich mich ihm auf Wieder-Kauff gestellt
Nachgeben / und daß er noch bey sich hat sein Geld.
Ich ward / weil Gegentheil dis nachgab / loß gesprochen.
Hierzu kommt Dicearch: Hastu dich hier entbrochen /
Sagt er / so wirstu doch wol meine Sklavin seyn.
Wo aber steckt Melint? Mir ist durch keine Pein /
Sagt ich / ob ichs zwar weiß / die Nachricht abzuzwingen.[167]
Man heißt mich leider! nur in nechsten Kercker bringen:
Aus denen die mich führn nehm ich des Arcas wahr
Dem raum' ich in ein Ohr: Wo / und in was Gefahr
Sein Herr Melintes sich nebst Palameden finde.
Der treuste / daß er ja sich immermehr verbinde /
Trifft die Bestürtzten an; bringt ihnen schmertzhafft bey:
Mein Unglück / und daß er ein Kriegsknecht worden sey
Alleine für ihr Heil / weil er zu Rom erfahren:
Wie Nero wider sie entschloßen zu gebahren;
Sagt: Daß Trebaz so sehr nach ihrem Leben steh /
Weil für Melintens Mord ihm hab Emilie
Gelobet Eh und Hold. Doch deßen ungeachtet /
Wird von dem Palamed auf einen Weg getrachtet /
Zu retten aus der Hafft sein liebstes Kleinod mich.
Auf Arcas Unterricht fügt er zum Kercker sich /
Und legt durch Dolch und Stich / die beyden Wächter nieder /
Zeucht aus den Fäßeln mir die halb verstarrten Glieder.
Ich aber / daß ich mich mehr sicher flüchten kan /
Leg einen Helm und Rock der todten Schildwach an /
Komm in den mir vorher von ihm bestimmten Garten.
Nachdem ich aber nicht den Palamed erwarten
Auch die Verlaßenen nicht wieder finden kan
Geh ich an Port und treff ein fertig Schiff dar an /
Auf dis verfüg ich mich nicht forschend / welch Gestade
Die Segel kiesen solln.
SULPITIUS ASPER.
Der Umbweg ist gerade
Dem der der nahen Noth sich suchet zu entziehn.
EPICHARIS.
Weil ich von langer Wach und Kummer müde bin /
Sinck ich in tieffen Schlaff / in dem ward man gewahre
Wie von dem Athemhohln mein Busem aufwerts fahre.
Man reißt das Kleid mir auf / und als man / wer ich bin /
Erkennet / führet man mich für den Hauptmann hin.
Dis war er Proculus: Ich meld auf sein Befragen /
Umb ihm auf allen Fall hierdurch stracks abzuschlagen /
Was wider Keuschheit er mir dörffte mutten zu:
Daß ich dis frembde Kleid zum Nachen meiner Ruh
Zu meiner Ehre Schirm aus Noth ergreiffen müßen /[168]
Nachdem Trebaz mich hätt in Ketten laßen schlüßen /
Umb daß ich meine Freind ihm nicht verrathen wolln /
Die er auf Nerons Heiß der Schlachtbanck opffern solln.
Nachdem er lang umbsonst recht Henckrisch mich gehandelt /
Hett er die Bluttbegierd in böse Lust verwandelt
Doch hette mich die Gunst des Himmels so beglückt:
Daß ich verkleidet Brunft und Tiranney berückt
Und unter seinen Schutz mich hette flüchten können.
Ihr Götter! mögt ihr noch dem Löwen Platz vergönnen?
Fuhr Proculus heraus / der voller Bluttschaum klebt
Der Unschuld / und ans Brett nur seine Hencker hebt.
Man hat dem Anicet mich jüngsthin nachgesetzet /11
Weil er mit Blutte sich der Mutter hat genetzet /
Und ich kein Bubenstück des Nero nicht vollbracht.
Wiewol / die Rach ist schon bey Tausenden erwacht;
Sie glimmt in aller Brust / und wird gantz Rom anzünden
So bald ein Haupt sich wird der güldnen Freyheit finden.
Dis hört ich hoch vergnügt / weil ich dem Nero mehr
Als Nattern unhold war. Haßt ihr sein Joch so sehr /
Sprach ich / und Niemand wagt sich selbtes abzuwerffen
Ich wil den ersten Dolch auf diesen Panther schärffen
Und lehrn: Daß auch ein Weib Tyrannen stürtzen kan.
Du / sagt' er / wirst in Rom ihr Tausend treffen an /
Die auf ein Wort dir sind begierig beyzupflichten.
Ich selbst vereyde mich den Blutthund hinzurichten
So bald die Lust ihn ziht an den Misener Strand /
Die Schiffmacht geht hierzu mir willig an die Hand.
So weit gieng unser Schluß. Jedoch hab ich vernommen:
Daß er feit dem hieher nach Rom mir nach sey kommen
Den Anschlag außzuführn. Weil Nero nach Misen
So bald nicht dörffte zihn.
NATALIS.
Man muß behuttsam gehn /
Wie unschwer auch / mein Kind aus deinen Wundern blicket:
Daß dich der Himmel uns zur Rettung hat geschicket.
Dem Proculus zu viel zu trauen / ist nicht Rath:
Der von der Zung ein Mann / ein Weib ist in der That.[169]
EPICHARIS.
Hat er die Arth an sich / werd ich mich sein entbrechen.
Dem ist kein Werck zu traun / der nur pflegt groß zu sprechen /
Und donnert / eh er schlägt. Ihr Helden euer Muth
Darf keiner Armen mehr.
SUBRIUS FLAVIUS.
Jedoch halt ichs für gutt
Uns noch dem Seneca / wo möglich / zu verbinden:
Oft weiß ein Cyneas / ein Nestor Rath zu finden
Wo kein Achilles taug.
MAXIMUS SCAURUS.
Ich sorge / dieser Stein
Den Nero selbst gesätzt wird nicht zu weltzen seyn.
SULPITIUS ASPER.
Den Grundstein seiner Treu hat Nero selbst verrücket.
MAXIMUS SCAURUS.
Wordurch?
SULPITIUS ASPER.
Als er ihm jüngst hat heimlich Gifft geschicket.12
NATALIS.
Laßt diese Sorge mir / und wißt: Daß Piso sich
Fürlängst umb ihn bemüht. Gleich itzo füg ich mich
Nach Hause seinen Schluß dar endlich einzuzihen.
Ihr selbst / im Fall ihr euch wollt in mein Hauß bemühen
Könnt hinter der Tapet aus seinem Mund ihn hörn.
EPICHARIS.
Wir solgen. Aber sol der Morgen uns nicht lehrn:
Daß / wer nicht schleunig läscht / vergehe durch die Flammen /
So ruffet unverlangt die edle Schaar zusammen
Die Eid und Bund nebst uns gieng auf den Blutthund ein.
NATALIS.
Ich wil sie in mein Hauß zu bringen mühsam sein.
Epicharis. Scevinus. Subrius Flavius. Sulpitius Asper. Maximus Scaurus. Venetus Paulus.
SUBRIUS FLAVIUS.
Der Schluß ist zwar gemacht den Löwen zu bekämpffen;
Wer aber sich den Brand der Neßeln müht zu dämpffen /
Muß giftge Wolfs-Milch nicht in Garten pflantzen ein.
Wo mein Verdacht nicht irrt / gewinnt es schier den Schein /
Als mühe Piso sich ins Käysers Thron zu spielen.
Scheint euch nicht selbst Natal auf diesen Zweck zu zielen?
Weil er beim Seneca so eifrig sich bewirbt
Ihn ihm zu Üben ein.
SCEVINUS.
Wenn nur der Blutthund stirbt /
So hersche / wer da wil.
EPICHARIS.
Was brächte dis für Früchte:
Daß man von Nattern sich zu grimmen Drachen flüchte?
SCEVINUS.
Wer hat den Piso so bey Rom und euch vergällt:
Daß euer Schluß ihn nicht für herschens-würdig hält?[170]
Die Tugend ist gepfropfft in Stamm-Baum seines Bluttes.13
Schafft sein Beredsam-seyn den Bürgern nicht viel Guttes
Wenn er der Unschuld dient? Er läßt die milde Hand
Bey jedem Freinde sehn. Ja Frembden ist bekand
Des Piso Freindligkeit. Man muß des Glückes Gaben /
Die Kräften / die Gestalt selbst lieb am Piso haben.
SULPITIUS ASPER.
Verzeihe mir mein Freind / was man an Piso rühmt
Ist keine Tugend nicht. Der Laster Unkraut blümt
Mit Tugend-Rosen sich. Wo sind die ernsten Sitten?
Wenn und wo wird von ihm der Wollust was beschnitten?
Der Pöfel ehrt ihn ja / dem bey gewohnter Lust
Der Sünde / nicht der Preiß der Tugend ist bewust.
SCEVINUS.
Die Zeit erfordert es: Daß man der Tugend Lehren /
Weil sie was bitter sind / flößt in den Zucker-Röhren
Vergönnter Wollust ein. Weil Rom auf diesen Tag
Kein strenges Herschen14 mehr des Numa dulden mag.
EPICHARIS.
Was? Rom sol gar kein Joch mehr einger Herrschafft tragen.
Was nützt es Gutt und Blutt für aller Heil zu wagen /
Wenn nicht die Freyheit sol der Tugend Siegs-Krantz seyn?
Rom sätzt für den Tarquin selbst nicht den Brutus ein /
Wiewol er es erlöst? Die Schlang ist nicht bestritten
Hat ihr ein Hercules den Kopff gleich abgeschnitten.
Es muß ein glüend Stahl / dafern man wil verwehrn:
Daß nicht dis giftge Blutt mehr Köpffe sol gebehrn /
Den abgehaunen Strumpff der Tiranney versängen.
Wolln wir mit Blutte des Tirannen uns besprengen /
So muß man keinen mehr zum Abgott sätzen ein.
Kein Claudius kan nicht hold dem Cherea seyn15
Und Caßius vergieng durch des Augustus Degen /
De doch entschloßen war den Purpur abzulegen16
Die Freyheit einzuführn.
MAXIMUS SCAURUS.
Mißtu dem Glauben bey /
Daß solch scheinheilig Werck sein Ernst gewesen sey?
Kein Printz gibt ohne Zwang des Zepters Hefft aus Händen.
EPICHARIS.
Es sey dem wie ihm wil; Wolln wir in Hafen lenden
So anckert an dem Fels der knechtschen Syrten nicht /
An dem bey Sonnenschein offt Schiff und Mast zerbricht.
Das Kleinod unsers Siegs das ist der Freyheit Würde.[171]
Die lindste Dienstbarkeit ist keinmal ohne Bürde.
Ihr Joch macht gar den Sand der Todten-Grüfte schwer:
Daß kein entseelter Leib / der nicht von Tugend leer
Von Kleinmuth schwanger war / der sanfte Ruh kan haben.
Laßt meiner Glider Asch in Rom ja nicht vergraben17
Wo noch der Erden Haupt der Knechte Knecht sol seyn.
Gesätzt auch nicht enträumt: Der Tugend reiner Schein
Bemühe sich den Thron dem Piso zu erwerben.
Siht man die Schlangen nicht in weichen Rosen sterben /18
Durch die der Tugend Bild Canopus stellte dar /
Weil unter ihrer Arth nicht eine Weiblich war?
Die Früchte die der Brand der Neßeln nicht versehret
Verfauln in Lilg und Klee. Dis / edle Helden / lehret:
Daß selbst die Tugend nicht bey Glücke tauren kan /
Die Wollust-Raupe klebt auch an die Lorbern an
Wenn Glück und Sonn ihr scheint: Sol Piso Käyser werden
So wird sein Grimm / den er mit scheinbaren Gebehrden
Hat bis hieher versteckt / mit Macht sich brechen für /
Denn jede Wespe sucht ein Nest im Purper ihr.
Ja die der Tugend Reitz beym Ungelück empfunden /19
Verterben im Gelück. Rom fühlt die Seelen-Wunden
Die Nero ihr gekerbt / der / aus der Tauben-Arth
Als er zum herschen kam /20 ein Basilißke ward.
Da nun die fruchtbarn Stamm in diesem Wollust-Garten
Selbst wilde Frucht gebehrn: Was hat Rom zu erwarten
Vom Piso? käumt bey ihm nicht jedes Laster schon?
Das Gift läßt sich noch heiln / wormit der Scorpion21
Auf Erden uns verlätzt; Wenn aber der verletzet /
Der in den hohen Thron der Sternen ist versätzet /
Steckt sein vergiftet Brand oft gantze Länder an.
Nun urtheilt: Was so denn uns Piso schaden kan
Sol dieser Wurm ein Stern / ja eine Sonne werden
Der ewigen Stadt Rom.
SUBRIUS FLAVIUS.
Wahr ists. Wer den Beschwerden
Vernünftig rathen wil / braucht wider Pest und Gifft
Nicht Artzney / die das Weh der Kranckheit übertrifft.22[172]
Entdecket: Was für Nutz uns diser Wechsel träget /
Wenn Nero wird gestürtzt der auf der Zither schläget /
Und auf des Gaucklers Stul ein Trauer-Sänger steigt?23
Ich rühm auch: Daß dein Geist der Freyheit ist geneigt;
Alleine / daß das Haupt des Hauptes dieser Erden
Sol Rath und Bürger seyn / kan zwar gewünschet werden
Doch nicht ins Werck gesätzt.
EPICHARIS.
Was dringt Rom und der Welt
Ein Haupt zum Herren auf?
SUBRIUS FLAVIUS.
Dis / daß mans beßer hält /
Wenn einer / als wenn vil das Steuer-Ruder leiten.
EPICHARIS.
Viel Armen können mehr als eine Faust bestreiten.
SULPITIUS ASPER.
Des Reiches gantzen Leib beseelet nur ein Geist.24
EPICHARIS.
Wie? Wenn ein Wütterich selbst Leib und Reich zerreißt?
MAXIMUS SCAURUS.
Es ist erleidlicher / als wenn die Menge wüttet.25
EPICHARIS.
Der Menge wird so bald nicht Kopf und Witz zerrüttet.
VENETUS PAULUS.
Ist ihr die Raserey der Grachen unbekand?26
EPICHARIS.
Wie bald wird nicht geläscht selbst durch ihr Blutt ihr Brand?
SCEVINUS.
Wie viel hat Marius und Sylla Blutt gesoffen?
EPICHARIS.
Hat jenen Nero nicht / den Cajus übertroffen?
SUBRIUS FLAVIUS.
Des Bürgermeisters Kopf gerieth dort auf den Pfal.27
EPICHARIS.
Der Cajus tödtete die Rathsherrn allzumal.28
SULPITIUS ASPER.
Ihr Blutt ward dort verspritzt auf noch Beseelter Grabe.29
EPICHARIS.
Hier wünscht ein Fürst: Daß Rom nur einen Nacken habe.30
MAXIMUS SCAURUS.
Die bluttgen Köpfe sind dort schönste Schau-Gericht'.31
EPICHARIS.
Vergieng Britannicus ans Brüdern Taffel nicht?
VENETUS PAULUS.
Man schlinget Flammen dort als Artzney der Beschwerden.32
EPICHARIS.
Hier muß der Unschuld Fleisch ein brennend Nachtlicht werden.33
SCEVINUS.
Dort wird der Götter Bild durch heyligs Blutt besprützt.34
EPICHARIS.
Schaut: wie hier Cajus Pferd das Pristerthum besitzt.35
SUBRIUS FLAVIUS.
Dort müßen Vater / Sohn einander tödten sehen.36
EPICHARIS.
Hier ist der Mutter-Mord vom Nero selbst geschehen.
SULPITIUS ASPER.
Dort jagt ein Henckers-Knecht Furcht einem Fürsten ein.
EPICHARIS.
Sol für dem Cajus nicht Neptunus furchtsam seyn?37
MAXIMUS SCAURUS.
Der Prister Asche wird in Vestens Glutt begraben.38
EPICHARIS.
Wil Cajus nicht den Mond hier gar beschlaffen haben?39
VENETUS PAULUS.
Es rühme die Gewalt des Volckes wer da wil
Glaubt ein Tyranne sey erträglicher / als viel:40[173]
Ein Basilißke wird viel leichter auch bekämpftet /
Als ein Viel-köpficht Thier. Wenn Cinna wird gedämpffet /
Wenn Marias erstickt / folgt Sylla / und Sertor;
Nach Catilinen kommt Pompejens Zwist hervor.
Ja als Anton vergieng / ward für der Zwitracht Wunden
Kein beßer Pflaster mehr in Rom und Welt gefunden
Als eines Hauptes Wahl.41
EPICHARIS.
Schlüßt was euch tauglich scheint;
Weil ihr der Freyheit Gold nicht zu ertragen meint.
SUBRIUS FLAVIUS.
Der Klugheit muß oft Gifft zu Salb und Pflaster dienen.
Zwar rath ich: Wenn wird seyn die güldne Zeit erschienen
In der der Blutthund fiel; so treibt den warmen Stahl
Auch durch des Piso Brust /42 hebt aber durch die Wahl
Den Würdigsten in Thron.
EPICHARIS.
Wen werden alle loben?
SULPITIUS ASPER.
Den sie erkiesen wird.
EPICHARIS.
So wird hirzu erhoben
Seyn unser Seneca.
SUBRIUS FLAVIUS.
Stimt / ihr / ich sage ja.
ALLE.
Der Blutthund Nero sterb / es hersche Seneca!
SULPITIUS ASPER.
Ich eile zum Natal den Seneca zu finden /
Dar ihn uns durch den Schluß / wo möglich zu verbinden.
Der Schauplatz stellet für des Natalis Gemach.
Natalis. Seneca. Sulpitius Asper.
NATALIS.
Wie macht ihm Seneca dis leichte Werck so schwer?
SENECA.
Ich wünschte: Daß dis Werck nicht nur unmöglich war?
NATALIS.
Ists glaublich: Daß dein Muth dis Thun nicht möglich schätze?
SENECA.
Ich kan dis nicht / was schon laufft wider die Gesätze.43
NATALIS.
Wer sätzet: Daß man nicht Tyrannen stürtzen sol?
SENECA.
Selbst aller Völcker Recht.
NATALIS.
Die minsten heißen's wol.
SENECA.
Hat ein vernünftig Volck je wolln sein Haupt beherschen?
NATALIS.
Tirannen hat gestürtzt Rom / Grichenland / und Persen.
SENECA.
Der Persen Satzung heißt den König bethen an.44
NATALIS.
Ward Smerdes nicht verdammt und Xerxes abgethan?
SENECA.
Der Mohren Oberhaupt ist fast: zum Gotte worden.
NATALIS.
Wenn es ihr Prister heißt / mus es sich selbst ermorden.45[174]
SENECA.
Durch böser Menschen That wird oft das Recht verlätzt.
NATALIS.
Athen hat Trasybuln hirumb so hoch geschätzt.46
SENECA.
Der die Tyrannen schlug / ward wieder selbst erschlagen.
NATALIS.
Sein Ruhm lebt / und man siht sein Bildnüs Lorbern tragen.
SENECA.
Man pflantzet Lorbern oft auf ein nicht heylig Grab.
NATALIS.
Das Volck zu Argos sprach den Kopf Oresten ab.47
SENECA.
Die Römer urtheiln nicht nach Argos Bluttgesätzen.
NATALIS.
Wie daß sie den Tarquin des Reichs verlustig schätzen?
SENECA.
Es kostete gleichwol kein Blutt nicht den Tarquin.
NATALIS.
Den Mel- und Manlius /48 ja auch den Vicellin.
SENECA.
Als sie aus Bürgern sich zu Herschern machen wolten.
NATALIS.
War Cæsar nicht schon Fürst / als ihm ward abgegolten?
SENECA.
Der Mörder Blutt gerieth aufs grimme Rach-Altar.49
NATALIS.
Wie / daß denn Niemand nicht des Cajus Racher war?
SENECA.
Hat Claudius den Geist Chæreen nicht verkürtzet?50
NATALIS.
Nicht / weil sein Helden-Muth Caligulen gestürtzet.
SENECA.
Die Götter sprechen recht nur über Fürsten-Blutt.
NATALIS.
Kein Blutt sonst ist so sehr zu süßen Opfern gutt.51
SENECA.
Man muß die Tyranney wie Hagel / Mißwachs dulden.52
NATALIS.
Der Himmel strafft nicht mehr als wirs umb ihn verschulden.
SENECA.
Ein Knecht trägts / wenn der Herr gleich straffet übers Ziel.
NATALIS.
Wie / daß uns Römer man zu Knechten machen wil?
SENECA.
Ist Rom freywillig nicht den Käysern dienstbar worden?53
NATALIS.
Kein Mensch gab ihnen Macht iedweden zu ermorden.
SENECA.
Das Unrecht selbst wird Recht /54 wenn Fürsten es gefällt.
NATALIS.
Ein Fürst bleibt Fürst / so lang er sich in Schrancken hält.
SENECA.
Wer waget Fürsten sich in Schrancken einzuschlüßen?
NATALIS.
Die für ihr Vaterland ihr Blutt mit Ruhm vergießen.
SENECA.
Ein Unterthan erwirbt nur durch Gehorsam Ruhm.55
NATALIS.
Du schätzst vertrautes Gutt des Reichs für Eigenthum.
SENECA.
Des Volcks Gewalt hört auf / wenn sich des Fürsten zeiget.
NATALIS.
Und währet / weil das Volck dem Fürsten ist geneiget.
SENECA.
So bleibt der stets / der herscht / des Pöfels Gauckelspiel.
NATALIS.
Der ist kein Haupt / den Leib und Volck nicht haben wil.56
SENECA.
Wie daß in Rom auch Stahl und Volck den Käyser schützen?
NATALIS.
Die Wache selbst mags Schwerd aufs Fürsten Boßheit spitzen.57[175]
SENECA.
Der Fürsten Lorberkrantz bleibt auch vom Donner frey.
NATALIS.
Gib nach: Daß Romulus58 im Blitz vergangen sey;
SENECA.
Und gleichwol in den Rath der Götter aufgenommen.
NATALIS.
Der Nero aber wird in Schmach und Abgrund kommen.
SENECA.
Das gegenwertge Reich ist stets schwer59 und verhaßt.
NATALIS.
Der Römer Nacken fühlt des Blutthunds Zentner-Last.
SENECA.
Die Laster werden seyn / weil Menschen werden leben.60
NATALIS.
Der Beste von dem Volck ist auf den Thron zu heben.
SENECA.
Wer auch den Besten wünscht / muß leiden den Gott schickt.61
NATALIS.
Wol dem / den eh der Tod als ein Tyran anblickt.62
SENECA.
Die Ungedult vermehrt erträgliche Beschwerden.
NATALIS.
Hier müste die Gedult selbst ungedultig werden.
SENECA.
Der Herscher Grimm wird mehr durch Wiederwilln erregt.63
NATALIS.
Die Bürde wird gehäufft dem / der sie willig trägt.
SENECA.
Die Unmuth aber schwellt die Schmertzen64 und die Wunden.
NATALIS.
Des Panthers Blutt muß seyn aufs Panthers Biß gebunden.
SENECA.
Gehorsam schaffet Ruh / Hartnäckigkeit Gefahr.
NATALIS.
Dein Lehren baut in Rom Busiris Blutt-Altar.
SENECA.
Durch Demuth sänftigt man die Löwen und Tirannen.
NATALIS.
Es ist mehr sicherer sie beyde weg verbannen.
SENECA.
Ein Schutz-Schild dient hier mehr /65 als ein verletzend Schwerdt.
NATALIS.
Die Unschuld wird verfolgt / die Laster schätzt man werth.
SENECA.
Viel beßer ists / vergehn / als sich durch Blutt beflecken.
NATALIS.
Die Rache waffnet bey Gefahr auch Würm und Schnecken.
SENECA.
Ein Weiser trägt behertzt / was das Verhängnüs schickt.
NATALIS.
Wie daß sich Cato nicht so sehr für Cæsarn bückt?
SENECA.
Sein Wahn hat ohne Nutz viel Bürger-Blutt verspritzet.
NATALIS.
Der Vorsatz bleibt berühmt auch / wenn er wenig nützet.
SENECA.
Glaubt: Daß der Fürsten-Mord Niemanden rühmlich sey.
NATALIS.
Wie pflichtet Seneca so dem Tirannen bey?
SENECA.
Man muß den Fürsten nicht bald mit den Lastern haßen.
NATALIS.
Wie daß du nur nicht wilst den Piso für dich laßen?66
SENECA.
Gar zu gemein seyn schafft nicht Nutz ihm / mir Verdacht.
NATALIS.
Fällt das gemeine Heil so gar dir aus der Acht?
SENECA.
Dis / und mein Eigenes beruht aufs Piso Leben.
SULPITIUS ASPER.
Wie daß denn Seneca nicht uns sein Wort wil geben?[176]
SENECA.
Wird meiner Unschuld hier ein Fallbrett aufgestellt?
NATALIS.
Nicht fürchte: Daß mein Hauß Verräther in sich hält.
SULPITIUS ASPER.
Behertzige / mein Freind / dein und der Römer Nöthen.
SENECA.
Solt ich mit Blutte denn mich meines Fürsten röthen?
NATALIS.
Der Mutter-Mörder wird auch wütten auf dein Blutt.
SENECA.
Weil ich nicht weg darf ziehn /67 schätz ich den Todt für gutt.
SULPITIUS ASPER.
Es bringet größern Ruhm das Vaterland erretten.
SENECA.
Ja wenn ein Fürst hierdurch nicht wird in Grund getretten.
NATALIS.
Bring uns für diese Pest ein sanfter Pflaster her.
SENECA.
Wahr ists; ist sonst kein Fürst zu tödten / so ists der.
SULPITIUS ASPER.
Kan Seneca nun nicht mit Fug den Bund eingehen?
SENECA.
Ich werde nicht bey euch / auch nicht beim Nero stehen.
NATALIS.
Dis machet Freinde nicht / versöhnt auch keinen Feind.68
SENECA.
Dis hett auch Seneca / war er Natal / gemeint.
SULPITIUS ASPER.
Du würdest dir den Weg hirdurch zum Throne bahnen.
SENECA.
Die Weißheit darf sich nicht nach disem Schatten sehnen.
NATALIS.
Die Weißheit geb uns doch hier etwas Unterricht.
SENECA.
Mein Wunsch ist euer Sieg / mein Lehren: säumt euch nicht.
Epicharis. Fenius Rufus. C. Piso. Subrius Flavius. Plautius Lateranus. Flavius Scevinus. Antonius Natalis. Afranius Quinctianus. Annæus Lucanus. Tullius Senecio. Cervarius Proculus. Vulcatius Araricus. Julius Tugurinus. Munatius Gratus. Martius Festus. Glicius Gallus. Annius Pollio. Granius Sylvanus. Statius Proximus. Sulpitius Asper. Maximus Scaurus. Venetus Paulus.
NATALIS.
Den Rath des Seneca habt ihr im Vorgemache
Vermuthlich angehört?
EPICHARIS.
Die Wichtigkeit der Sache
Trägt freylich nicht Verzug. Der beste Rath vertirbt
Durch Langsamkeit des Wercks. Ob Nero billich stirbt;
Ist nicht mehr Fragens Noth. Daß er den Thron besprungen
Durch Mord des Claudius / daß er sein Kind verdrungen /
Ihm Reich und Geist geraubt / daß er durch edles Blutt
Die Tiber roth gefärbt / daß seines Mord-Brands Glutt
Das große Rom vertilgt / daß er auf alle Großen
Noch täglich Hencker kaufft / daß sein Gemahl verstoßen /
Ein geiler Balg vermählt / der Mutter heilger Leib[177]
Von ihm durchstochen ward / daß jedes edle Weib /
Die schön ist / sich muß feil im Huren-Hause machen /69
Daß er ein Weib seyn wil /70 daß er Bagradas Drachen71
Die Löwen bey Cyren an Wütten übertrifft /
Verdammt den Blutthund schon. Hier fragt sichs nur ob Gifft /
Strick / Flammen oder Stahl das Unthier stürtzen sollen /
Wie / wo / und wenn wir ihn der Höllen opffern wollen.
MUNATIUS GRATUS.
An dem ligt nicht so viel / ob Feuer oder Schwerdt
Tirannen stürtzt und dämpfft / wiewol ein glüend Pferd
Für diesen Phalaris mich noch zu sanfte düncket.
Genung / wenn Volck und Reich / das schon zu Grunde sincket
Entrinnt durch seinen Fall. Nichts beßers scheint zu seyn
Man mische Gifft und Tod ihm in die Speisen ein.
FENIUS RUFUS.
Umbsonst! er ist hierfür mit Artzney stets versehen
Seit dem der Bruder-Mord von ihm durch Gift geschehen /
Ja Tigillin läßt ihm das minste bringen bey /
Was er nicht selbst versucht. Zu dem gesätzt: es sey
Noch möglich zu vollzihn / wie viel wird Zeit verschwinden /
Eh als wir unsern Zweck durch diesen Umbweg finden?
SULPITIUS ASPER.
Greifft mit geharnschter Hand den feigen Igel an /72
Der nur die weiche Haut der Kleinmuth stechen kan.
AFRANIUS QUINCTIANUS.
Dis ist am sichersten: Die Bahn ist uns gebrochen
So hat Chærea Rom am Cajus schon gerochen /
Und Julius vergieng durch Brutus edlen Stahl.
Dis ist der schöne Weg / auf dem wir allzumahl
Der Welt / wie hertzhafft wir für ihre Wolfarth kämpffen /
Wenn wir den Wütterich durch hundert Wunden dämpffen /
Für Augen können stelln / Rom geben zu verstehn:
Wer bluttig hat geherscht muß bluttig untergehn.
Den Schluß am sichersten nunmehr ins Werck zu setzen
Fällt mir dis Mittel ein. Wenn Nero sich ergetzen
In Bajens Bädern wird; So lade Piso ihn73 /
Wo hin ihn ohne dis die Anmuth pflegt zu zihn /
Auf sein schön Vorwerck ein. Was mag so denn uns hindern?
Wenn sich bey voller Lust die Wachten umb ihn mindern
Und er im Bad und Schmaus sich aller Sorg entschlägt:[178]
Daß wir durchs Blutthunds Hertz / das eitel Mord-Lust hegt
Und nichts als Galle kocht / geweyhte Dolchen treiben?
C. PISO.
Schaut Freunde / wo ich sol sein Sterbens-Urtheil schreiben
Mit Tinte meines Blutts / hier Hertz und Adern stehn!
Zerfleischt sie / aber dis zwingt mich nicht einzugehn:
Daß ich den heilgen Tisch mit Fürsten-Blutt bespritzen /
Die Götter / die mein Hauß / nur weil es rein ist / schützen /
Hierdurch erzürnen solt.
EPICHARIS.
Verspritzt Tyrannen-Blutt
Ist selbst zu Reinigung befleckter Oerter gut.
Man kan selbst Jupitern kein fetter Opfer schlachten74
Als Fürsten / die ihr Volck für Schaum der Thetis achten
Man weiht selbst durch ihr Blutt Altar und Tempel ein.
C. PISO.
Hierinnen muß mein Hauß mehr rein als Tempel seyn.
Kein Wirth sol sein befleckt mit seines Gastes Blutte.
Sein güldnes Wunderhauß / das von geraubtem Gutte
Der Bürger ist gebaut / das große Capitol /
Das Rathhauß / oder auch sein Spiel-Gerüste sol
Ein Schauplatz unsrer That / des Löwen Schlacht-Banck werden.
SUBRIUS FLAVIUS.
Man fall ihn an / wenn er durch knechtische Gebehrden75
Und Weibischen Gesang sich Gaucklern beygeselln
Und zum Gelächter wird der Welt für Augen stelln.
LUCANUS ANNÆUS.
Wol! Dieser Marsyas wird also wahr empfinden:
Daß sich die Götter nur nicht laßen überwinden:
Daß nicht nur Thamyris eröffne: Daß der Stiel
Der Musen spitzig sey. Weil der auch / den er wil
Nebst der Gerichte Ruhm verächtlich unterdrücken /76
Behertzt ist Kiel und Stahl auf ihn den Hund zu zücken /
Umb Rom zu offenbarn: Daß böser Thaten Nacht
Die Sternen / die sie wil verfinstern / heiler macht.
TULLIUS SENECIO.
Es wird nicht möglich falln uns sämtlich durch zu dringen
Weil Wach und Pöfel stets den Schauplatz rings umbringen.77
Zu dem zeucht schon dis Werck nach sich Verdacht / Gefahr /
Wenn wider Arth und Brauch so eine große Schaar
Der Edlen sich in Kreiß der Sänger ein wird dringen.
CERVARIUS PROCULUS.
Ich und Natal wolln selbst zum Scheine mit ihm singen.
NATALIS.
Welch Mittel aber wird vons Pöfels Raserey /[179]
Der ihn als einen Gott anbethet / machen frey
Uns / die wir ja nicht nur den Blutthund müßen fällen
Den Blutthund / sondern auch das Regiment bestellen?
VULCATIUS ARARICUS.
Wahr ists / ist dir und mir gleich nicht umbs Leben leid
So muß die Klugheit doch stehn nebst der Tapferkeit /
Daß Rom des Werckes Zweck ersprüßlich auch empfinde.
Denn sol das blinde Volck des Henckers Mord-Gesinde
Ein Haupt der Welt erwehln / so wird Rom schlechte Frucht
Der großen That verspürn.
GRANIUS SYLVANUS.
Wenn man gantz Rom durchsucht /
Ist kein solch Un-Mensch dar / des Caucasus Gefilde
Haußt kein solch Unthier nicht / kein Tiger ist so wilde;
So nutzt es gleichwol Rom / es steige / wer da wil
Auf den Blutt-fetten Thron / wenn nur des Herschens Ziel
Dem Nero wird gefleckt.
JULIUS TUGURINUS.
Kein Artzt / der klug ist / leidet
Wenn er schon Brand und Krebs aus Bein und Glidern schneidet:
Daß wildes Fleisch aufwachs'. Und wir wolln nicht verwehrn:
Daß dieses Löwen Aaß sol einen Wurm gebehrn
Dem keine Speise taug als bluttge Menschen-Köpffe.
Den Rath / das Heer / den Hoff beherschen die Geschöpffe
Des schlimmsten Tigillin / aus denen sich ein Glied
Wird heben an das Brett.
PLAUTIUS LATERANUS.
Seyd ferner nicht bemüht
Umb Mittel ihn vom Thron und Rom in Ruh zu sätzen.
Fehlt euch Gelegenheit den Tiger zu verletzen /
Der voller Furcht in Hauß und Gärte sich schleußt ein?
So wird der dritte Tag mehr als gelegen seyn.
Ihr wißt: Daß Rom so denn der Ceres Fest begehet /78
An welchem Nerons Hauß jedwedem offen stehet /
Den Spielen zuzuschaun / und Nerons reiche Hand
Umb Vorschub anzuflehn. Ich wil / wie Glück und Brand
Mir meinen Stand zu führn die Mittel gantz verschnitten /
Beweglich ihm erzehln / fußfällig Hülffe bitten /
Und über Halß und Kopff von seinem Brandstul ihn
Zu Bodem stürtzen ab. Dann mögt ihr von euch zihn
Und mit den Dolchen ihm sein giftig Hertz durchgraben.
SCEVINUS.
Ich wil der erste seyn / laßt mich den Vorzug haben[180]
Der die Verbitterung durch sein schwartz Blutt ab kühl /
Und Rom für Augen stell ein lustig Trauer-Spiel /
Das von der Tiranney den Kreiß der Welt befreyet.
Schaut her! Hetrurien hat diesen Dolch geweihet
Ins Heiligthumb des Heils / ich aber abgelehnt
Der Göttin Bildnüße.
MARTIUS FESTUS.
Sie wird durch nichts versöhnt
Mehr werden / als wenn er mit des Tirannen Blutte
Zu allgemeinem Heil und aller Welt zu gutte
Bepurpert gläntzen wird.
MAXIMUS SCAURUS UND VENETUS PAULUS.
Bey diser großen That
Wolln wir nicht letzte seyn.
EPICHARIS.
Das Werck prüft Geist und Rath /
Jedweder mühe sich dem andern vorzukommen.
Ich selber habe mir beständig fürgenommen
Vermummt als ein Soldat mich euch zu fügen bey /
Und hertzhaft darzuthun: Daß ich sein Todfeind sey /
Ja daß die Aegeln nicht so sehr nach Blutte dürften
Als nach des Blutthunds ich.
GLICIUS GALLUS.
Das Blutt des grimmen Fürsten
Soll uns zu süßer Luft gemischt in fußen Wein /
Die Hirnschal unser Glaß und Trinckgeschirre sein.79
EPICHARIS.
Mein und derselben Blutt die den Tyrannen haßen
Sey Vorschmack künftiger Lust. Laßt uns zur Ader laßen
Und unsern heilgen Bund bestärcken unser Blutt.
Ein Glaß-voll Reben-Safft! Wenn Tugend / Treu und Muth
Nicht fehlt / den Adern-Brunn des Blutthunds zu verterben /
Der muß Chrystall und Wein mit seinem Blutte färben.80
Geweyhter Freyheits-tag / verzuckert Freindschafts-Tranck!
Ich trincks euch allen zu aufs Blutthunds Untergang.
PLAUTIUS LATERANUS.
Sein Cörper werd ein Aaß / sein Geist ein Brand der Höllen!
FENIUS RUFUS.
Der Hencker schlepp ihn fort auf die Gemoner-Schwellen!
C. PISO.
Man tilg in Rom und Welt sein schlimm Gedächtnüs aus!
FLAVIUS SCEVINUS.
Man werff in Koth sein Bild und äscher ein sein Hauß!
AFRANIUS QUINCTIANUS.
Daß sein Geburthstag werd iedwedes Jahr entweyhet!
ANTON NATALIS.
Man feyre den / da Rom des Drachens sich befreyet!
LUCANUS ANNÆUS.
Die Eul und Natter fing ihm seinen Lobgesang!
SUBRIUS FLAVIUS.
Sein Fleisch gebehre Gifft / und Würmer und Gestanck![181]
TULLIUS SENECIO.
Daß seiner Beine Marck der Molchen Speise werde!
CERVARIUS PROCULUS.
Man würdige den Hund nicht einer Hand-voll Erde!
VULCATIUS ARARICUS.
Ein Sack mag seyn sein Sarck /81 die Tiber sey sein Grab!
JULIUS TUGURINUS.
Daß auch die Asche nicht Ruh in der Erden hab!
MUNATIUS GRATUS.
Man müße sein Gesicht auf Ubelthäter brennen!
MARTIUS FESTUS.
Man straffe den / der mehr wird Nerons Nahmen nennen!
GLICIUS GALLUS.
Der Nachwelt ewig Fluch verdamme sein Geschlecht!
ANNIUS POLLIO.
Sein Weib werd aller Magd und er der Straffe Knecht!
GRANIUS SYLVANUS.
Es müße seine Seel in einen Tiger fahren!
STATIUS PROXIMUS.
Sie sey ein Gauckelspiel der abgelebten Schaaren!
SULPITIUS ASPER.
Er sterbe nur / die Pein ersterb in ihm keinmal!
MAXIMUS SCAURUS.
Sein Tod sey unser Ruh und seine stete Kwal!
VENETUS PAULUS.
Dis schmeckt / doch Nerons Blutt wird uns noch süßer schmecken!
EPICHARIS.
So muß Tirannen man ihr Ziel des Lebens stecken.
Reyen.
Des Geschreys und der Wahrsager.
DAS GESCHREY.
Mag Rom wol ruhig seyn /
Nun Schwefel / Blitz und Stürme
Die Felsen / Tempel / Thürme
Fast täglich äschern ein /
Und über Rom die schwäntzichten Cometen
Die düstre Lufft mit blutigen Strahlen röthen?
DIE WAHRSAGER.
Erzittre Stadt und Reich!
Die Tiranney wird gleich
Auf deine Gipffel krachen /
Und durch der Edlen Blutt
Der Schwantz-Gestirne Glutt
Ihm hold / dir unhold machen.[182]
DAS GESCHREY.
Orions sternicht Gurth
Heckt nicht nur Wunder-Zeichen.
Man wirfft ins Rathhauß Leichen82
Zweyköpfichter Geburth:
Ja aus der trächtgen Opffer Eingeweyden
Siht man die Priester Mißgeburthen schneiden.
DIE WAHRSAGER.
Des Reiches Ruh zerfällt
Und Rom das Haupt der Welt
Wird sich durch Zwytracht theilen.
Doch wird der Fürst beschirmt.
Denn / wer den Himmel stürmt /
Kommt umb von Donner-Keilen.
DAS GESCHREY.
Ihr wißt das Todten-Feld
Wo durch den Sieg der Mohren
Halb Rom fast ward verlohren;
Wo Trebens Flutt sich schwellt /
Dar ist am Weg ein Wunder-Kalb genesen
Dem Kopff und Knie beysammen ist gewesen.
DIE WAHRSAGER.
Die Deutung kan nicht fehln
Rom müht sich zu erwehln
Ein neues Haupt der Erden.
Doch der Verhängnüs-Schluß
Macht: Daß solch Rathschlag muß
Kund und Kräbsgängig werden.
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