Erstes Buch.

[8] Deutschland genaaß nunmehr so wohl der edlen Siegs-Frucht / nemlich der Freyheit / als der grosse Feldherr Herrmann der süssesten Liebe. Denn ob zwar die Deutschen zeither von den Römern nur wie die Löwen eingesperrt gewest waren / für denen sich ihr Hütter mehr / als sie für ihm sich fürchten; so war doch der Römer Bekümmernüß ihnen keine Ergetzligkeit; von der sie nun auf einmal gleichsam überschwemmt waren. Jedoch sättigten sie sich nicht an dem Genüß dieses unschätzbaren Gutes / sondern sie betheilten sich auch mit ihres Feldherrn Vergnügung; gleich als wenn Deutschland nur von dem reinen Feuer seiner Liebe seine Freude / wie nach dem verjagten Xerxes Griechenland nur in der heiligen Ampel zu Delphos seine Opfer-Kertzen anzünden müste. Also war niemand / der nicht seine Gemahlin bald schwanger zu seyn wüntschte / oder aus Verlangen schon zu seyn glaubte; umb Herrmanns Haus bald mit einem künftigen Nachfolger unterstützt / und das Vaterland künftiger Zwytracht entübrigt zu schauen. Denn dieses Helden Verdienste drückten numehr alle Regungen des Neides zu Bodem / und die Ehrsucht muste seiner Tugend theils aus einer großmüthigen Zuneigung / theils aus Scham-Röthe den Vorsitz enträumen. Hierdurch blieb das gute Verständnüß der deutschen Fürsten auf festem Fusse; und es schien: daß dieses streitbare Volck zum minsten der Eintracht / als der Schutz-Göttin aller Völcker / wo nicht einen so herrlichen Tempel / als die Römer gethan hatten /[8] doch aus so eifriger Andacht ein Heiligthum bauen wolten; weil / allem Ansehen nach / das unschätzbare Geschencke Göttlicher Versehung / nemlich ein beständiger Friede so uhrplötzlich nicht zu hoffen war. Denn / ob zwar durch die Niederlage des Varus der Römer Bothmässigkeit innerhalb des Rhein-Stroms fast gäntzlich erloschen war; so hielten sie doch diesen Fluß durch etliche Festungen noch gleichsam angefässelt; also Deutschland in Argwohne: daß die Römische Rachgier ihre Galle und des Käysers Herrschsucht ihr Gifft bey erholeten Kräfften und überkommener Gelegenheit bald wieder auf die Deutschen ausschütten würde. Sintemal sie aus hundert Beyspielen schon gelernet hatten: daß die Abtretung eines vortheilhaften Ortes wider die Grund-Gesetze der Stadt Rom lieffe; ihre Niederlegung der Waffen auch nur ein Spiegelfechten wäre; indem die Römer sich des Friedes und Krieges wie zweyer Müntzen gebrauchten; nachdem Zeit und Zufälle eine für der andern zu ihrem Vortheile gangbar machte; gleich als wenn grosser Reiche Anliegen auf der Wage der Gerechtigkeit nicht Raum hätten / und der Käyser Willkühr alles gewaltsame zuläßlich machte. Daher sich Hertzog Herrmann keines aufrichtigen Vergleichs zu versehen hatte / ungeachtet er wohl verstand: daß das abgemergelte Deutschland nicht weniger der Erhohlung / als ein Krancker des Schlafes von nöthen hätte; sondern vielmehr glaubte: daß die deutsche Freyheit denen beym Hellespont auf des Protesilaus Grabe wachsenden Bäumen gleich wäre / welche alsofort biß an die hernach wieder ausschlagende Wurtzel verdorren / wenn sie so hoch gewachsen sind: daß man von denselben das gegen über liegende Ilium erblicken kan. Wie viel mehr hätten also die Deutschen Ursache die nicht über dem Meere / sondern nur über dem Rheine liegenden und noch unzerstörten Blockhäuser der Römer als ihre Schiffbruch-Klippen anzuschauen. Bey welcher Bewandniß denn auch die vereinbarten Fürsten sich des nach dem Ubischen Altare entkommenen Asprenas Schreibẽ nichts irre machen liessen; darinnen er einen Vorschlag des Friedens that / und den Feldherrn versicherte: daß der Käyser des lasterhaften Varus Verfahren verda te / und sein verzweifelter Selbstmord ihn nur einer empfindlichern Straffe entrissen hätte. Wormit sie ihm aber für seinen blauen Dunst einen Nebel verkaufften / schrieb der Feldherr dem Asprenas zu: Er erwartete vom August den Vorschlag des ihm zwar nicht nöthigen / doch allzeit annehmlichen Friedens. Seine Neigung hierzu hätte er bereit durch die Freylassung der gefangenen Königin Erato / des Fürsten Zeno und Malovends an Tag gegeben / und er besiegelte sie hiermit abermals durch Zurücksendung hundert Römischer Befehlshaber. Durch diese Antwort verbarg Herrmann nicht nur sein Absehen die Römer von dem Rheine zu entfernen; sondern er drückte den Deutschen auch diese gute Meynung ins Hertz: daß er durch Verlängerung des Krieges seine Bothmässigkeit über die Deutschen zu vergrössern nicht gemeynt wäre. Unterdessen machte doch der Käyser ihm diese Erklärung zu Rom gewaltig nütze. Denn / ob er zwar seiner Scharffsichtigkeit nach allzu wohl verstand: daß Hertzog Herrmann nicht weniger des Sieges sich zu gebrauchen / als zu siegen wuste; und daß so wohl der mit Gewalt einbrechende Winter den Verfolg des Krieges he te; als Herrmann in Deutschland noch viel Berge der Hindernüsse zu übersteigen hätte; so erleichterte er doch sich und gantz Rom dieses Kummers: daß die Gallier denen bereit über den Rhein streiffenden Sicambern beyfallen / den durch so ungewöhnlichen Sieg der gantzen Welt beruffenen Herrmann für ihr Haupt erkiesen; er aber in die Fußstapfen seiner hitzigen Vorfahren über die Alpen zu steigen / und derselben Glantz zu verneuern trachten würde. Sintemal freylich die Durchdringung[9] dieses Gebürges bey den Nord-Völckern eben so hoch als bey den Griechen des Jasons Reise nach Colchis / des Bacchus in Indien / und des Hercules biß nach Calpe und Abila gehalten ward. Weswegen August / als er nur ein wenig sich von der ersten Bestürtzung erholet hatte / die Verminderung der Schatzung in Gallien / das mehr als fünf tausend Galliern verliehene Römische Bürger-Recht /zum ersten Mittel angewehrte dieses leichtsinnige Volck im Gehorsam zu behalten. Ob nun zwar derogestalt das erste Schrecken vorbey war; so empfand doch der Käyser allererst nach und nach die Heftigkeit der von den Deutschen empfangenen Wunde. Denn der mit reichen Geschencken zu gewinnen versuchte Marbod gab dem Käyserlichen Botschaffter Sextus Apulejus zwar den ihm zugeschickten Kopf des Varus wieder / sonst aber zweifelhafte Antwort. Uber diß berichtete Apulejus nach Rom: daß dieser mächtige König mit dem Hertzoge Ingviomer nichts minder geheime Rathschläge / als offentliche Verträuligkeit unterhielte; ja die Marckmänner ihren Haß gegen die Römer / und die Begierde sie zu bekriegen offentlich an Tag gäben. Die Gallier versicherten den Käyser zwar ihrer Treue; aber dieses mehr aus Rache gegen die Deutschen / welche ihnen mit dem Varus derogestalt zur Ader gelassen hatten: daß iedes edle Haus etliche Todten zu betrauren hatte; als aus Zuneigung gegen die Römer. Weswegen sie auch die Unmögligkeit fürschützten die Römischen Festungen am Rheine und die Uberbleibung des Asprenas mit neuen Hülffs-Völckern zu verstärcken. Die übrigen Gräntz-Völcker begonten gleichfalls mehr der Römer Freundschafft zu erhalten / als sich für ihren Waffen zu fürchten; etliche Uberwundene auch gar die alte Schatzung zu weigern / und die des Gehorsams erinnerten Pannonier zu dräuen. Jedoch wäre die Schwachheit der äusersten Glieder noch zu verschmertzen gewest / wenn nicht Rom die Ohnmacht selbst im Hertzen gefühlt hätte. Denn es forderte die Vorsicht wegen noch immer besorglichen Einbruchs der Deutschen in Italien / oder zum minsten das Ansehn des Römischen Reichs die durch dreyer und mehr Legionen Niederlage aufgehobene Schande wieder auszuleschen. Sintemal wie mächtig diß gleich war / bestand doch seine Grösse mehr am Ruffe / als an der Tugend / seine Stärcke mehr am Ruhme voriger Siege / als an Waffen. Diese Scharte aber konte durch keinen Dunst / sondern allein durch den Nachdruck einer anständigen Rache ausgewetzt werden. Wie nun der Käyser den hierzu nöthigen Werckzeug /nemlich ein frisches Heer zu werben / und bey dessen schläfriger Fortstellung die junge Mannschafft zu zehlen befahl; befand man Rom und Italien durch die Deutschen und Pannonischen Kriege über alle Einbildung erschöpft; die noch zum Kriege tüchtigen auch durch den letzten Streich der Deutschẽ so erschreckt: daß weder die Erhöhung des Kriegs-Solds / noch andere Vertröstungen sie Dienste zu nehmen bewegte. Ja als alle nach der Cannischen und Cimbrischen Niederlage hervor gesuchten Mittel nichts verfingen; die Vermögenden sich aus Italien flüchteten / die Geworbenen durchgingen / ließ August alle nicht über fünf und dreissig Jahr alte Mannschafft zehlen / die wider die Deutschen zu kriegen sich weigernde looßen / und allemal den Zehnden seines Vermögens und der Ehre verlustig erkennen. Als aber auch hierdurch den Römern die Furcht für den Deutschen nicht aus dem Hertzen zu bringen war / ließ er vielen wie Flüchtigen zur Ader lassen / nach empfangenen Ruthen-Streichen die Hände / ja denen / welche von der Deutschen Tapferkeit was erzehlten / die Köpfe mit dem Beile abhauen. Worbey es aber noch nicht bewendete / sondern sein Argwohn: daß die in Rom noch befindlichen Deutschen und Gallier der Zunder dieses Unheils wären / verleitete ihn über die Schrancken[10] seines gewohnten / und klug er Fürsten anständiges Glimpfes. Denn da er anfangs nur die aus Vorwitz oder der Handlung halber zu Rom befindlichen Deutschen aus der Stadt zu weichen befehlicht hatte / schaffte er nicht nur diese aus Italien / und die unbewehrten Gallier aus Rom; sondern auch die / welche aus beyden Völckern sich unter seiner Leibwache befanden / und durch nicht gemeine Dienste in dem Dalmatischen Kriege ihre Treue bewehrt hatten / wurden auf unwirthbare Eylande des Egeischen Meeres verschickt; gleich als wenn diese das Schrecken der Welt die Stadt Rom zu empören im Schilde führten; oder das gantze Reich zu zerrütten mächtig wären. Wiewohl es allerdings nicht ohne war: daß die Edlen / weil sie ihnen viel neue und / was die Athenienser von sich rühmten / gleichsam aus ihnen selbst entsprossene Leute in Besetzung der Ehren-Aempter fürziehen sahen / das gemeine Volck aber / welches August durch Brodt und Schauspiele auff seine Seite gebracht hatte / nach Entziehung dieser auf gewisse Tage vorher besti ter Kurtzweilen / ihre Abneigung gegen dem ohne diß veralternden Käyser deutlich blicken liessen. Weil nun vorige Zeit alles Wasser auf Augustens Glücks-Mühle geleitet hatte; war diese unvermuthete Veränderung / fürnemlich aber der augenscheinliche Abfall seines Ansehens ihm so viel empfindlicher. Die Welt hatte ihn über dreissig Jahr als einen Gott verehret; nunmehr aber sahe ihn Rom nicht nur für einen Menschen / sondern für einen Unglücklichen an. Er selbst erkeñte an sich seine Schwäche; und ward gewahr: daß er zwar in seinem Zimmer das Bild / nicht aber das güldene Glücke selbst / noch viel weniger aber die güldenen Waffen / damit es zu bestreiten wäre / besässe; sondern / daß diese grosse Göttin der Welt / wenn sie in einer Hand gleich einem das Horn des Uberflusses zeigte; doch die andere voller Vogel-Leim zu Bestrickung unserer Gemüther /auf dem Haupte eine Kugel / zum Zeichen seiner Unbeständigkeit hätte; und also alle die / welche es wie eine gefangene an der Schnure zu führen vermeyntẽ /dardurch bethöret würden. Ja er fing an die ihm bißher so geneigten Götter für verdächtig zu halten / als wenn sie durch ihn der Welt ein Beyspiel eines aufs höchste geschlagenen / aber desto tieffer fallenden Balles zum Gelächter fürstellen wolten. Also rechnen die Menschen nichts minder dem Göttlichen Verhängnüsse ihre Fehler / als die Finsternüsse dem unerschöpflichen Brunnen des Lichts / nemlich der Sonne zu / und wenn sie den ersten kaum sichtbaren Brutt des Unglücks verachten / dem ihnen zu Kopfe wachsenden aber noch heucheln; heisset es: Menschliche Klugheit könne den ihm zuhängenden Untergang nicht verhüten.

In Deutschland war der Feldherr umb die gemeine Wolfarth / aber ohne wenigern Kummer sorgfältig. Denn der tapfere Hertzog der Sicambern nahm über sich unterm -Arpus aber der Catten Hertzog oberhalb des Berges Rhetico mit einem Ausschusse des Kriegsvolcks den Römern an dem Rheine die Uberfarth zu verwehren; wormit das Heer den Winter durch / als bey welcher Zeit das Gesetze der Natur zwischen den Streitenden einen Stillestand macht / desto sicherer ausruhen / und aufs Früh-Jahr den Sieg so viel rüstiger verfolgen könte. Denn streitbaren Völckern dienet die Ruh / wie den weibischen eine stete Abhärtung zum Wetzsteine der Tapferkeit. Unter diesen kriegerischen Anstalten der Klugheit / machte sich auch die Liebe geschäftig / und brachte es so weit; daß es schien: Die Deutschen wären eben so geneigt als die Samier in dem Tempel der Pallas der Liebe einen Altar aufzubauen. Denn wie der Cheruskische Hof dißmal ein rechtes Heiligthum der Tugend abbildete; also hatten entweder der Himmel durch einen gütigen Einfluß ihn mit vielen Zuneigungen überschüttet /oder des Fürsten[11] Herrmanns und Thußneldens Hochzeit-Fackeln in alle zarte Hertzen etliche Funcken dieser süssen Empfindligkeit gestreuet / welcher eben so leicht als Schwefel-fangender Zunder ohne diß mit der Mutter-Milch in unsere Adern geflösset wird; und es gleichsam zweifelhaft bleibt: Ob das Hertze oder die Liebe im Menschen zu leben anfange. Denn da eine faule Taube die andern anfäulet; da der Cameleon desselben Dinges Farbe annimt / dem er sich nähert /das der Natur widrige Gift / die herbesten und andere ansteckende Gemüths-Regungen / Zorn / Haß und Traurigkeit anfällig sind; wer wolte zweifeln: daß das Band der Natur / die allerannehmlichste / ja Steine und Stahl durchdringende Regung / welcher Verlangen und Hoffnung vor-Wollust und Freude nach-tre ten / nemlich die Liebe andere mit ihrem geistigen Atheme nicht anstecken könne? Zumal die meisten Menschen durchgehends mehr nach anderer Beyspiele / als nach Leitung der Vernunfft leben. Hierzu war das mit so viel Lust-Spielen und Kurtzweilen begangene Feyer des Hertzoglichen Beylagers kommen; da iedes in des andern Hertzen eine Freude anzuzünden bemühet war; und daher die Geheimnüsse seiner Seele zu entdecken / oder eines andern auszunehmen Gelegenheit bekam. Denn wie die Freude die alleroffenhertzigste unter denen Gemüths-Regungen ist; also hat sie auch die Eigenschafft selbte weich zu machen: daß man darein / wie in ein zartes Wachs / leicht etwas bilden kan. Die Vertrauung aber eines Geheimnüsses ist schon mehrmals eine halbe Freundschafft / und diese die Schwester der Liebe. Hierauf fällt es der öfftern Gemeinschafft nicht schwer: daß sie durch ihre ehrerbietige Bezeugung / durch vernünftige Schlüsse /durch treuherzige Verbindligkeiten ein wolgestaltes Bild in des andern Hertz einpregt. Denn die Augen nehmen solches nicht nur wie in einem Spiegel an /und tragen es zum Hertzen; sondern alle Sinnen lassen sich hierbey zu Gehülffen brauchen. Die Aehnligkeit so wohl der Seele als des Leibes ist zwar das fürnehmste Quell der Liebe. Denn ohne diese kan so wenig / als des ungleich geeckten Sonnen-Staubes /oder anderer sich nicht zusammen-fügender Dinge Vereinbarung geschehen. Gleichwohl aber muß diese durch die Gemeinschafft angewehrt / und aus ihrer Verborgenheit zu Marckte gebracht werdẽ. Denn wie sehr die Palmbäume gleich einander zu umbarmen /die Wein-Stöcke Ulmen-Bäume zu umbwinden geneigt sind; strecken doch jene weder ihre Aeste / noch diese ihre Reben in die Ferne aus; sondern sie müssen die Näherung wie gleich-gesiñte Gemüther die Gemeinschaft zur Meklerin habẽ. Denn durch diese gibt sich die Seele in Augen und auf dem Munde bloß; sie läst sich durch Gespräche und Seufzer aus / sie trägt den Brand aus einem Hertzen ins andere / und thut mehrmals diß Wunder: daß die / welche man für kälter als Marmel angesehen / heftiger als Schwefel zu lodern anfangen. Insonderheit fängt dieser innerliche Zunder leicht Feuer / wenn solche Gemeinschaft einen Zug zur Tugend in sich hat / ja sie diese gar zum Ziele ihrer Unterredungen erwehlet. Sintemal hieraus die allersüsseste Wollust erwächst / und wie der blaue Magnet aus Mohrenland seines gleichen so viel fester an sich zeucht; hingegen das unwürdige Eisen von sich stöst; also hat die Tugend auch einen mächtigern Zug zu eines andern Tugend. Dahingegen die ohne ihren Trieb rege Neigung des Pöfels sich zwar mit etwas geringem / wie der gemeine Magnet-Stein mit schlechtem Eisen vergnügt / aber zwischen dieser ungleichen Vermählung auch nur eine ohnmächtige Verbindung geschiehet.


Bey dieser Beschaffenheit darff es keiner übermässigẽ Verwunderung: daß gleichsam auf einmal sich in so vielen Hertzen eine nachdrückliche[12] Liebe anspan. Sintemal des Feldherrn Bruder / Hertzog Flavius / gegen die Königin Erato / der Fürst der Hermundurer Jubil gegen das Ascanische Fräulein Leitholde /der Cattische Hertzog Catumer gegen die Chaucische Fürstin Adelgunde / der Chassuarier Fürst Siegemund in das Marsingische Fräulein Zirolane / und der gefangene Fürst der Marsen / Malovend gegen die Cattische Fürstin Catta mehr als eine seichte Liebe in ihren Hertzen hatten einwurtzeln lassen. Wiewol nun die Liebe die Gegenliebe ins gemein zu ihrer Tochter hat; weil sie entweder aus einer verborgenen Würckung der Natur oder aus einer dem Menschen angebohrnen Hoffart nur dis / was ihr gleichet / lieb gewinnt; so gar: daß die Mohren die von uns mit Kreide und Zinober gebildete Liebe mit Kohlen abmahlen; ja die Affen / wenn sie mit dem Pinsel umbgehen könten /von ihr ehe in einer Meer-Katze als in Frauen-Gestalt einen Riß machen würden; so war doch dis eine seltzame Verwickelung der Liebe: daß alles dieses Frauen-Zimmer zwar keine unempfindliche Seelen / noch steinerne Hertzen in ihrem Busen beherbergte; gleichwol aber keine eine Neigung zu demselben empfand /der sie liebte. Denn die Königin Erato war ein völliges Eigenthum des Fürsten Zeno / und also war sie selbst nicht mächtig den Hertzog Flavius auch nur mit dem wenigsten ihres Genüsses zu beseeligen. Wie wenig Erato nun dem Flavius zu enträumen gedachte; so grosse Hoffnung machte ihr die Fürstin Ismene in der Geheim-Kammer ihres Hertzens den Fürsten Zeno gar zu besitzen. Die lebhaffte Fürstin Catta war eine stumme Anbeterin Hertzog Siegemunds / und Adelmunde Catumers. Die Ascanische Fürstin Leitholde widmete sich dem Fürsten Jubil / er aber hatte so wol als Rhemetalces auf das Marsingische Fräulein Zirolane sein Auge gerichtet; und wünschten beyde nur von so einer angenehmen Gebieterin in Besitz und unter ihre Botmäßigkeit geno en zu werden. Welche seltzame Verwechselung der Gemüther entweder aus einem absonderen Absehen des Verhängnüsses / oder aus einer Eyversucht des Gelückes herzurinnen schien / welches allem Fürhaben einen Spaan einzuhauen bemühet ist; das sonder sein Gutachten / oder mehr aus freyer Wahl als nach seiner blinden Leitung angehoben wird.


Weil die neugebohrne Liebe nun entweder aus einer kindischen Schamhafftigkeit / oder aus einer Beysorge zu verunglücken sich so sehr in ihre Gedancken / als die Eule in die Finsternüs verstecket; blieben zwar alle diese Regungen etliche Zeit verborgen. Endlich aber bricht doch dieses Feuer eben so wol als das irrdische herfür / wenn es durch seine Vergrösserung Lufft kriegt / und den ersten Rauch zertheilet. Daher denn die Königin Erato am ersten des Flavius Liebe wahrnam; weil sie entweder die Erfahrung schon zu der scharfsichtigsten Prüferin der Hertzen gemacht / oder weil diese Glut in dem Hertzen so sehr überhand genommen hatte: daß er sie nicht länger bergen konte / oder auch wolte. Denn weil die Eröfnung der Liebe eben so wol als der Kranckheiten eine Erleichterung macht / und sie zwar in ihrem eigenen Hertzen ihren Brand fühlet / oder aus einem andern ihre Kühlung hoffen muß; zeiget sie endlich mit Fleiß ihre Blösse. Des Flavius ersten Liebes-Merckmahl war: daß wie die Röthe seine Wangen in eine Blässe /also seine angebohrne Freudigkeit in trauriges Nachdencken verfiel. Er entschlug sich aller vorher beliebten Gemeinschafft / und suchte sein Vergnügen in Einsamkeit. Jedoch ließ er keine Gelegenheit vorbey sich der Erato zu nähern / wo es ohne übrige Zuschauer geschehen konte. Wiewol so denn seine Seuftzer seine beste Beredsamkeit[13] waren. Sie mißtraute zwar eine gute Zeit ihrem Argwohne; weil sie meinte: daß Flavius an sie als eine Frembde / und welche bereit schon durch ihr Verlöbnüs des Zeno Eigenthum worden wäre / so schwer einen Anspruch /als von ihr einige Hofnung machen könte. Nach dem aber des Flavius Augen und Gebehrden täglich seines Hertzens deutlichere Verräther wurden; nöthigten sie ihr nur einen gäntzlichen Glauben auf; und beschiede sie sich: daß wie das Feuer in verschlossenen Engen /also die Liebe / wo ihr die Unmögligkeit einen Riegel fürschübe / am mächtigsten; und nach frembdem Gute am lüsternsten wäre. Bey so bekümmertem Zustande wuste ihre Klugheit keine heilsamere Vorsicht fürzukehren / umb weder den Flavius durch ihre Kaltsinnigkeit zu beleidigen / noch ihren geliebten Zeno eifersüchtig zu machen / als daß sich ihre Augen einer Blindheit / ihr Hertz einer Unempfindlichkeit annam. Dis aber war keine bessere Kühlung / als das Feuer mit Oel / den Kalck mit Wasser leschen wollen. Denn Flavius gerieth hierüber in so offenbare Flamme: daß die getreue Salonine augenscheinlich sahe / was Flavius verbergen und Erato vorstellen wolte. Diese Scharfsichtigkeit aber versetzte ihr Haupt in so grosse Verwirrung / als ihr Gemüthe in Bekümmernüs. Denn ihre Zuneigung machte ihr ihr eigenes Leid hundertmal erträglicher / als dis / was ihrer vollkommenen Königin zu thun nur von ferne dräuete. Ihre Erfahrung hatte sie schon allzu schichtern gemacht: daß sie meinte; es könte so wenig ein Wetter aufziehen ohne die Königin Erato zu fehlen / als ein Schwantz-Stern erscheinen ohne was übels zu bedeuten. Wie sich nun Flavius nicht allein je länger je mehr bloß gab / sondern Salonine auch von Zertrennung des Fürsten Zeno und der Königin Erato einen nachdencklichen Traum hatte / konte sie ihre Ausspürung nicht länger auf dem Hertzen behalten; sondern sie eröfnete noch selbigen Morgen der Erato ihren Traum und ihre Gedancken. Diese seufzete und fieng an: Es ist nicht Noth mein Unglück mir aus Ungewißheit der Träume wahrzusagen / welche öfter ein Brutt unserer Tages-Gedancken als Göttliche Offenbarungen sind. Meine Augen haben vielleicht ehe / als ihre / meine vertrauteste Salonine / diesen Unstern erkieset. Weil es aber ein Glück ist / sein Unglück verbergen / wormit die Feinde sich nicht darüber kitzeln / Freunde aber betrüben; habe ich weder ihre Gemüths-Ruhe mit diesem Hertzens-Kummer zu stören / noch meinen getreuesten Zeno durch diese Todten-Post zu entseelen für verantwortlich geschätzt. Salonine antwortete: Die Verhölung ihres Kummers wäre freylich wol mehr für eine Würckung ihrer zarten Seele / als für ein Mißtrauen zu halten; welches unter denen / die man noch nicht recht ausgenommen / zwar mit Rechte die Spann-Ader der Klugheit genennet würde; weil die meisten Menschen schienen aus dem Wunder-See in Mohren-Land getruncken zu haben / dessen Wasser einen nöthigte alles zu sagen / was ihm auf dem Hertzen läge. Und der geschwätzige Widerschall diente zu einem fürsichtigen Lehrmeister: daß die Einsamkeit selbst nicht ohne Verräther wäre. Alleine gegen geprüfete Freunde was geheimes verhalten / gereichte zu ihrer Beleidigung. Und insonderheit geschehe hierdurch nicht allein ihrem getreuesten Zeno Unrecht; sintemal die Liebe deshalben nacket gemahlet würde / weil Liebende für einander nichts verhölen solten; sondern sie würde auch beyder Gefahr und Ubel vergrössern /wenn sie dessen Wachsthume nicht durch die klugen Rathschläge des weisen Zeno zuvor käme. Denn der Feldherr Herrmann wäre zwar ein gerechter / und Flavius ein tugendhafter Fürst; aber allem Ansehen nach ein feuriger Herr; und hefftige Liebe junger[14] Leute ein solch Ungeheuer: daß sie nicht nur frembde / sondern eigene Häuser in Brand steckt / die Taffel seiner besten Freunde mit Gifte / und das Bette der Unschuld mit Blute besudelte. Sie wäre die Schlange / welche die Kinder ihres wolthätigen Wirthes ersteckte. Der Feldherr wäre des Flavius Bruder; zu dessen Verwirrungen er gleichsam aus Verbindligkeit des Geblütes ein Auge zudrücken müste; Sie alle aber Gefangene /welche mit der Helfte der Gerechtigkeit sich zu vergnügen hätten. Erato setzte zwar entgegen: Es gäbe gewisse Geheimnüsse / welche sich ohne Versehrung der verbindlichsten Freundschafft verschweigen liessen / ja welche man ohne sich selbst einer hertzlichen Liebe unwürdig zu machen / und sonder des Geliebten Versehrung ihm nicht entdecken könte. Aber Salonine begegnete ihr: der Artzt möchte zwar dem Krancken / aber nicht der Krancke dem Artzte seinen gefährlichen Zustand verhölen; also auch Erato nicht dem Fürsten Zeno / als durch dessen kluge Leitung sie alleine genesen könte. Ob nun zwar Erato Saloninens Einhalt für recht und heilsamlich muste gelten lassen / konte sie doch übers Hertze nicht bringen: daß sie entweder selbst dem Fürsten Zeno sich eröfnete / oder Saloninen es zu erlauben / sich hätte entschlüssen können. Hingegen hatte Flavius bey ihm nunmehr einen festen Schluß gemacht: daß nach dem sich Erato zu seinen Blicken blind / zu seinen Seufzern taub anstellete / und seine stumme Sprache nicht verstehen wolte / nunmehr gar seine Zunge zu lösen. Die Gelegenheit hierzu spielte sich ihm wenige Tage hernach selbst in die Hand. Denn als der Feldherr Thusneldens Geburts-Fest feyerte / traf das Loß die Königin Erato und den Flavius: daß diese in einem Tantze / darinnen allerhand Völcker aufgeführet wurden / Gefährten wurden / und er einen Mohr / sie eine Mohrin fürstellen musten. Wie sie nun des Abends bey vielen Windlichtern zusammen auf einem mit Schnee-weissen Pferden gezogenem Wagen ihren Aufzug hielten; fieng Flavius nach einem tief-geholeten Seufzer die Königin liebreitzend anschauende an: Wolte GOtt! unvergleichliche Erato: daß ich mit mei ner heute angenommenen Mohren-Gestalt auch so viel Augen bekommen hätte / als die an dem Meere wohnenden Mohren haben sollen / oder denen man so wol ihres scharffen Gesichtes als des geraden Pfeilschüssens halber ihrer wol vier zueignet. Denn so würde ich ihre überirrdische Schönheit anzuschauen würdiger seyn / gegen welcher ich meine blöde Augen aufzuheben beynahe mich nicht erkühnen darf. Erato röthete sich anfangs / versetzte aber mit einer lächelnden Anmuth: Sie sehe wol: daß der Zinober / mit dem sie sich nach Mohrischer Art angestrichen hätte / ihr den Werth einer wahren Zierde zueignete / und ihre sonst verächtliche Flecken verdüsterte: daß bey diesem Spiele ein so vollkommener Fürst ihrer Gestalt halber mit ihr zu schertzen sie nicht zu verächtlich hielte. Flavius holete noch einen tieffern Seufzer und fieng an: Ach unbarmhertzige Erato! wil sie nunmehr auch die grausame Pein meiner unausleschlichen Liebe zu einem Gelächter machen; nach dem sie zeither für meinen Seufzern wie eine Natter die Ohren verstopfft / und ihre Augen meine feurigen Anblicke wie ein unempfindlicher Spiegel zurück gestossen haben? Glaubet sie: daß die Liebe mein Gesichte so sehr verbländet / als meine Seele verwundet habe: daß es ihre angebohrne Schönheit für einer sie verstellenden Schmincke nicht unterscheiden könne? Meinet sie: daß der / welcher umb sein höchstes Glück und Unglück bekümmert ist / was nicht-ernsthaftes aussprechen könne? Erato sahe wol / wie tief des Flavius Liebe schon eingewurzelt seyn müsse / und sie befand selbte so beweglich von ihm ausgedrückt: daß ihre hieraus erwachsende[15] Bekümmernüs nicht verhindern konte in ihrem Hertzen seines unfruchtbaren Brandes halber ein empfindliches Mitleiden zu zeigen; wormit sie ihm denn auch derogestalt begegnete: Nicht nur die Prüfung ihrer eigenen Unwürdigkeit; sondern des Fürsten Flavius sie übertreffende Vollkommenheiten nöthigten sie nochmals ihre erstere Meinung zu behalten. Denn wie möchte sie als eine braune Armenierin oder Halb-Mohrin / als eine gefangene Nachtbarin der wilden / und deswegen für einäugicht gescholtenen Arimaspen von einem solchen Fürsten ihr einige Zuneigung träumen lassen / dessen Leibes- und Gemüths-Gaben gegen einander umb den Vorzug stritten / und welcher die umb ihn werbenden Schönheiten des grossen Roms verschmähet hätte? Wie könte sie mit ihrem Glauben sich so weit verirren: daß seine Tugend ein Auge auf die werffen solte / welche über sich mehr keine Gewalt hätte; sondern des Fürsten Zeno unverwendliches Eigenthum wäre? Grausamste Erato! brach Flavius heraus. Trauet sie gegen ihrer eingepflantzten Gütigkeit ihr strenges Urtheil zu verantworten / welches mich ehe zum Tode verda t / eh ich gehöret bin? hält sie mich für eine giftige Schlange / weil ich nach der allersüssesten Milch ihrer Anmuth so lüstern bin? hält sie nicht allein die ihr von der gütigen Natur geschenckte Zierathen mit höchstem Undancke verächtlich / sondern verkleinert sie auch nach den allgemeinen Ruhm ihrer Lands-Leute: daß die grösten Schönheiten der Welt zwischen dem Euxin- und Caspischen Meere wohnen? Verschmäht sie das Opfer meiner brennenden Seele / ehe ich sie umb einen Funcken einer andern Gunst angefleht habe / als daß sie leiden möge / geliebt zu werden? Ist die allgemeine Sonne der Hertzen nemlich die Liebe in Asien eine solche Dienst-Magd: daß sie einen Menschen lieb haben muß / umb alle andere zu hassen? so wird man den warmen Morgen-Ländern verkleinerlich ausstellen müssen: daß das himmlische Feuer daselbst zwar schöner-gefärbte Vögel und Steine / wie auch wolrüchendere Pflantzen; in denen frostigen Nord-Ländern aber eine wärmere und schönere Liebe nehre? Schönste Erato! ach so vergönne sie mir doch zum minsten so lange / als Wier Africaner seyn sollen: daß ich sie als meine Sonne mit allen Mohren anbeten möge! Sintemal ja der Hunds-Stern / welch Gestirne doch das heisseste im Aufgehen / das kühleste beym Untergange ist / sich im Anfange der kühlen Hundes-Tags-Lüfte nach Einführung des Aristeus gantze Völcker mit Opfern verehren läßt. Wie? oder wil sie die holdseelige Hertzens-Wenderin die Liebe in ihrem Hertzen zu einer Unholdin machen; welche den mit Hagel und Blitz bezahlet / der ihr sich selbst statt des Weyrauchs entzündet? Unbarmhertzige Erato! ach so gebrauche sie sich ihres an der Seiten hängenden Bogens / der im Köcher steckenden Pfeile / und lesche meiner Liebe mit meinem Leben mein Licht aus / weil sie noch die angeno ene Mohren-Farbe des Todes in ihrem Antlitze hat / und ehe sie die Aehnligkeit des Himmels mit ihrer angebohrnen Schönheit wieder schauen läßt? Flavius redete dis mit einer so verzweiffelten Gebehrdung: daß Erato darüber wehmüthig war / und anfieng: Es ist Erbarmnüs / nicht Grausamkeit einem bald anfangs den Weg verbeugen: daß er nicht vergebens / oder in sein Unglück rennt / so wol / als wenn man der Motte wehret: daß sie ihr nicht im Lichte die Flügel versengt. Der aber thut ihm selbst nicht weniger Weh / als andern Leid /der seine Liebe der Unmöglichkeit wiedmet. Er säet nichts als sein Unvergnügen / und erndtet an statt der verlangten Gegen-Liebe nur Haß und Unlust ein! O Himmel! ruffte Flavius / kündigt mir die Göttliche Erato offentlich ihren Haß an? Wil sie mich darumb /daß ich sie mehr / als mich selbst liebe / auf einmal erwürgen! Wil sie mir[16] sie zu lieben verwehren; wenn ich gleich keine Gegen-Liebe von ihr verlange? Erato antwortete: Mein lieber Flavius; die Liebe verlanget so sehr eine Gegen-Liebe / als der ziehende Magnet eine Neigung des Eisens; und hat die Liebe für dem /was sie hasset / eine so grosse Abscheu / als der sonst zur Vereinbarung so geneigte Magnet für dem Diamant / und der Diamant für dem Magnet. Diesemnach muß Flavius entweder in seinem Hertzen was anders /als Liebe herbergen; oder er muß zugleich wieder geliebt zu seyn verlangen. Ich verlange sie allerdings /versetzte Flavius; Ich seufze darnach / wie ein erstickender nach der Lufft. Weil sie mich aber darmit zu begnadigen für unwürdig schätzt; muß ich mich mit was geringerm / nemlich mit der Erlaubnüs sie zu lieben / wie ein Schif-bruch-leidender mit einem Brete des zerschmetternden Schiffes vergnügen lassen. Erato fiel ein: Es ist kein Vergnügen / sondern vielmehr eine unerträglichere Pein. Lieben und nicht geliebet werden; als dürsten / und keines Getränckes genüssen. Daher machet der / welcher ohne Hofnung liebet / sein Gemüthe zu einer ewigen Unruh; seine Seele gebieret eitel Wehen / und endlich leschet sein Feuer entweder wie eine Lampe nach verzehrtem Oele aus / oder suchet seine Kühlung in dem Meere der Verzweifelung. Es ist wahr / sagte Flavius; Es ist nichts unglückseeligers als eine einsame Liebe / die keine Gegen-Liebe zur Gespielin hat. Ich weiß: daß der Mutter der Liebe / als ihr Kind bey bester Pflegung alle Farben verlohr und gantz vermagerte / von einem Wahrsager-Geist gerathen ward: sie solte noch ein Kind seines gleichen gebähren. Auf welchen Erfolg denn die Liebe bald fleischicht ward; es wuchsen ihm nur nicht die Gebeine / sondern auch das Hertze und die Flügel; ja eine einige Stunde dieser Gesellschafft thät bey ihm hernach mehr / als vorhin lange Pflegung der Mutter / und die Liebkosung der Amme. Aber ich tröste mich: daß nichts mächtiger sey Gegen-Liebe zu zeigen als die Liebe. Diese ist die kräfftigste / aber auch die unschuldigste Zauberin; welche steinerne Hertzen erweichen / und Eys-kalte Seelen entzünden kan. Denn alle Gemüths-Regungen sind anfällig / am meisten aber die Liebe. Sintemal ihr zarter und feuriger Geist / welcher aus dem Hertzen entspringet / und dasselbte durch die Augen / den Mund und Gebehrden ausschüttet / seine durchdringende Kräfften augenblicklich in geneigte / mit der Zeit aber auch in widrige Hertzen einsencket / und darinnen seines Gleichen gebiehret. Erato begegnete ihm: Mich erbarmet sein / Flavius: daß er sich mit vergebener Hofnung mehr hungrig macht / als speiset; und daß er von der Zeit / welche geschickter ist die Liebe einzuschläffen / als zu erwecken / eine andere Hülffe erwartet; als daß seine entweder aus Uberdrusse verrauchen / oder aus endlich erkieseter Unmögligkeit sich selbst der Vernunfft unterwerffen / wo nicht gar aus Anstifftung der Rache sich in bittern Haß gegen meine unverenderliche Unempfindlichkeit verwandeln wird. Flavius brach ein: Ach ungerechteste Erato! Mit was für Fug eignet sie meinem Hertzen eine Veränderung zu / welche mit ihrem gleichsam eine ewige Ehscheidung haben soll? Warlich / ich lasse mich weder eines noch das andere so leicht bereden. Die härtesten Marmel werden auch durch die weichen Tropfen des Regens abgenützt; was weiches aber zu versteinern fordert Feuer und Arbeit. Daher wird sie zwar meine für Liebe schmeltzende Seele nimmermehr durch eine widrige Regung sich versteinern sehen; aber ich traue wol zu wege zu bringen: daß ihr harter Vorsatz in Gewogenheit zerrinnen wird / nach dem sie zumal schon ihrem Bruder / nemlich dem Erbarmnüsse im Hertzen einen Platz eingeräumt zu haben bekennet. Thun einem doch die Augen wehe vom öftern Anschauen[17] rother und trieffender Augen. Wie soll ich mir nicht die Hofnung machen: daß die aus meinem brennenden Hertzen mit Gewalt gestossene Regungen thätig seyn / und mit der Zeit ihrer zarten Seele eine solche Empfindligkeit eindrücken werden / wie sie sie mit aus ihrem Ursprunge gebracht haben? Es ist ja unmöglich einen / der nicht was weniger / als ein Mensch ist /seinen Wolthäter nicht zu lieben. Sintemal auch die wildesten Löwen eine zu zarte Seele haben den zu hassen / der ihnen einen Dorn aus dem Fusse gezogen hat. Und die gifftigen Schlangen würden dieselbe aus ihrer Gemeinschafft verbannen / welche den stäche /der sie mit Milche gespeiset hat. Aller Wolthaten Kern und Ursprung aber ist die Liebe; ja sie selbst die gröste oder auch die einige rechte Wolthat. Denn alle Wolthaten / auf welche nicht das Bild der Liebe gepreget ist / sind falsche Müntzen / und haben zu ihrem Schrot und Korn Eigen-Nutz oder Ruhmsucht. Aber ach! zu was für einer Vermessenheit verleitet mich die Heftigkeit meiner Liebe: daß ich das unwürdige Opfer meiner Seele meiner überirrdischen Erato /wie die Menschen ins gemein magere Ochsen und stinckende Böcke / die sie auf Altären verbrennen /den Göttern für eine Wolthat einnöthigen wil? Was schreibe ich meiner unwürdigen Liebe für Würckung und Verdienste zu: daß sie in ihrer himmlischen Seele den Saamen einer Gegen-Liebe zu streuen fähig seyn solle? Alleine schlagen doch die geringsten Kiesel Feuer aus dem viel köstlichern Stahle. Lässet sich doch das Cyprische Ertzt mit geringem Glase vermischen; und GOtt nimmet eines ohnmächtigen Sklaven gebettelten Weyrauch so gerne als eines Fürsten Hecatomben auf. So verschmähe sie mich doch nicht so gar / vollkommenste Erato. Sintemal mich meine Liebe ihr zu nichts mehrerm als einem Leibeigenen aufdringet. Denn die Geburt oder das Kauf-Geld verknüpfft keinen Knecht seinem Herren / das Völcker-Recht die Unterthanen seinem Fürsten nicht so sehr / als die Liebe den Liebhaber der Geliebten. Die Liebe hat über jenen eine grössere Bothmäßigkeit /als Fürst und Herr über die Ihrigen haben / ja eine nicht viel kleinere als GOtt über die Menschen. Denn weil die Liebe eine freywillige Dienstbarkeit ist / erstrecket sich die Herrschafft nicht nur über den Leib /sondern auch über die Seele; und ihr Gehorsam ist nichts weniger als ein gezwungener Wille. Flavius hätte die Hefftigkeit seiner Liebe noch nachdrücklicher ausgedrückt; wenn ihm nicht die Ankunfft in die Fürstliche Burg ein Stillschweigen aufgelegt hätte. Der Eintritt in den Saal / und die Anwesenheit so vieler Aufschauer / insonderheit aber des Fürsten Zeno nöthigte den Flavius alle Empfindligkeit zu verstellen / und nichts weniger mercken zu lassen / als worvon sein Hertze voll war. Nach dem sich aber nichts schwerer als Feuer und Liebe verbergen läßt / würde sich Flavius / nach dem er seiner Liebe schon einmal Lufft gemacht hatte / zweifelsfrey dismal genungsam bloß gegeben haben / wenn nicht ohne dis bey dem übernommenen Mohren-Tantze auch frembder Gebehrden und Neigungen sich anzumaßen gleichsam seines Amptes gewest wäre. Wiewol er ihm hierinnen selbst mißtraute / oder ihn sein Gewissen vielmehr sorgfältig machte; also: daß er fast allezeit ein Auge auf den Fürsten Zeno hatte / umb bey selbtem auszuspüren: ob er sich bey ihm nicht schon in Verdacht gesetzt / oder seinen Eintrag gar verrathen hätte. Wie wol nun Furcht der betrüglichste Mahler ist / und die seltzamste Bildungen macht / und wie die Gelbesüchtigen alle andere Farben für gelbe / also mißträuliche andere für mißträulich ansehen; so fand doch Flavius am Zeno nichts bedenckliches. Denn dieser seiner getreuen Erato allzu wol versicherte Fürst dachte auf nichts anders / als wie er nebst der ihm durchsLoß Seele gezeiget haben. Allein ie grösser sie worden / ie behutsamer muß ich sie verwahren: daß sie sich nicht in ein abscheuliches Ungeheuer verwandelt / welches wie der Pasiphae Geburt mit gezinseten Menschen unterhalten werden muß. Ich muß ihr die Flügel verschneiden: daß sie sich nicht in einen Raub-Vogel verwandelt / welcher fremdes Opfer-Fleisch raubet /und mit der daran klebenden Kohle sein Nest anzündet. Einfältige Ismene / antwortete Flavius: Wilst du in der Liebe so behutsam oder vielmehr furchtsam seyn / so verfährest du wider ihre Eigenschafft / welche sonst auch die verzagtesten keck macht; und hast dich wenigen Glückes zu getrösten / das eine Gefertin der Verwegenen ist. Wilst du so gewissenhaftig seyn /und dich nach keinem fremden Gute umbsehen / oder nichts lieben / was ein ander schon für dir geliebet hat / so wirff nur deine Augen auf nichts schönes / und verzeihe dich bey Zeiten alles Liebens-würdigen. Denn der Schönheit folget die Liebe auf dem Fusse /wie die Sonne der Morgen-Röthe. Es hat keine Gottheit in der Welt keinen so grossen Beyfall / und keine allgemeine Anbetung / wie die Schönheit. Diesen innerlichen Zug gewöhnen uns weder unsere Mütter noch unsere Ammen an; sondern die schöne Natur drücket uns mit ihrer eignen Hand und mit ihrem Pinsel das Bild der Schönheit in unsern Geist; welches hernach unser Gemüthe gegen die ihm fürkommenden Schönheiten so kräfftig / als die geheime Verwandnüß die Magnet-Nadel gegen den beliebten Angel-Stern zeucht. Daher sperren die Kinder nicht so zeitlich die Augen auf / als sie zugleich über dem Lichte / über gläntzendem Golde und schön gemahlten Dingen ihre Vergnügung zeigen. Ihren Zorn besänftiget man mit Singen und Saiten-Spielen / und ehe sie sich noch auf den Gebrauch ihrer Sinnen verstehen / ergötzet sich schon ihr Augen-Maaß an wohl abgetheilten Sachen. Die Pfauen prangen aus dieser eingepflantzten Liebe der Schönheit mit ihren ausgebreiteten Schwäntzen /und mit Beschauung ihrer güldenen Augen /Papegoyen und Tauben mit Aufblehung ihres schimmernden Halses / Löwen und Pferde mit Erschütterung ihrer Locken und Meynen / Fasanen und Birck-Hahne so wohl mit Bespiegelung ihrer Purper-Augen / als Panther und Tiger mit Betrachtung ihrer Flecken. Ja keines unter den Thieren / denen man die Vernunfft ins gemein abspricht / ist / welches nicht mit seiner Schönheit andere zu locken sich bemühet / und durch anderer Zierde gelockt wird. Aus was für einem Irrthume wil sie denn ihrer Liebe ein so verächtliches Ziel stecken / worauf niemand anders kein Auge hat; und daher von Schönheit aufs weiteste entfernet seyn muß? Ißmene begegnete ihm: Ich bescheide mich zwar: daß alle Menschen von Natur zur Schönheit einen Zug haben; und daß / wie die Lasterhaften der Tugend / also auch die heßlichen der Schönheit hold seyn müssen. Aber alle Menschen lieben nicht einerley Schönheit / sondern dieser eine so / jener eine anders gestaltete. Diesemnach denn die weise Natur zwar in vielerley Bildung der Blumen / der Bäume /der Steine überaus freygebig / aber in allem dem gegen Bildung menschlicher Antlitzer sparsam / und in diesem letztern durch gemachte unzehlbare Unterschiede gleichsam verschwenderisch gewest ist. Denn ob zwar die Rosen auf einerley Strauche / die Lilgen auf einem Stengel / die von der Vermischung am weitesten entfernten Sterne weder an Grösse noch Farbe einander gleichen; so ist doch zwischen ihnen ein unerkenntlicher Unterscheid / als zwischen Stell- und Bildungen der Menschen; also: daß unter hundert tausend schönen Antlitzen / ja unter dreissig Geschwistern und Zwillingen nicht eines dem andern vollkommen ähnlich seyn wird. Welches die gütige Natur nicht aus einer blossen Kurtzweil / oder aus einem so ungefährlichen Einfalle / wie Mahler und Bildhauer zu thun pflegen /[21] sondern aus diesem weisesten Absehen gethan hat: daß ein ieder Mensch diß / was seiner Neigung am anständigsten ist / und also was besonderes aus ihrem reichen Uberflusse so vieler Unterschiede erkiesen könne. Denn es hat nicht weniger unterschiedene Seelen / als Antlitze; und in jenen eben so weit von einander entfernte Schönheiten / als in diesen. Daher / wie die heissen und leichten Sonnen-Stäube gegen dem Behältnüsse des Feuers / die kalten und schweren gegen der Erde / die wäßrichten gegen dem Meere sich ziehen / und mit einander vereinbaren; also auch die Seelen ihnen eine ähnliche Schönheit aussuchen. Denn die Aehnligkeit ist der einige Ursprung einer wahrhaften Liebe; also: daß wenn die Spiegel Seelen hätten / sie unvermeidlich dieselben inbrünstig lieb gewinnen müsten / welche sich in ihnen bespiegeln; und wenn die Gewässer / darein die Gestirne sich durch einen Wiederschein abbilden / ein Hertz hätten / würden sie eben so gegen einander so verliebt werden müssen / wie die menschlichen Seelen / wenn sie in einem ihnẽ ähnlichen Gegen-Satze sich gleichsam bespiegeln. Weil nun aber kein Spiegel mehr als ein Bild auf einmal annehmen und abbilden kan; leitet uns die Vernunft zu solchen Spiegeln / darein die uns zuvor gekommene Liebe nicht schon ein ander Bild eingedrückt hat. Und also muß ich / wie schwer michs auch ankö t / meine Neigung gegen dem Fürsten Zeno als unvernünftig verwerffen / weil sie mein Bild ohne Vertilgung dessen / das die Königin Erato schon in sein Hertze gepregt hat / nicht daselbst eindrücken kan. Flavius versetzte: Es ist wahr: daß nicht allen Menschen einerley Schönheit anständig / und daß wegen gewisser Unähnligkeit uns offt eine viel andere vergnügende Gestalt höchst zuwider sey; und nichts minder eine Heßligkeit zu seyn / als manchen der süsseste Honig unannehmlicher als bittere Wermuth zu schmecken pflege. Alleine unsere Neigung ist entweder so denn wie die schwitzenden oder beraucherten Spiegel beschaffen / welche entweder gar kein Bild / oder doch solches gantz verfälscht /und nur als einen betrüglichen Schatten anzunehmen /also auch eine göttliche Schönheit nicht zu prüfen fähig sind; oder diese absondere Zuneigungen sind auch nur für mittelmässige Schönheiten / wie die nur in gewisse Geschöpfe flüssende Würckungen für die kleineren Gestirne gewiedmet. Wie die Sonne aber durchgehends in allen Sachen der Welt würcket / und von allen Völckern / in derer Köpfen es aufgeräumt ist / hochgeschätzt wird: also müssen auch die über das gemeine Maaß steigende Schönheiten von allen /oder zum minsten von sehr vielen geliebet werden. Diese sind Mittelpuncte in dem Leben / wie die Sonne / der scharffsichtigsten Weltweisen Lehre nach in der Welt; also müssen sich umb sie unzehlbare Striche aus dem fernen Umbkreisse zusammen ziehen. Diesemnach man sich denn nur mit einer halben Schönheit oder mit einer gemeinen Unvollko enheit vergnügen muß; wenn man keiner fremden Liebe Eintrag thun wil. Wenn du aber / liebste Schwester / einen Zeno / wie ich eine Erato zu lieben das Hertze hast; müssen wir uns so wenig als hurtige Wetteläuffer eines andern Vorsprung / irre machen; noch den Rauch einer fremden Flamme unsere Liebe erstecken lassen. Ißmene antwortete: Es ist meine Meynung nie gewest unserer Liebe alsbald Fässel anzulegen / wenn ein ander nebst uns nach einerley Ziele rennt; welches freylich eben so wohl als die Renne-Bahn der Ehre mehr als einem offen stehen muß. Aber diß halte ich für verunantwortlich: daß wir beyde dem Fürsten Zeno und Erato / welche beyde das Ziel ihrer Liebe in erlangter unverwechselten Gegen-Liebe erreicht haben / ihnen den Siegs-Krantz strittig machen / ja das heilige Band ihrer festen Verknipfung[22] zerrissen / und unsere Süssigkeiten ihnen in Galle verwandeln wollen. Flavius seufzete / und fing an: Meine Vernunfft gibet sich deinem Einhalte zwar gefangen / aber nicht meine Liebe. Denn diese billiget: daß wie für einem grössern Lichte das kleinere sich verliere / also einer heftigern Liebe die mässigere aus dem Wege treten müsse. Diese machet sich und Ißmenens Liebe selbst zu zwey Riesen; des Fürsten Zeno und der Erato gegen einander tragende Neigung aber zu niedrigen Zwergen / und rechtfertiget hierdurch die Reue der vom Zeno absetzenden / und den Flavius liebenden Erato. Ja sie verurtheilt den Zeno: daß er ohne undanckbare Hartneckigkeit die eifrige Liebe der unvergleichlichen Ißmene nicht verschmähen könne. Also ist unserer beyder Liebe nicht gemeynt dem Zeno und der Erato ihre Liebe zu verbittern / sondern durch eine anständigere Umbtauschung zu verzuckern / unserer aber / die wir als Geschwister einander nicht lieben dörffen / ein Geschicke zu geben. Wir heucheln /sagte Ißmene / unsern Fehlern / und wir betrügen uns mit unsern Träumen; wenn wir uns einbilden: daß wir durch Störung fremder Liebe denen Liebenden kein Unrecht anthun; und daß eine so tieff eingewurtzelte Gewogenheit sich ohne grosse Empfindligkeit ausrotten lasse. Diesemnach ich denn mich ein für allemal nicht überwindẽ kan / den Fürsten Zeno meine Liebe merckẽ zu lassen. Denn / weil ich ihn mehr / als mich selbst liebe / ist mir unmöglich ihm weh zu thun /welches geschehe / wenn ich durch Ausbrechung meiner Liebe seine Erato beleidigte; als in welcher er mehr / als in sich selbst leiden würde. Flavius antwortete: Ich sehe wohl / liebste Schwester / daß du weniger / als ein Kind in der Liebe bist; und daß du dich lieber dein Lebenlang / als deine Buhlschafft drey Tage bekümmern wilst. Weist du nicht: daß wie die Liebe das höchste Gut des Menschen / also ihre Widersetzligkeit eine Kranckheit des Gemüthes sey /welche nicht ohne bittere Rhabarbar geheilet werden kan? Du verstehest noch nicht die kräfftigste Würtze der Liebe / welche doch deine dem Zeno zugethane Seele im Wercke empfindet. Diese aber bestehet darinnen / wenn man sich eines schon von iemanden anders besessenen Hertzen bemächtigt. Denn es ist nicht so schwer in eine zarte und noch freye Seele den Eingang gewinnen / als eine schon darinnen befestigte Liebe heraus treiben. Im erstern Thun siegt nur die Liebe / im letztern aber erlanget die Liebe und die Ehre zugleich einen zweyfachen Siegs-Krantz. Diesemnach ich nur offenhertzig gestehe: daß die Königin Erato vielleicht eben so wenig als Julia zu Rom mich zu fesseln mächtig gewest wäre / wenn ihre gegen den Zeno tragende Liebe nicht meinen Ehrgeitz gereitzet hätte den Zeno aus ihrem Hertzen zu bannen. Mich aber deuchtet / versetzte Ißmene / daß meine Liebe gegen den Zeno viel heftiger seyn würde / wenn ich an seinem Hertzen eine glatte Taffel aus Jungfern-Wachse gefunden / und das Glücke gehabt hätte mein Bild zum ersten darein zu drücken. Sintemal doch die erste Empfängnüß der Liebe eben so wohl die kräfftigste als die reineste ist / und die allerempfindlichste Vergnügung zu ihrer Erst-Geburt hat. Bey solcher Beschaffenheit würde meine Liebe weder so verzagt /noch die Zunge so ohnmächtig seyn: daß ich selbte nicht dem / welchen ich liebe / entdecken solte. So aber tödtet seine der Erato gewiedmete Liebe meiner das Hertz-Blat / nemlich die Hoffnung: daß mich Zeno iemals seiner Liebe würdigen werde. Du kennest dich / fiel Flavius ein / so wenig selbst / als die seltzamen Eigenschafften der Liebe. Und weil du ohne Hoffnung / wie du dich irrig überredest / lieben kanst; wünschte ich dich eine Zeitlang in der Schule gewisser Aberwitzigen / welche die am heftigsten lieben /von denen sie verachtet oder gar gehaßt wurden; und so bald ihre Buhlschaft zur Gegen-Liebe bewegt /ihnen eben so sehr / als lüsterne Ehmänner ihrer Frauen aus Uberdruß[23] gram werden. Denn ob wohl dieser verliebter Thoren Zuneigung eine Miß-Geburt der Liebe ist; so würde doch ihr Irrthum deinen ändern /wie das bereitete Gift dem Gifte abhelffen / nemlich dich unterrichten: daß die Liebe niemals die Verzweifelung zur Gefertin haben solle; weil / ihrer Meynung nach / die Liebe so gar ohne Gegen-Liebe vergnügt /ja in grösser Vollkommenheit seyn könne. Ich halte diß letztere / versetzte Ißmene / für keinen Irrthum /sondern für unverwerffliche Wahrheit. Sintemal der /welcher ohne Hoffnung der Gegen-Liebe liebet / eben so wohl / als der / welcher ohne Absehen einigen Gegen-Geschenckes freygebig ist / großmüthiger und edler handelt / als die / welche durch Liebs- und Wohlthaten-Angeln nur wuchern. Die Freundschafft ist eine verwechselte Verknipfung zweyer Hertzen /wie zweyer mit den Aesten einander umbarmenden Palm-Bäume; ein Gesang zweyer mit einander eintreffenden Stimmen / und ihr Wesen hat mit der Einsamkeit keine Verträgligkeit. Viel anders aber ist es mit der Liebe beschaffen. Denn ihre Bewegung ist eben so einseitig / als einer den unempfindlichen Angel-Stern mit höchster Unruh suchenden Magnet-Nadel /als des sich umb einen fremden Baum windenden Epheu / und der den Hunds-Stern mit starren Augen anschauenden Ziegen in Mohren-Land. Denn die Liebe an ihr selbst hat ihr Absehen nur auf die Schönheit und Würde dessen / woran sie sich hängt; und ist unbekümmert: Ob das geliebte Augen habe seinen Liebhaber zu schauen / oder eine empfindliche Seele seine Regung zu fühlen und zu vergelten. Daher sich Praxiteles nicht in sein helffenbeinernes Bild / Xerxes einen Maaßholderbaum / ein ander in desselben todten Schatten zu verlieben mässigen können. Diesemnach die Begierde geliebt zu werden / nicht so wol eine Würckung reiner Liebe / als der Gewinnsucht ist. Würde also ich meiner Liebe mehr Abbruch / als wohl thun / wen ich selbte mit der eitelen Einbildung vom Zeno wieder geliebt zu werden verfälschte / und durch meine Eröffnung ihn nicht weniger beunruhigte / als seine Erato beleidigte. Flavius brach ein: Was wirst du / liebe Schwester / aus der holdseligen Liebe noch für eine abscheuliche Unholdin machen? Lässest du den Wahnwitz etlicher sich an nichts liebens-würdigem Wesen vergaffender Thoren für eine wahrhafte Liebe verkauffen? Kanst du dich selbst bereden: daß diß / was nicht zu lieben fähig / doch zu lieben würdig sey? Enträumest du der Freundschafft über der Liebe den Vorsitz und den Vortheil nöthiger Gegen-Erkäntnüß? Weist du nicht: daß die Freundschaft nur eine halbe Liebe / und ihr Fuß / ja gegen ihrem Brande kalt Wasser / die Liebe aber die vollkommenste Freundschafft sey; und so wenig ohne das Oel der Gegen-Liebe / als das Feuer ohne Zunder tauern könne? Die Verzweifelung an der Gegen-Liebe ist der schwartze Rauch / welcher bey anglimmender Liebe sie gleichsam selbst zu erstecken bemühet ist. Er verschwindet aber in weniger Zeit / wenn die Flamme zu Kräfften kommt. Daher glaube nur: daß wenn deine unerfahrne Liebe gleich noch mit der äusersten Verzweifelung des Zeno zu genüssen behaftet wäre / sich doch diese grausame Anfechtung nach und nach in einen erträglichern Zweifel / und endlich / ie öffter du ihn anschauen wirst / in eine liebkosende Hoffnung ausklären werde. Denn die blosse Gegenwart der Geliebten hat eine Beredsamkeit ohne Kunst uns etwas zu bereden / und eine heilsame Zauberey an sich uns die Unmögligkeit leichte zu machen. So bald du nun diese erste Schwerigkeit in der Liebe / nemlich das eigene Mißtrauen überwunden haben wirst; so bald wird die Lüsternheit deiner Begierde dich auch die Süssigkeit fremden Gutes schmecken lassen. Denn /da dem Neide der Nachbarn Kühe grössere Euter zu haben scheinen; da die Mißgunst fremdes Wasser für Honig hält; so muß die viel gütigere Liebe aus den[24] Rosen fremder Schönheit etwas saugen / gegen welchem aller Zucker und andere irrdische Süssigkeiten bitteres Meer-Wasser sind.

Uber diesen Worten traten Thußnelde / Erato /Catta / Adelmunde / Leitholde / und Zirolane / mit dem Fürsten Jubil / Catumer / Zeno / Rhemetalces /Malovend und Siegemund ins Zimmer / und unterbrachen dieser beyden Verliebten Gespräche. Niemand war unter ihnen / welche nicht dem Flavius / insonderheit aber Ißmenen ihre Gemüths-Unruhe ansahe. Daher auch der freudige Zeno Anlaß nahm / sich Schertz-weise gegen sie heraus zu lassen: Wenn die Liebe der Geschwister in Deutschland / wie in Egypten und Persien / zuläßlich wäre / würde er aus ihrer Beschaffenheit nicht anders urtheilen können; als daß sie beyde aus der tieffsten Selbst-Gelassenheit erwecket worden wären. Flavius versetzte: Er wüste von keinem Gesetze bey den Deutschen; welches denen der Natur / und daher auch der brüderlichen Liebe zuwider wäre. Aber wohl einer solchen / antwortete Zeno / welche die Seelen in solche Verzückung setzet / als wir an dem Fürsten Flavius und Ißmenen gefunden zu haben uns bedüncken lassen. Denn die Neigung der Geschwister ist mehr eine Art der Freundschafft als der Liebe / und hat nicht so heftige Regungen als diese. Die Königin Erato / welche zwar nicht Ißmenens / aber wol des Flavius geheimẽ Kummer wuste / und nunmehr über des Fürstẽ Zeno scharffsichtiger Ergründung seiner Kranckheit empfindlich ward / färbte ihre Wangen mit einer annehmlichen Scham-Röthe; also: daß es nicht nur Flavius /sondern selbst Zeno inne ward. Weil dieser aber nichts weniger / als daß Erato der Stein des Anstossens wäre / argwohnete / schlug er es ausser acht; Flavius aber ward durch ihre Veränderung so verwirret: daß er kein Wort aufzubringen getraute; und also Ißmene / wie sehr sie sich auch in ihren Gedancken verwickelt hatte / vom Flavius das Wort zu nehmen gezwungen ward / und dem Zeno begegnete: Sie würde sich schuldig geben: daß sie ihre zwey Brüder nicht hertzlich liebte / wenn sie die Liebe der Geschwister auf eine so niedrige Staffel setzen / und zu einer Zwergin machen liesse; da doch die Liebe des Geblütes das Vorrecht der Erst-Geburt hätte. Denn sie würde in uns gebohren / ehe als wir selbst; sie regte sich mit der ersten Bewegung des Hertzens in Mutter-Leibe / und die Natur vermählte ihre Glut mit dem er sten und reinesten Blute unsers Leibes; also daß es was unmenschliches zu seyn schiene; wenn derer Gemüther von einander entfernet lebten / die aus einerley Adern entsprossen wären / und unter einem Hertzen gelegen hätten. Erato meynte es nicht nur ihrer Schuldigkeit zu seyn gegen Ißmenen ihren Zeno zu vertreten / sondern auch durch ihre Einmischung ihre Veränderung zu verstellen; begegnete daher Ißmenen: Es wäre wohl wahr: daß die Gewogenheit der Anverwandten älter wäre / und ihren Ursprung aus dem Geblüte hätte; aber die eigentliche Liebe entsprüsse aus den Sternen / und erlangte ihre Stärcke von der Vernunfft. Das Verhängnüß / nicht eigenbewegliche Wahl verlobte die Hertzen zusammen / und die wahrhaften Ehen würden im Himmel geschlossen. Diesen Leitungen folgte hernach die Vernunft / und befestigte ein Band / welches hernach auch der Tod nicht gäntzlich versehren könte; Denn das Feuer der Liebe stiege so denn den Todten in die kalte Grufft nach / und wenn sie ihren Geliebten nicht mehr umbarmen könte / labete sie sich mit seiner Asche / ergetzte sich mit seinem Schatten / und besprachte sich mit seinem Geiste. Keine so lange tauernde oder so heftige Würckungen hätte man iemals von der Liebe der Geschwister erfahren / welche ins gemein unter den Kindern heiß / in den mittlern Jahren lau / und bey reiffem Alter eißkalt wäre;[25] oder sich wohl gar in Gifft und Galle verwandelte / wenn das Zanck-Eisen des Eigen-Nutzes oder der Herrschens-Sucht darzwischen käme. Denn diese zwey Lock-Vögel wären die selbstständigen Circen / welche nicht nur Geschwister in Tod-Feinde / sondern Eltern und Kinder in Schlangen verwandelten; also: daß auch diese / wenn sie gleich nicht so gar aus der Art schlügen / der Eltern Tod / als welcher sie zu Erben machte / für eine grössere Wohlthat hielten / als ihre Zeugung / dardurch sie doch ihr Wesen bekommen hätten. Ißmene versetzte: Es wäre kein Wunder: daß / wenn die Liebe des Geblütes vergällt würde / sie sich in einen so schädlichen Wurm verwandelte. Alleine diß wäre vielmehr eine Behauptung ihres Nachdrucks / als ihre Verkleinerung. Denn wer sehr liebte / wenn er liebte / haßte auch / wenn er haßte / so viel mehr. Und könte man sonder Zweifel so viel von der Geschwister / als anderer Liebe herrührende Ebentheuer auf den Schau-Platz stellen; auch vielleicht eines einigen unter dem grossen Pompejus dienenden deutschen Kriegs-Knechts Beyspiel vielen andern entgegen setzen; welcher ihm selbst auf seines dem Sertorius dienenden / und von ihm in der Schlacht unwissentlich getödteten Bruders Holtz-Stosse aus Reue den Degen ins Hertz gestossen / und durch sein Begräbnüß- Feuer die verdüsterte Flamme seiner brüderlichen Liebe erleuchtet hätte. Wenn man aber auch gleich aus den Würckungen des Mißbrauchs von einer Sache urtheilen wolte / würde schwerlich in der Welt ein Land / oder unter dem Himmel ein Fürstliches Haus seyn / welches unmässige Brunst nie in Brand gesteckt / oder gar eingeäschert hätte. Rhemetalces fing an: Beyde Meynungen wären so reich von traurigen Beyspielen: daß wenn aus derselben Vielheit geurtheilet werden solte /weder Ißmene noch Erato so bald ihr Recht ausführen / noch einiger Richter den Schlüssel zu einem unpartheyischen Urthel finden würde. Sein einiges Vaterland Thracien rauchte noch so wohl von ein als dem andern Brande / und das grosse Gebürge Rhodope zeugte nicht Flüsse genung das Blut abzuwaschen / was die vergällete Liebe darinnen verspritzt hätte. Die Hertzogin Thußnelde brauchte sich hierbey der bequemen Gelegenheit den Rhemetalces zu erinnern: daß er ihnen nichts von den Verwickelungen Thraciens und von seinen Zufällen zu verschweigen versprochen hätte. Rhemetalces erkennte seine Schuld /und weil selbiger Tag ohne diß sich zu Ende neigte; bat er ihm nur Zeit und Ort zu bestimmen / wo er einer so annehmlichen Gesellschafft Befehl zu befolgen beglückt seyn möchte. Sie beliebten alle folgenden Morgen und Thußneldens Gemach / schieden also diesen Abend / und zwar theils nicht ohne empfindliche Gemüths-Regungen von sammen. Denn Erato war bekümmert über ihrer unvorsichtigen Röthe: daß nicht Zeno etwas ungleiches daraus ärgwohnen möchte; weil sie wohl wuste: wie heftig er sie liebte / und wie wenig daher ein Hertz von der Eifersucht entfernet seyn könte. Sie berathschlagte mit ihr die gantze Nacht: Ob sie nicht dem Zeno ihre vom Flavius habende Anfechtung entdecken / und dardurch künftig besorglichem Verdachte vorbeugen möchte; zumal Flavius allem Ansehen nach seine Begierden nicht mehr bergen könte / und sich gegen dem Zeno allzu zeitlich bloßgeben würde. Allein der Ort / wo sie sich aufhielten / nemlich der Cheruskische Hof / und das Ansehn des Flavius / als des ersten Fürsten vom Geblüte / nebst der Beysorge: daß die ausbrechende Liebe des Flavius beym Zeno eine grosse Eifer-Sucht und daher allerhand gefährliche Entschlüssungen verursachen dörfften / riethen der Erato biß auf den äusersten Nothfall reinen Mund zu halten. In Ismenen fing ein kleiner Zunder der Hoffnung /[26] entweder aus des Flavius Zuredung / oder weil ihr Zeno holdseliger als für diesem fürkommen war / anzuglimmen / also: daß sie sich schon mit einer verborgenen Liebe nicht mehr zu vergnügen / sondern sich nach des Zeno Gewogenheit zu sehnen anfing. Sie war daher auf den Morgen am ersten in Thußneldens Gemache; wiewohl ihr alle andere fast auf dem Fusse folgten.

Rhemetalces umb die Zeit zu gewinnen / und der begierigen Ohren zu vergnügen / derer stu er Mund ihn nichts minder als alle auf ihn gewendete Augen darumb anredeten / fing diesemnach ohne fernern Eingang an: Mein Vaterland Thraciẽ ist zwar nicht das fruchtbarste / aber nebst Deutschland das volckreichste in der Welt. Die Arbeitsamkeit der Einwohner aber ersetzt die Mängel der Natur / welche mit ihrem Uberfluß die Leute eben so wohl träge als weibisch macht. Daher tragen ihre mit Laube bedeckten Aecker guten Weitzen und Reiß / die Hügel männlichen Wein; damit schon in der Trojanischen Belägerung die Griechen versorgt worden; und wird der Maronische Wein noch ietzt zu Rom für ein köstliches Geträncke gehalten. Auf dem Berge Pangäus und bey Philippis hat es Gold- und Silber-Gruben / aus welchen der Macedonische König Philipp grosse Schätze gezogen. Meine Landesleute haben gelbe Haut / blaue Augen / tragen / wie die Deutschen / auf dem Wirbel einen langen Pusch Haare / mahlen ihre Antlitze und Glieder mit gewissen Denckzeichen / als Merckmalen des Adels. Sie sind ein abgehärtetes Volck / welche denen weichen Asiern und Griechen deshalben wilde heissen. Sie beweinen wegen des mühseligen Lebens der Menschen Geburt / und frolocken über ihrem Tode / als einem Ende des Elends. Die Dienstbarkeit ist ihnen unerträglicher als das Sterben; daher die Gefangenen auch mit ihren Zähnen sich die Fessel zu zerbeissen mühen. Sie lieben den Trunck / welchen sie an den Wein-mangelnden Orthen aus Gerste kochen / sind von Natur streitbar / tragen aus Fuchs-Häuten Helme auf den Köpfen / halten für ehrlicher von der Beute als vom Verdienste zu leben. Westwegen auch nur der Pöfel den Acker bauet / die Waffen aber sind iederzeit des Adels fürnehmstes Handwerck und Zeit-Vertreib gewesen; also: daß sie es darinnen denen Welt-bezwingenden Macedoniern zuvor gethan. Massen sich denn einige mit dem Kriege gantz vermählen / und niemals zu heyrathen verloben. Weswegen Thracien nicht ohne Grund fürs Vaterland des Kriegs-Gottes gehalten wird. Diesen Gott / wie auch den Bacchus / den Mercur / den Plistor / Dianen und Bellonen verehren sie mit so grosser Andacht: daß andere Völcker sie offt deshalben angestochen; gleich als wolten sie den Heiligen die Füsse abbeissen. Sie opfern daher der Bellona auch Menschen / und / wenn es blitzet / erfüllen sie die Lufft mit ihren Pfeilen /nicht in Meynung Gott zu beleidigen / sondern damit anzudeuten: daß ihre Waffen seinen an der Seite zu stehen bereit wären. Nebst diesen hat der aus Phönicien in Griechenland einsitzende Cadmus auf dem Eylande Thasus zum ersten festen Fuß gesetzet / und dem Egyptischen Hercules einen Tempel gebaut; in dem Pangeischen Gebürge Thraciens auch das erste Ertzt gegraben und geschmeltzet. Die Tichter und andere freyen Künste nebst den Saiten-Spielen haben in Thracien ehe / als in Griechenland Bürger-Recht gewonnen. Denn Orpheus / Musäus / Thamyris und Eumolpus sind von dar gebürtig. Das Reich der Thracier ist fürzeiten nach den Indiern auch das gröste gewest. Sintemal sich dessen Gräntze von dem Aegeischen Meere an umb die Euxinische See biß an den Fluß Tanais erstreckt / und die Mysier / Dacier und Geten unter sich begriffen hat. Zu geschweigen: daß sie ihre Waffen fast in die gantze[27] Welt ausgebreitet / in Asien / Bithynien / Carien und ein Theil Armeniens eingenommen / und die Einwohner des Cimbrischen Chersonesus für ihnen von einem Meer zum andern eine Mauer zu führen genöthigt hätte. Wie nun die Hausväter die ersten kleinen Fürsten gewest / und aus Vergrösser- oder Vereinbarung der Haus-Genossenschaften die ersten Herrschaften entsprossen sind; also sind in dem grossen Thracien anfangs unterschiedene Fürstenthümer aufkommen. Der älteste König der Thracier war Thrax / Titans und der Nymphen Traca Sohn; von welcher dieses vorhin Perca / Aria / Odrysa / Crostona und Scython genennte Land auch den ietzigen Nahmen bekommen hat; sein Nachfolger sein Sohn Aenus / der nach seinem Nahmen am Flusse Absynthus eine Stadt baute / welche die Griechen hernach aus dreyen Städten bevolckten. Nach ihm ward König Thuras oder Thereus / der so genennte Thracische Mars berühmt; dessen Unterthanen nichts minder wegen ihres Gottes-Dienstes / als er wegen seiner Tapferkeit bey den Ausländern hoch angesehen waren. Er erweiterte sein Reich biß in Daulis oder Phocis in Griechenland. Weswegen der Berg Othrys und viel andere zu Macedonien und Thessalien gehörige Oerter von den alten Welt-Beschreibern in Thracien gerechnet werden. Daher ruffte ihn auch der König zu Athen Pandion wider den Thebanischẽ König Labdacus zu Hülffe / welcher für seinen treuen Beystand vom Pandion seine Tochter Progne zur Gemahlin erhielt. Weil er aber ihre Schwester Philomela schwächte / und noch darzu ihre Zunge verstimmelte /gab die rachgierige Progne im Feyer des Bacchus ihm seinen eigenen Sohn Itys zu essen; worüber er ihm zu Megare selbst vom Leben halff. Nach ihm bekam seine Herrschafft Pyreneus / welcher die vom Parnassus auf den Helicon reisenden Musen beherbergt / sie aber zu nothzüchtigen fürgehabt; und als er die Flüchtigen zu verfolgen gemeynet / aus einem Fenster den Hals gebrochen haben soll. Diesem folgte König Astreus oder Strymon / und kurtz darauf sein Sohn Boreas / welcher des Königs zu Athen Erechteus Tochter Orithia raubte / und mit ihr drey Söhne / nemlich den Zetes und Calais / welche mit dem Jason in Colchis reiseten und vom Hercules erschlagen wurden / wie auch den Hämus zeigte / der in dem bergichten Thracien ein neues Reich stiftete / und dem grossen Gebürge den Nahmen gab. Des Boreas Tochter Cleopatra heyrathete in Thracien Agenors Sohn den Phineus / der in Thracien an dem Euxinischen Meere und dem Flusse Salmydeßus ein Reich aufrichtete; weil er aber des Phrixus Kindern die Seefahrt nach Colchis wieß /vom Neptun gebländet; hernach vom Hercules getödtet ward. Des Boreas andere Tochter Chione ward vom Neptun schwanger / und gebahr den König in Daulis Eumolpus. Dieser heyrathete in Mohrenland des Benthesiceles Tochter / hernach lebte er in Thracien beym Könige Tegyrius / und vermählte seinen Sohn Ismarus mit seiner Tochter. Weil aber so wohl dieser als Tegyrius ohne Kinder starb / ward Eumolxus König in Thracien / und kam den Elevsiniern wider den König zu Athen Erechteus / iedoch zu seinem grossen Unglücke zu Hülffe. Denn nachdem dieser auf Anleitung der Wahrsager seine mit des Thebanischẽ Königs Praxithea Tochter gezeugtẽ Tochter Proserpina den Göttern opferte / schlug er die Elevsinier aufs Haupt / und ihren Heerführer Immardus des Eumolpus und der Deira Sohn todt. Sein ander Sohn Ceryx war der Sta herr der Cerycher in Griechenland / und der gelehrte Musäus ein Schüler des in Thracien gebohrnen Orpheus / dessen Haupt nach seinem Tode noch zu Lesbos soll gewahrsaget haben. Nach dem Tereus kamẽ in Thracien unterschiedene Königreiche empor. In der Gegend umb Byzanz herrschete Ejoneus; nach ihm kam Rhesus / Strymons und Euterpens Sohn; welchem Hector seine sich gegẽ ihn auflehnende Nachbarn bändigen halff. Als er[28] aber hingegen für den Priamus unter Troja ein Läger aufschlug /ward er des Nachts in seinem Zelt vom Diomedes und Ulyßes unversehns beschlichen und erwürget. Seine Schwester Rhodope war des Königs Hämus Gemahlin / und die Benennerin des Rhodopeischen Gebürges. Umb den Bisthonischen und Iswarischen See Diomedes / der seine Stutten mit Menschen-Fleische unterhielt / aber vom Hercules getödtet / und von ihm die Stadt Abdera gebauet ward. Nach ihm machte sich Imbrasius zum Thracischen Könige über die Ciconen. Dieser ließ sein Reich seinem Sohne Pirous; welcher bey Troja wider die Griechen kämpfte / der aber daselbst vom Thoas / wie sein ihn zu rächen sich mühender Sohn Rhigmus vom Achilles erlegt ward. Umb den Fluß Erginus und Panysus Sarpedon; welcher am Euxinischen Meere eine mächtige Stadt baute; Umb den Fluß Hebrus König Poltys / bey welchem so wol die Griechen / als Priamus durch seinen Sohn Paris umb Hülffe anhielten. Aber dieser friedsame Fürst versagte sie beyden / und mühete sich / wiewol vergebens / den Paris zu Wiedererstattung der geraubten Helena zu bewegen / für welche er ihm die Freyheit zwey der schönsten Frauen in Thracien auszulesen antrug. Im Thracischen Chersonesus stiffteten Eusorus und Polymnestor zwey Herrschafften. Beyde schickten den Trojanern wider die Grichen Hülffe. Dieser aber bißte seinen Sohn Arcamas durch die Faust des Ajax ein. Jener heyrathete zwar des Priamus Tochter Ilione; Als aber Troja übergieng / schlachtete er den zu ihm geflüchteten Polydorus des Priamus Sohn / und warf die Leiche ins Meer / umb der mitgebrachten Schätze habhafft zu werden. Die rachgierige Hecuba aber stach ihm hernach die Augen aus; nach dem er selbst vorher seinen Sohn Driphylus unvorsichtig getödtet hatte. Zur Zeit des Tereus / oder bald darnach herrschte zwischen dem Flusse Nessus und Zygactes umb den Pierischen See-Busem König Tharops / und nach ihm sein Sohn Oeagrus des Orpheus Vater / welcher die Weißheit und Wissenschafft von GOtt aus Egypten in Grichenland geholet / und darmit die denen Wäldern / Felsen und wilden Thieren ähnliche Menschen gleichsam rege gemacht hat. Des Orpheus Söhne waren Ores / von welchem Homerus im achten Gliede entsprossen / und Musäus ein Prister der Ceres zu Athen / der den Hercules eingeweihet hat; sein Enckel Methon / der die nach seinem Nahmen genennte Stadt in Thracien erbauet. Als Thirsippus zu Athen /Salomon über die Juden / und Hiram über die Phönicier herrschte; setzten die Thracier nach dem Beyspiele der Joner / in Asien / bemeisterten und besämeten selbtes fast über und über. Hingegen überschwemmete wenig Jahre darnach Sethosis oder Sesostris mit seinen Egyptiern die halbe Welt; und darunter auch Thracien bis an den Ister / Colchis und Scythien bis an Tanais. Massen in Thracien noch auf dem Berge Rhodope beym Ursprunge des Flusses Melas eine marmelne Säule mit einem männlichen Geburts-Gliede zu sehen / und daran in Egyptischer Schrifft zu sehen ist: Der König und Herr aller Herren eroberte dis Land mit seinen Waffen. Diese Säule haben die Thracier aber mehr zu Verhöhnung der Egyptischen Hoffart / als dem Sesostris zu Ehren stehen lassen. Sintemal er von den Thraciern umbsetzt /sein Heer in grossen Mangel der Lebens-Mittel gebracht / und seinen Rückweg umb viel Gold und Silber zu erkauffen genothdränget ward. Jedoch wohnet unter dem Berge Rhodope gegen Nord noch das Volck der Hodomanthier; welche entweder wie die Colchier von den Egyptiern entsprossen sind / oder zum minsten ihren Gottesdienst[29] und Sitten behalten haben. Denn diese beschneiden alles / was männlich ist / noch heute zu Tage mit einem steinernen Messer; wie die Egyptier dis von den Juden / von jenen aber viel andere Völcker / nemlich die Mohren / Araber /Colchier und Syrier gelernet haben. Jedoch ist unter ihnen dieser Unterschied: daß die Juden ihre Kinder den achten Tag / die Egyptier im vierzehnden; die Mohren / welche damit auch der Mägdlein nicht schonen / im dreyzehnden Jahre beschneiden. Diese Völcker halten die Unbeschnittenen für unrein / würdigen sie daher nicht ihrer Gemeinschafft / weniger ihrer Heyrath. Ja sie brauchen nicht einst ihre Hauß- und Küchel-Geschirre; essen auch kein Fleisch / das mit einem frembden Messer geschlachtet worden. Dahero Pythagoras umb der Egyptier Lehren zu vernehmen sich beschneiden zu lassen gezwungen gewest. Ungeachtet diese die Beschneidung nur vom Saturnus der Reinligkeit / die Araber ihrer sonderbaren Leibes-Beschaffenheit halber eingeführet zu seyn vermeinen. Dahingegen die Juden ein Göttliches Geheimnüs daraus machen. Vorerwehnte sich beschneidende Thracier hatten anfangs ihre eigene Könige; hernach aber kamen sie unter die Odrysen. Ihr letzter König war Polles der Athenienser treuer Bunds-Genosse in dem Peloponnesischen Kriege. Gleicher gestalt richtete Doloneus zwischen dem Flusse Hebrus und Pontus /und der nichts minder schöne als reiche Isanthes über die Corbyzer / Dryas aber zwischen dem Flusse Strymon und dem Pangäischen Gebürge ein Reich auf. Diesem folgte Lycurgus / welcher aber wegen Entweihung des Trieterischen Feyers vom Bacchus rasend gemacht ward: daß er seinen Sohn Dryas / in Meinung / er hiebe einen Zweig ab / enthauptete. Weswegen die Edoner ihn auf das Pangäische Gebürge führten / und mit Pferden zerrissen / die Seinigen aber kreutzigten. Nach diesem ward die Herrschafft dem Tharops anvertraut; und nach seinem Tode des aus Sicilien verwiesenen Orions Sohne Hippologus. Nach ihm herrschete sein Sohn Dryas / und leistete im Thebanischen Kriege dem Eteocles tapferen Beystand. Weil er aber darinnen den Parthenopeus erlegte / ward er von Dianen mit Pfeilen getödtet. Ihm folgte sein Sohn Lycurgus / welcher nach langer und glücklichen Herrschafft im Alter mit den Geten in Krieg verfiel /und von ihnen gefangen ward. Aber seine tapfere Tochter Harpalice thät ein Gelübde / ihre Haare nicht ehe zu flechten / bis sie ihren Vater erlöset hätte. Welches sie denn auch mit versa leter Macht heldenmäßig ausrichtete / die Geten aufs Haupt erlegte / und über dem Ister den Vater aus dem Gefängnüsse holete. Weil sie aber in selbigem Kriege etliche Amazonen gefangen bekam / und von ihnen die Verfassung ihrer Weiber-Herrschafft vernam / segelte sie mit ihnen über das Euxinische Meer in ihr Land / und ward daselbst ihrer Hertzhaftigkeit halber zur Königin erwehlet. Ihre Schwester Phyllis aber war so viel unglücklicher. Denn nach dem sie Demophoon geschwängert / und sich nach Athen geflüchtet hatte /erhenckte sie sich selbst. Ihr Bruder Ancöus betrat nach dem Tode des Lycurgus den Thracischen Stuhl /und baute die Stadt Samos. Nach ihm ward Pittacus König; welcher aber von seinem Ehweibe Braurone und des Goaxes Kindern ermordet ward. Als derogestalt der Edoner Herrschafft in Thracien abnam / und sich theils die Athenienser / theils die Spartaner darein theilten / wuchs hingegen das Reich der Odrysen in Thracien so viel mehr. Sebalces brachte dieses Volck zum ersten in grosses Ansehen / kam aber in des Xerxes Zuge wider die Griechen umb; welches der Bisalthe- und Cestronischen Thracier-König derogestalt schmertzete: daß er seinen wider sein Verbot unter dem Xerxes[30] wider die Griechen kämpfenden Söhne die Augen ausstechen ließ / als er vom Berge Rhodope / und sie aus dem Kriege nach Hause kamen. Des Sibalces Nachfolger war sein Sohn der streitbare Tereus / welcher den Müssiggang so sehr haßte: daß er in selbtem sich nicht besser als seine Stall-Buben zu seyn bedüncken ließ. Sein Reich erweiterte er so sehr: daß man darinnen von der Stadt Abdera bis an den Ister in die Breite eylf / und von Byzantz bis an die Gräntze des Flusses Strymon dreyzehn Tage zu reisen hatte. Die Stadt Athen hielt er für nicht weniger Glück als Ehre durch den Nymphodor wider ihn ein Bündnüs aufzurichten. Tereus ließ sein Reich seinem ältesten Sohne Sitalces / dieser erwischte beym Hellespont der Spartaner an den König in Persien besti te Gesandten / und schickte sie nach Athen zur Bestraffung. Mit dem verjagten Könige der Scythen Scyles / weil er mit ihm des Bacchus Orgia andächtig feyerte / machte er vertrauliche Freundschafft / und wechselte bey dem Scythischen Könige Octamasades seiner Schwester-Sohne den Scyles gegen seinen zu den Scythen geflohenen Bruder Spardocus aus. Wider die Pöoner / den Macedonischen König Perdiccas / und die Chalcidenser ergrief er für den verjagten Amyntas die Waffen / nam Idomene /Gortyna / Atalanta / und viel andere Orte ein / und machte / nach dem ihn die Athenienser alleine baden liessen / einen ehrlichen Frieden; welcher mit einer Heyrath des Seuthes und Stratonicen des Perdiccas Tochter besiegelt ward. Hingegen rächete er sich an den undanckbaren Atheniensern / und half dem Spartanischen Feld-Hauptmanne Brasidas die zwischen dem Flusse Strymon gelegene / aber aus Athen bevolckte Stadt Amphipolis einnehmen. Zuletzt aber wendete sich das Blat seines ermüdeten Glückes. Denn er büßte gegen die bekriegten Triballen heßlich ein; ward gefangen / und grämete sich darüber zu tode. Vorerwehnter Seuthes folgte in der Herrschafft seinem Vetter / welcher das Reich zwischen seine zwey Söhne Medocus und Mösades / aber auch hiermit die Ruhe der Länder theilte. Dieser machte mit dem Alcibiades vertrauliche Freundschafft / ward aber von seinen eigenen Unterthanen denen Thysen / Melandeptern und Tanipsaren ins Elend verjagt / darinnen er aus Gramschafft seinen Geist aufgab. Sein mit ihm wenig mitleidender Bruder Medocus erzohe gleichwol seinen Sohn Seuthes / und half ihm zu einem Heere sein Väterlich Reich wieder zu erobern. Worzu ihm denn das mit dem Xenophon eingegangene Bündnüs nicht wenig beförderlich war; und nach dem Heraclides zwischen beyde Uneinigkeit sämte /sich mit dem Spartanischen Heerführer Thimbro wider die Persen verband / die den Seestrand des Chersonesus aber beunruhigenden Athenienser auch aus dem Aegeischen Meere schlug. Zuletzt aber brauchte dieser Kuckuck seine Waffen wider den wolthätigen Medocus; wiewol sie beyde vom Thrasybul verglichen wurden. Gleichwol ward er von seinem Volcke zum andern mal verjagt / aber durch Hülffe des Atheniensischen Feld-Hauptmanns Iphicratens wieder darein eingesetzt. Dem Medocus und Seuthes folgte im gantzen Reiche des erstern Sohn Cotys /welchen zwar die Stadt Athen mit ihrem Bürger-Rechte und güldenen Kronen beschenckten; die Wolluste aber zu einem Weibe / ja wahnwitzig machten. Denn er durchreisete gantz Thracien / richtete an allen lustigen Orten verschwenderische Gast-Mahle aus /machte mit der Minerva Hochzeit / und erstach etliche edle Thracier / welche ihm nicht heucheln wolten: Sam sie diese Göttin nicht auf ihn wartende im Ehbette gesehn hätten; also daß er mit Rechte des Corinthischen Abgotts Nahmen Cotys führte / welcher von den Huren als[31] ihr Schutz-Gott daselbst verehret wird. Er wütete wider alle treue Rathgeber / und seiner Gemahlin des Iphicrates Tochter schnitt er mit eigener Hand vom Geburts-Gliede an bis zur Gurgel entzwey. Für einen ihm geschenckten Panther gab er einen Löwen; und der Stadt Athen Wolthaten vergalt er mit einem feindlichen Einfalle. Er ward aber vom Timotheus geschlagen und umb zwölfhundert Talent gestrafft. Er erholete sich aber hernach wieder / verjagte seinen Schweher-Vater Iphicrates / erlegte den abtrünnigen Miltocythis / nam den heiligen-Berg ein /bekam darauf einen grossen Schatz der Stadt Athen; zwang den Perinthiern viel Geld ab / und jagte die Grichen aus dem Chersonesus. Endlich ward er vom Python und Heraclides / derer Vater er getödtet hatte /erstochen. Also behielt mein Vaterland auch unter diesem weibischen Könige seine Freyheit und Ansehen / bis seiner drey Söhne brüderliche Zwytracht selbtem ehe / als die betrügliche Herschsucht des Königs in Macedonien Philips Fässel der Dienstbarkeit anlegte / welche / als dieser in Grichenland den Meister spielte / sich mit einander zwisteten. Denn ob zwar Cotys den jüngsten Sohn Cersobleptes noch bey Lebzeiten zum Könige erklärt hatte / machten doch die zwey ältesten Brüder Berisades und Amadocus ihm sein Erb-Recht strittig; zwangen ihm nicht allein eine gleiche Theilung / sondern auch Athen die Abtretung des Chersonesus / außer der einigen Stadt Cardia / ab. Berisades starb kurtz darauf ohne letzten Willen / und ließ Thracien seinen zweyen Söhnen Sitalces und Teres / wie auch denen zweyen Brüdern Amadocus und Cersobleptes zum Zanck / Philippen aber zum Reichs-Apfel. Denn als jene sich über dem Erb-Rechte schlugen / Teres auch seinen Bruder ermordete / überfiel dieser die reiche und mächtige Stadt Olynthus / welche sich dem Thracischen Reiche arglistig entzogen hatte. Amadocus und Cersobleptes erfreuten sich über der Belägerung der abtrünnigen Olynthier; denn ihre Rachgier verbländete sie: daß sie nicht das ihnen blühende Unglück sahen / und daß Philip in Thracien einen festen Fuß setzte / wahrnamen. Ja als die mit Golde bestochene Olynthischen Befehlhaber Lasthenes und Euthycrates Philippen die Stadt verräthrisch übergaben / waren Amadocus und Cersobleptes so blind: daß sie den weltbekanten Rauber frembder Länder zu ihrem Schieds-Richter berufften; gleich als wenn Philips Gemüthe in Thracien seine Herrschsucht / wie die Schlangen in Cypern ihr Gifft verlieren würde; oder die streitbaren Thracier / ungeachtet ihre Zwytracht ihnen die Spann-Adern zerschnitten hatte / sich für der Macedonischen Macht nichts zu fürchten hätten. Philip erwischte mit höchster Begierde den Hand-Grif dieser Gelegenheit / setzte den Tempel des Apollo auf dem Eylande Zerinthus / wo der Fluß Hebrus mit zwey Armen ins Meer fällt /zum Richt-Platze. Und nach dem er beyde Könige mit einander verhört hatte / fällte er dis unvermuthete Urthel: Beyde Streitenden hätten den Grund ihrer Klage erwiesen / nemlich: daß weder einer noch der ander die Thracische Krone zu tragen fähig / sondern weil ihr Vater Cotys die Illyrier und Pœonier wieder ihn ohn Ursach verhetzet hätte / er dis Unrecht nunmehr zu rächen / und Thracien zu behaupten berechtigt sey. Amadocus und Cersobleptes steckten hierüber die Köpfe zusammen / und verglichen sich in einem Augenblicke / aber zu spät mit einander. Denn als sie ausdem Tempel gehen wolten / war Amadocus von dem Macedonischen Kriegs-Volcke in Hafft gezogen /welches sich nicht allein dieses Eylandes / sondern auch des Stentoridischen Hafens und der Stadt Stryma bemächtigt hatte. Von dar überschwe te er gantz Thracien; und weil es zwar Armen sich zu wehren /aber kein Haupt die Streiche anzugewehren hatte /brachte er das[32] vom Amadocus auf der West-Seite des Flusses Agrianes besessene Theil mit Waffen / meist aber mit Gelde unter seine Bothmäßigkeit. Der von den Priestern im Tempel versteckte und in geistlicher Tracht nach Samos geflüchtete Cersobleptes fuhr wol in Eyl in Chersonesus nach Coelos über / und sa lete daselbst und umb das Bebrycische Meer ein Heer zusammen. Aber König Philip drang ihm selbst mit einem mächtigern Heere auf den Hals / bestach seine Heerführer / machte die Thracier durch Versprechung güldener Berge / insonderheit: daß er den in seinem Heere mit-kriegenden Amadocus ins gantze Reich einsetzen wolte / von ihm abspenstig / und nach dem er ihn dreymal aus dem Felde geschlagen / kriegte er ihn zu Cissa selbst durch Verrätherey seiner eigenen Leute gefangen. Hierauf ergab sich ihm gantz Thracien bis an den Fluß Panysus und das für unüberwindlich gehaltene Schloß Bizya; wie auch die Stadt Salmydessus. Damit er auch seine Herrschafft so viel mehr versicherte / leschte er beyden Amadoken und Cersobleptes / ja mit ihnen dem gantzen Königlichen Hause durch Gift das Licht aus. Also gleichet der Leib eines Regiments dem des Menschen; und sind beyde einerley Schwachheiten und Zufällen unterworffen. Beyde haben nach ihrer schwachen Geburt ein hoffärtiges Wachsthum / und werden im Augenblicke über Hals und Kopf ins Verderben gestürtzt. Ein Theil des Adels zohe sich unter des Cersobleptes noch entkommenden zweyen Söhnen Seuthes und Ariopharnes / wie auch ihrer Schwester Mecrida Ehmanne dem Fürsten Charidemus in das Hänische Gebürge / und erwehlten ihnen die Stadt Sarpedonia zu seinem Sitze / und den aus altem Königlichen Geblüte der Thracier entsprossenen König der Geten Dromichetes zum Schutzherrn. Nichts weniger both auch die Stadt Byzantz mit Hülffe der Athenienser dem Philippus die Stirne; also / daß er die Gelegenheit dem Getischen Könige Atheas die wider die Istrianer verlangte Hülffe zu schicken mit beyden Händen ergrif / wormit er nur unter einem ehrlichen Vorwande die verzweiffelte Belägerung aufheben konte. Nach dem auch König Philip starb / und so wol Attalus als Amyntas in Macedonien wider Alexander ihre Hörner spreußten / begunten / wie alle überwundene Völcker / also auch die Thracier zu wancken. Denn Philip / oder vielmehr seine Gemahlin Olympias hatte sie harte mit genommen / also nicht beobachtet: daß das Besitzthum neuer Länder mit Wolthaten zu befestigen sey / wormit sich die Uberwältigten selbst mit über dem Siege zu erfreuen haben. Aber der zwantzigjährige Alexander / dessen Glücke so wenig ein Ziel / als die Begierden ein Maß hatten / bethörte mit seiner Geschwindigkeit alle kluge Rathschläge / und mit seiner Tapferkeit alle feindliche Anstalten. Er fieng den Amyntas mit seinem eigenen Netze / den Attalus rieb er durch den Hecateus auf / drang sich Grichen-Lande zum obersten Feldherrn wider die Persen auf / und kam von Amphipolis an dem Flusse Strymon denen freyen Thraciern auf dem Hänischen Gebürge in zehn Tagen wie ein unversehener Blitz auf den Hals. Sie zohen sich zwar auf einer Höhe in einem mit Wagen umbgebenen Lager zusammen; und als das Macedonische Heer selbte bestieg / liessen sie eine grosse Menge Sichel-Wagen gegen selbtes herab lauffen. Aber Alexander hatte seine Kriegs-Leute schon abgerichtet /wie sie theils durch Zertheilung der Glieder / theils durch Unterschiebung der Schilde die Beschädigung ablehnen solten. Wie dieses nach Wunsch gerieth; also brachte Alexander unter der Bedeckung der Bogenschützen seine in acht tausend edlen Macedoniern bestehende Phalanx / welche man für unzertrennlich hielt / auf den Gipfel des Berges / und darmit auch die viel schlechter bewehrten Thracier in die Flucht. Ob dieser[33] nun zwar mehr nicht als funfzehnhundert im Stiche blieben / die andern durch bekandte Wege entrannen / so kriegte doch Alexander eine Pforte des Hönischen Gebürges ein / und viel tausend Weiber und Kinder gefangen. Diese dienten ihm hernach zu Schlüsseln unterschiedener Festungen / und zu Zwangs-Mitteln: daß die über dem Hämus an dem Flusse Pnigus / Ciabrus / Escamus und Zyras wohnenden Thracier sich seiner Gewalt untergeben musten. Wiewol die Warheit zu bekennen / hierzu mehr der Thracier Aberglauben / als Alexanders Waffen beförderlich waren. Denn die Pristerin zu Delphis hatte /wiewol aus Unwillen / ihn für unüberwindlich erkläret; und / als er in den dem Bacchus gewiedmeten heiligen Heyn kam / und auf sein Altar Wein opferte; stieg eine Flamme höher / als der darbey stehende Tempel war / ja bis in die Wolcken empor; und bey den Odrysen am Berge Libethrus / fieng in Alexanders Gegenwart des daselbst gebohrnen Orpheus zypressenes Bild heftig an zu schwitzen. Welches erstere Aristander auf Alexanders Himmel-hohen Ruhm /das letztere aber die Thracischen Wahrsager dahin auslegten: daß seine Siege zu beschreiben gelehrte Leute mehr als zu viel würden schwitzen müssen. Hierauf kriegte er mit dem Triballer-Könige Syrmus /und den Geten zu schaffen / kehrte aber nach vernommener Botschafft der Deutschen mit schlechtem Vergnügen in Thracien; laß daselbst die Fürsten und den Kern des Adels / welche in seiner Abwesenheit etwan das Hertz haben möchten / sich in Freyheit zu setzen /unter dem Vorwand der Ehren aus / und bestellte selbte unter sein Heer / wormit er Persien zu bezwingen sich allenthalben verlauten ließ. Massen auch diese / besonders der tapfere Agathon / Sitalces und Eudämon ihm nicht nur ein Pfand unverrückter Treue / sondern auch wahrhaffte Werckzeuge seiner Siege in Persien und Indien abgaben. Gleichwol versuchte Memmo ein Thracischer Fürst sein Vaterland dem Macedonischen Joche zu entziehen; ward aber vom Macedonischen Stadthalter Antipater erlegt. Hingegen versetzten die Thracier / als Alexander durch Africa in Hispanien zu dringen im Schilde führte / seinem Thracischen Stadthalter Zopyrion einen unverwindlichen Streich. Denn als dieser den Getischen König Dromichetes angrif / vereinbarten Seuthes / Ariophernes / und Charidemus mit ihm die Waffen / und rieben ihn mit seinem gantzen Heere auf.

Nach dem Tode des grossen Alexanders ward bey der Zergliederung seines Reiches dem Lysimachus als dem streitbarsten das streitbare Thracien mit denen Ländern zwischen dem Ister zugetheilt. Dieser war aus Macedonien kürtig / des edlen Agathocles Sohn; und von Kind- auf nichts minder in der Welt-Weißheit / als in Waffen geübt / und daher unter Alexanders Leibwache gezogen / hernach zu einem grossen Feld-Hauptmanne gemacht worden. Weil er aber nicht nur die weisen Lehren des mit einem Hunde in ein Keficht geschlossenen Callisthenes hörete / sondern auch seinen Schmertzen mit Gifte abhalf / ließ ihn der zornige Alexander einem Löwen fürwerffen. Alleine dieser Unfall diente seiner Tugend nur zu einer Staffel. Denn er grif dem Löwen in den Rachen / riß ihm die Zunge aus / und tödtete ihn. Alexander hielt ihn hierauf zweymal so werth; also: daß er selbst in Indien / da er ihn beym Absteigen vom Pferde ungefehr mit der Lanze an der Stirne verwundet hatte / seine Krone aufs Haupt setzte / umb die Verbindung der Wunde dadurch zu befestigen; und ihm seine Königliche Hoheit wahrzusagen. Seine Herrschafft befestigte er durch die Heyrath der Fürstin Mecrida des letzten Thracischen Königs Cersobleptes Tochter / des Fürsten Charidemus Wittiben. Sein Reich war ein Schauplatz grosser Thaten und Zufälle. Denn ob wol[34] die Odrysen unter dem Fürsten Seuthes für ihre alte Freyheit die Waffen ergreiffen / und mit zwölf-tausend Reutern und zwantzig-tausend Fuß-Knechten den Lysimachus aus Thracien zu jagen vermeinten / so both er ihnen doch mit weniger Macht so hertzhaft die Stirne: daß kein Theil sich des Sieges zu rühmen hatte; das andere mal aber büßte Seuthes bey der Stadt Aenum fast sein gantz Heer ein / und muste sich zum Antigonus flüchten. Hierauf meinte Lysimachus die Geten / und die unter ihrem Schutze lebende Thracier vollends unters Joch zu bringẽ / ward aber zwischen dem Ister und dem Flusse Escamus bey der Stadt Appiaria vom Könige Dromichetes umbringet / geschlagen / und nebst seinem zehn-jährigen Sohne Agathocles gefangen. Nach dem dieser aber dem Lysimachus durch gezeigtes Armuth der Geten seine thörichte Herrschsucht verwiesen hatte / ließ er ihn loß; hingegen vermählte Lysimachus dem Dromichetes seine Tochter Lysimache / und trat seinem Schwester-Sohne Seuthes Thracien vom Flusse Melas und Agrianes an bis an das Euxinische Meer ab. Lysimachus setzte hierauf in Asien / und erhielt so wol daselbst wieder den Antigonus / als den König Pyrrhus in Epirus grosse Siege / ja nach einer vom Demetrius erlittenen Niederlage erholte er sich wider / und nam gantz Macedonien ein. Hingegen aber verlohr er seinen zum Nachfolger besti ten Sohn Agathocles / welchen seine andere Gemahlin Arsinoe durch Gift hinrichtete / weil er sich mit ihr Blut-Schande zu begehen weigerte. Sein eigener Sohn Alexander flohe zum Selevcus / und sein Schatz-Meister Phileterus gab allen Vorrath mit der Stadt Pergamus in seine Hände. Als dis nun Lysimachus rächen wolte / ward er in Asien nach tapferer Gegenwehr in einer verzweifelten Schlacht im vier und siebenzigsten Jahre seines Alters / und nach dem er schon funfzehn Kinder verlohren hatte / vom Maloccon getödtet, Alexander / nach dem er seinen Vater Lysimachus bey Cardia begraben hatte / maßte sich Thraciens an / und ließ seiner Stief-Mutter Arsinoe mit ihren dreyen Söhnen des Lysimachus Macedonien zum Erbtheile. Wie aber Arsinoe von ihrem sie heyrathende Bruder Ptolomeus nach Ermordung ihrer Söhne in Samothracien verstossen ward; also jagte des Seuthes Bruder und Erbe Artophernes / welcher des Königes Dromichetes mit der Lysimache gezeugte Tochter geheyrathet hatte / Alexandern in Phrygien / und behauptete mit Hülffe der Geten gantz Thracien. Er schiffte mit zwantzig-tausend Reitern / und zwey- und zwantzigtausenden zu Fusse / auch über das Euxinische Meer in Bosphorus / und leistete dem Eumelus wider seine Brüder Satyrus und Prytanis Hülffe. Ob er nun zwar anfangs vom Satyrus geschlagen und mit dem Eumelus belägert ward / so kam doch Satyrus bey der Belägerung durch eine Wunde am Arme / und Prytanis in Gärten zu Panticapeum umb / und Eumelus ward durch der Thracier Tapferkeit König über das gantze Bosphorische Reich. Von diesem Artophernes sind seit der Zeit alle Thracische Könige entsprossen; also daß ich mich des mächtigen Tereus / des streitbaren Lysimachus und des hertzhafften Dromichetes Enckel rühmen kan. Aus was für gefährlichen Fall-Stricken meine Vorfahren sich drey-hundert Jahr auswickeln müssen / würde zu hören so verdrüßlich / als zu erzehlen beschwerlich seyn. Die erste Schwäche der Thracier rührte daher: daß Abrupolis zwischen dem Flusse Conipsatus und Zycactes eine absondere Herrschafft der Sapeer aufrichtete. Hernach kriegte des Ariophernes Sohn mit den Macedoniern / sein Nachfolger aber mit denen unter dem Könige Comontor durch Macedonien in Thracien einbrechenden Deutschen zu schaffen / welche die Geten und Triballen aus dem Felde schlugen / und zu ihrer Befriedigung ein zwischen dem[35] Flusse Scönus und Hebrus unter dem Berge Rhodope gelegenes Stücke Landes bekamen. Jedoch schickten sich beyder Völcker Sitten wol zusammen / sie lebten mit einander in guter Vertrauligkeit / und standen in allen Zufällen für einen Mann; kamen also zu solchem Ansehn: daß kein Nachtbar sich an sie zu reiben unterstand. Als aber die Römer nach dem überwundenen Könige Philip ihre Herschsucht blicken liessen; und daß es ihnen nicht üm Grichenlands Freyheit zu thun wäre / indem sie in denen Thracischen See-Orten einnisten wolten / fielen sie mit Philippen wider die Römer in Macedonien ein. Ungeachtet nun sein Sohn Perseus in der Sapeer Gebiete einfiel / und den mit den Römern im Bündnüs stehenden / und etliche mal in Macedonien streiffenden Abrupolis verjagte / nam sich doch dessen der Odrysen König Seuthes der dritte / welche denen Sapeern stets über Achsel waren / nicht an / sondern als die Sapeischen Gesandten zu Rom mit dem Rathe ein ihm verdächtiges Bündnüs geschlossen / und mit einem zimlichen Stücke Geldes beschenckt wurden /machte er eines mit dem Könige Perseus. Als auch die Römer aufs neue in Macedonien einfielen / schickte König Seuthes anfangs über die unter dem Antiphilus bestellten drey-tausend Thraciern / ihm noch andere drey-tausend / und endlich kam sein Sohn Cotys vollends mit zwey-tausend Thracischen Edel-Leuten dem Perseus zu Hülffe; welche gegen die Römer stets den ersten Angrif thäten / an der Spitze fochten / und in der Schlacht bey Uscana / darinnen Cotys den lincken Flügel führte / sechs-tausend Römer erschlugen. Die Römer würden auch in diesem Kriege wenig Seide gesponnen haben / wenn nicht des Acrupolis Sohn Atesbis mit des König Evmenes Heerführer Corragus auf der Römer Anstifften in des Cotys Gebiete eingefallen wären / die Landschafft Marene eingenommen /und den König Cotys zu Beschirmung seines eigenen Landes abgezogen hätten. Wiewol Perseus bey härtester Winters-Zeit / da die Römer über die beschneyten Gebürge Thessaliens in Macedonien nicht einbrechen konten / dem Cotys in Thracien zu Hülffe kam / und beyde so wol den Acrupolis und Corragius in Asien jagten / als die von Römern bestochene Dardaner demüthigten / wie auch den Fürsten Cephalus in Epirus den Römern abspenstig machten. Sie hätten nebst den deutschen Thraciern sonder Zweifel den Perseus bey seinem Reiche erhalten / wenn er es nicht durch seine Thorheit / Geitz und Zagheit selbst verlohren hätte. Jedoch trauten sich die Römer nicht nach eroberten Macedonien denen Thraciern zu nahe zu kommen. Denn ob wol mit dem gefangenen Perseus der bey ihm als Geissel befindlicher Sohn des Königs Cotys mit nach Rom geführt / und zu Carseoli verwahrt worden ward; so ließ doch der Römische Rath des Cotys Gesandschafft nicht nur seinen Sohn Bitis / sondern alle gefangene Thracier ohne Lösegeld loß. Jenen schickte er durch drey Römische Gesandten selbst dem Cotys zu; jeder Thracier aber ward mit zwey-tausend Schillingen beschenckt. Dem Cotys folgte sein Sohn Diegylis / welcher seinem Eydame Prusias wider den Pergamenischen König Attalus beystand / aber gefangen ward. Hierauf rieb sich zwar Marcus Cosconius an die Thracier und fiel in ihr Land / der Römische Rath aber gebot ihm bald selbst einen Stillestand. Sothymus wolte dis nicht ungerochen lassen / beunruhigte dahero nebst denen Scordischkischen Deutschen Macedonien und Epirus mit unaufhörlichen Einfällen. Portius Cato meinte zwar den Thraciern bis ins Hertze ihres Reiches zu gehen / büßte aber darüber fast sein gantz Heer ein; und weil in selbigem Kriege des Königes streitbare Schwester Numelisinthis ihren Bräutigam einbüßte / sie etliche Thäter mitten von sammen segen / etlichen ihre eigene Kinder gebraten[36] zur Speise fürsetzen ließ. Didius und Livius Drusus wetzten gleichwol durch etliche vortheilhafftige Treffen die Scharte ein wenig wieder aus; westwegen dem ersten ein Siegs-Gepränge verstattet / dem andern viel Ehrenbezeigungen geleistet wurden. Alleine Sothymus versetzte den Römern bald eben so viel; drang bis in das innerste Macedonien / und erlegte den ihm begegnenden Cajus Sentius mit dem grösten Theile seines Heeres. Wordurch denn Macedonien etliche Jahr nach einander den Thraciern zu täglicher Beute geöfnet ward. Als aber Mithridates Eupator alle Bürger in Asien erschlug / und fast umb das gantze Euxinische Meer den Meister spielte / kamen die Thracier recht zwischen Thür und Angel; indem sie nicht wusten: ob sie für seiner oder der Römischen Macht sich nunmehr fürzusehen hätten. Mithridates aber kam selbst in Thracien / und beredete sie durch sein gewafnetes Bitten / wie auch durch der mit ihm schon verbundener Scythen und Sarmater Dreuen sich für ihn gegen die Römer zu erklären / und diese durch stete Einfälle zu beunruhigen. Ja der tapfere Thracische Fürst der Bessen Arcathias drang bis an den Fluß Peneus durch / in Meinung den Sylla davon abzuziehen; Und des Königs Bruder Dromichetes nam Amphipolis stürmender Hand ein / spielte in gantz Macedonien den Meister / drang in Epirus / eroberte die Stadt Dordona; und weil die Pristerinnen / welche man Tauben hieß / dem Dromichetes nicht wahrsagen wolten /oder mehr konten / zündeten sie den Tempel zum dritten mal an / und hieben in dem Walde darumb viel dem Jupiter und der Pallas gewiedmete Eichbäume umb. Als auch Athen vom Sylla hart bedrängt ward /drangen Taxiles und Dromichetes mit hundert-tausend Thraciern und Geten zu Fusse / zehn-tausend Reitern und neunzig Sichel-Wagen in Attica / und belägerten die zwischen dem Daulischen und Locrischen Gebürge liegende Stadt Elatea; wordurch Sylla zwar von der Belägerung abgezogen / alleine Taxiles durch der Römer List und des Mithridatischen Feld-Hauptmañs Archelaus Unvorsichtigkeit / oder vielmehr gar durch seine Verrätherey geschlagen wurde. Sintemal dieser Archelaus wider des Taxiles und des Aristions Rath das Heer mit Fleiß zwischen enge Klüffte führte / da sie weder Reiterey noch Sichel-Wagen brauchen konten / und endlich gar zu den Römern meyneidig übergieng. Nach dem aber Mithridates mit dem Sylla nicht zum völligen Friedens-Schlusse kommen konte / und bey des / den Sylla ablösenden Bürgermeisters Flaccus Ankunfft der Römer Anstalten zimlich verwirrt wurden / fiel Taxiles und Dromichetes aufs neue in Macedonien; also daß Sylla selbst aus Asien den Thraciern zu steuern dahin seine Macht führen muste. Taxiles und Dromichetes wichen zwar in Thracien zurücke / und Sylla folgte ihnen in die Landschafft Medea; nach dem sie sich aber mit etlichen tausend Odrysen und Deutschen verstärckten / muste Sylla über den Fluß Ganga und Strymon wieder in Macedonien weichen. Worauf es denn bald mit dem Mithridates und ihnen zum Frieden kam. Weil aber Murena ohne Ursache den vom Sylla beliebten Frieden brach /und der aus dem Bosphorischen Reiche sieghaft zurück kommende Mithridates gegen die Römer die Nothwehre ergreiffen muste / meinten die Thracier: Sie könten als Friedens-Genossen mit Ehren nicht zu Hause bleiben / durchstreifften also gantz Macedonien. Dolabella nöthigte sie zwar sich wieder über den Fluß Strymon zu ziehen / und hielt destwegen ein Siegs-Gepränge; der nach ihm kommende Appius Claudius aber bediente sich der zwischen denen Odrysen / Edonen und Thracischen Deutschen erwachsenden[37] Uneinigkeit / und schlug etliche mal die allein gelassenen Thracier in Mädica / drang auch über den Berg Rhodope biß an die Stadt Brendica; worvon die Römer ein eiteles Geschrey machten / sam Appius biß zu denen noch wol zehn Tage-Reisen entfernten Sarmatern kommen wäre. Die Trausier und Agathyrser aber jagten ihn so wohl als den Piso / welchen des Odrysischen Königs Sothymus Sohn und Reichsfolger Cotys der dritte verhetzte: daß er den zu ihm auf guten Glauben kommenden Thracischen Könige in Bestica Rabocentus den Kopf abschlagen ließ / mit grossem Verluste über Hals und Kopf wieder übers Gebürge /und die Odrysen vollends gar aus Thracien. Der dem Appius in Macedonien nachfolgende Landvogt Scribonius Curio wolte zwar diesen Schimpff rächen /aber / weil die unter dem Appius geschlagenen Römer die Gebürge und die Grausamkeit der rauhen Thracier nicht arg genung abmahlen konten / dorfte er es mit funfzig Legionen nicht wagen. Daher schloß er seine Rache über die Dardaner / welche Nordwerts unter dem Berge Scodrus und Hämus liegen / auszuschütten. Als aber sein Kriegsvolck vernahm: daß die Dardaner vom Ursprunge Thracier wären; stutzte es / ja die eine Legion weigerte bey Dyrrhachium ihm gar den Gehorsam fortzurücken; also: daß er selbige unter die vier andern unterstecken muste / mit denen er biß an den Fluß Moschius kam / und hiermit seinen Ehren ein Genügen gethan zu haben vermeynte. Denn weil die Thracier inzwischen gantz Macedonien mit ihren Streiff-Rotten erfüllten / muste er dem Brande seines eigenen Hauses zulauffen. Worauf denn Mithridates nicht nur mit den Thraciern / sondern auch mit den Bastarnen wider die Römer ein Bündnüß schloß / und diesen / als den zwey streitbarsten Völckern zweyfachen Kriegs-Sold reichte / und durch ihre Tapferkeit den Cotta mit seinem Heere aufs Haupt erlegte. Als Mithridates in Asien alle äuserste Mittel versuchte /die vom Lucullus belägerte Stadt Cycicum zu entsetzen / fiel Curio unversehens in Dardanien ein / scharrte daselbst viel Geldes zusammen / ließ denen Edlen die Hände abhauen / und etliche tausend Ergebene unmenschlicher Weise abschlachten. Von dar rückte er in Mösiẽ über den Fluß Margis biß an den Ister und den darein flüssenden Strom Ciabrus. Worvon die Römer abermals aussprengten: daß Curio biß an das Ende des Isters und des nie betretenen Daciens kommen wäre. Kurtz darnach / als Mithridaten alles Fürnehmen in Asien krebsgängig ward / traff auch Thracien sein Unstern. Denn Marcus Lucullus ging durch der Dantheleten Landschafft an dem Flusse Hebrus mit einer grossen Macht herunter biß zur Stadt Oresta. Von dar wendete er sich am Flusse Tearus hinauf / drang über den Berg Hämus / und durch das niedrige Mösien / bey Arubium über den Ister biß an den Fluß Tyras / welchen die Römer aber / wie des grossen Alexanders Kriegsleute den Fluß Jaxertes /für den Fluß Tanais / und seinen daran hangenden See für die Meotische Pfütze ansahen; gleich als wenn über dem Tanais mehr keine Menschen wohnten / und also niemand mehr zu überwinden wäre. Alleine dieser Einbruch war mehr eine Durch-Reise / als Uberwindung der Thracischen Völcker; und verursachte gegen die Römer eine solche Verbitterung: daß die diß erfahrenden Thracier / welche der flüchtige Mithridates in Asien im Stiche gelassen / Lucullus aber in Römische Dienste gezogen hatte / in Armenien vom Marcus Fabius abfielen / wider diesen dem verfolgten Mithridates einen herrlichen Sieg erstritten; ihn in der Stadt Cabira belagerten / ja den Römern den Krieg nunmehr so sauer machten: daß sie dem Lucullus ferner zu folgen weigerten. Ob nun wohl Pompejus / oder vielmehr das wider ihn kriegende Verhängnüß Mithridaten in[38] Scythien verjagte / so trugen ihm doch die Thracier ihr Land zu einem Sammel-Platze an / und daß sie mit ihm in Italien einbrechen wolten. Ja als er ihm endlich verzweifelnd selbst das Leben nahm / hielten es doch die Thracier ihnen noch nicht für anständig sich für den Römern zu demüthigen. Cajus Antonius ward zwar geschickt /nachdem für dem Pompejus das gantze Euxinische Meer zitterte / Thracien zu bändigen; aber er verlohr unter dem Berge Cercina und Orbelus drey Feldschlachten / und muste mit Schaden und Schande in Macedonien weichen. Nach dieser Zeit blieb Thracien / weil das Römische Reich sich selbst in Zwytracht und in bürgerlichen Krieg verwickelte / unter dem dritten Cotys eine geraume Zeit unangefochten; und weil der Friede die Zeit der Weißheit ist / wurden die wilden Sitten und kriegerische Neigungen der Thracier durch ihren berühmten Weltweisen Dionysius /den dahin kommenden Apollonius / Tyrius und Philiscus gemiltert / und auf Königliche Kosten der Adel in der Weltweißheit unterrichtet. Ja der von Rom verwiesene Cicero kam selbst nach Zerinth in Thracien zum Philiscus / und erholete sich bey seinem Elende von ihm heilsamen Trostes. Wiewohl Philiscus ihm zugleich wahrsagte: daß / wenn er sich wieder nach Rom locken liesse / ihm sein Haupt abgeschlagen /und auf dem Marckte iedermanne zum Gespötte fürgelegt werden würde. Ja Thracien stieg damals in so grosses Ansehen: daß als Cäsar nach überwundenem Gallien mit seinem Heere wider den Pompejus gegen Rom im Anzuge war / die edelsten Römer sich dahin ihrer Sicherheit halber flüchteten. Diese brachten durch Vergällung des ehrsüchtigen Cäsars es auch beym Thracischen Könige Sadal / welchem sein Vater Cotys noch bey seinen Lebzeiten halb Thracien übergab / so weit: daß als er den Pompejus bey Dyrrhachium gleichsam belagerte / Macedonien und Thessalien durchstreiffte / er dem Pompejus Lufft zu machen für die Römische Freyheit mit einem mächtigen Heere in Macedonien einfiel / und bey dem Flusse Erigon Cäsars Feldhauptmann Cassius Longinus mit seinem Heere auffs Haupt erlegte; den Domitius Calvinus aber in Thessalien zu weichen nöthigte; also: daß nachdem Cäsar auch bey Uberfallung der Stadt Dyrrhachium gewaltig den Kürtzern zog / er ziemlich ins Gedrange kam / und gleichfalls in Thessalien weichen muste. Zu allem Unglück aber ließ Pompejus die Ungeduld seiner Kriegsleute seine kluge Rathschläge Cäsarn durch Abschneidung der Lebens-Mittel abzumergeln / und durch Aufzüge seinen Eifer stumpf zu machen / verterben / also sich verleiten: daß er wider seinen / ja wider der ihn durch viel unglückliche Zeichen warnenden Götter Willen in den Philippischen Feldern alles auf die Spitze einer Schlacht setzte / und seiner sonst gewohnten Klugheit nach nicht behertzigte: daß wer den meisten Stimmen sich unterwirfft /sich zum Knechte des Volckes mache / da ein Fürst doch keine Bothmässigkeit als die der Vernunfft über sich erkennen soll. Pompejus thät zwar sein bestes /Sadal der Thracier / und Dejotar der Galater König wehrten auch ihren Mann / und hielten mit ihrer Reiterey das Pompejische Heer lange Zeit im Stande; aber endlich warff mehr das Verhängnüß als Cäsars Waffen alle Anstalt über einen Hauffen. Als nun gleich alles in der Flucht war / hielten doch Sadal und Dejotar Stand; also: daß sie beyde umbringt und gefangen wurden. Aber Cäsar lobte ihre Tapferkeit und Freundschafft gegen dem Pompejus; und weil er die Thracier und Galater nicht gerne zu Feinden haben wolte / ließ er beyde mit allen Gefangenen und beygefügten Geschencken loß. Diese Großmüthigkeit Cäsars verband beyde Könige: daß sie ihm wider den Bosphorischen König Pharnaces / Mithridatens Sohn ansehliche Hülffe schickten. Wie nun Cäsar hierauf vom Marcus[39] Brutus und Cajus Cassius erstochen ward / Antonius / Lepidus und Octavius aber sich mit einander verknipften / Cäsars Tod zu rächen; hingegen der Römische Rath dem Marcus Brutus Macedonien / dem Cassius Syrien / dem Sextus Pompejus die Schiff-Flotte in Sicilien anvertraute; bald aber sich mit des Octavius Ankunfft nach Rom das Blat wendete / und allen Mördern des Julius Laub und Gras versagt ward / und doch der von Rom verjagte Adel zum Brutus und Cassius seine Zuflucht nahm; bemeisterte Cassius Syrien und Asien; zwang Dolabellen sich in Laodicea selbst zu tödten; Brutus aber nahm den Cajus Antonius gefangen / brachte Epirus und gantz Griechenland in seine Gewalt; und als ein Beschirmer der Freyheit verdiente er: daß zu Athen sein und des Cassius aus Ertzt gegossene Bilder zwischen die Säulen des Harmodius und Aristogitons gesetzt wurden; und der Galater König Dejotar / wie auch Cotys der vierdte / welchen die Wessen wider seinen Bruder Sadal zum Könige neulich erwehlet hatten / mit ihm in Bündnüß trat. Dieser unbedachtsame König Sadal fing anfangs mit sich selbst / hernach mit seinem Bruder einen muthwilligen Krieg an / und öffnete nicht allein die Thracischen Pforten den Ausländern / welche die Natur mit so viel steilen Bergen und tieffen Strömen verriegelt / und des Volckes Hertzhaftigkeit verwahret hatte; sondern er zündete auch das erste Feuer des Unglücks an / welches hernach gleichsam gantz Thracien eingeäschert / da doch diß Land so lange Zeit durch die Klugheit voriger Könige für dem Einbruche des grossen Mithridates und der Uberschwemmung der zu Zerdrümmerung der grösten Reiche versehener Römer erhalten worden war.

Dieser Sadal war des Königs Cotys ältester Sohn /ein wohlgestalter und nicht nur in Ritter-Spielen fertiger / sondern auch ein hertzhafter und verschmitzter Fürst. Sein Bruder Cotys der vierdte / war zwar nicht so schön und hurtig; aber er hatte zur Ruh und Weltweißheit / darinnen ihn Dionysius und Philiscus unterwiesen / einen sonderbaren Zug. Dahingegen jener hierfür eine Abscheu trug / und wenn dieser seinen Lehrmeistern zuhörte / auf der Renebahn / oder auf der Jagt sich ergetzte. Nach dem Unterscheide dieser Gemüther setzte Cotys seinem Sohn Sadal noch bey Lebzeiten die Thracische Krone auf; seinen Bruder Cotys aber erklärte er zum obersten Priester des Bacchus. Welche Würde nach dem Könige die erste ist; indem diesem Priester alle Fürsten des Geblütes weichen; seine Einkünfte aber ein Drittel der Königlichen übersteigen. Des Cotys Geblüte und Gemüthe war dergestalt dem Könige Sadal recht brüderlich zugethan / und von aller Mißgunst entfernet; die väterliche Liebe des ältern Cotys aber sann Tag und Nacht nach / des Sadals Glückseligkeit durch eine anständige Heyrath vollkommen zu machen. Sintemal ihm nichts mehr / als diese Chimere im Kopfe steckte /noch bey Lebzeiten auf viel Jahre hinaus seine Reichsfolger zu schauen / und sein Geschlechte zu verewigen. Sadal hingegen hatte zu nichts wenigerm einen Zug als zur Liebe / und nichts schien ihm abgeschmackter zu seyn / als sich verheyrathen. Diese Abscheu aber rührte von nichts anderm / als von einer angebornen Eifer-Sucht her; welche sonst eine Miß-Geburt der Liebe ist; hier aber im Hertzen König Sadals die Empfängnüß der Liebe ja aller andern Gewogenheit hinderte / und gleichsam gantz unfruchtbar machte. Denn ob er gleich hertzhafft / freygebig / klug und geschickt war; so war er doch aller ausser ihm sich befindenden Hertzhaftigkeit / Freygebigkeit /Klugheit und Geschickligkeit gram / wenn gleich selbte ihm zum besten angewehret wurden; gleich als wenn diß / was an ihm Tugend wäre / in andern Gemüthern eben so wohl als der Safft der Blumen auf der Zunge der Kröten zu Gifte würde. Dieser gewaltsame Trieb aber war[40] bey ihm in nichts heftiger / als in der Liebe; also: daß weder die Herrschsucht der ihn weder Egyptischen Königin Cleopatra / das fürnehme Geblüte des Bosphorischẽ Königs Pharnaces Tochter / die alte Verwandnüß des Denthelischẽ Königs Sitas Schwester / das feste Bindnüß und die Schönheit des Getischen Königs Roles Baase / welche König Cotysalle seinem Sohne fürschlug / zu heyrathen bewegen konte / sondern er seinem Vater rund heraus bekennte. Alle Verbindligkeit wäre ihm unerträgliche Pein. Keine heßliche könte er lieben / aus einer natürlichen Abscheu. Keine Schöne wolte er / umb nicht zugleich von der Eifersucht eines Ehmannes und Liebhabers gequälet zu werden. Ohne Liebe aber eine zu heyrathen gäbe zwar die Staats-Klugheit / aber nicht seine Großmüthigkeit zu. Cotys hielt diese Widerwertigkeit lange für einen Wahn / welchen Zeit und Vernunfft wie der Wind den Rauch zertheilen würde. Er sahe selbte aber nach und nach zu einer unauflößlichen Hartnäckigkeit werden; also: daß da er anfangs noch bey Hofe die Gemeinschafft schönen Frauenzimmers vertragen konte / und doch gegen die / darein sich andere verliebten / ehrerbietig war; hernach ihre Anwesenheit vermied / und wo sie unvermeidlich war / augenscheinlichẽ Verdruß spüren ließ. Aber alles diß bestürtzte seinen Vater nicht so sehr / als diese Begebnüß. Am Tage / da gantz Thracien das Feyer des Bacchus beging / war der gantze Königliche Hof im Tempel des Bacchus zu Oresta; welche Stadt vom Orestes den Nahmen bekommen / der daselbst vom baden im Hebrus soll seiner Unsinnigkeit loß worden seyn. In demselben standen drey alabasterne Bilder des Bacchus / der Ceres / und mitten inne der Venus /mit der Uberschrifft an dem Fusse: Ohne süssen Wein und Brodt / ist die Liebe kalt und todt. Diese Bilder waren ein Meister-Stücke des Phidias /und bey Einäscherung der Stadt Corinth noch nach Athen gerettet / vom Mithridates aber seiner Kostbarkeit halber nach Panticapeum geschickt / endlich aber vom Pharnaces aus einem Gelübde in diesen Tempel verehrt worden. Sadal hatte seinem Bedüncken nach niemals was vollkommenes angeschaut; also daß er sich daran nicht satt sehen / noch sich über der Kunst genungsam verwundern konte. Er ging diesen Bildern zu Liebe fast täglich in Tempel; und wuste allemal etwas neues / insonderheit aber an der Venus zu rühmen. Er ließ auch aus dichtem Golde einen Leuchter /wie des Callimachus zu Athen ist / dafür aufhencken /alle Tage den Bodem darumb dreymal mit frischen Blumen bestreuen / und Weyrauch anzünden. Ja wenn er nicht vorher eine Stunde lang seine Augen an diesen Steinen geweidet hatte / war er zu allem Thun verdrossen / und sein Unvergnügen sahe ihm aus den Augen. Hingegen erzeigte er sich in Anschauung derselben über seine Eigenschaft freudig; er vergab daselbst unterschiedene Reichs-Aempter; und dreyen /die das Leben verwürgt hatten; und auf etlicher Höflinge schlaue Anstiftung dieser Venus halber umb Gnade baten / erließ er alle Straffe. Mit einem Worte: König Sadal war in diese Bilder allem Ansehen nach heftiger / als Pigmalion in seines verliebt. Das Volck /welches einen heftigern Trieb hat ihren Fürsten durch Nachaffung zu heucheln / als den Göttern mit Andacht zu dienen / drang sich desthalben Tag und Nacht in Tempel / ja die Entferneten reiseten von den äusersten Gräntzen Thraciens diesen Bildern zu gefallen nach Oresta / und richteten eine grosse Wallfarth daselbst an. Allein diese sonst so beliebte Heucheley verursachte dem eifersüchtigen Sadal eine ungemeine Gramschafft; als dessen Gemüthe fremder Vergnügung so neidig war: daß er auch gar den Sonnenschein ihm allein zugeeignet hätte. Daher that er ihm durch unterlassene Besuchung der Bilder nicht allein selber weh; sondern hielt auch bey[41] seinem Bruder Cotys / als obersten Priester an: Er möchte den Tempel des Bacchus nur wie den zu Athen des Jahres nur einmal öffnen lassen. Als aber Cotys solches als unverantwortlich entschuldigte; weil die Andacht zu Gott so wenig als die Anschauung des Himmels keinen Augenblick ohne Sünde verwehret werden könte; saan er auf Mittel und Wege diese allgemeine Vergnügung zu stören. Wenig Tage darnach brachte ein berühmter Bildhauer etliche Bilder nach Oresta / und darunter eine helffenbeinerne Venus / welche zu Pella in dem Gemache der Königin Olympia gestanden hatte / zu verkauffen. Diese Venus both er umb tausend Talent. Der Statthalter zu Oresta lachte darüber /und sagte: Wer für ein ausgedrechseltes Stücke Elefanten-Zahn eines Elefanten schwer Silber geben wolte? Der verschmitzte Bildhauer versetzte: Niemand / als ein großmüthiger König in Thracien. Welches den König Cotys so vergnügte: daß er ihm so viel / als er gefordert hatte / zu zahlen befahl. König Sadal befand sich über dieser Vergnügung seines Vaters aufs höchste unvergnügt; fing daher an: Wenn diß Helffenbein für tausend Talent nicht zu theuer wäre; schätzte er die alabasterne Venus in dem Tempel des Bacchus für den in Silber verwandelten Berg Rhodope zu wohlfeil. Cotys ward hierüber empfindlich / und fing an: Ich habe mich an diesem Bilde nicht überkaufft / weil mir es die Wissenschafft beybracht hat: daß Sadal etwas in der Welt / nemlich einen Stein zu lieben fähig sey / und daß er hoffentlich an diesem zu lernen anfangen werde mit dem Frauenzimmer keine ewige Ehscheidung zu hegen. Sadaln ging dieser Stich durch die Seele; und ob er sich gleich mässigte dem Vater zu antworten / verfügte er sich doch noch selbigen Abend in Tempel / und schlug mit einem eisernen Hammer die alabasterne Venus in Stücken. Nicht besser hätte er es der Ceres und dem Bacchus mitgespielet / wenn nicht die Tempel-Knechte herzu kommen / solchen Verterb verwehret / ja den König Sadal gar als einen Verunehrer des Heiligthums aus dem Tempel zu weichen gezwungen hätten. König Cotys ward hierüber nicht so wohl wegen entweiheten Heiligthums / als wegen seines Sohnes Unart / welcher doch kurtz vorher durch seine wider den Longinus und Calvinus erhaltene Siege so grosse Hoffnung von sich hatte blicken lassen / aufs äuserste bekümmert / iedoch seine väterliche Liebe so heiß: daß sie diese / wiewohl auch sein väterlich Ansehn rührende Hartnäckigkeit verdeyete. Zumal da Cotys durch die Krönung seinen Sohn ihm nichts minder schrecklich / als gehässig gemacht / und sich seiner Gewalt in Schrancken zu halten begeben hatte. Denn in dem Sadal König war / erkeñte er mehr niemanden über sich. Weil er aber nur das halbe Reich hatte /war er unvergnügt / und desto begieriger darnach. Also muste der Vater mehr auf Besänftigung / als Bändigung seines Gemütes sinnen; dessen ihm die völlige Herrschafft vorbehaltendes Leben ihm beschwerlicher / als die Kleinigkeit seines Reiches war. Diß ereignete sich gleich dazumal / da Brutus die Städte Xanthus / Patara und Myrä einnahm / und gantz Lycien bezwang; also sich in Asiẽ und Griechenland in höchstes Ansehẽ / Thracien auch in nicht geringe Furcht eines Uberfalls versetzte. Die Könige der Mösischẽ Getẽ und Bastarnen Roles und Deldo sperrten gegen des ihnen wenig geneigten Brutus Glücke gleichfalls die Augen auf / und beliebten in der Stadt Appiaria zwischen dem Ister und Escamus eine Zusammenkunft / schlossen auch nach dreyer Tage Unterredung für ihre gemeine Sicherheit gegen alle sich herfür thuende Feinde ein Schutz-Bindnüß. Mit dem Könige Deldo war seine Gemahlin Gertha und seine Tochter Apame mit nach Appiaria kommen / umb ihre Schwerster die Getische Königin Morava und ihre Tochter Deiphyle heimzusuchen. Diese zwey schönen Königinnen waren wie ein Ey dem andern ähnlich; ihre Töchter konten auch durch die[42] gantze Welt für halbe Wunderwercke der Schönheit gelten. Als diese beyde aber bey einander gesehen wurden /stach die unvergleichliche Apame Deiphylen eben so /wie der umb diese Zeit zwier-gefärbte Tyrische Purper / den alten Feilgen-blauen / und den Tarentinischen rothen weg. König Cotys kriegte diese Bastarnische Fürstin in der Königin Morava Zimmer so bald nicht zu Gesichte; als sein Hertze an statt seines Sohnes die allerempfindlichste Regung empfand. Denn ungeachtet die greise Zeit bey diesem Greisen schon alles andere Feuer ausgelescht hatte; war doch das Feuer seiner väterlichen Zuneigung in seinem Hertzen so thätig: daß es aus einer kräfftigen Einbildung in sich auch die Liebe empfand / darmit er seines Sohnes Seele angesteckt zu seyn wüntschte. Daher konte er sich nicht mässigen noch selbigen Abend seinem Sohne von ihr Meldung zu thun / und ihn zwar derogestalt zu versichern: daß wenn Apame nicht sein Hertz zu rühren mächtig wäre / würde er sein Lebtage einen Grund-Stein der Unbewegligkeit abzugeben geschickt seyn. König Sadal fragte seinen Vater unverwendeten Fusses: Ob er Apamen ihrer Schönheit halber so hoch schätzte? In alle wege / antwortete Cotys. Denn alle vorhin von ihm gesehene Schönheiten wären gegen Apamen nur ein Schatten. Wenn die Göttin der Liebe allzu sehr beschäftigt wäre / oder müde würde / könte sie Apamen zu ihrer Gehülffin oder Vertreterin erkiesen die gantze Welt verliebt zu machen. Wenn des Aegiensischen Jupiters Priesterthum so wohl der schönsten Jungfrau zu vergeben wäre / als es den allerschönsten Gaben anvertrauet werden muß / würde sie es für allen Lebendẽ behaupten. Ja / wer Apamen einmal gesehen / solte ihm / wie Democritus / selbst die Augen ausstechen / wormit sie nach ihr nicht mit Anschauung etwas geringerns beleidiget würden. So werde ich sie / versetzte Sadal /so viel weniger zu lieben / oder auch nur zu schauen mich überwinden können. Cotys erblaßte / und fing an: Was denn in ihm so unbegreiffliche Entschlüssungen erregte? Nichts anders / sagte Sadal; als daß ich /wenn ich sie einmal schaue / mir mißtraue: daß ich mich sie zu lieben enthalten könne; da doch mein Gemüthe für unerträglich hält / etwas zu lieben / darein andere verliebt seyn können. Cotys begegnete ihm mit abermals veränderter Farbe: Bist du denn nicht mein /sondern der Nacht Sohn: daß du eben so für der Schönheit / als die Finsternüß für der Sonne fleuchst? Also überwinde dich doch / sie zu sehen / wo du dich anders von ihr gesehen zu werden würdig schätzest. Denn wie unhold du dich gleich der Schönheit zu seyn anstellest / so bin ich doch mehr bekümmert: ob du ihr gefallen werdest / als daß sie dein gantz Gemüthe umbkehren / und dir süssere Gedanckẽ eindrücken werde. Beyde redeten derogestalt verwirret mit einander; als König Roles in des Cotys Zimmer trat; und so wohl ihn als den Fürsten Sadal auf einen Spatzier-Saal leitete / umb aus selbtem einen Kampf zwischen Bären / Ochsen / Luchsen / Wölffen und Hunden zuzuschauen. Alles Königliche Frauenzimmer war da selbst zugegen; also daß Sadal nichts minder die Fürstin Apame / als andere mit geziemender Höfligkeit unterhalten muste. Ja weil Cotys die Königin Morave / Roles die Königin Gartha / Deldo die Fürstin Deiphyle nebst sich in die absondern Fenster zohen /ward Sadal gleichsam gezwungen Apamen für sich zu erwehlen. Jedoch dorffte es mehr keines so grossen Zwanges. Denn Sadal war durch den ersten Anblick schon so weit gewonnen: daß seine Gramschafft sich verlohr; und hatte keine Virtel-Stunde nebst ihr dem Thier-Kampfe zugesehen; als sein Hertze schon ein viel unruhiger Kampf-Platz ward; indem die Liebe darinnen seine Hartneckigkeit eifriger / als die wilden Thiere einander zu bestreiten bemüht waren. Es traff sich auch gleich: daß zum ersten gleichsam zu einer besondern Andeutung drey zahmere Thiere drey wildere / nemlich ein Ochse einen Bären / ein Hund einen Luchs / und ein Pferd[43] einen Wolf überwand; hernach sich aber meistentheils das Widerspiel ereignete. Inzwischen konte sich Sadal nicht erwehren: daß seine Gedancken sich miteinander überworffen; ob er nicht / weñ Apame aufhörte so gar schön zu seyn / so deñ sie zu liebẽ schlüssen und umb sie werben solte. Kurtz darauf fühlte er sich eine gewisse / aber ihm gantz fremde Bewegung in sein Hertz einspielen; welche nach einer verworrenen durcheinander-Gehung sich in ein Verlangen Apamen zu gefallen verwandelte. Alleine Apamens holdselige Gespräche dämpften noch für Ende des Kampfes und selbigen Tages alle noch übrige Dünste seiner gehabten seltzamen Meynungen: daß er Apamen / wenn es ihr auch möglich wäre / noch schöner zu werden für liebens-würdig erkennte. Er eröffnete es noch selbigen Abend seinem Vater Cotys; welcher aber seine Veränderung schon beym Thier-Kampfe angemerckt hatte. Denn ob zwar des Frauenzimmers höfliche Bedienung zum Wesen eines wackeren Edelmannes gehöret / und daher so wohl von einer ungerührten Seele / als von einem brennenden Hertzen herrühren kan / wissen doch vernünftige Aufschauer Höfligkeit von Liebe leicht zu unterscheiden. Bey dieser Anmerckung war niemand froher als Cotys über so heilsamer Erleuchtung seines bißher in der Liebe gleichsam aberwitzigen Sohnes. Daher rieth er ihm: Es wäre nunmehr weder Zeit noch Gelegenheit zu versäumen / sondern das Eisen zu schmieden / weil es warm wäre. Denn ihre Reichs-Geschäffte vertrügen kein langes Abseyn aus Thracien. Apame aber wäre eine solche Perle /welche sich nicht von ferne / oder durch iemand andern fischen liesse / noch auch lange ungefischt bleiben würde. Denn er hätte die gewisse Nachricht: daß der König in Scythien / der der Dacier / und der Roxolanẽ umb sie zu überkommen alle Mögligkeit versuchten. Sadal ließ selbigen Abend ihm alles gefallen; nachdem er sich aber selbst die gantze Nacht schmertzlich beunruhigt / gab er auf den Morgen seinem Vater zu verstehen: Es wäre ihm unmöglich sich zu einer Heyrath mit Apamẽ zu entschlüssen. Als Cotys nun die Ursache eines so geschwindẽ Zurücksprunges wissen wolte / fuhr Sadal heraus: Ich kan Apamẽ unmöglich heyrathen. Denn ich liebe sie zu sehr. Cotys konte sich des Lachens nicht enthalten /und fing an: Du wilst dich nicht verheyrathen aus Liebe? ich aber habe mein Lebtage nicht anders geglaubt: Man könne sich vernünftig nicht verheyrathen ohne Liebe / und zwar nicht ohne eine sehr heftige. Denn ob ich wohl weiß: daß Fürsten ins gemein aus Staats-Ursachen wie Blinde / eine nie gesehene Waare kauffen müssen; so wil ich doch keinem meiner Kinder iemals rathen / aus der Heyrath ein Gewerbe zu machen / und ihm die Dienstbarkeit aufzubürden: daß es was lieben müsse / was der Liebe nicht werth sey. Ja ich halte die Eh ohne Liebe nicht nur für einen Tag ohne Sonne / sondern für ein wahrhaftes Grab der Lebendigen. Nach einem langen Unterrichte brachte Cotys seinen Sohn wieder auf den rechten Weg / und zu der Entschlüssung / Apamen zu heyrathen. Er kam daher selbigen Tag mit nichts minder festem Vorsatze / als freudiger Gebehrdung zur Königlichen Taffel; welche auf einem kleinen Eylande des Isters gehalten /und mit einer Wasser-Jagt beschlossen ward; in welcher Roles über tausend Hirsche durch den Ister schwemmen / Apame aber anmercken ließ: daß ihre Hände nicht weniger mit dem Bogen / als ihre Augen mit den Blicken das Wild zu fällen verstünden. Wie grausam sie nun gegen diese Hirschen war / so annehmlich bezeigte sie sich gegẽ dem Könige Sadal; also: daß seine Hoffnung ihm schon einen gewünschten Ausschlag wahrsagte. In dieser verharrete er biß auf den Abend; da König Roles in einem Garten Sybariten das Getichte vom Orpheus und von Eurydicen nach neun Leyern tantzen ließ. Diese drückten des Orpheus Leid über der Eurydice Tod / seinen lieblichen Lobgesang der Götter in der Hölle des bittere Thränen vergiessenden Pluto und der Proserpina Mitleiden / der Eurydice Freude über[44] Erblickung ihres Orpheus /beyder zurückkehrenden Liebes-Umbarmungen / der zurück sehenden Eurydice Verschwindung / des darüber erstaunenden Orpheus Verzweifelung / den Gri des Bacchus gegen den Orpheus / weil er ihn nicht in der Hölle besungen / das Rasen der den Orpheus zerreissenden Bacchen; Die Zusammenlesung seiner Glieder von den holdseeligen Musen durch ihre blosse Gebehrden so eigentlich aus: daß niemand ohne Empfindligkeit zuschauen konte. Zwischen jedem der neun Abtheilungen sangen etliche der Cybele gewiedmete verschnittene Priester / welche Orpheus zum ersten aus Egypten in Thracien gebracht hat / und so viel Lydische Sängerinnen / welche nach des Andramytys oder des Gyges erster Erfindung ebenfals verschnitten waren / mit einer überirrdischen Liebligkeit die durch solch Getichte angedeutete Sitten-Lehre. Am Ende beschlossen sie mit diesen beyden Sätzen:


Die Lieb' ist mehr als Zucker-süß' /

Ein Lebens-Saltz / der Menschen Honig-seim /

Der Geister Kost / ja gar der Götter Leim /

Und ein selbst-ständig Paradiß /

Ein Himmel in der Unter-Welt.

Doch muß sie offt auch mit dem Tode ringen /

Wenns dem Verhängnüsse gefällt /

Zur Hölle fahrn und Todte wieder bringen.


Die Lieb' ist stärcker als der Tod /

Denn sie hält auf kein Grab und Leichen-Stein.

Sie duldet mehr / als Höll- und Sterbens-Pein /

Und schöpft Vergnügung aus der Noth.

Sie drücket Leichen an die Brust /

Die Grufft weiß ihr ein Eh-Bett' abzugeben;

Ja Schmertz und Ach ist ihre Lust

Ein treuer Tod ihr süsser als das Leben.


Nach dem Beschlusse des Tantzes und des Singens fieng Apame lächelnde an: Es gehöret eine noch vollkommenere Liebligkeit / als diese gewest / darzu: daß sich die / welche nie geliebt haben / bereden lassen sollen: die Bitterkeit der Liebe sey süsse / und der Tod vergnüglicher / als das Leben. König Sadal / in dessen Hertze nichts tieffer / als die Eyversucht eingewurtzelt war / wolte die Gelegenheit nicht versäumen Apamen zu fragen: Ob sie denn noch keinen Vorschmack von der so süssen Liebe geschmäckt hätte? Apame antwortete: Niemals gar keinen; sondern ihre Bande haben mich allezeit allzu rau zu seyn bedeuchtet; und glaube auch noch: daß der / welcher sich von ihr fässeln läßt / vorher müsse verblendet werden /wormit er derer sie begleitenden Beschwerligkeiten nicht gewahr werde. Aber meine Lehrmeister / versetzte Sadal / haben mich unterrichtet: daß die Liebe den Menschen allererst sehend / ja auch lebend machte. So haben / fieng Apame an / die Sänger wol recht: daß der Tod süsser als das Leben sey; und ich werde von nun an dem Wahne beyfallen: daß die Blinden sich in ruhigerm Zustande befinden / als die Sehenden. Aber / sagte Sadal / hat denn Apame keinen von denen ins Gesichte bekommen / die sie angebetet haben? Ich bin keine Göttin / begegnete ihm Apame; daher habe ich mir auch nie eingebildet: daß mich jemand anbetete. Hat mich aber ja jemand geliebt / so habe ich von diesem Feuer noch keine Wärmbde verspürt. Wiewol ich von Art schwer zu bereden bin: daß mich jemand liebe. Niemand in der Welt hat mehr Ursache / sagte Sadal / in diesem Stücke leichtgläubiger zu seyn / als Apame. Denn außer ihr ist kein Mensch würdiger geliebt zu werden / als sie. Daher kan ich ihren Zweifel keiner andern Ursache zuschreiben: als daß sie keinen Unterscheid wahrnehmen kan / weil sie so viel Liebhaber / als Anschauer hat. Apame brach ein: Ich verstehe mich auf den Schertz besser / als auf die Liebe. Wie dem aber sey / so habe ich weder in meinem / noch in einem frembden Pulße einige Veränderung wahrgenommen. Ist es aber möglich / sagte Sadal: daß man geliebt werde / und in sich gantz unveränderlich bleibe? Apame antwortete: Mein Gemüthe ist noch nie verrückt worden / und bin ich nach Apiaria kommen / ohne daß mir jemand gefallen /oder ich gewüst habe / was Liebe sey. Diese Worte ließ sie mit[45] einer solchen Anmuth heraus: daß sich Sadal beredete: Apame hätte ihn allein aus allen /welche ihr nicht gefallen / deutlich ausgeschlossen; da sie ihre Unempfindligkeit nur bis zu ihrer Ankunfft nach Appiaria eingeschrenckt. Daher fieng er nach einem tieffen Seufzer an: Wolte GOtt! daß Apame denn gelehrter / und Sadal glücklicher aus Appiaria reisen möchte. Apame färbte sich hierbey ein wenig und fieng an: Ich wünsche beydes von Hertzen / aber nur keine andere Wissenschaft / als die mich eben so wol nicht unglücklich macht. Ist es denn eine Unglückseeligkeit / fragte Sadal / wenn die Götter ihre Priester / und die Schönen ihre Leibeigenen kennen lernen? Apame antwortete: denen allwissenden Göttern ist dis eine leichte / Menschen aber eine schwere Erkäntnüs. Denn Liebe und Heucheley sind einander auf den Lippen so ähnlich / als das Attische und Colchische Honig an der Farbe; da doch jenes das süsseste und gesündeste in der Welt / dieses das bitterste ist / und das Haupt verwirret. Ja vieler Liebe ist gefährlicher / als ihr Thracisches Honig bey Heraclea /welches die schwartzen Chamelion in Gift verwandelte. Sadal versetzte: Es ist mir lieb / und ein besonder Vortheil: daß ich ein Thracier bin. Denn diese hält die gantze Welt zur Heucheley allzu ungeschickt. Ja auf dem Erd-Kreise ist die Liebe schwerlich so rein und so kräftig anzutreffen / als in Thracien / da die Weiber sich insgemein mit ihren Männern auf einem Holtzstosse verbrennen. Massen die Heyrathung vieler Ehfrauen meist nur darumb abkommen / weil bey dem Tode der Männer die Richter-Stühle von denen sich umb die Ehre der Mitverbrennung zanckenden Weibern allzu sehr beunruhiget wurden. Apame / welcher eine offenhertzige Redligkeit gleichsam aus den Augen sah / antwortete: Sie schätzte ihn zwar als einen Thracier gar hoch / und höher als jemanden /den sie von Gewogenheit je etwas reden gehört; aber sie könte sich nicht zwingen zu glauben: daß Sadal sie liebte; und wenn sie schon in ihr jemahls gegen ihm einige Neigung fühlte / wurde sie selbter doch keine Lufft lassen / bis sie seiner Liebe vorher gewisser versichert wäre. Mit diesen Worten wendete sie sich gegen der Fürstin Deiphyle; und nach dem sie eine Weile mit einander geschertzt / nam die gantze Versa lung von einander Abschied. Sadal wuste nunmehr seine Vergnügung nicht mehr zu begreiffen; weil er Apamens letzten Worte für nichts geringers /als eine Liebes-Erklärung aufnahm / und daher ihm in seinem eigenen Hertzen nichts als Sieges-Bogen aufrichtete; weil er Apamens nie gerührtes Hertze bewegt / und sie aus der Bothmäßigkeit über sich selbst gesetzt hätte. Er genoß in diesem Anfange seiner Liebe mehr Süßigkeit / als er ihm von ihrem völligen Genüße eingebildet hatte. Bald aber überfiel ihn die bitterste Bekümmernüs: ob er auch die mißträuliche Apame würde bereden können: daß er sie warhafftig /und zwar so sehr liebte / als sie geliebt zu werden verdiente. Dieser folgte wie beym Sturme eine Welle auf die ander die Sorgfalt: ob auch Apamens Liebe tauerhaft seyn würde / wenn er schon sie seiner / und er sich ihrer Liebe versichern würde. Diese Abwechselungen der Gedancken jagten ihn aus einem Zimmer in das andere; ohne daß er selbst wuste / was ihn leitete oder vertriebe. Denn wenn nichts die Ungedult beruhigen kan / soll es die Verenderung eben / wie die Umbwendung im Bette thun / wenn man nicht schlaffen kan. König Cotys kam gleich darzu / als er sich mit diesen Gedancken überwarf; und mühte sich ihm seine Grillen auszureden / mit der Versicherung: daß er beym Könige Deldo schon einen grossen Stein zu seiner Heyrath gelegt hätte; und er von einer so tugendhaften Fürstin sich keiner solchen Leichtsinnigkeit zu befahren hätte. Sadal aber fiel ein: Gleichwol aber vermindert die Eh alle Liebe; und die / welche anfangs zerschmeltzen wil / geräth hernach in mehr Gefahr[46] zu erfrieren / als zu verbrennen. Daher kan es geschehen: daß Apame mich entweder gar nicht / oder nur zum Scheine und aus Zwange / einen andern aber ins geheim / und so viel inbrünstiger liebe. Diese Eyversucht nam auch so fern überhand: daß sie in Sadaln bey nahe alle Liebe ersteckte / und er für rathsamer hielt ohne Apamen unglücklich / als mit ihr ungeliebt zu leben. Daher entschloß er nicht allein von fernerer Liebes-Werbung abzustehen / sondern auch Apamen seine Gemüths-Veränderung zu verstehen zu geben. Aber die einige Wieder-Ersehung dieser unvergleichlichen Schönheit / und des Königs Cotys Einhalt / welcher inmittelst beym Könige Deldo und seiner Gemahlin Gartha die völlige Heyraths-Verwilligung zu wege gebracht hatte / versetzte Sadals Liebe nicht nur in alten Stand; sondern er fieng Apamen auch nunmehr auf eine solche Weise an zu lieben / als der Ehstand und die Würde einer so ungemeinen Buhlschafft erforderte. Mit einem Worte: Sadal und Apame wurden zu grossen Freuden beyder Königlichen Häuser in Appiaria mit einander verlobt / und das Beylager zu Oresta mit anständigem / jedoch kurtzem Gepränge vollzogen. Denn kostbare Feyer / Täntze und Gastmahle sind Mißgeburten der Verschwendung / wenn sie länger währen als der Rauch von Speisen / und der Nachklang von Säiten-Spielen. Sadal erndtete daselbst die süssesten Früchte der Liebe von seiner Apame mit solcher Vergnügung ein: daß er allen andern Verliebten der Welt einen Vorsprung abgerennt zu haben vermeinte. Ich weiß aber nicht / was für ein Unstern / oder ob Sadals böser Geist schon die dritte Nacht des Beylagers seine thörichte Eyversucht durch einen geringen Zufall wieder lebend machte. Denn als er selbige Nacht bey mittelmäßigem Monden-Scheine aus seinem in Apamens Schlaf-Gemach eintrat / kam ihm für / als wenn eine andere Person sich ihrem Bette näherte. Welches ihn alsofort in solchen Wahnwitz versetzte: daß er zurück in sein Zimmer gieng / und sich mit einem Dolche gefaßt machte seinem eingebildeten Nebenbuhler das Licht auszuleschen. Als Sadal wieder kam und sich Apamens Bette näherte / deuchtete ihn: Er sähe seinen Feind nunmehr die letzten Tritte zu Apamens Lagerstatt thun. Daher sprang er gantz verzweiffelt mit den Worten: du must sterben! und mit einem gezückten Stosse auf das Bette zu; ward aber zu seiner eusersten Verwirrung gewahr: daß sein eigener Schatten vom Monden sein geträumter Mit-Buhler war. Apame aber / welche von solchem Geschrey aus einem halben Schlaffe auffuhr / fieng einen lauten Gall anzuruffen /grief aus Schrecken zugleich augenblicks auf der Seite nach der seidenen Schnure / und zohe den Schüblich für der das Zimmer zu erleuchten bestimmten Ampel weg. Apame sahe hiermit Sadaln mit einem blinckenden Dolche für ihr stehen / welches sie in eine solche Verwirrung setzte: daß sie ihrer selbst vergaß /und gleichsam zu einer erstarrenden Seule ward. Inzwischen kam die von beydem Geschrey erweckte Hofemeisterin ins Zimmer / und fand beyde in so seltzamer Stellung. Daher sie ihr nur das Hertz faßte Sadaln in die Armen zu fallen / und zu fragen: Was für eine Raserey ihn die unschuldige Königin zu ermorden verleitete? Sadal war über seinem Aberwitze so beschämt und verwirret: daß er kein Wort zu antworten /weniger sein Mißtrauen mit einigem Irrthume zu bekleiden geschickt war; sondern er warf den Dolch gantz erbost zu Bodem: daß er darinnen stecken blieb / und gieng gantz verzweifelt zurück in sein Schlaf-Gemach. Inzwischen kam Apame wieder zu ihr selbst; und weil sie aus Sadals verstocktem Stillschweigen ihr von ihrem Gemahl nichts anders / als eine vorgehabte Ermordung einbilden konte / riß sie sich aus dem Bette und Zimmer / als einem unsicheren Orte / und verfügte sich unverwendeten Fusses zu der[47] Königin Gartha ihrer Mutter. Diese weckte also fort den König Deldo. Hiermit ward der gantze Hof wache / und fielen alle / wiewol ihrer wenig die Ursache wusten / aus der bisherigen Freude in eine plötzliche Ohnmacht; Niemand aber fast in grössere / als König Cotys / welchem seines Sohnes seltzame Gemüths-Regungen fast alleine bekandt waren. Daher verfügte er sich auch geraden Fusses in sein Zimmer /traf aber seinen Sohn daselbst in der Gestalt eines unsinnigen Menschen an / welcher mit dem Kopfe wider die Wand lief / und keinem Einreden seines Vaters Gehör gab. Sein Bruder Cotys kam endlich auch darzu / und mühte sich / wiewol ohne Frucht / Sadaln zu besänfftigen. Daher opferte er für ihn dem Bacchus / welcher der Urheber und Stiller der Raserey seyn soll / hundert Böcke. Und / weil er eine Bezauberung besorgte / hing er ihm das Bild eines geilen Satyrus /und einen viereckichten Stein / darauf das Haupt des Mercur geetzt war / als vermeinte Genesungs-Mittel an. Inzwischen bemühte sich König Cotys Apamen auszureden: daß sein Sohn ihr einiges Leid zu thun vorgehabt hätte. Sintemal sein verwirrtes Gemüthe seine Bekümmernüs über ihrem Argwohne genungsam an Tag gäbe. Maßen sich denn auch diese tugendhafte Fürstin erbitten ließ / in Sadals Zimmer zu kommen; welcher sich denn augenblicks zu ihren Füssen niederwarf / und daselbst in eine völlige Ohnmacht sanck. Apamens Hertze ward hierüber so wehmüthig: daß sie nunmehr selbst zu zweifeln anfieng: Ob Sadal sie zu beleidigen vorgehabt hätte. Daher sie ihn denn selbst reiben und kühlen half / und als er sich erholete / sich auch in den Armen seiner getreuen Apamen befand / schossen ihm die Thränen aus den Augen. Ob er nun zwar kein Wort redete / gab er doch genungsame Merckmahle an den Tag; wie hertzlich er über Betrübung seiner Gemahlin bestürtzt /und sie zu versöhnen begierig sey. Die Aertzte hielten für rathsam ihn zu Bette und zur Ruh zu bringen; welche denn auch erfolgte. Folgenden Tages verfügte sich König Cotys zu Sadaln; und weil er sein Gemüthe zimlich beruhigt fand / fragte er ihn umb die wahre Beschaffenheit seines Beginnens. Sadal / nach dem er eine Weile stille geschwiegen / erzehlte seinem Vater den wahren Verlauf; welcher ihn denn mit Thränen bat: Er möchte doch das Gift der Liebe / die Henckerin der Seelen die verdammte Eyversucht auf sein Lebtage aus dem Gemüthe verbannen; welche die reinesten Lilgen der Unschuld mit Kröten-Geröcke begeiferte / und die wärmesten Ehbette mit kaltem Blute besudelte. Für dieses mal solte er sich zu frieden geben. Denn er hätte es bey Apamen schon meist gut gemacht / und er wüste schon eine glaubhafte Erfindung ihr vollends allen Verdacht zu benehmen. Hiermit verfügte er sich zu Apamen / und meldete: Es hätte ein Traum Sadaln die Vergewaltigung Apamens so nachdrücklich fürgebildet: daß er sie zu retten /und den Nothschänder zu tödten aufgestanden / bey seinem erkennten Irrthume / und seiner Gemahlin darüber gefaßter Empfindligkeit aber gantz außer sich gesetzt worden wäre. Diesemnach ersuchte er sie die Verleitung eines Traumes für keinen bösen Vorsatz /noch seinen wolgemeinten Irrthum für kein so grausames Laster aufzunehmen. Nicht nur Apame / sondern auch König Deldo und Gartha wurden hierdurch vergnügt / die Liebe zwischen beyden Ehleuten ergäntzet / und das Beylager mit tausend Freuden-Zeichen vollendet. Deldo und Gartha reiseten hierauf in Bostarnien; Apame ward von Tage zu Tage schöner und vollkommener / und hiermit Sadals Liebe immer grösser / also: daß sie auch ihre geziemende Maaß überwuchs. Wie nun alle Ubermaaße / auch der Tugenden / wenig gutes stifftet / insonderheit aber sie die Liebe entweder zeitlich erschöpft / oder versaltzet; also verleitete sie Sadaln[48] dahin: daß er Apamen in Ohren lag: Sie möchte doch ihm erzehlen; wer alles umb ihre Liebe sich beworben hätte; wormit er aus anderer Schifbruch seine unbegreifliche Glückseeligkeit die unschätzbare Apame zu besitzen noch mehr bereichern / und aus anderer Verzweifelung so viel mehr Freude schöpfen möchte. Die treuhertzige Apame hielt es für ein Verbrechen dem etwas zu verbergen /dem sie sich selbst zugeeignet hätte; sondern vielmehr für Verbindligkeit alles zu ihres Ehgemahls Vergnügung beyzutragen. Sie erzehlte ihm also: wie der König der Roxolanen / und der der Scythen nur durch Bothschafften umb sie geworben / ihr Vater Deldo aber aus gewissen Staats-Bedencken / wormit selbige Nachbarn mit der Zeit nicht einen Erb-Anspruch an die Bastarnische Krone machen möchten / solche Werbung bald abgelehnt hätte. Der Dacier König Decebal / und Holderich ein Hertzog der Quaden aber wären selbst an ihres Vatern Hof kommen; und hätte jener durch grosse Pracht und Verschwendung seiner Reichthümer / welche er aus den Dacischen Gold-Silber- und Kupfer-Bergwercken überflüßig züge; dieser aber durch seine Tugenden ihre Liebe und des Königs Deldo Einwilligung zu wege zu bringen sich bemühet. Weil nun Decebal ihm eingebildet hätte: daß Holderich vom Deldo und der Königin ein geneigter Auge bekäme; hätte er einen festen Schluß gemacht ihn aus dem Wege zu räumen. Weil aber Decebal sein Vorhaben durch unbedachtsames Dreuen verrathen; wäre Holderich deshalben gewahrschauet; und Decebaln durch Holderichs Vorsicht alle Anstalten krebsgängig gemacht worden. Endlich wären sie beyde in der Königlichen Burg mit Waffen an einander kommen / und Holderich unversehens verwundet worden; welches ihr Vater so übel aufgenommen: daß Decebal noch selbigen Abend hätte die Stadt räumen /und sich in dreyen Tagen aus den Bastarnischen Gräntzen über den Fluß Tyras begeben müssen. Holderich hätte seiner gefährlichen Wunde halber einen Monat daselbst aushalten müssen / und sich beym Könige Deldo durch sein Wolverhalten und Klugheit so beliebt gemacht: daß / ob sie zwar jederzeit eine grosse Abneigung für dem Heyrathen bezeugt / sie besorglich von ihren Eltern an den Fürsten Holderich wäre verlobt worden / wenn nicht der Königliche Rath mehr auf meine unter der Hand geschehende Unterbauung / als aus Beysorge mit den Daciern und denen bereit feindlichen Roxolanern auf einmal in den Krieg zu verfallen / die Heyrath beständig widerrathen hätte. Holderich wäre zwar betrübt / aber mit höchster Bescheidenheit aus Bastarnien geschieden /und hätte kein ander Merckmahl seiner Unvergnügung hinterlassen / als diese mit einem Diamant in eine Glaßscheibe seines Zimmers geschriebene Reimen:


Weil / was ich so verlangt / mir hier nicht werden kan

So steht mir auch nicht dis / was mich verlanget / an.

Drumb wil ich nun nicht mehr / was niemals wird geschehen.

Wer weiß: ob Glück und Zeit / die uns meist widrig sind /

Mir aus Unmögligkeit nicht etwas möglichs spinn't /

Weil wir auch Flüchtigen den Schatten folgen sehen.


Gleichwol aber verunglückte Holderich unter weges. Denn als er über das Carpatische Gebürge zurück reisete / ward er auf Anstifften Decebals von etlichen hundert auf ihn wegelauernden Daciern jämmerlich ermordet. König Sadal verhörete keinen Umbstand /ja kein Wort aus dieser Erzehlung / sein argwöhnisches Gemüthe aber zohe aus dem / was seiner Liebe zur Speise gereichen solte / das Gifft seiner gewohnten Eyversucht. Denn diese einmal eingewurtzelte Seuche läßt sich schwerer / als Dornen aus fetten Aeckern ausrotten; und weñ sie schon gantz ausgetilget zu seyn geschienen / kommet sie / wie denen beschwornen Schlangen ihr Gifft wieder. Er entbrach sich Apamens mit einer scheinbaren Schwermuth /und in der erkieseten Einsamkeit ließ er seinem Argwohne den[49] den Zügel völlig schießen. Ist es / dachte er bey sich selbst nicht genung gesagt: daß Apame den Fürsten Holderich geliebt habe; wenn sie von ihm rühmet: Er habe durch seine Tugenden sich umb ihre Liebe beworben. Hat sie ihn aber gleich nicht geliebt; so bezeugt sie doch hierdurch / wie hoch sie ihn / und vielmehr höher als mich geschätzt habe. Was wil ich aber an ihrer Liebe zweifeln / da doch sonder Zweifel niemand / als sie ihn für Decebals Nachstellungen gewarnet hat? Wäre Holderich nicht allenthalben liebes Kind gewest; warumb hätte Decebal bey Sonnenscheine ihm den Platz alleine einräumen müssen? Warum hat man ihn so lange Zeit aufs freundlichste bewirthet? Wie hätte Holderich sich beym Deldo beliebt machen können / sonder daß er seiner Tochter /die dieser Vater so übermäßig liebet / auch lieb gewesen sey? Hätte er wol ohne ihre Liebe übers Hertz bringen können ihr einen unbeliebten Bräutigam aufzudringen? Was hätte Apame für Ursache gehabt ohne grosse Zuneigung seine in Glaß gekratzte Reimen ihr so feste ins Gedächtnüs zu pregen / und vielleicht noch tieffer ins Hertz einzugraben? Hätte nicht die Wehmuth über der Erzehlung seines Todes ihr sichtbarlich aus den Augen gesehen? So gar deutlich hätte sie mit eigenen Worten und Gebehrden ihre Liebe verrathen / und wer wüßte: wie viel sie aus Beysorge der Eyversucht ihm noch verschwiegen hätte. Denn hielten doch die verliebten Buhlschafften gegen ihre Liebhaber hinter dem Berge. Wie solte er denn glauben: daß Apame gegen ihrem Eyver-süchtigen Ehmanne alles rein heraus gebeichtet haben solte. Also wäre ihre fürgebildete Abscheu für der Heyrath nichts anders / als ein blauer Dunst / den Apame ihm für die Augen zu machen vermeint / sondern sie in Holderich verliebt gewest / und er mit nichts wenigerm / als den Erstlingen ihrer Liebe beseeligt worden. Mit diesen Gedancken schlug sich nicht allein Sadal / als flüchtigen Einbildungen / sondern der Verdacht drückte sie ihm auch als eine unzweifelbare Warheit ins Gemüthe ein. Des Tages war er mit ihm selbst unruhig / des Nachts sonder Schlaf. Und weil er sich nicht traute Apamen ohne Verstellung sein selbst zu schauen / ritt er ins Gebürge auf die Bären-Jagt. Aber er hatte viel grimmigere Thiere in seinem Hertzen zu jagen. Nach einer vierzehn-tägichten Abwesenheit sehnete er sich endlich Apamen wieder zu sehen; aber nicht / weil die Eyversucht in ihm verraucht wäre / sondern weil er mehr Geheimnüs von ihr auszukundschafften begierig war. Bey seiner Rückkunfft konte er seine Kaltsinnigkeit / weniger aber die Unruhe seines Gemüthes gegen ihr verstellen. Er gieng sonder Redung einigen Wortes wol hundert mal im Zimmer auf und nieder. Bald seufzete / bald schnaubete er /bald wand er die Hände / also: daß Apame hierüber in nicht geringe Bestürtzung fiel. Endlich fiel er für ihr auf die Knie / und bat mit Thränen: Sie möchte ihm doch Haar-klein alles erzehlen / was sich mit Holderichen in Bastarnien zugetragen hätte. Die nichts weniger als einige Eyversucht vermuthende Apame brachte den halben Tag mit einer neuen Erzehlung zu. Wenn sie nun was der Liebe widriges fürbrachte / hielt er es für eine künstliche Erfindung; wenn sie was vortheilhaftiges für Holderichen sagte / meinte er: sie verschwiege das beste. Mit diesen abgenöthigten Erzehlungen marterte er Apamen etliche Monat / ohne daß diese ihn zu vergnügen begierige Fürstin die wenigste Ungedult empfand; ob sie zwar endlich die sich vergebens verbergende Eyversucht aus den Fenstern seines Hertzens herfür gucken sah. Sein Hertze war inzwischen ein Schauplatz / darinnen die Eyversucht alle ihre Grausamkeiten ausübte / und die höllischen Unholden selbst zu Henckern brauchte. Sein Kopf war ein Irrgarten / aus dem sich nicht einer seiner[50] zwistigen Gedancken auszuwickeln wuste. Er thät viel Nächte kein Auge zu / und der Argwohn schrie ihm unaufhörlich in die Ohren: Apame hätte seine Liebe betrogen durch den falschen Vorwand: Sie hätte für ihm keinen andern geliebt. Weil sie nun nicht mehr die wäre / für die er sie angesehen / wäre sie nun nicht mehr seiner Anbetung werth. Daher wolte er sie aus seinem Hertzen und aus seinem Bette verbannen. Diesen Schluß hatte die Eyversucht so bald nicht gemacht; als die Liebe wieder in seinem Hertzen aufwallete / welche dieser verzagten Unholdin so wol die gebietende Schönheit als Unschuld unter Augen stellte; welche ihm selbst den unschätzbaren Verlust einer unvergleichlichen Schönheit und die Ungerechtigkeit eine so tugendhaffte Fürstin aus einem eitelen Wahn zu verdammen fürbildete. Bald aber kochte die Eyversucht wieder empor / welche mit ihrem schweflichten Atheme Apamens aus Lilgen und Rosen vermengete Gestalt vergiftete / mit ihrer Kohle ihre reinsten Tugenden schwärtzte / mit ihrem Hütten-Rauche seine Vernunfft verdüsterte / und mit ihrer Galle alle Süßigkeiten seiner Liebe versäuerte. Jedoch hielt dis Gespenste auch nicht immer stand / entweder weil sie der aufsteigenden Liebe nicht gewachsen zu seyn schien / oder weil sie nach einigem Nachlasse durch Verneuerung ihrer Wunden die Schmertzen so viel empfindlicher machen wolte. Also wechselten diese zwey heftigsten Gemüths-Regungen mit einander ab /und drückte eine die andere in Sadals Hertze / wie auf dem stürmenden Meere eine Welle die andere unter sich. Nach dem Unterscheide nun: daß die Liebe oder die Eyversucht die Oberhand behielt / war seine Gebehrdung und das Gespräche mit Apamen beschaffen; welche sich aber mit einer wunder-würdigen Sanftmuth seine heftige Regungen zu beruhigen / mit ihren vernünftigen Schutz-Reden seinen Verdacht zu zernichten / und mit dem holdseeligsten Liebreitze seine laue Zuneigung rege zu machen bemühet war. Nach dem aber die ohnmächtigen Schnecken nach öfterer Beunruhigung auch ihre Hörner zeigen; und übermäßige Gedult zu letzt für eines Verbrechens Zugeständnüs angenommen wird / war es endlich / als der sein selbst nicht mehr mächtige Sadal mit Ausgießung seiner bittern Galle es Apamen allzu braun machte /weder ihrem zarten Hertzen mehr erträglich / noch auch ihrer Ehre mehr anständig / ihre Empfindligkeit zu verbergen. Daher fieng sie / wie sie nun Sadals Unmuth lange genung verschmertzt hatte / mit einer etwas ernsterer Anstellung an: Mein Herr / ich sehe wol: daß weder meine Unschuld mich seines Argwohns zu entübrigen / noch meine bisherige Gedult seine seltzame Einbildung ihm zu benehmen vermocht habe. Er grämet sich mit einem Verdacht ohne Grund; Mich aber beleidigt er durch unverschuldetes Unrecht. Ich habe bisher aus Liebe geschwiegen / nun aber zwinget mich meine Ehre zu reden / als welche auf den Nothfall ich auch mit meinem Blute wider alle Verläumbdung zu vertheidigen entschlossen bin. Ich weiß mich gerecht / und die unsere Nieren-prüfenden Götter: daß ich keinen Holderich mein Lebtage / sondern nur den einigen Sadal geliebt habe / und noch liebe. Diesemnach kan meine Unschuld die Eyversucht nicht länger an ihr nagen lassen / noch meine Liebe für ihren Quäler vertragen / welchen sie für ihren Abgott verehret. Sein Argwohn hat seine Liebe allem Ansehn nach schon ausgelescht. Denn der erste Funcken der Eyversucht / ist der letzte der Liebe. Er kan unmöglich lieben / was er für lasterhaft hält. Meine Liebe kan zwar sich nimmermehr einäschern: aber doch endlich gezwungen werden / sich an einen solchen Ort zu versetzen / wo sie von frembdem[51] Rauche ungeschwärtzt bleibe. So sehr ich mich betrübe /so sehr erbarmet mich seiner; wenn ich den klugen Sadal so schwachmüthig schaue: daß er mit einem todten Menschen eyvert; mit einem / welcher eh gestorben / eh ich gewüst habe / was Liebe sey / und mit einer / bey welcher des verstorbenen Gedächtnüs-Schatten längst verschwunden wäre / wenn er es mir nicht selbst wieder erfrischt hätte. König Sadal antwortete ihr: Ach! Apame / wolte GOtt! es hätte kein Holderich / und zwar kein so holdreicher und tugendhafter jemahls gelebt; wie du ihn mir so lebhaft abgebildet hast. Ich bin eyversüchtig; es istwahr; aber nicht ohne Ursache. Denn wie ist es möglich: daß eine so tugendhafte Apame zu einem so tugendhaften Helden nicht eben den Zug / als der Magnet zum Eisen gehabt haben solle? Holderich ist todt; aber der Tod leschet so wenig der Eyversucht als der Liebe das Licht aus. Diese seufzet nach den Verstorbenen / sie bespracht sich mit ihren Geistern / sie halset sich mit ihrem Schatten. Jene erschüttert sich für den Todten; sie wird erschreckt von ihren Gespenstern; und verriegelt sich in ihren Gräbern. Wolte diesemnach GOtt! Holderich lebte! denn sodenn könte ich bey meinem Ehstande vergewissert seyn: daß mich Apame mehr als ihn liebte; Nun er aber todt / habe ich Ursache zu zweiffeln: ob sie ihn nicht für mir geheyrathet hätte. Bey solcher Ungewißheit kan ich nicht glücklich /noch meine Liebe vergnügt seyn. Apame versetzte: Wenn ich Holderichen geliebt hätte / was hätte mich denn bewogen selbst seine den Eltern beliebige Heyrath zu hintertreiben. Sadal begegnete ihr: Zweifelsfrey / weil sein darzwischen kommender Tod verhindert: daß ihre Liebe nicht so groß wachsen könte / als sie zur Ehe nöthig schien. Ich glaube es wol / und sehe es gut genung: daß mich Apame mehr als Holderichen / ja inbrünstiger als keine andere Frau ihren Ehmann liebt. Aber was hilft mich die Grösse ihrer Liebe / wenn ich nicht ihre Liebe einig und allein genossen habe. Wie wenig sie gleich Holderichen geliebt haben mag; so ist doch dardurch meine gantze Vergnügung zerrüttet; und die Sonne meines Glückes ist beschämt durch eine wiewol nur wäßrichte und verblichene Neben-Sonne. Apame seufzete nur / aber Sadal fuhr fort: Ich bekenne es Apame. Apame ist zwar an ihr selbst mehr / als sie für meiner Heyrath war; aber in meinen Augen ist sie nun viel weniger. Denn ich habe sie vorhin stets für eine Gebieterin über die Liebe angesehen / und die aus mir allererst das Erkäntnüs der Liebe geschöpft hätte. Daher ist meine Liebe nicht nur glücklich / sondern auch sieghaft gewest. Nunmehr aber reisset der todte Holderich ihr auf einmal den eingebildeten Siegs-Krantz vom Haupte / oder hat selbten vielmehr bald mit sich in das Grab genommen / und pranget darmit auf seinem faulenden Hirnschädel. Allein Apame / wo meine Liebe nicht auch das erstere vollends einbüssen soll; so offenbare sie mir doch vom Holderich vollends /was sie vielleicht noch vergessen / oder mit Fleiß verschwiegen hat. Vielleicht werden seine Verdienste und ihre Aufrichtigkeit meiner Verzweifelung noch eine Erleichterung schaffen. Apame brach ein: Ich habe von Holderichen der gantzen Welt nichts zu verschweigen gehabt / und ich weiß von ihm mehr nicht zu erzehlen / als daß ich ihn nicht geliebt habe. Hätte ich ihn geliebt; so hätte er es verdienet / und ich damit so wenig Laster begangen gehabt / als daß ich nunmehr Sadaln liebe. Diese Worte giengen Sadaln so tief zu Hertzen: daß er anfieng: O süsseste Erquickung! Allerliebste Apame. Aber ach! überrede mich doch dis so beständig: daß ich nimmermehr daran zweifele.[52] Verzeihe mir: daß ich dich ohne Schuld so peinige; und eigne mir durch diesen Glauben das Vermögen zu dich so / wie anfangs / zu lieben; ohne welches mein Leben eine unaufhörliche Qval und ein langer Tod seyn wird. Apame umbarmete und küssete ihren Ehgemahl mit einer so durchdringenden Anmuth: daß er zu glauben gezwungen ward: es könte dis aus keiner jemals getheilt-gewesener Liebe herrühren; und weil sie aufs neue betheuerte: Sie hätte ihr Lebtage niemanden als Sadaln geliebt / ward sein Gemüthe zimlich beruhigt. Er war kaum wieder alleine /da er auf sich selbst aufs ärgste verdrüßlich ward: daß er Apamen so vielmal an Holderichen zu gedencken gezwungen hatte. Bald darauf war ihm Apamens Betheuerung desthalben verdächtig: daß sie von seinem Thune so viel im Gedächtnüsse behalten hätte; welches von Leuten / auf die man nicht ein Auge hätte /zu geschehen ungewöhnlich wäre. Seine Vernunfft mühete sich zwar diesen neu-aufsteigenden Nebel des Argwohns unter sich zu drücken; aber die Eyversucht hatte schon ihre Bothmäßigkeit über ihn derogestalt befestigt: daß es zwar in seinem Wunsche / aber nicht mehr in seiner Gewalt stand vernünftig zu seyn. Bey solcher neuen Verwirrung spaan er bey Apamen sein altes Garn an; und als sie ihn ihrer und sein selbst doch einmal zu schonen mit vielen Thränen beschwur / ihn auch mit einer nichts minder annehmlichen / als durchdringenden Anmuth ersuchte: Er möchte doch die / welche ihm / und er ihr vorher die Schlüssel seines Hertzens eingeräumt hätte / itzt nicht schimpflich zur Thüre hinaus stossen; entschuldigte er seine Eyversucht / als eine Würckung seiner gegen ihr tragenden übermäßigen Liebe; welche sich mit der ihrigen so sehr vereinbart wünschte: daß sie keinem Frembdem einigen Keym / ja nicht einst die Schalen davon gönnete. Apame aber versetzte: Kleine Sorgfalten liessen sich darmit wol entschuldigen / oder beschönen; aber ein so langer und heftiger Argwohn könte aus nichts besserm / als aus einem vergällten Hertzen herrühren. Als wolte sie ihn nun zum letzten mal mit Thränen und bey der ihr geschwornen Liebe angefleht haben: Er möchte entweder ihrem Leben oder ihrem Kummer ein Ende machen; wo sie nicht selbst für sich vorzusorgen genöthigt seyn solte. Diese letzten Worte giengen Sadaln tieffer zu Hertzen / als keine vorher / sonderlich / da sie mit thränenden Augen zugleich aus dem Zimmer gieng. Daher beschloß er bey sich ehe alles euserste auszustehen / als durch fernere Erwehnung Holderichs / Apamen zu anderer Entschlüssung zu nöthigen. Alleine Sadal hatte sich durch seinen Verdacht derogestalt bezaubert: daß er nach Art der Basilisken Apamen nicht ohne sie mit dem Gifte seiner ausgelassenen Eyversucht zu beleidigen nicht sehen konte. Wie er nun wenig Tage darnach in dem Königlichen Lust-Garten an dem Flusse Hebrus sich unvernünfftiger / als jemals vorher bezeugte; und ihre Gedult nunmehr gantz ermüdet war; fieng sie an: Es ist beschwerlicher alle Tage ein Schlacht-Opfer der Eyversucht / als einmal des Todes seyn. Ich wil sterben! Sintemal der Tod nur ein dem Leibe dräuender Schwantz- / aber ein Leitstern der Seele; das Leben ein Irrlicht des Gemüthes / und eine Finsternüs der Vernunfft ist. Ich wil sterben! weil mein Leben Sadaln nur verdächtig / mir beschwerlich ist / und mit meinem Tode nichts minder mein Unvermögen straffen / meinem Ehgemahle seinen Irrthum zu benehmen / als meine Unschuld besiegeln. Hiermit sprang sie unversehens in den Fluß Hebrus. Zu allem Glücke aber war er daselbst[53] nicht allein seichte / sondern sie blieb auch mit dem Ermel an einem Eiben-Baume hencken; gleich als wenn dieser sonst mit seinem Schatten tödtende Baum die tugendhafte Apame zu erhalten begierig wäre. Daher denn Sadal anfangs aus allen Kräfften zu schreyen anfing; hernach aber Apamen selbst nachsprang / und sie aus dem Wasser zoh. Alle im Garten befindliche Höflinge / ja auch der ungefehr dahin kommende König Cotys lieffen diesem Geschrey zu / und fanden die halb-todte Apame viel Wasser aus Nase und Munde geben / Sadaln aber für Verzweifelung die Hände winden. Cotys / welcher glaubte: Apame wäre ungefähr ins Wasser gefallen /Sadal aber darüber so bestürtzt / befahl Apamen alsbald ins Zimmer zu tragen / und aufs beste zu pflegen / seinen bekümmerten Sohn aber tröstete er damit: daß es mit der noch lebenden Apame keine Noth haben würde. Sadal aber / nachdem er sich von den Anwesenden in einen schattichten Spatzier-Gang entfernet / antwortete: Je mehr sie lebet / ie mehr habe ich Ursache zu sterben / weil sie mich als ihren Todschläger nicht mehr wird für ihren Augen leiden können; ich aber als ihr Mörder meine Augen stets für ihr werde niederschlagen müssen. Cotys erschrack hierüber aufs heftigste / und fragte: ob ers glauben solte: daß sein Sohn seiner unschätzbaren Gemahlin Gewalt angethan hätte? Sadal fing an: Ach! leider allzu viel! Denn meine thörichte Eifersucht ist mit Apamen zeither grausamer als die rasenden Bacchen mit dem Orpheus in dieser Gegend umbgegangen / und hat sie den Wirbeln des Flusses Hebrus aufopfern wollen. Hierauf erzehlte er seinem Vater alles / was zeither zwischen ihm und Apamen vorgegangen war. Worbey er solche Wehmuth bezeugte: daß es schien: er hätte gerne sein Hertz aus der Brust gerissen / und darmit sich so wohl seiner innerlichen Pein / als seines Lasters entledigt. Daher Cotys für dißmal gegen einem ohne diß halb-verzweifelten mehr Gelindigkeit / als sein Verbrechen verdiente / fürkehren / und zu Beruhigung seines Gemüthes helffen muste. Als aber Apame sich erholet / und Sadal besänftiget war; führte er Sadaln in Apamens Zimmer / und fing an in ihrer Gegenwart ihm nicht als einem Reichs-Genossen /sondern als ein Vater seinem Sohne Einhalt zu thun; wie er den Göttern für das Geschencke einer Gemahlin / in welcher Schönheit und Tugend umbs Vorrecht kämpften / nie genung dancken / auch ihre Treue und Liebe mit der vollkommensten Gegenliebe nicht nach Verdienst vergelten könte. Wie die Eifersucht der giftigste Wurm der Seele wäre / welcher nicht nur wie die Raupen an den heilsamsten Baum-Blüthen / also sie an der reinesten Tugend nagte; und wie die Fliegen mit ihrem Kothe die reineste Unschuld beschmeißte; sondern wie die beherbergte Nattern ihren Wirth am unbarmhertzigsten peinigte. Sie verbländete die Vernunft; sie zerfleischte ihr eigenes Eingeweide /und stäche ihr das Mord-Eisen / wie jener verbitterte Römer / durch ihren eigenen Leib / nur ihren auf dem Halse habenden oder offt nur geträumten Feind zu beschädigen. Sie vergällte ihre allersüsseste Vergnügung / und verwandelte die inbrünstigste Liebe des treuesten Ehegatten in bitteren Haß. Denn die mit süsser Kost gespeiseten Nattern würden die giftigsten /und die Gramschafft die unversöhnlichste / welche vorher die Mich der Liebe geträncket hätte. Nachdem sich aber weder Apamens Tugend noch Liebe nach der gemeinen Richtschnur mässen liesse / hätte er zu ihr das feste Vertrauen: Sie würde alle Beleidigung gerne verschmertzen / wenn sie für künftiger sich versichert wissen würde. Apame / welcher das Wasser des Hebrus gleichsam alle Galle ausgelescht / und ihre Liebe aufs neue angezündet[54] hatte / gab ihren Beyfall nur mit heissen Thränen / und mit hertzlicher Umbarmung des Königs Sadals zu verstehen; welcher für ihr abermal auf die Knie fiel / und so wohl umb Vergebung seiner Beleidigung bat / als die Eifer-Sucht als seinen Tod-Feind zu meyden angelobte. Apame hob ihn auf / küßte ihn / und fing an: Der Mensch hätte über geschehene Dinge keine andere Bothmässigkeit; sie aber keinen andern Grundstein ihrer Wohlfarth / als die Vergessenheit. Würde Sadal so leicht an keinen ihm unbekandten Todten / als sie an das empfundene Leid gedencken / würde sie weder was zu beweinen / noch er zu bereuen haben. Ja sie könte nicht glauben: daß ihr Gemahl ihre Seele durch die höllische Eifer-Sucht so peinigen würde / wenn entweder seine Begierden / oder die Liebe selbst nicht blind wäre / daß sie ihre Hertzens-Angst sehen und zugleich fühlen könte. Hiermit ward Sadals Eifersucht auf eine Zeitlang wieder gedämpft / aber ihr Saame käumte doch in seinem Hertzen; gleich als wenn er so wenig ohne Argwohn / als die Spinnen ohne Gift leben könte. Die Furcht / sich Apamens gar zu berauben / verdrückte eine Zeitlang ihre Auslassung / wie der Frost die Regung der Schlangen; biß er endlich die sich täglich vermehrende Galle in seinem Hertzen nicht länger beherbergen konte; sondern seinen Vater Cotys rechtfertigte: Ob er denn nicht bey Unterhandlung seiner Heyrath zu Appiaria was von Apamens gegen dem Quadischen Fürsten tragender Zuneigung nichts gewisses erfahren hätte. Der hierüber unwillige Cotys antwortete ihm: Ich sehe wohl: daß deine Eifersucht gegen einem Todten dich nicht ehe vergehen wird / als biß du mit einem Lebenden zu eifern wirst Ursache haben. Hiermit ließ er Sadaln verwirret stehen; und weil er mit Apamen ein hertzliches Mitleiden hatte / suchte er durch die annehmlichste Unterhaltung ihr Sadals verdrüßliche Widerwertigkeit etlicher massen erträglich zu machen; welche ihrem Ehherren / ob schon seine Eifersucht nunmehr stu worden war / mehr denn zu viel ansahe: daß sein Gemüthe so ruhig nicht wäre / als er sich anstellte. Sadal nahm seines Vaters Beginnen für eine mit Fleiß angenommene Liebes-Anstellung an / durch welche er seiner Dräuung nach ihn gegen sich eifersüchtig machen wolte. Diesemnach kam er zu Apamen / als Cotys etliche Stunden mit ihr in einem Lusthause gespielet hatte / und fragte: Ob sie seines Vaters Vorschlag seine Eifersucht von Grund aus zu heilen billigte? Apame antwortete: Wolte GOtt! daß er ein so heilsames Mittel erfunden hätte; so wolte sie ihn über den Evesistratus und alle Aertzte der Welt erheben. Sadal versetzte: weil sie seinem Vorhaben so wohl einzustimmen wüste / könte ihr sein Anschlag nicht unbekandt seyn. Weil aber die Eifersucht gegen Lebende ein viel grimmiger Thier seyn solte / als die gegen Todte; bäthe er: Sie möchte ihn durch jene nicht unglücklicher machen / als er bey dieser gewest wäre. Apame betheuerte: Sie wüste hiervon das wenigste /und verstünde daher nichts weniger / als wohin seine Rede zielete. Sadal fing an: O ihr Götter! Ist denn ihre freundliche Gemeinschafft mit dem Könige Cotys nicht eine abgeredete Geberdung mich gegen ihm eifersüchtig zu machen? Apame antwortete: Gott behüte mich für diesen Gedancken! Ich habe von seiner Eifersucht mehr denn zu viel gelidten / da ich doch darzu keine Ursache gegeben; und ich solte nun mit Fleiß sie in ihm lebend zu machen mich anstellen. Weil es auch wider die Vernunft laufft mit seinem eigenen Vater zu eifern / kan ich mich nicht bereden lassen: daß er von ihm und mir dergleichen gemuthmaßt habe. Sadal hob an: So ist es denn wahr: daß Cotys nichts mit ihr abgeredet habe / und daß sie sich nicht mit Fleiß angestellet haben / mich eifersüchtig zu machen?[55] Mir zum minsten / sagte Apame / hat es nie geträumet. O unbarmhertziger Himmel! fing Sadal an zu ruffen. Hast du mich denn mit Fleiß zu dem unglückseligsten Liebhaber ausersehen? Muß denn auch mein eigener Vater in dem Hertzen meiner Gemahlin mehr Raum als ich finden? Hat Apame keinen andern als ihn mit ihrer Liebe zu betheilen gewüst / damit sie die väterliche Liebe und die eifersüchtige Rache in meiner Seele zu einem unversöhnlichen Kampfe aneinander hetze? Wolte GOtt! Holderich lebte / liebte /und würde geliebt; damit ich mit ihm / nicht mit meinem Vater eifern dörffte! Apame erblaßte über Sadals unvernünftiger Verstellung / und redete ihn an: Ich weiß nicht / was ich dencken / oder von meines Ehgemahls Verstellung urtheilen soll? Ich habe leider! wohl erfahren: daß die Eifersucht die Unschuld am grimmigsten verfolge / und sich an Entseelte reibe. Diß aber ist vielleicht noch unerhört: daß sie ihr eigenes Geblüte anhauche / und durch den Vater gleichsam mit sich selbst eifere. Nein! nein! Ich lasse mich diß nicht überreden: Es stecket ein ander Geheimnüß hierunter verborgen / wo es nicht nur soll ein Vorwand seyn seine Eifersucht mit dem Holderich nur wieder auf den Teppicht zu bringen. Sadal antwortete: Ich wil mich zwar mühen zu glauben: daß Apame meinen Vater nicht liebe; aber ich werde mir nicht ausreden lassen: daß er sie nicht liebe. Wo ich nun auch das erste nicht vollends für gewiß halten soll; so flehe ich sie umb unserer beyder Heiles willen wehmüthigst an / gegen meinem Vater sich anders als zeither zu geberden / und mich nicht vollends verzweifelnd zu machen. Apame versetzte: Nun sehe ich: daß Sadal entweder aller Vernunfft beraubt / oder mich biß in Tod zu kräncken vorhabens sey. Er hat vorher geeifert mit einem der Liebe unfähigen Todten / den ich auch im Leben nie geliebt; nun eifert er mit einem / dessen Liebe die Natur selbst einen Riegel fürgeschoben hat. Hält er seinen Vater für unnatürlicher / als den trunckenen Cyanippus / mich aber für boßhafter / als die im finstern geschwächte Cyane; welche ihren Vater mit den Haaren zum Rach-Opfer für das Altar des erzürnten Apollo schleppte? Mein Sadal / hat er noch einen Funcken Vernunfft / oder einer ehrlichen Liebe in seinem Hertzen; so höre er auf / mich also zu peinigen. Ich bin seine Gemahlin /nicht seine Sclavin; Cotys sein Vater / und nicht sein Nebenbuhler. Sadal begegnete ihr: Warlich: Cotys hat Apamen ehe gesehen und geliebet / als Sadal. Er hat /ehe sie Sadaln zu Gesichte kommen / alle Schönheiten gegen Apamen als geringe Schatten verschmähet /und geurtheilet: Wer Apamen gesehen / möchte ihm lassen die Augen ausstechen: daß sie nach ihr nichts unvollkommenes sehen. Welches sicher rauchende Reden oder vielmehr Entzuckungen eines lichter lohbrennenden Liebhabers sind. Ihre ihm bezeigte Freundligkeit hat auch etwas mehr an sich; als die einem Schwäher gebührende Ehrerbietung von einer Schnur heischet. Ich traue Apamen zwar keine Schwachheit / noch eine Veränderung ihrer mir gewiedmeten Liebe zu; Ich weiß auch allzu wohl: daß sie den König Cotys nicht liebet. Aber mein Hertz ist einmal so zart: daß es in dem Ihrigen so wenig die geringste fremde Regung / als mein Auge einen Sonnen-Staub vertragen kan. Ich schätze Apamen so hoch und höher / als die Aegienser ihr Bild des Heiles / welches niemand / als desselben Priester sehen darff. Apame ist meine einige Göttin; ich weiß von keinem andern Heile als von ihr / drumb wil ich auch alleine ihr Priester seyn. Apame ward hierüber biß in Tod betrübt /und hob an: Dieser Stich gehet mir und zugleich seinem Vater durchs Hertze. Grausamer Sohn / unbarmhertziger Gemahl! Ich sehe wohl: daß seine Gemüths-Kranckheit unheilbar /[56] und meine Verwundung tödtlich sey. Jedoch ich wil mein Unrecht gerne leiden; wenn ich nur dadurch zuwege bringen könte: daß mit seiner erst gegen mir angenommenen Liebe nicht zugleich die ihm von Natur eingepflantzte verschwinden möchte. Denn wie ich wohl versichert bin: daß dieser tugendhafte Fürst mich nicht in der Meynung: daß er mich wie die jenigen Africaner bezaubern wollen / die mit ihren Ruhm-Sprüchen schöne Bäume / fette Saaten / hurtige Pferde / annehmliche Kinder / feistes Vieh verderben / gelobt habe: Also ist es ein nicht geringes Laster nur gedencken: daß er seinem über alle Maaß geliebtem Sohne in seiner Vergnügung einigen Eintrag zu thun gemeynet habe. Hiermit ging Apame mit bethränten Wangen aus dem Zimmer / verschloß sich in ihr Schlaf-Gemach / warff sich auf ein Bette /und brachte etliche Tage und Nächte in der unruhigsten Einsamkeit zu; sonder daß sie einen einigen Menschen ausser einer mit sich aus Bastarnien gebrachten Edel-Frauen vor sich / sondern alle mit vorgeschützter Unpäßligkeit / welche denn auch sie wie insgemein alle Gemüths-Kranckheiten begleitete / abweisen ließ. Derogestalt konte auch selbst Cotys nicht vorkommen; ja als dieser endlich nach mehrmals verweigerter Einlassung unwillig ward / schrieb sie ihm einen Zettel dieses Innhalts: Sie wäre ihm / als ihrem grösten Wohlthäter nach ihrem Vater am meisten verbunden; aber sie würde ihm so denn mehr als ihrem Vater verpflichtet werden / wenn er seinen Augen sie nimmermehr zu sehen gebieten würde. Denn diesem hätte sie nur das Leben / auf den letztern Fall aber dem Könige Cotys die Erhaltung ihres guten Nahmens zu dancken. Cotys laß diesen Zettel wohl zehnmal / wuste aber diesem Rätzel keine Auslegung zu finden. Daher zeigte er selbten seinem Sohne Sadal /und verlangte von ihm so wohl die Auslegung / als die Ursache der von Apamen so sorgfältig angemaaßten Einsamkeit. Sadal erstaunete hierüber / und wolte zwar von der Ursache nichts wissen; aber sein Vater kennte ihn allzu wohl: daß er ihm nicht die Verschlüssung seines Gemüthes angemerckt haben solte. Daher nahm er ihm für alles äuserste zu versuchen: daß er mit Apamen sprechen möchte. Weil er nun in ihr Zimmer keinen Schlüssel finden konte / kurtz darauf auch erfuhr: daß Apame umb Mitternacht in einer tunckeln Mägde-Tracht in den Tempel der Diana sich geflüchtet hätte / war über der empfangenen Zuschrifft so viel bekümmerter; und Sadal / als er es erfuhr /wolte gar von Sinnen kommen. Daher ließ er zwar durch die Priesterin Apamen aufs beweglichste ersuchen: Sie möchte sich wieder in der Königlichen Burg einfinden / und sich mehr keiner Verdrüßligkeiten von ihm besorgen. Aber Apame ließ ihm keine andere Antwort wissen / als daß sie entschlossen wäre sich aus Andacht Dianen auf ihr Lebtage einzuweihen /umb ihrem liebsten Ehgemahl mehr keine Gemüths-Unruh zu verursachen. Dem Könige Cotys aber ließ sie sagen: Sie könte ihn ohne Störung ihrer Andacht und seiner väterlichen Andacht nicht mehr sehen. Als nun beyde durch der Priesterin öftere Bothschafft nichts mehrers ausrichteten / wolte so wohl Cotys als Sadal selbst mit ihr sprechen. Der Eingang des Tempels aber ward ihnen so wohl als allen weltlichen Männern verwehret; und Apame nicht zu erbitten: daß sie sich aus der Sicherheit des Tempels begeben hätte. Nachdem aber Sadal sie bey ihrer geschwornen Treue / und mit verzweifelter Bedräuung sich selbst hinzurichten beschwur: Sie möchte sich ihn nur noch einmal sehen lassen; willigte sie endlich darein: daß sie in dem Vor-Gemache des Tempels durch das ertztene Gegitter hören / und von ihm den letzten Abschied nehmen wolte. Cotys konte diß aber nicht erbitten /ungeachtet er durch seinen Sohn Cotys / welcher[57] allein als oberster Priester die Schlüssel zum Heiligthum hatte / darumb die eifrigste Ansuchung that. Welches ihm das Geheimnüß so viel verdächtiger /ihn aber es zu erforschen desto begieriger machte. Sadal kam also auf besti te Zeit dahin mit erblaßtem Antlitze / starrenden Augen / und zitternden Gliedern; also daß er kaum mit halbgebrochenen Worten seine Bitte für den Kercker dieser Einsamkeit die Burg und sein Ehbette zu erkiesen fürtragen konte. Er küssete hierbey das Gegitter / wo Apame die Hand hingelegt hatte / seine eigene Augen mühte er sich gleichsam in einer See-voll Thränen zu ersäuffen; ja er geberdete sich so erbärmlich: daß Apamens Hertz wehmüthig /und ihre Augen wäßricht wurden; ob sie ihr gleich eine harte Unempfindligkeit zu zeigen ihr feste fürgenommen hatte. Sie fing aber an: Liebster Sadal; glaube: daß du der einige Mensch seyst / den ich iemals geliebet habe; und daß ich keinen mehr nach dir lieben werde; nachdem ich leider! zu spat gelernet: Man könne keinen Mann lieben ohne unglücklich zu seyn. Gleichwohl aber werde ich dich noch so lange lieben /als ich lebe; wenn du gegen mich gleich noch unvernünftiger oder auch grausamer gewesen wärest. Hätte ich auch nicht erfahren: daß du ungeneßlich / und dein eigener Vater deiner Eifersucht zu entfliehen unfähig wäre; würde ich noch alles vergangene vergessen /und so wenig mich dein als meines Lebens entschlagen. So aber weiß ich: daß der / welcher sich und mich zu quälen nicht hat aufhören können / über dem / was nie was gewest ist; auch sich über etwas noch viel mehr quälen werde / was niemals seyn wird /nemlich: daß ich iemand andern liebe. Denn wer kan ausser Verdacht bleiben / wenn man den Vater in Argwohn zeucht? Glaube mir: daß dein und kein Schmertz grösser seyn kan / als der meinige; indem ich mich von dem trennen muß / den ich allein und über alles liebe. Denn deine Liebe kan meiner nicht die Wage halten / weil ihre Eifersucht den Kern / und Argwohn die Schwerde benommen hat. Als ich dich heyrathete / meynte ich: Ich könte ohnmöglich ohne dich leben; nunmehr aber hat Zeit und Vernunfft mich gelehret: daß es mit dir zu leben eine Schande / und dein Tod sey. Daher habe ich dieses Heiligthum mehr dir zu Liebe als mir zum besten erkieset. Erkiese dir nach den Thracischen Gesetzen eine andere Gemahlin; welche / wenn sie nach meinem Wuntsche wäre /dich so sehr / als mich diese Einsamkeit vergnügen werde. Glaube / Sadal: daß ich dein nimmermehr vergessen / wohl aber die Götter täglich anruffen werde: daß sie dir so wohl von nun an mein Gedächtnüß aus dem Sinne / als die Wurtzel der Eiversucht aus dem Hertzen nehmen wollen. Bey diesen letzten Worten bückte sie sich / küssete Sadals an das Gegitter gelehnete Hand / zohe sich damit zurücke / und ließ sich gar nicht mehr sehen. Sadal / nach dem er etliche mal Apamens Nahmen vergebens geruffen / fiel ohnmächtig zu Bodem. König Cotys / welchen der nichts wenigers als eine gegen den Vater gefaßte Eiversucht am Sadal vermuthende Hoher-Priester in einem Neben-Gemache / derer in dem Vorhofe des Tempels wohnenden Dianischen Priester nebst sich verborgen hatte / hätte bey Anhörung eines so bösen Verdachts für Ungeduld bersten mögen / wäre auch / wenn ihn der Priester nicht zurück gehalten / sonder Zweifel auf Sadaln gewaltsam loß gebrochen. Als er ihn aber für todt zu Bodem fallen sah / und vom Schlage gerührt zu seyn meynte / brach die väterliche Liebe sein Hertze: daß er heraus sprang / und über den am Boden liegenden Sadal fiel / auf dieser vermeynten Leiche aber selbst eine wahrhafte ward. Denn als der jüngere Cotys aus Bestürtzung umb Hülffe ruffte / und etliche Priester Vater und Sohn rieben und kühlten / brachten sie zwar[58] König Sadaln wieder zu rechte und zu sich selbst / Cotys aber ward stein-todt befunden. Also tödtet sich der Mensch mit seinen eigenen Waffen. Unser Leib trägt uns mehr zu Grabe / als er uns beherbergt; ja unser eigen Grab wird in uns täglich mehr lebendig. Sadal / ob er gleich wegen Apamens gantz ausser sich selbst / und sein Hertze schier zu einem nichts mehr fühlenden Steine worden war; ward doch durch eine gantz neue Empfindligkeit gerühret / sein Haupt aber nichts minder verwirret / als er seinen Vater todt für seinen Füssen liegen sah. Nach einem langen Stillschweigen und starrem Anschauen fragte er: Wie sein Vater dahin kommen / und welcher Gestalt er gestorben wäre? Der auf Sadaln so wohl seines Vaters als Apamens wegen erzürnte Bruder fuhr im Eifer heraus: Seine väterliche Liebe hat ihn hieher gebracht / und seines Sohnes gegen ihn geschöpfte Eiversucht hat ihn getödtet. O ihr Götter! fing Sadal an; bin ich einer so abscheulichen Missethat schuldig? Denn es kan kein ärger Verbrechen seyn / als den des Lebens berauben / dem man sein eigenes zu dancken hat. Aber wie und von wem hat es mein Vater erfahren: daß ich seinetwegen mit Apamen geeifert habe? Aus Apamens eigenem Munde / versetzte der Priester Cotys. Sadal ward hierüber gleichsam wütend / und fing an: Untreue Apame! ist es nicht genung gewest: daß du dich mir geraubet? Hast du auch mir meines Vaters Hold und Segen / und ihm sein Leben nehmen müssen. Unbarmhertzige Apame! Deine Grausamkeit gewinnet der Lays ab / weil diese in dem Tempel der Venus nur mit Opferung etlicher eiversüchtiger Weiber / du aber mit deines Ehgemahls leiblichem Vater deine Rache ausgeübet hast. Cotys aber versicherte ihn in Meynung ihn zu besänftigen: daß Apame von der Anwesenheit des ihrem Gespräche zuhörenden Königs Cotys nichts gewüst; also die minste Schuld hätte. So hat ihn niemand als du / sagte Sadal / allhier verbergen / und dieses Unheil stiften können. Hiermit grief er nach dem Degen / und that nach seinem Bruder einen heftigen Stoß / der ihm aber aussprang / und sich in innern Tempel rettete. Sadal hingegen wütete und tobte / leschte auch etlichen seiner Trabanten /die ihm zum ersten in Wurff kamen / das Licht aus. Weil nun ihm sich ferner niemand zu nähern traute /muste endlich die alte Königin Sadals Mutter dahin kommen / und mehr ihren rasenden Sohn zu beruhigen / als ihren todten Ehherren zu beweinen bedacht seyn. Diese brachte Sadaln zwar in die Burg / aber nicht zur Ruh. Denn er wolte Apamen wieder / und seinen Bruder todt haben. Er hätte auch noch selbige Nacht den Tempel erbrechen lassen; weñ nicht seine Mutter ihm die aus Entweihung des Heiligthums besorgliche Gefahr für Augen gestellt / und Apamen auf bessere Gedancken zu bringen versprochen hätte. Sie verfügte sich mit diesem Vorsatze auch bald folgenden Morgen in Tempel; alleine die alle äuserste Versuchungen besorgende Apame hatte ihr schon vorhergehende Nacht / weil zumal der zu der Einweihung nur verstattete Jenner folgenden Tag sich endigte /von der ältesten Priesterin die Haare abschneiden /einen weissen Rock anziehen / und aus dem eys-kalten Wasser des in Thracien heiligen Flusses Hebrus /weil kein warmes Wasser zu Einsegnungen taug /baden lassen; und sie umbarmte gleich auf dem Altare der Dianen Bild / welches vom Praxiteles eben wie das bey Anticyra gemacht war / und in der rechten Hand eine Fackel / auf dem Rücken einen Bogen / auf der lincken Seite einen Hund hatte / mit welchem sie der oberste Priester Cotys als mit einem neuen Ehgemahl verlobte; als die Königin in Tempel trat. Dieser Anblick beschied die Königin alsbald für sich[59] selbst: daß ihre Bemühung vergebens seyn würde. Denn ob zwar in dem Heiligthume Dianens zu Aegira und in unterschiedenen andern die eingeweyheten Jungfrauen eben so / als wie die Priesterinnen des Neptun in Calaurea heyrathen mögen; ja zu Athen selten eine Jungfrau heyrathet / welche nicht vorher Dianen geweihet worden; so ist doch dis in dieser Orestischen Diane Tempel nicht verstattet. Sintemal darinnen die Priesterinnen eben so / wie in dem Arcadischen Tempel der Hymnischen Diana / und in dem Achäischen Heiligthume der Erde / Frauen seyn müssen / welche nur einmal geheyrathet haben / und nach der Zeit Lebenslang der Keuschheit ergeben seyn müssen. Die Königin erschrack hierüber aufs heftigste / und ob sie wohl wuste: daß sie nur ihre Worte verlieren würde / brachte sie ihr und Sadals Anliegen doch bey Apamen und denen Priesterinnen für / stellte ihnen auch die besorgliche Gewaltthat des verzweifelten Sadals für Augen. Aber Apame hatte taube Ohren / und der hohe Priester Cotys fertigte seine Mutter selbst mit fürgeschützter unmöglichen Widerruffung des Gelübdes ab. Also kam die Königin traurig zurücke / welcher Sadal mit äuserster Ungeduld wartete / und mit Ungestüm ihrer Verrichtung Ausschlag abfragte. Sie verblümte zwar selbte so gut sie konte / und meynte mit Hülffe der die Flammen der Liebe und Rache verdampfenden Zeit ihren Sohn zu glimpflicher Entschlüssung zu bringen. Aber seine Raserey nahm mehr zu als ab / und muste sie ihm nur endlich die wahre Beschaffenheit der verlobten Apame bekennen. Sadal ward hierüber aufs neue gantz unsinnig; nahm daher seine Leibwache und Getreuesten / verfügte sich für den Tempel der Diana / baute daselbst ein Altar von Rasen auf / ließ hundert Katzen dahin bringen / selbte entmannen und ausschneiden / schwur auch über ihren Geilen: Würden die Priesterinnen nicht Apamen ihres Gelübden entlassen / und ihm /dem sie das erste Gelübde gethan hätte / vorenthalten / wolte er Apamen mit Gewalt nehmen / von allen andern kein Gebeine davon kommen lassen / den Tempel einäschern / und die hundert eingesaltzene Katzen gleichsam zu Hohne der Diana selbsthin begraben; weil sie sich bey ihrer Flucht für dem Typhon in eine Katze verwandelt haben soll / und daher auch in Katzen-Gestalt / wie Pan und Bacchus als ein Bock / Jupiter als ein Wider / Mercur als ein Hund / Apollo als ein Habicht / Vulcan als ein Ochse / Latona als eine Maus / Mars und Venus als Fische von den Egyptiern verehret werden. Diese seltzame Verschwerungs-Art jagte denen Geistlichen kein geringes Schrecken ein /weil sie die älteste und verbindlichste ist. Massen schon Tindareus / als er Helenens wegen von unzehlbaren Buhlern nicht weniger bedräut als gebeten ward / in aller Anwesenheit über eines ausgeschnittenen Pferdes Geilen sich verschwor das Unrecht gegen die mit ihrem Blute zu rächen / welche seiner Tochter künftige Hochzeit zu stören sich würden gelüsten lassen. Diese Priesterinnen hielten anfangs Sadaln bescheidentlich ein: daß die Entweihung Apamens nicht in ihrer / des Heiligthums zwar in des Königes Gewalt stünde; aber er solte bedencken: daß ihre Diana / welche den in ihrẽ Hymnischen Tempel Arcadiens eine Priesterin schwächenden Aristocrates mit seinem gantzen Stamme ausgerottet / und von dem Hause des Cypselus die Arcadische Herrschafft weggenommen hätte / in Thracien noch so mächtig zur Rache wäre. Alleine Sadal verstopfte seine Ohren wie eine Schlange / und sahe weniger als ein Maulwurf. Denn Zorn und Brunst haben[60] zwar viel Feuer /aber wenig Licht. Sie entzünden beyde zwar die Augen / aber nur umb sie zu verbländen / und die aus ihnen schüssenden Strahlen stecken wol schädliche Feuers-Brünste an / aber sie verfinstern die Vernunft /und äschern ihre eigene Wolfahrt ein. Nicht anders gieng es Sadaln; welcher nunmehr den Tempel zu erbrechen befahl / und zu dessen Anzündung mehr als tausend lodernde Fackeln fertig hatte. Als die oberste Pristerin die Gewalt sah / öfnete sie selbst den Tempel und trat an den Eingang / fiel für dem mit einer brennenden Fackel voran rennenden König nieder /und bat: Er möchte der Götter und seiner schonen /wenn die Pristerinnen es nicht verdienten. Sein Grimm würde auch ohne einige Frucht seyn; denn er möchte glaubhafte Frauen alle Winckel des Tempels durchsuchen lassen / so würde er Apamen nicht mehr finden. Sadal nam diesen Vorschlag an; und als Apame nirgends zu finden war / fragte er: wo sie denn hinkommen wäre? Nach dem der Diana gewiedmeten Frauen mehr keine ungeweihete Schwelle betreten /oder sich mit andern Leuten gemein machen dörfften. Die Priesterin / welche bey Verlust ihres Lebens nicht wissentlich lügen darf / sagte endlich / als er mit einem Dräuen darauf drang / die Warheit: Der hohe Priester Cotys hätte Apamen aus befürchteter Gewalt ihrer Sicherheit halber nebst zweyen Priesteriñen /wiewol sie schwer daran kommen wäre / mit sich in den grossen Tempel des Bacchus genommen. Sadal ward hierüber wütender als niemals vorher. Denn die ihn wieder befallende Eyversucht stellte ihm nunmehr seinen Bruder nicht als einen heiligen Priester / sondern als einen Neben-Buhler für. Sie beredete ihn: daß Apame nicht aus Andacht / sondern umb die Begierden des hohen Priesters zu vergnügen sich hätte einweihen / und sich mit ihm in Tempel versperren lassen. Daher war er nicht abwendig zu machen Apamen mit Gewalt / es koste was es koste / aus dem Tempel des Bacchus zu holen / und gegen seinen Bruder Rache zu üben; ungeachtet ihm die unversehrliche Heiligkeit / und die Festigkeit desselbten nebst dem Ubel / was aus Bestürmung dieses Heiligthums erwachsen könte / beweglich fürgehalten ward. Denn dieser zwey Stadien im Umbkreise habender Tempel liegt an einem vortheilhaften Orte / nemlich an der Spitze / wo der Fluß Hebrus und Taxus zusammen fliessen / ist mit drey steinernen Mauern und vielen Thürmen umbgeben / mit drey-hundert Priestern /fünf-hundert Bacchen / tausend Opfer-Knechten / und so viel Tempel-Hüttern bewohnet; auch als eine der besten Thracischen Festungen mit einem vollen Zeughause versorget. Er hat mehr nicht als gegen Morgen über den Fluß Hebrus einen Eingang auf einer langen Brücke durch drey Ertztene Thore. Seine gröste Festigkeit aber bestehet darinnen: daß die Thracier diesen Tempel für eine wesentliche Wohnung GOttes /und für den heiligsten Ort der Welt halten. Das innerste Heiligthum des Tempels / in welchem das aus Gold gegossene Bild des Bacchus mit ringlicht-gekrauseten Haaren und einem Reben-Krantze umbs Haupt in einem goldgestückten Bette liegt / und darein nur der hohe Priester im Frühlinge bey dem grossen Feyer mit eines geopferten Bockes Blute eingehen darf / soll Orpheus / oder anderer Meinung nach /Narcäus des Bacchus und Physcoa Sohn / welche zwey diesem Gotte zum ersten in Europa geopfert /noch gebauet haben. Bey selbigem Feyer bestreicht der hohe Priester mit dem hinein getragenen Blute des Bacchus Lippen / hernach bringt er es um Mitternacht in einer verschlossenen Kiste heraus in das mitlere Heiligthum / darein die Priester und der König nur kommen / tauchet[61] selbtes in eine ertztene Wanne / in das von tausend geopferten Böcken darein gegossene Blut / hernach tragen die aus dem fürnehmsten Adel erkieseten / mit gewissen aus Wein-Blättern / Epheu und Weitzen-Aeren geflochtenen Kräntzen geputzte /und / weil sie für der Wolle / als etwas Viehischem /für der Seide / als einem Wurm-Gespinste Abscheu tragen / in weisse Leinwand gekleidete Prister baar-füßig diese Kiste in das euserste Heiligthum zu dem Volcke / welches mit dem davon trieffenden Blute sich beschmieret / und dadurch sich seiner Sünden zu befreyen vermeinet. Von dar steigen die Priester damit in den Fluß Hebrus / und waschen darinnen die blutige Kiste und das verborgene Bild ab. Das Volck aber wathet in solchen Strom umb durch sein hierdurch geheiligtes Wasser ebenfals gereinigt zu werden. Diese heilige Kiste mit dem Bilde des Bacchus soll bey Zerstörung der Stadt Troja dem Eurypylus zu theile / er auch bey Anschauung des eröfneten Bacchus rasend /hernach von ihm nach Aroe in Achaien gebracht / und hiermit das wegen der vom Melanippus im Tempel der Triclarischen Diana geschändeten Pristerin Comätho eingeführte blutige Menschen-Opfer abgethan worden seyn. Dieses Bild aber hat hernach König Sothymus aus Griechenland nach Oresta bracht. Uber dis befindet sich in diesem Orestischen Tempel das uhr-alte Wahrsager-Bild des Bacchus / welches wegen vieler / und insonderheit der denen Libethriern ertheilte Weissagung hochberühmt ist: daß nemlich /wenn die Sonne die vergrabenen Gebeine des Orpheus bescheinen würde / ihrer Stadt von einer Sau der Untergang zuhienge / welches hernach durch Ergießung einer so genennten Bach erfolgte. Alleine weder diese Heiligthümer / noch des Volckes Schwierigkeit vermochten Sadaln abzuhalten: daß er nicht mit seiner Kriegs-Macht diesen Tempel belägerte. Massen er deñ denen ihm Einredenden begegnete: Seiner Gemahlin Einweihung wäre entweder ein Getichte / oder eine blosse Scheinheiligkeit / und ein Firns / damit ihre und seines Bruders geheime Zuhaltung beschönet würde. Durch diese hätte er den Tempel entweihet / sonderlich / weil Cotys vorhin schon vermählet / als ein Priester aber noch eine Frau / am wenigsten welche nicht mehr Jungfrau / zu heyrathen; ja nicht einst seine eigene Gemahlin im Beschlusse des Tempels zu erkennen berechtigt wäre. Daher solten alle treue und andächtige Unterthanen ihm diesen ärgerlichen Greuel abthun / und mit des unheiligen Cotys Blute den besudelten Tempel reinigen helffen. So schwartze Tinte der Verläumbdung brauchet Brunst und Rache wider die Tugend und Unschuld. Denn weil diese jenen durch ihren Kapzaum weh thun / wollen jene sich an diesen wieder rächen / und an ihrer blutigen Aufopferung erholen. Apame und Cotys baten zwar und führten für ihre Beschirmung unwiederlegliche Gründe / und das der wegen Verletzung der Bittenden versunckenen Stadt Helice / wie auch anderer desthalben von den gerechten Göttern ernstlich bestrafter Unbarmhertzigen Beyspiele an; aber beym Gethöne der Waffen höret man kein ander Gesätze / als daß der Mächtigere / welcher bey seinem grösten Unrechte allezeit recht behält / dem Schwächern fürschreibt. Wie nun bey Sadaln nichts glimpfliches verfieng / sondern der König sich zum Sturme bereitete / stieg Cotys mit der Kiste des verschlossenen Bacchus-Bildes auf die Zinnen des Thurmes /dräuete selbte zu eröfnen / und durch Zeigung solchen Gottes alle Stürmende / ja den König selbst / wie den Eurypylus rasend zu machen. Diese Dräuung machte das Krieges-Volck wol stutzig; Sadaln aber nur verbitterter / dessen Vernunft seine ungezähmte Begierden / oder die zornigen Götter vielleicht selbst verwirret hatten.[62] Daher säuffte er seine Kriegs-Leute mit dem stärcksten Weine voll / welcher so wol das Gemüthe als die Augen blendet / und machte alles auf nechst-folgenden Tag zum Sturme fertig. Apamen stieg dieses tief zu Hertzen; ja die Seele blutete ihr /als sie das bevorstehende Blut-Bad vor Augen sahe /und dessen unschuldige Verursacherin seyn solte. Daher verfügte sie sich für das in dem Vorhofe stehende Altar der Sotirischen Diana; und nach dem sie für selbtem das meiste Theil der Nacht auf ihrem Antlitze mit Andacht zugebracht hatte / verfügte sie sich /als es tagte / da der Sturm gleich angehen solte / auf einen hohen aber wegen seiner Zerstossung von den Belägerten schon verlassenen Thurm der eusersten Mauer / schoß von selbtem einen Pfeil mit einem darein gesteckten Briefe gegen die Belägerer / hernach stieß sie ihr selbst einen Dolch in die Brust / und stürtzte sich über die Zinnen auf die von den Sturm-Böcken herabgestossene Steine: daß fast alle Glieder zerschmettert wurden / und so Gehirne als Blut an selbten kleben blieb. In dem Tempel ward dieses Trauer-Falls kein Mensch / von außen aber etliche tausend Thracier / ja der den Sturm anordnende König selbst gewahr / welchem zwar alsbald selbst nichts gutes ahnte / von dem ihm gebrachten Pfeile den Brief loß machte / und darinnen mit Schrecken und ihm zu Berge stehenden Haaren folgende Worte laaß: Ich wundere mich nicht / Sadal: daß du mir / als ich noch deine Gemahlin war / das Hertz auffrassest / da du nunmehr wie Typhon den Göttern selbst Krieg anbeutest. Ich bin eine geweihete der Diana; also habe ich aufgehöret deine Ehfrau / ja du mein Liebhaber zu seyn. Denn deine Waffen sind Werckzeuge des Todes / nicht der Liebe. Warumb eiferst du denn? Was hast du für Anlaß oder Vortheil davon: daß du meine dir bewuste Unschuld / und deines Bruders Mitleiden über mein Elend der gantzen Welt für Untreu und Blutschande verkauffst? Alleine Brunst und Eyversucht haben keine andere Zunge / als welche von Gifte der Verläumbdung / und von Galle der Lästerung treufft. Ihre Zähne nagen so wol an anderer guten Nahmen / als an ihrer Tugend; und gebähren wie die Bisse toller Hunde in den Wunden stinckende Würmer. Ihr Feuer ist mit keinen Thränen / wie das Naphta mit keinem Wasser / sondern nur wie der Blitz mit Milche / also der kalte Brand der Eyversucht nur mit Blute zu leschen. Ist es dir nun darumb zu thun gewest / warumb hat man mir denn vorhin zu sterben verwehret? Warumb wilst du etliche tausend derer /mit denen du nicht eyverst / allhier auf die Schlacht-Banck liefern? Die erzürntesten Götter sättigen sich mit eines Menschen Opferung; und / als die Callirhoe durch verschmähete Liebe des Priesters Coresus den Bacchus unversöhnlich beleidigt hatte / forderte er mehr nicht / als die Hand-voll ihres Blutes. Ja Bacchus hätte sich an des sich für sie aus Liebe tödtenden Coresus-Opfer vergnüget / wenn nicht Callirhoe selbst aus Erbarmnüs mit einem so treuen Liebhaber zu sterben erwehlt hätte. Du aber verlangst die Nahrung deiner Begierden nicht nur an meinen / sondern deines unschuldigen Bruders / ja aus so vieler tausend Menschen Adern zu saugen? Kanst du nun wol grausamere Gramschafft wider mich ausüben / Sadal / als daß du mir das Leben so sauer / meinen Tod aber Thracien so empfindlich / mein Gedächtnüs der Welt so verhaßt machst? Gleichwol aber wil ich zum letzten mal deinen und viel tausend Augen zeigen: daß dein Verdacht ein Wahn / deine Liebe ein Irrwisch gewesen; daß ich im Leben dich allein geliebt habe /und dir zu Liebe gerne sterbe / und derogestalt im Lieben ein Phönix gewest / im willigen Tode ein Schwan sey. Sadal laß kein Wort dieses Briefes ohne Hertzklopfen; die letztern ihn ihres Todes versichernden[63] aber warffen ihn als ein Donnerschlag zu Bodem. Als er mit grosser Müh durch kräfftige Mittel wieder Verstand und Sprache bekam / hatte sich aller vorige Grimm in die erbärmlichste Wehmuth verwandelt. Er bejammerte mit Thränen und verbrochenen Worten bald den unersetzlichen Verlust Apamens / bald seine Grausamkeit / am meisten aber die Zärtligkeit ihrer Liebe / welche sein Verbrechen an ihrem eigenen Leibe gestrafft hätte. Daher befahl er auch gegen dem Tempel ein weisses Friedens-Zeichen aufzustecken; und als man dergleichen auf einem Thurme desselbten erkiesete / erhob sich König Sadal an den Ort / wohin sich ein Frauen-Zimmer abgestürtzt hatte. Wie er nun / daß es Apame wahrhaftig wäre / erkiesete / fiel er über ihren zerschmetterten Leib / und ward darüber durch Ohnmacht so unempfindlich / als Apamens Leiche. Länger als eine Stunde sahe man an ihm kein Leben / und als es endlich nach vielen Bemühungen wieder kam / zohe er ihr den noch zwischen den Brüsten steckenden Dolch heraus / und hätte / wenn nicht die Seinigen bald den Arm erwischt und zurück gehalten / selbten ihm eben so tief ins Hertz gestochen. Hernach umbarmte und küßte er unaufhörlich nicht nur diese seine entseelte Gemahlin; sondern leckte auch ihr verspritztes Blut von den Steinen auf / bis er aufs neue in Ohnmacht sanck. Daher man so wol ihn in die Burg zu tragen / als der Königin Leiche aufzuheben und zu verwahren nöthig befand. Uber dieser Begebnüs ward der Prister Cotys / und die im Tempel allererst mit grossem Leidwesen Apamens erbärmliches Ende gewahr. Daher schickte Cotys an seinen Bruder Sadal / ließ sein Mitleiden über Apamens Tod beweglichst fürtragen / seine Unschuld verführen und umb Brüderliche Vereinbarung Ansuchung thun. Aber einmal vergälleter Gemüther Eßig-Geschmack läst sich durch keinen Zucker der Besänfftigung süsse machen; Und es soll eine eben so kluge Erfindung sich von eigener Vergehung weiß zu breñen seyn /weñ man seine Schuld einem andern aufschultert / als eine Rechtfertigung des Zornes / wenn man ihn nicht bald fahren läßt. Daher schalt er ihn / den Urheber alles Unheils / und einen Mörder seiner ihm entführten Gemahlin; ließ auch ihm mit Bedräuung euserster Zwangs-Mittel die Aufsperrung des Tempels anbefehlen / auch bey erfolgter Verweigerung eine Blut-Fahn aufstecken / und noch selbigen Tag einen Sturm anlauffen; welcher aber von den einigen Bacchen mit grosser Hertzhaftigkeit und Verlust des Königlichen Kriegs-Volckes abgeschlagen ward. Denn diese Weiber waren theils durch den ihnen beygebrachten unreinen Maah-Safft / theils durch ihre gegen Sadaln gefaßte Verbitterung gleichsam außer sich gesetzt / und so wütende / als da sie mit dem Bacchus wider die Argiver gefochten / oder da sie den Pentheus zerrissen. Weil nun nichts so sehr als Aberglaube Augen und Vernunfft zu blenden vermag / überredeten sich die Thracier selbst: Bacchus hätte diese rasenden Weiber begeistert / und sie mit einer mehr als Menschlichen Hertzhaftigkeit ausgerüstet. Ja / weil die Furcht leichtgläubig ist / und ihr selbst Feinde ertichtet / wolten einige den Gott Bacchus selbst mit seinen in Gemsen-Häute gekleideten Silenen auf der Mauer flechtende gesehen haben. Daher konte Sadal weder durch Bitte noch Dräuen sein Kriegs-Volck zum andern Sturme bereden; die Bürgerschafft in Oresta ward auch schwürig / und die allereifrigsten Verehrer des Bacchus die Beßischen Thracier machten einen öffentlichen Aufstand / überfielen und erwürgten den Königlichen Stadthalter in Philippopolis / und kamen mit einer starcken Heeres-Krafft gegen Oresta angezogen / schlugen auch ihr Läger zwischen dem Flusse Hebrus und Artiscus. Sadal / welcher den Funcken dieses Bürgerlichen Krieges durch einen geschwinden[64] Uberfall hätte ausleschen können / ließ durch Verachtung oder Fahrläßigkeit ihn zu einem grossen Feuer werden. Denn da es anfangs leichte gewest wäre die anfangs schwachen Bessen mit zehn-tausend Kriegs-Leuten / die Sadal in Oresta leicht entbehren konte / zu erdrücken / ließ selbte sich verschantzen und auf zwantzig-tausend verstärcken; in der süssen Einbildung: es würde dieses Land-Volck in Mangel des Soldes und erfahrner Heerführer sich so geschwinde wieder verlauffen / als es sich zusammen gerottet hätte. Da ihm doch seine Räthe vernünftig einhielten: daß man in denselben Fällen / wo es umb Erwerbung oder Verlust der Herrschafft zu thun wäre / insonderheit bey Aufwickelungen / keine Augenblicke verspielen müste / und hernach ewige Reue zu haben. In denen zu ihrer Vollkommenheit gediegenen Sachen könte man etwas der Zeit heimstellen / und auf ihre Veralterung oder Verschwindung warten. Wenn man aber zu wachsen anfangenden Sachen Lufft liesse / wüchsen sie einem unter den Händen /und wäre zwischen ihrem Anfange und vollkommener Grösse ein kaum unterscheidlicher Unterschied; hingegen aber die Geschwindigkeit das heilsamste Mittel / die Zeit aber ein ärgerer Feind / als der Feind selbst. Denn der Strom eines Ubels liesse sich bey seinem Ursprunge überschreiten / oder wenigstens durchwaten; dessen Tieffe und Breite hernach grossen Schiffen und Schiffern zu schaffen machte. Insonderheit aber müste man mit dem gemeinen Volcke / wenn es sich empörte / nicht lange Worte wechseln / sondern ehe darauf schlagen als dräuen. Denn der Pöfel hält mehr von hurtigen Armen / als vielem Gehirne / läßt sich also eher zu was zwingen als bereden. Hingegen spielte Cotys und die Bessen es durch fürgebildete Andacht so künstlich: daß mehr als die Helffte des Kriegs-Volckes von Sadaln / als einem Verächter der Götter theils zu dem Cotys / theils zu den Bessen abfielen; welche diesen für ihren König im Lager ausruffen liessen. Sadal kam hierüber derogestalt ins Gedrange: daß er nicht nur die Belägerung des Tempels aufheben / sondern sich in aller Stille des Nachts auf zwantzig Schiffen den Fluß Hebrus hinab nach Zernis flüchten muste. Cotys ließ ihm in Oresta die Königliche Krone aufsetzen / und vermählte derogestalt durch eine besondere Staats-Klugkeit Purper und Infel mit einander. Sein erstes Werck war: daß er theils Sadaln zu beschämen / theils des Volckes Gewogenheit zu erwerben die Schatzungen minderte / Sadals Fehler durch eigene Tugend und Klugheit / welches die beste Mängel-Ausstellung ist / verbesserte / und der höchst-beliebten Königin Apame zu Ehren neben den Tempel des Bacchus an dem Orte ihrer Entleibung aus Marmel ein köstliches Grabmahl aufrichtete / und ihren eingebalsamten Leib in einen ertztenen Sarch mit daran geetzten Worten verwahrte: Das Behältnüs der Uberbleibung von Apamen der schönsten Frau / der keuschesten Ehgattin / der vernünftigsten Königin / der reinesten Priesterin; welche die Verläumbdung vergebens heßlich / die Eyversucht geil / der Kummer verwirrt / und zwar ihr Ehmann unglücklich / die Tugend aber zur Göttin gemacht hat.

Dieses trug sich zu / als Cajus Norbanus und Decidius Saxa / des Antonius Feldhauptleute Macedonien bemeisterten. Weil nun Sadal mit eigenen Kräfften nicht getraute seinen Bruder Cotys und die Bessen zu demüthigen / hieng er sich an Norban und Saxa / öfnete selbten die Pforten Thraciens über den Fluß Strymon und Ganga / mit versprechen: daß er nach überwältigten Aufrührern mit[65] gantzer Macht dem Käyser beystehen wolte. Aber Brutus und Cassius kamen nach überwundenen Lyciern beyden ehe / als sie sichs hatten träumen lassen / über das Jonische Meer in Macedonien / und auf des Cotys Ermahnen in Thracien. Norban und Saxa hatten zwar die Stadt Philippi und das Gebürge Symbolum zu einem Vortheil / aber der zum Brutus stossende Cotys führte ihn durch die Crenidische Berg-Enge dem Norban und Saxa über den Hals / welche nach zimlichem Verluste das Gebürge räumen und bey Philippi in einem befestigten Läger nicht wenig Noth leiden musten; dahingegen Brutus und Cassius vom Meere Zufuhre genung hatten. Marcus Antonius und der zu Dyrrhachium erkranckende Käyser / wie auch König Sadal kamen hierauf ins Norbanische Läger / mit höchster Begierde zu schlagen / ehe Sextus Pompejus aus Sicilien dem Brutus zu Hülffe käme. Der kluge Brutus und Cassius kamen und wolten ihre Feinde durch Langsamkeit und Abschneidung der Lebens-Mittel überwinden; aber ihr nach Eigenschafft des Pöfels hitziges / und den Asiatischen Siegen hochmüthige Kriegs-Volck war nicht zu bändigen. Denn dieses bildet ihme eine Gleichheit ein / wo sie nicht ist; wo sie aber ist / übersiehet es sie umb nur seiner Vermessenheit den Zügel schüssen zu lassen. Sintemal die Hofnung eines guten Ausschlags meist die Beysorge eines widrigen überwiegt. Wolten nun Cassius und Brutus ihr Volck nicht selbst kleinmüthig machen / oder gar zum Aufstande bringen / musten sie nur durch Erwehlung einer Schlacht das ungewisse Ubel für dem gewissen erkiesen. Niemals ist schärffer als allhier gefochten worden; denn es war abermals die Freyheit und die Herrschafft des Römischen Volckes / wie auch zwischen dem Cotys und Sadal die Thracische Krone zum Siegs-Preise aufgesetzt. Cassius und Amyntas der Galater König wurden mit dem lincken Flügel vom Antonius und Sadal; Käyser Octavius aber vom Brutus und Cotys in die Flucht getrieben / ja ihr gantzes Läger erobert / jedoch wegen des grossen Staubes weder vom Cassius des Brutus / noch vom Käyser des Antonius Sieg wahrgeno en / sondern alles für verlohren geschätzt. Darinnen aber war der sich auf einen Berg flüchtende Cassius unglücklichen: daß er / als Brutus mit seinem siegenden Flügel zurücke kam / er ihn für den verfolgenden Feind ansah / und sich / da er zu leben am meisten Ursach hatte / sich den Pindarus seinen Freygelassenen tödten ließ / damit er von keines edlen Römers Hand sterben dörfte. Brutus bezohe hierauf des auf dem Thracischen Eylande Thasus begrabenen Cassius Läger; und märgelte durch nächtliche Lermen / darinnen er seine Kriegs-Leute auf allerhand Arten in höllische Geister und Gespenster verkleidete / das an Gelde und Lebens-Mitteln nothleidende Heer des Octavius und Antonius nicht wenig ab. Endlich schwellete er auch durch einen langen Tam den Fluß Zygactes / und überschwemmete darmit das halbe Lager; also daß Sadal aus Verdruß / und weil die Bessen in sein Bistonien eingefallen waren /das seinige zu beschützen darvon zoh. Weil nun des Brutus See-Hauptmann Statius die dem Käyser von Brundusium zu Hülffe kommende Schiffe gleichfals geschlagen und verbrennt hatten; und derogestalt Antonius und Octavius gleichsam im Sacke waren /namen beyde zur Arglist ihre Zuflucht; brachten auch durch einige deutsche Uberläuffer und grosse Versprechungen den Amyntas König Dejotars Feld-Hauptmann mit seinen Galatern auf ihre Seite; den König Cotys aber durch ein ausgesprengtes Geschrey / es hätte Sadal Oresta belägert / dahin: daß er mit dem Kerne seines Volckes nach Hause zoh / und nur seinen Heerführer Rhascuporis mit zehn-tausend Thraciern beym Brutus ließ. Den allerklügsten Streich aber begieng Antonius darmit:[66] daß er das vom Praxiteles gemachte Wunder-Bild des Bacchus von Elis /allwo bey dessen Feyer drey leere ins Heiligthum gesetzte Lagen Wein über Nacht von sich selbst gefüllt werden solten / in Thracien bringen / und mit grossem Gepränge in den Tempel zu Oresta liefern ließ; aus dem Lager aber selbst zu dem nicht fern davon zwischen dem Flusse Ganga und dem Prasischen See liegenden Grabe des Bacchus walfarthete / darauf hundert Böcke opferte / und sich selbst dem Bacchus einweihete. Denn durch diese Scheinheiligkeit brachte er die eifrigen Bessen / und durch geheime Bestätigung der neuen Herrschafft den Cotys auf seine Seite: daß er seinem hinterlassenen Heerführer Rhascuporis befahl vom Brutus zum Antonius zu stossen. Bey diesem Erfolg ward Brutus aus Beysorge: es möchten vollends alle seine Hülfs-Völcker überlauffen / abermals zur Schlacht gezwungen. Zwey über beyde Läger fliegende Adler deuteten in ihrem vorspielenden Kampf schon dem Brutus die Niederlage an; welcher zwar nichts vergaß / was ein kluger und hertzhafter Feldherr zu thun hat / aber sein Unstern war seiner Tugend / und das Verhängnüs seinem guten Absehen überlegen; welches öfterer als die Sonne krebsgängig ward. Denn nach langer Gegenwehr verspielte Brutus die Schlacht und Rom die Freyheit. Er leschte ihm mit seinem wider die Dienstbarkeit gebrauchten Degen selbst das Licht aus; weil diesem letzten Römer kein freyer Bürger mehr einiges vortragen dorfte. Seine letzte Rede waren des Hercules Worte: O unglückliche Tugend! da du nichts als ein Nahme / ja eine Dienst-Magd des Glückes bist; warumb habe ich dich als ein herrliches Wesen so werth gehalten? Seinen Leib ließ Antonius begraben; sein abgeschnittenes Haupt aber / welches zu Rom ein Schau-Gerichte abgeben solte / ward bey entstehendem Ungewitter ins Meer geworffen; gleich als wenn der Himmel auch die Leiche dieses Freyheits-Beschirmers keiner knechtischen Beschimpfung unterworffen wissen / Erde und Meer aber sich mit seinen Uberbleibungen betheilen wolte. Hiermit aber ward Thracien nicht beruhigt /sondern beyde Brüder Sadal und Cotys geriethen aufs neue einander in die Haare; also: daß die Römer in diesem trüben Wasser so leicht als König Philip Thracien hätten fischen können / wenn nicht Octavius wider den Sextus Pompejus / Lucius Antonius und die Kriegerische Fulvia seine Heerspitzen zu führen / Antonius aber / nach dem er in Egypten und zu Athen unter dem angeno enen Nahmen des Bacchus in Wollüsten gleichsam zerflossen war / dem in Parthische Krieges-Dienste getretenen / gantz Syrien / Phönicien und Asien bis an Hellespont einnehmendem Labienus zu begegnen wären genöthiget worden. Hierüber aber starb Sadal ohne Kinder; und weil er nicht besser seinen Bruder Cotys von der Reichsfolge auszuschlüssen vermochte / vermachte er Thracien dem Römischen Volcke. Deñ nach dem er Apamens auf eine so klägliche Weise beraubt ward / fieng die Liebe mit allem Frauen-Zi er an ihm gleichsam anzustincken / oder die ihm angebohrne Abscheu für diesem Geschlechte / welche durch die gantz ungemeine Schönheit Apamens gemildert worden war /that sich vielmehr wie das Gift in denen aus Spiß-Glase gemachten Artzneyen endlich wieder herfür; also daß sein übriges Leben vollends in einer ernsthaften und traurigen Einsamkeit verschwand. Cotys aber wolte seine Ausschlüssung nicht glauben / noch den Römern einig Erbrecht enthengen / sondern wendete alle sein Vermögen an Thracien durch Güte oder Ernst zu behaupten. Weil aber alle Welt für Rom zitterte / und fast jedermann an seinen sieben Bergen den Kopf zerstossen hatte / schickte er eine ansehliche Botschafft mit reichen Geschencken nach Rom / und ersuchte den Rath: Er möchte ihm in dem ihm von Gott und Rechtswegen gehörigen Thracien keinen Eintrag thun. Denn ob zwar dis ein Erblich- kein Wahl-Reich wäre / so wären[67] doch auch die von anderm Eigenthume einzeler Dinge durchgehends sehr unterschieden / und wäre kein Reich jemals in der Welt gewest / da nicht dessen vollmächtigste Könige gewisser maßen / sonderlich aber in derselben Vereuserung gebundene Hände gehabt hätte. Das gemeine Völcker-Recht eignete den Söhnen für den Töchtern /den Eltern für den jüngern / und den Bluts-Verwandten für Frembden Zepter und Kronen zu. Denn alle die / welche vom ersten Könige den Ursprung hätten /und seines Geblütes wären / hätten schon ein unbenehmliches Recht in Groß-Elterlichem Reiche. Sonderlich aber wäre dis von Alters her in Thracien Herkommens gewest; ja sein Vater Cotys hätte selbst seinen ältern Bruder Sadal ihm vorgezogen. Allein die nunmehr unersättlichen Römer / welche alles für Verlust hielten / was nicht in ihre Klauen fiel / hatten hierzu keine Ohren / sondern wendeten für Sadals letzten Willen ein: der erste Cotys hätte seinen jüngsten Sohn Cersobleptes für denen zwey älteren zum Thracischen Reichs-Erben gemacht / und er selbst Cotys durch angemaßte Herrschafft über die Bessen schon das Recht Thracien zu theilen gebilligt. Die Königreiche wären insgemein der unverschrenckten Gewalt ihrer Könige / nach Willkühr damit zu gebahren / unterworffen. Aepallus der Locrer König / hätte den frembden Hyllus / der Scythen König Atheas den Macedonischen Philip / Pyrrhus seinen unechten Sohn Mobossus / und Micipsa seines Bruders unechten Sohn Jugurtha / Ptolomeus Appion das Römische Volck in Cyrene / und Nicomedes in Bithynien zum Erben gemacht. Fürnemlich aber wäre in Grichenland die Theilung der Herrschafft von uralter Zeit üblich gewest. Zethus und Amphion hätten das Thebische /Pandions Kinder Attica / und Perseus Söhne das Argivische Reich unter einander getheilet. Wo aber die Theilung eines Reiches / oder die Ubergehung des ältesten Sohnes statt hätte; da stünde auch die Verwendung auf einen Frembden in des Königs Gewalt. Die Thracischen Gesandten setzten zwar ihre Grund-Gesätze und Gewonheiten entgegen / Kraft welcher niemals einiger frembder Reichs-Folger von denen freyen Thraciern beliebt / sondern vielmehr das Erb-Recht durch viel Reichs-Schlüsse auf des Setalces Nachkommen eingeschrenckt worden wäre; Allein / es hätte dis alles nichts verfangen / wenn nicht eben damals Sextus Pompejus des Käysers Kriegs-Flotte geschlagen / dieser sich desthalben für einen Meer-Gott ausgegeben / die Thracier auch sich gutwillig dem Cotys unterworffen / und mit dem Pompejus in Bindnüs zu treten gedräuet hätten. Diese Zufälle aber machten: daß der Römische Rath lindere Säiten aufziehen / und wie der Fisch Acipenser ihren Schuppen und Fluß-Federn entgegen schwi en / also den Cotys für gantz Thraciens rechtmäßigen König und einen Bunds-Genossen erkenneten. Diese Erkäntnüs war auch überaus nützlich angelegt. Denn Titius und Furnius bekamen durch Hülffe der Thracier in Phrygien den flüchtigen Sextus Pompejus gefangen / der Käyser bändigte durch ihren Beystand die Japydes / und bekriegte aus blosser Herrschsucht die Pannonier. Hierüber starb auch König Cotys / und verließ zwey unmündige Söhne / den Rhemetalces meinẽ Groß-Vater / und den Rhasciporis / seiner Gemahlin Bruder / Rhemetalces aber zu ihrem Vormünden. Dieser nichts minder treue als kluge Fürst stand so wol seinen Oheimen als Thracien wie ein Vater für / wuste auch / als Valerius Messala die Pannonier / Antonius Armenien bekriegte / den Mantel so vorsichtig nach dem Winde zu hengen; daß Thracien irgendswo weder in Feindschafft noch in Krieg eingeflochten ward. Als aber zwischen dem Antonius und dem Octavius sich der Bürger-Krieg entspaan / jener auch nicht allein alle Länder umb Thracien in seiner Gewalt hatte / und Antonius mit seiner gantzẽ Asiatischen Macht ihm an dem[68] Flusse Strymon auf den Hals kam / sondern auch dieser auf der Epirischen Küste das gröste Theil seiner Schiff-Flotte durch Sturm einbüßte / muste er /wie schwer es auch ihn ankam / sich nur zum Antonius schlagen. Weil nun der Käyser sein Kriegsheer in Epirus unter dem Ceraunischen Gebürge aussetzte /Corcyra und Nicopolis einnahm; ja weil der Mund der Ambracischen See durch die Stadt Actium zugesperret war / aus dem Jonischen Meere etliche Kriegs-Schiffe über Land auf mit Oele geglätteten Ochsen-Häuten in den Ambracischen Meer-Busem ziehen ließ / und derogestalt den grossen Tempel des Apollo Actium mit des Antonius Lager und Schiffs-Flotte gleichsam belägerte / eilte Antonius mit Rhemetalcen dem Paphlagonischen Könige Philadelphus / und der steinichten Araber Könige Jamblichus nach Actium. Ungeachtet nun diese / wie auch Cneus Domitius /Quintus Posthumius / und andere Raths-Herren dem Antonius einhielten: In bürgerlichen Kriegen / da die Verleitung so leichte wäre / und die Untreue wie der Krebs umb sich frässe / wäre nichts schädlicher / als durch Langsamkeit seinen Kriegs-Ruhm verlieren /den Seinigen das Hertze nehmen / und den Feinden es machen; war doch Antonius nicht zu bereden den Eifer seines Kriegsvolcks durch eine Schlacht nützlich anzugewehren / sondern er ließ ihre Hitze verrauchen; die Last-Schiffe ihm für der Nase wegnehmen /unter dem Vorwand: Er müste des Dellius und Amyntas aus Thracien und Macedonien mit den geworbenen Völckern erwarten. Bey dieser Schlafsucht spielte der muntere Käyser allenthalben den Meister. Agrippa überfiel die Stadt und das Eyland Levcas / und eroberte es mit vielen Schiffen / wie auch die zwey Patreischen Eylande / und selbst die Stadt Corinth / nach dem aus der See geschlagenen Asidius. Domitius ward nebst allen andern Grossen hierüber sehr verdrüßlich / insonderheit da Marcus Titius und Statilius Taurus ihm und des Antonius Reiterey bey anbefohlener Veränderung seines Lägers einen heftigen Streich versetzten; und zwar / weil Cleopatra nicht verstatten wolte ihn mit wenigem Fußvolck zu entsetzen. Daher kam er zum Antonius / legte für ihm den Stab nieder /und entäuserte sich seiner Kriegs-Aempter / mit Vermeldung: Er könte weder mit Ehren noch Gewissen da länger dienen / wo Weiber den Kriegs-Schaaren männlich zu gebieten hätten; hingegen die Männer selbst weniger als Weiber thäten / und man wohl geschlagen werden / aber nicht siegen dörfte. Denn ein Fürst / welcher seinẽ Feldhauptmanne Befehl ertheilte ohne Lieferung einer Schlacht sein Land zu beschützen / gäbe ihm wol die Gewalt zu verspielẽ / aber nichts zu gewinnen. Antonius / welcher ietzt mehr Freunde dorffte / als er ihrer hatte / fuhr den Domitius / nach Art wollüstiger Leute / an denen nichts als die Worte männlich sind / hart an / und schalt so wohl seine Vermessenheit gegen Cleopatren zu reden / als sein Versehen in dem letzten Treffen. Jamblichus /aber / und Philadelphus / welche mit tausend Arabern und zwey tausend Paphlagoniern darbey gewest waren / vertheidigten so wohl den Domitius als sich. Worüber ein so grosses Unvernehmen entstand / daß es kaum vom Rhemetalces beygelegt werden konte. Jedoch wurden hierdurch die Wunden mehr verhüllet als geheilet. Denn Domitius und Philadelphus gingen noch selbige Nacht zum Käyser über. Diese Begebnüß verwandelte des Antonius Furcht in Grausamkeit / seine Sicherheit in Vermessenheit / durch welche zwey Pforten der Untergang geraden Fusses uns über den Hals kommet. Denn als die Araber des Nachts sattelten / in Meynung früh einen Ausfall auf des Käysers Streiff-Rotten zu thun / ließ Antonius aus Argwohn / Jamblichus wolte sich auch zum Octavius schlagen / ihn in Hafft ziehen; seine Schrifften durchsuchen / und weil[69] aus etlichen mit dem Domitius und andern Römern gewechselten Schreiben sein Unvergnügen über Cleopatren zu ersehen war / ihn über einer eingebildeten Verrätherey so strenge fragen: daß er in der Peinigung verschmachtete. Seine zwey See- Hauptleute Soßius und Tarcondimotus aber befehlichte Antonius in Abwesenheit des Agrippa / den Tauresius die den Ambracischen Mund besetzende Schiffe des Käysers zu überfallen. Der für Tage fallende dicke Nebel schien dem Anschlage des Soßius selbst die Hand zu bieten; war aber eine Verhüllung seines Untergangs. Denn er verfiel mit seinen Schiffen in die gantze Flotte des ungefähr aus Griechenland zurück kommenden Agrippa / verspielte also in einer blutigen Schlacht die meisten Schiffe / und so wohl als Tarcondimotus sein Leben. Zu Lande gieng es dem Antonius nicht glücklicher. Denn ein Theil seiner Reiterey ward abermals vom Octavius geschlagen. Daher er ferner auf der Nord-Seite des Ambraischen Meer-Busens ihm ein Läger entgegen zu setzen / noch zu Lande zu schlagen getrauete / sondern nach Cleopatrens Rathe Volck und Vorrathe zu Schiffe brachte /und unter dem Spiegel-fechten einer See-Schlacht in Egypten zu fliehen schlüssig ward. Rhemetalcen und seiner Thracischen Reiterey wolte es übel ein ihre muthigen Pferde mit höltzernen zu verwechseln. Wie aber Dellius ihn hochbetheuerlich versicherte: daß Antonius nicht zu fechten / sondern zu entfliehen gemeynt wäre; verließ Rhemetalces und die Thracier mit dem Dellius und vielen Römern den Antonius / und gingen zum Octavius über / welcher sie aufs freundlichste aufnahm / und den dritten Tag darauf für dem Munde des Ambraischen See-Busens des Antonius ungeheure Riesen-Schiffe mit seiner ausgebreiteten Schiff-Flotte behertzt angrieff; und weil die fliehende Cleopatra den Antonius / Antonius seine tapfer fechtende Flotte zu unzeitiger Flucht verleitete / selbte meist mit Feuer verderbte. Rhemetalces erhielt durch diese zu rechter Zeit geschehene Entschlüssung nicht nur seinen beyden Oheimen Rhemetalces und Rhascuporis gantz Thracien / sondern auch etliche ihm vom Antonius im Egeischen Meere geschenckte Eylande; dahingegen Philopator des Tarcondomotus Sohn / und Lycomedes ihre Landschafften in Cappadocien dem Medeus abtreten / fast alle Städte Griechenlandes die Milch ihres Vermögens hergeben / Asien bluten / und vieler Römer Köpfe über die Klinge springen musten. Der Käyser ließ sich nunmehr als Haupt des Römischen Reichs Augustus nennen / auch nach erobertem Egypten nicht nur dem Käyser Julius zu Ephesus und Nicea / sondern ihm selbst zu Pergamus und Nicomedia Tempel bauen / und sich als einen Gott verehren. Dieser Hochmuth gebahr im Augustus eine unausleschliche Rachgier. Daher meynte er: es würde sein Ansehen einen mercklichen Abbruch leiden; wenn er sich nicht auch an den Daciern rächete / welche sich des Antonius Seite zu halten im vorigen Kriege erkläret hatten. Ungeachtet der Käyser durch schlechte Abweisung ihrer Gesandten selbst hierzu Anlaß gegeben / ihre innerliche Unruhe ihm auch wenigen Schaden zu thun verstattet hatte / und Rhemetalces / welcher den nichts minder als das Feuer umb sich fressenden Krieg von seiner Nachbarschafft abzuhalten für das Ampt eines vorsichtigen Herrschers / die aus dem Gebürge Rodope entsprossene Dacier auch für seine Landsleute hielt / durch Vorbitte den August zu versöhnen suchte. Die Römer kriegten in einem Einfalle tausend Dacier gefangen / welche nach Rom geschickt / und nicht nur bey Einweyhung des vom Statilius Taurus gebauten grossen Schauplatzes / sondern auch bey der Rathsherren Gastmahlen mit denen auch gefangenen Schwaben andern zu Lust umb ihr Leben kämpfen musten. Welches bey den Daciern eine[70] hitzige Verbitterung / beym Rhemetalces auch keine geringe Empfindligkeit verursachte / sonderlich da der aus Asien nach gemachtem Vergleiche mit den Parthen zurück kommende August auf dem Eylande Lemnos dem Rhemetalces bey der Taffel unter Augen sagte: Er liebte zwar die Verrätherey / aber die nicht / welche den Antonius verrathen hätten. Welchen Stich Rhemetalces dazumal zwar hatte verschmertzen müssen / aber nach Eigenschafft der nicht leicht vergeßlichen Beleidigungen nie aus seinem Gedächtnüsse kommen war. Hierzu kam noch: daß August der Dantheletischen Thracier König / welche vorher die Odrysischen Könige allezeit für ihre Oberhäupter erkennet hatten / von aller Obmässigkeit befreyete. Weil nun Rhemetalces sich zu schwach befand / mit der Römischen Macht öffentlich anzubinden; aber wohl wuste: daß durch einen frembden Arm sich zu rächen ein lustiges und sicheres Feuerwerck sey; stiftete er ins geheim den König der Bastarnen Deldo an: daß er mit den Daciern wider die Römer ein Bündnüß machte. Diese bemeisterten auch in einer geschwinden Eyl die ihnen verdächtigen Dardaner und Triballer; drangen hierauf über den Berg Hämus in die Landschafft Sardica / und in der Dantheleter Gebiete. Ihr blinder König Sitas wolte den Gebrechen seines Gesichtes mit seiner Tapferkeit ersetzen / ließ seinem Feinde entbieten: Er wäre kein Schwein / das mit seinem Auge auch die Seele verliere / sondern ein Mensch /der sein Hertz in der lincken Brust hätte; zohe auch denen Daciern selbst entgegen / ließ sein Pferd auf ieder Seite in einem langen Zügel von zwey Rittern leiten / und traff gegen den Feind mit wunder-würdiger Hertzhaftigkeit. Alleine der dazu kommende König Deldo warff mit seinen streitbaren Bastarnen bald der Dantheleter Schlacht-Ordnung über Hauffen / also: daß Sitas das Feld und das gröste Theil seines Reiches räumen muste. Er ersuchte hierauf zwar Rhemetalcen umb Hülffe; nachdem dieser aber sie ihm /als einem von Thraciern nunmehr abgeschnittenen Gliede versagte / nahm er seine Zuflucht zu den Römern. Der Landvogt in Macedonien Crassus war froh über dieser Gelegenheit einen neuen Krieg anzufangen / zohe also alle Römische Macht aus Griechenland und Illyrien zusammen / und führte sie nicht nur wider die Dacier und Bastarnen; sondern bestach auch den König / der zwischen dem Flusse Tyras und dem Ister am Euxinischen Meere wohnender Geten: daß sie in Bastarnien einen Einfall thäten. Deldo ward hierdurch gezwungen ein Theil seines Heeres nach Hause zu schicken / und wegen grosser Macht der Römer mit den Daciern zurück über den Hämus zu weichen. Crassus und Sitas folgten denen sich vom Deldo trennenden Daciern; welche durch allzu unzeitige Hitze den Feind nicht in ihr Land kommen lassen wolten / auf dem Fusse / schlugen sie an dem Flusse Margis in die Flucht / und eroberten etliche Städte. Deldo aber setzte sich mit seinen Bastarnen an dem Strome Cyadrus / schickte an den Crassus eine Botschafft / umb die Ursache seiner Feindseligkeit zu erkundigen; weil er die Römer nie beleidigt hätte. Der schlaue Crassus beschied die Gesandten aufs höflichste / versicherte sie der Römischen Freundschafft /säuffte sie mit Cretischem Weine voll: und holete hiermit die Verfassung des Bastarnischen Heeres / die Beschaffenheit des Lägers und alle andere Geheimnüsse aus. Hernach stellte er sich / als wenn er zu Bestätigung des neuen Bindnüsses den König Deldo selbst in seinem Läger mit mehr nicht als 1000. Pferden besuchẽ wolte; ließ aber sein gantzes Heer ihm unvermerckt folgen. Derogestalt kam er nur 2. Meil weges von dem zwischẽ dem Flusse Ciabrus und Tamentes geschlagenẽ Läger in einem Walde an. Der Wein / welcher nichts minder ein Vater der Unachtsamkeit und Bezauberer der Sinnen / als ein verrätherischer[71] Spiegel der Seele ist / muste die Botschaffter abermals einschläfen / biß sein gantzes Heer ihm im Rücken stund. Auf ertheilte Nachricht: daß Crassus mit den Bastarnischen Gesandten Friede gemacht /und mit dem Deldo selbst das Bündnüß zu vollziehen in der Nähe wäre / kam Deldo / welcher mit der Dacier seiner Bundsgenossen unvorsichtiges Verfahren nicht zu frieden / also mit den Römern sich zu vergleichen geneigt war / dem Crassus mit fünf hundert Edelleuten entgegen. Allein er erfuhr mit seinem Verderb allzu spät: daß weil Treu und Glauben eine allzu seltzame Waare in der Welt / und ein Gelächter der Ehrsucht ist / allzu leichter Glaube eine Schwester der Sicherheit / eine Tochter der Thorheit / und eine Mutter des Untergangs sey. Denn er ward von der an zweyen Enden aus dem Walde herfürbrechenden Römern unversehens umbringt / und nach unglaublicher Gegenwehr und empfangenen neun Wunden / welche ihn doch nicht hinderten / auch über seine Kräfften den Crassus selbst anzusprengen / von ihm durchrennet: daß er todt zur Erden fiel. Das Bastarnische Heer eilte zwar seinem Könige zu Hülffe; aber / wie es in uhrplötzlichen Fällen und bey mangelndem Haupte zu geschehen pfleget / in grosser Unordnung; wiewohl es dem in geschlossener Schlacht-Ordnung ihnen begegnenden Römischẽ Heere noch genung zu schaffen machte / auch des Deldo Leiche dem Feinde abschlug. In die Länge aber konte doch ihre Verbitterung nicht den Mangel einer gleichen Macht und die Kräfften ihrer ungefütterten Pferde vertreten; sondern sie musten endlich das Feld und das Läger räumen / über den Fluß Ciadrus schwimmen / und sich in einem Walde verhauen. Weil aber die Römer bey damaliger Dürde den kihnichten Wald auf allen Enden anzündeten / wurden sie gezwungen so gut sie konten / meist aber gegen dem Ister zu flüchten / und weil die Stadt Cebrum zu enge war / überzusetzen. Crassus und Sitas nahmen zwar mit Hülffe des in Nieder-Mäsien herrschenden Getischen Königs Roles Cebrum mit Sturm ein / wagten sich aber nicht über den Ister und Aluta; als zwischen welchen beyden Flüssen sich die Bastarnen verschantzten / und mit Daciern verstärckten. Crassus ward durch diesen Sieg hochmüthig /und verheerete nicht allein Mäsien biß an den Fluß Escamus mit Feuer und Schwerdt / sondern in seiner Rückkehr nach Macedonien übeten so wohl die Danthelater als die Römer gegen die Thracier allerhand Grausamkeiten aus. Der junge Rhemetalces hatte diß Unrecht zu verdeyen einen zu blöden Magen und zu viel Galle. Daher raffte er in Eil ein ziemliches Heer zusammen / besetzte den Strom Artiseus und Hebrus /ließ das Landvolck die Wälder und Pässe des Hämischen Gebürges verhauen / und fügte den Römern und Danthelaten durch Frost und Hunger ohne Schwerdt-Streich mehr als durch eine gewonnene Feld-Schlacht Schaden zu / und brachte Crassus und Sitas durch die Serdische Landschaft nicht das dritte Thil ihres Heeres zurücke. Dieser Verlust veranlaßte die Bastarnen zu einer heftigen Rache / den Crassus aber zu Verschmertzung der von den den Thraciern ihm zugefügten Beleidigung. Sintemal jene mit einem frischen Heere die Danthelater überfielen / und zwischen dem Fluß Borgus biß an das Gebürge Orbelus alles mit ihren Schwerdtern und Fackelnabmeyetẽ. Aber ihre Vermessenheit war nichts minder die Ursache ihres Verlustes / als vorher ihres Krieges. Denn Crassus kam in aller Stille über den Berg Cercina denen zerstreueten Bastarnen über den Hals / also daß / indem sie einzelich fochten / alle überwunden / und über den Hämus getrieben wurden. Hierauf zohe Crassus auch gegen die Thracier die Larve vom Gesichte; und weil die Merden und Serden zwischen den Flüssen Borgus und Suemus ihm bey seinem Rückzuge den meisten Abbruch gethan hatten / übte er durch einen schnellen Uberfall die erste /[72] und durch Abschneidung der Hände die grausamste Rache gegen die Gefangenen aus. Rhemetalces trat umb diese Zeit mit Ablegung der Vormündschafft seinem achzehnjährigen Vetter die Herrschafft ab / zu grossem Nachtheile gantz Thraciens / und zur Nachricht: daß nicht junge und starcke Knochen / sondern Verstand und Erfahrung schwacher Greise Pfeiler der Reiche sind. Der junge König Rhymetalces war hitziger als behertzt; und daher verschantzte er sich nur an dem Flusse Artiscus / und ließ die Römer die grosse Landschafft Brennica unverhindert überwältigen. Die in der Stadt Bessapara und Opyzum wohnenden Odrysen hielten es nicht nur für Recht / sondern für eine Klugheit ihren sie verlassenden König bey Zeite zu verlassen / zohen ihm also ungewaffnet mit vielen aus den Tempeln genommenen Bildern des Bacchus / darunter auch in solcher Gestalt August und Crassus auf zweyen güldenen Wagen geführet ward / entgegen / und öffneten den Römern Thür und Angel. Dieser Gehorsam oder vielmehr die sich an nichts mehr als an Aberglauben sättigende Ehrsucht machte: daß Crassus alle Odrysen nicht allein verschonete / sondern auch die vorzeiten von den Bessen abgedrungene Landschafft / zwischen dem Hebrus und dem Berge Pangäus / nach überwundenen Bessen ihrer Bothmässigkeit wieder unterwarf. Crassus wäre noch tieffer in Thracien eingebrochen /wenn nicht der dißfalls schlaue Rhymetalces den König der zwischen dem Flusse Alluta und Ararus wohnenden Geten Dapyx wider des niedrigen Mäsiens König Roles aufgewickelt / und dieser den Crassus zu Hülffe in Mäsien beruffen hätte. Denn Dapyx spielte in Mäsien mit seinen Geten und ihm beystehenden Bastarnen den Meister / eroberten Teclitum / Dorostorum und Axiopelis; also daß / wenn Dapyx so wohl sich / als seine Feinde zu überwinden gewüßt hätte / es den Römern und Mäsiern würde schwer gefallen seyn / ihm diese Riegel des unbändigen Isters aus den Händen zu winden. So aber rückte der kühne Dapyx aus allem Vortheil dem Crassus und Roles biß nach Dausdava entgegen; gleich als wenn es im Zweykampfe eine Schande wäre / wenn man sich dem Feinde nicht selbst bloß gäbe. Alleine er ward aufs Haupt geschlagen / und er selbst mit seinem Bruder in ein festes Berg-Schloß sich zu flüchten gezwungen. Crassus belägerte diß alsofort / und ward durch Verrätherey des Getischen Schloßhauptmanns eines Griechen den dritten Tag eingelassen. Worüber der in dem innerstẽ Thurme sich noch wehrende Dapyx / nachdem ihm länger der grossen Macht zu widerstehẽ unmöglich war / sich mit den edelsten Geten selbs aufrieb. Seinẽ Bruder aber bekam Crassus noch gefangen / setzte bey Marisca über den Ister; und weil fast das gantze Land seinen Reichthum in die zwischẽ dem Flusse Ararus und Ister liegende Festung Ceira geflüchtet hatte / diese aber für so unüberwindlich gehalten ward: daß sie tichteten: es hätten die für den Göttern flüchtigẽ Titanen sich selbstdahin gerettet / hungerte er sie durch abschneidung aller Lebens-Mittel aus; und fand bey abgezwungener Ergebung einen unglaublichen Schatz darinnen. Hierbey beruhete aber Crassus nicht / sondern setzte über den Fluß Ararus in das sich biß an den Fluß Gerasus erstreckende Gebiete des Getischen Königs Zyraxes /und belagerte die am Ister und dem Flusse Naparis liegende Stadt Genucla / weil darinnen die dem Cajus Antonius von den Bastarnen abgenommenen Adler verwahret waren. Weil nun Zyraxes umb von den Bastarnen und Scythen Hülffe an sich zu ziehen über den Fluß Naparis gewichen war / ging Genucla endlich nach Abschlagung vieler Stürme mit Gewalt über. Rhymetalces brachte inzwischen zwar ein gutes Theil seines verlohrnen Landes wieder unter sich / und die von den Römern biß aufs Marck ausgesogene Mysier standen auf seine Anfrischung wieder sie auf / gewaanen aber nichts mehr / als daß der Feind seiner eigenen Landsleute Roles und Sitas sie unterdrückten /[73] und aus Dienst-Bothen gar zu Sclaven machten. Der Geld- und ehrsüchtige Crassus aber setzte bey Arubium über den Ister / und bekriegte die zwischen dem Flusse Porata und Tiras liegenden Artacier / aus keiner andern Ursache; als weil sie mit ihren Nachbarn sich zu einer gemeinen Gegenwehr rüsteten / und Crassus den Ruhm haben wolte: daß er seine Siege über den Ister am Euxinischen Meer ausgebreitet hätte. Die Artacier aber machten ihm mehr / als er ihm hatte träumen lassen / zu schaffen / wiewohl sie wegen etlicher im ersten Einfalle gefangener Fürsten mit ihm einen Vergleich machten / und ihm jährlich drey tausend Ochsen zu zinsen versprachen. Welches Crassus so viel leichter beliebte / weil die Bastarnen mit einer grossen Macht über den Fluß Tyras setzten /König Zyraxes auch Genucla wieder belagerte / und in des König Roles Gebiete in Nieder-Mäsien eingefallen war / also Crassus zurück / und ihm wieder seinen Rücken befreyen muste. Rhymetalces ward bey diesen Veränderungen gleichwohl so klug: daß er das über Thracien aufziehende Wetter von ferne erblickte; und sich an dem blutigen Beyspiele des Comagenischen Antiochus / den der Käyser zu Rom wegen Ermordung eines von seinem Bruder nach Rom geschickten Gesandten mit dem Beile richten / Galatien aber des Amyntas Kindern nehmen / und mit Lycaonien einem Römischen Landvogte unmittelbar unterwerffen ließ / spiegelte. Er berieff daher seinen alten Vetter Rhemetalces aus der erwehlten Einsamkeit des Eylandes Scio wieder nach Hofe. Ob nun zwar Rhemetalces sich anfangs entschuldigte / und diese nachdenckliche Antwort gab: Tugend und Weißheit dörfften des Königlichen Purpers nicht / noch sich schämen nackt zu gehen; denn sie hätten keine Scham zu verdecken: so überwand ihn doch die Liebe seines Vaterlandes / der König unterwarff sich auch gäntzlich seinem klugen Rathe / welche Demüthigung die rühmlichste Herrschafft und die gröste Klugheit der Unerfahrnen ist. Rhemetalces schickte dem Crassus alsofort Königliche Geschencke / wormit sich so gar die zornigen Götter versöhnen lassen; und weil August mit dem Römischen Rathe die Verwaltung der Länder getheilet hatte / dieser aber dem Marcus Lollius Macedonien und Mäsien untergab / bewilligte er diesen mit nicht weniger Freygebigkeit; dem Käyser August aber baute er gar einen Tempel auf den höchsten Gipfel des Berges Rhodope / und setzte sein Bild aus Golde darein. Kurtz hernach kam August selbst in Griechenland; und weil er sein Reich zu erweitern nicht / sondern vielmehr einer süssen Ruh zu genüssen für rathsam hielt; also des Jamblichus Sohne Arabien / dem jungen Tarcondimotus Cilicien / dem Herodes vier Städte in Syrien / dem jungen Mithridates Comagene schenckte; reisete Rhemetalces und König Rhymetalces auch aufs Eyland Samos dem Käyser aufzuwarten / brachten es auch durch den Sextus Pacurius / der dem August sich zum ersten eingeweyhet /und ihm den ersten Weyrauch (welches nach der Zeit alle aufs Rathhaus kommende Rathsherren thun musten) angezündet / deßhalben auch bey ihm einen guten Stein im Brete hatte / so weit: daß der Käyser Rhymetalcen vor sich ließ und begnadigte; und nachdem er seinem hoch-geschätzten Agrippa von Thracien den am Hellespont gelegenen Chersonesus abzutreten willigte / Rhymetalcen alles / was ihm Crassus abgenommen / wieder zu geben befahl. Diesem Befehle aber widersetzten sich die Dantheleten und Bessen / welche für höchstes Unrecht aufnahmen das ohne Schuld zu verlieren / was sie durch ihre den Römern erwiesene Treue bey den Mäsischen Kriegen mit ihrem Blute theuer erworben hattẽ. Als sie aber des Käysers Ausspruch / so wenig als den ihm gewiedmeten Berg Rhodope nicht bewegen konten / und sie der Pannonier und Noricher Einfall in Histria / der Hispanier und Dalmatier[74] Aufstand gegen die Römer vernahmen / machten sie mit den Skordiskiern / Sarmatern und Bastarnen einen Bund. Die zwey letztern fielen in Mäsiẽ / die erstern mit den Dantheletẽ in Macedoniẽ / die Bessen in Rhymetalcens Gebiete mit ansehlichen Kriegs-Machten ein. Alleine Cajus Lucius trieb die Bastarnen und Sarmater mit ziemlichem Verluste über den Ister / Marcus Lollius und Rhymetalces aber erlegten die Dantheleten und Beßen aufs Haupt; und hiermit kriegte Rhymetalces zu rechter Zeit alles Verlohrne wieder. Denn kurtz hernach erlidt Lollius von den Deutschen eine grosse Niederlage / und die Rhetier brachen in Italien ein; also / daß wenn die ersten Feuer nicht schon wären gedämpft gewest / es mit Leschung so vieler schwer würde hergegangen sey. Gleichwohl aber kam der unter der Asche glimmende Kriegs-Zunder mit des alten Rhemetalces Tode bald wieder zur Flamme. Denn der Untergang der Sonne ist nicht mehr eine Ursache der Nacht / als eines Fürsten Tod der Finsternüß in einem Reiche. Die gleichsam nunmehr gefesseltẽ Dacier / Pannonier und Dalmatier waren so ungewohnt auser der Freyheit / als ein Fisch ausser Wasser zu leben; daher spreißten sie abermals ihre Federn / und schärften ihre Sebeln wider die Römischen Landvögte / oder vielmehr schärffste Hals-Herren. Dieses machte dem Könige der Bessen und obersten Priester des Bacchus Vologeses ein Hertze sich gantz Thraciens zu bemächtigen. Solches glücklich ins Werck zu richten gab die Neigung der abergläubischẽ Thracier ihm das Seil der Andacht an die Hand; wormit ein Mensch ein gantzes Volck wie ein Fischer einẽ ungeheuren Wallfisch zum Ufer ziehen kan / als welcher für drey Jahren selbst in Deutschland aus dem Meere auf eine Chaucische Sandbanck gestrandet haben solte. Vologeses ließ diesemnach in Thracien durch allerhand ausgeschickte Priester des Bacchus den König Rhymetalces als einen Abgötter / welcher lebende und sterbliche Menschen anbetete / allenthalben unter dem Scheine eines Mitleidens verläumbden. Als dieser Verdacht nicht wenig Wurtzel gefaßt hatte / zohe er ein ziemliches Heer von Bessen und Sialeten zusammen / ließ selbtes in einem alten noch vom Eumolpus gebauten Tempel einweyhen / einem ieden an statt des sonst denen neugeworbenen Kriegsleuten an die Armen zu prägen gewohnten Kriegs-Zeichens das Bild des Bacchus mit einem glüenden Eisen auf die Stirne brennen / und sie schweren: daß sie entweder hertzhafft sterben / oder den abgöttischen Tempel des Käysers auf dem Berge Rhodope einäschern wolten. Rhymetalces schickte seinen jüngern Bruder Rhascuperis mit einem mächtigen Heere denen nach allerhand Seitenspielen meist in Gestalt der Bacchen und Silenen tantzenden und ein güldenes Bild des Bacchus fürtragenden Beßen entgegen. Diesem aber begegnete ein mit Epheu und Reben-Blättern gekräntzter Herold auf einem Esel / und deutete den Thraciern an: daß Vologeses nicht als ein gewaffneter Fürst / sondern als ein friedliebender Priester des Bacchus im Anzuge wäre / den Thraciern kein Leid zu thun / sondern sie von der aufgedrungenen Abgötterey auf dem Berge Rhodope zu erretten. Nach dieser heiligen Verrichtung wolte er wieder nach Hause kehren / und solte durch seinen Zug keinem Menschen kein Haar gekrümmet / kein Vieh versehret / keine Erndte verterbet / die sich aber zu ihm aus Andacht schlagenden eben so wohl / als die Beßen und Sialeten eingeweyhet werden. Dieser Fürtrag hatte bey den Thraciern mehr Nachdruck / als hundert tausend geschlieffene Schwerdter. Denn als sich das güldene Bild des Bacchus mit etlichen hundert umb selbtes rauchernden Priestern näherte / warff beynahe das gantze Heer das Gewehre weg / fiel für selbtem mit grosser Demüthigung auf die Knie / und stellte sich freywillig unter die Kriegs-Fahnen des Vologeses; in derer iedem eine Geschichte des Bacchus gemahlet war. Rhascuperis mit seiner Bastarnischen Leibwache mühte sich zwar[75] den Thraciern diese abergläubische Untreue auszureden / und als die Güte nichts halff /mit dem Degen in der Hand sie in Ordnung zu enthalten; allein er ward von diesen gleichsam unsinnigen Leuten selbst umbringet / die Bastarnen erschlagen /Rhascuperis selbst gefangen / gebunden / und wie ein Opfer-Kalb Vologesen zu Füssen gelegt. Dieser rückte mit seinem sich unterweges noch immer vergrössernden Schwarme biß an den Fluß Taxus unverhindert fort / daselbst begegnete ihm zwar König Rhymetalces mit einem andern Heere / welches ihn aber so schändlich / als das erste seinen Bruder verließ; also daß er mit Noth sich in den vom Agrippa nunmehr wieder an Käyser gefallenen Chersonesus flüchten konte. Vologeses eilte hierauf dem Gipfel des Berges Rhodope zu / ließ selbten mit vielem Unflate entweyhen und anzünden; das rasende Volck / welches weder in Liebe noch Hasse Maaß zu halten weiß / streute die Asche und den Staub von den zermalmten Steinen in den Fluß Scönus / weil der Hebrus viel zu heilig darzu war. Hierauf richtete Vologeses auf solcher vorher mit vielem geweyhten Wasser aus dem Flusse Hebrus abgespületen Spitze das Bild des gehörnten Bacchus in einer abscheulichen Bock-Gestalt auf / gleich als wenn die Götter was weniger als Menschen wären / und daher Jupiter als ein Ochse / Neptun als ein Pferd / oder zum minsten wie dieser Bachus / und Astarte als ein halber Gems oder Fisch gebildet werden müste; und also diese Bilder / wenn sie sich regten / und einem ohngefähr begegneten / nicht unbillich für Ungeheuer angesehen werden würden. Kein Weib / welche nicht für eine Abgötterin gehalten werden wolte / durffte sich entäusern für dem Bilde des Bacchus / wie bey dem Aleischen Bacchus in Arcadien von den Priestern mit Ruthen gezüchtigt zu werden / die Männer aber mit Messern ihre Armen zu zerkerben / oder sich gar zu entmannen. Gleich als wenn die gütigen Götter grimmiger als die blut-begierigsten Unmenschen wären. Sintemal zwar die ärgsten Wüttriche Menschen zerfleischen / und zu unnatürlicher Wollust verstimmeln / sich aber selbst zu zerfleischen oder auszuschneiden nicht zwingen / die grausame Mord-Lust aber übte Vologeses an dem gefangenen Rhascuperis aus. Denn er ließ selbten auf einem Altare lebendig verbrennen / und die Asche in die Lufft streuen / mit Vermeldung: daß der rothköpfichte Rhascuperis ein so angenehmes Opfer des Bacchus seyn würde / als für Zeiten die dem Typhon mit den rothen Haaren ähnliche Menschen / welche die Egyptier in eben selbigem / nemlich dem ersten Hunds-Tage dem Osiris / ehe solche Blut-Opfer Amasis abgeschafft / geliefert hätten. Wormit auch Rhascuperis diese Grausamkeit so viel empfindlicher fühlen / oder Vologeses ihr einen desto mehr gläntzenden Firnüß der Andacht anstreichen möchte / nahm er vorher den Rhascuperis an Kindesstatt an / umb gleichsam dem Saturn gleich zu werden / der zum allerersten seinen einigen Sohn dem Himmel / seinem Vater umb Hunger und Pest abzuwenden geopfert haben soll. Die dem Bacchus Eingeweyheten musten hernach umb das Bild als Unsinnige schwermen; gleich als wenn die Raserey zuweilen die Stelle der heiligsten Andacht vertreten / und eine Ursache der gemeinen Wohlfarth abgeben könte. Vologeses ließ dem todten Bilde des Bacchus hernach eine Taffel decken /und gantze gebratene Ochsen / Hirsche / Rehe / Gemsen; ja 1000. Fuder Wein fürsetzen / und bey lichtem Sonnenscheine unter freyem Himmel etliche tausend Wachs-Kertzen anzünden / gleich als wenn dieser Gott ein verhungerter Vielfraß / ein unersättlicher Säuffer und ein blinder Maulwurff wäre / dem die Sonne noch viel zu finster schiene. Uber diß verordnete Vologeses diesem Bilde nicht allein hundert Priester / sondern auch drey hundert Knechte / welche diesem gleichsam tauben Gotte die Nahmen und das Begehren der daselbst anbetenden in die Ohren schrien /[76] und als einem Unwissenden berichteten: Welche Zeit es wäre. Ja hundert geweyhete Weiber wurden bestellt diesen unempfindlichen Stein täglich zu bürsten / zu putzen / zu bekräntzen / ihm den Spiegel fürzuhalten /und mit hunderterley Gauckelwercke nicht nur des abergläubischen Pöfels / sondern der Götter selbst zu spotten. Nach dieser siebentägichten Thorheit / welche doch die Thracier gantz bezauberte: daß sie Vologesen nicht nur für einen Heiligen / sondern für einen Halb-Gott hielten / setzte er über den Hebrus / an dem Flusse Melas traf er abermals auf den schier von allen Thraciern verlassenen König Rhymetalces / und zwang ihn gar in Chersonesus zu weichen. Die Römer / welche den Nachdruck des nichts weniger als die Pest anfälligen Aberglaubens wol wusten / und besorgten / es dörfte diese Seuche auch Asien und Griechenland anstecken / schicktẽ Rhymetalcen den Pamphylischen Land-Vogt Lucius Piso mit dreyen Legionen zu Hülffe. Er schiffte zu Lysimachia sein Heer aus / und zohe gerade wider den bey Cypsella stehen den Vologeses. Weil aber keine Verzweifelung einen Feind so hartneckicht macht / als der Aberglaube /ließ Rhymetalces und Piso den obersten Priester des Bacchus zu Oresta / welchen Sitz des Reiches und des Heiligthums Vologeses zu erobern unvorsichtig außer Acht gelassen hatte / des Vologeses neuen / und als einem dem alten abbrüchigen Gottesdienst verdammen / ihn selbst in den Bann thun / und als einen Verfluchten Vogel-frey erklären; denen aber / welche auf den nechst-bevorstehenden ersten Frühlings-Tag / als das berühmte grosse Feyer des Bacchus nur die Schwellen des Orestischen Tempels küssen würden /ward die Abtilgung alles ihres Irrthums versprochen. Durch diesen klugen Streich wurden fast alle Odrysen vom Vologeses abgezogen / und blieb mit seinen Bessen alleine stehen. Daher setzte er bey der Stadt Zernis über Hals und Kopf über den Hebrus / und so fort über den Berg Rhodope. Piso folgte den Bessen auf dem Fusse. Weil aber theils die Vortheilhaftigkeit des Gebürges / theils die eingebildete Heiligkeit des Ortes sie zu behertzter Gegenwehr anfrischte / bißte Rhemetalces und Piso in ihrem Angriffe fünf-tausend Thracier / so viel Asiatische Völcker und über tausend Römer ein. Dieser Sieg hätte dem Aberglauben abermals ein groß Gewichte beygelegt / und entweder Vologesens Kräfften zur Gegenwehr verstärcket / oder ihm zum minsten einen noch vortheilhaftigen Frieden zu wege gebracht / wenn nicht Vologeses aus Beysorge: es möchten ihm im Gebürge die Lebens-Mittel gebrechen / und von Odrysen der Rückweg an dem Flusse Taxus verlegt werden / an sich selbst und seinem Glücke am ersten verzweifelt wäre. So aber verfolgte er seinen Sieg nicht allein gar nicht / sondern er eilte gleich einem Flüchtigen nach der Stadt Brendica. Rhymetalces und Piso folgten ihm auf das Gebürge Rhodope / und wolte jener auf das grosse Bild des Bacchus den Kopf des Käysers setzen / auch seinen Tempel wieder erbauen lassen; dieser aber kriegte vom August Befehl solches zu hindern; entweder weil er das neue Staats-Geheimnüs von Vergötterung der Römischen Käyser nicht allzu gemein zu machen /oder sein Bild in Gefahr noch einer Verunehrung des Bacchus Bild ohne neue Beunruhigung der abergläubigen Thracier zu zermalmen nicht getraute; Gleichwol aber durch selbtes dem Volcke kein Gedächtnüs-Maal ihres Aufstandes / und daß es seinem Könige überlegen sey / oder auch gar als eine Schutz-Seule der Freyheit in aller Augen stehen zu lassen / für gut befand / ließ er selbtes abnehmen / und für den Tempel des Bacchus nach Oresta setzen / den Grund aber ins geheim untergraben: daß sie bey hellem Mittage gleichsam von sich selbst von dem hohen Fusse abstürtzte / und das Volck beredet ward / gleich als wenn die daselbst wohnende Gottheit ein solch mißbrauchtes Bild nicht leiden wolte. Unterdessen[77] aber gieng Piso und Rhymetalces selbst den Bessen und Vologesen auf den Hals / schlug selbten aus dem Felde / und eroberte theils mit Zwange / theils durch gütige Ergebung das gantze Bessische Gebiete. Vologeses aber / welcher in keinem Heiligthume eine sichere Freystatt zu finden getraute / versteckte sich mit seinen Vertrautesten im Pangäischen Gebürge in verborgene Hölen. Also erlangte Rhymetalces sein Königreich wieder; Piso aber die Ehre des Sieges und ein Siegs-Gepränge. Alleine diese Freude verschwand Rhymetalcen schier ehe als ein Traum. Denn wenig Tage hernach stürtzte er auf der Jagt mit dem Pferde /starb und verließ zwey Söhne / Rhymetalcen und Rhascuporis meinen Vater / jenem die Krone / diesem das oberste Priesterthum. Rhymetalces / weil er den Römern die Wieder-Erlangung seines Königreichs zu dancken hatte / erwieß sich auch als derselben treusten Bunds-Genossen. Denn als Bato Dysidiatus die Dalmatier und Pannonier wieder die Römer in Harnisch brachte / Syrmium belägerte / an dem Jonischen Meere alles / bis an Apollonia unter seine Gewalt brachte / den Messalinus aus dem Felde schlug / und nunmehr gar in Italien einzubrechen dräute / setzte Rhymetalces mit seinen Thraciern über die Sau / jagte den Bato von Syrmium weg / ereilte ihn am Flusse Bacuntius unter dem Almischen Gebürge / welches er gleichsam zu seinem Krieges-Schlosse erkieset hatte /und versetzte so wol ihm als seinem Bund-Genossen dem Breucischen Bato einen gewaltigen Streich; an welchem der Mysische Land-Vogt Severus ihm nicht wenig den Kopf zerstieß. Als auch Severus gegen die einfallenden Mösier und Sarmater gegen dem güldenen Berge eilen muste / und die Dalmatier in Macedonien einbrachen / begegnete ihnen König Rhymetalces und sein Bruder Rhascuporis / schlugen sie aufs Haupt; also daß die wenige Uberbleibung sich in die Stein-Klippen des Berges Scardus und Ardius verkriechen musten. Ja die Thracischen Waffen waren unwidersprechlich die fürnehmsten Werckzeuge des Tiberius und Germanicus zu Erlangung der Pannonischen Siege. Fürnemlich aber kan ich sonder eitelen Ruhm dis / was ich bey meiner ersten Kriegs-Ubung daselbst mit meinen Augen gesehen / wol sagen: daß sonder meines Vaters Rhascuporis Zuthat weder Tiberius die Festung Anderium / noch auch Germanicus das Schloß Arduba erobert / und dem weit aussehenden Kriege so geschwinde ein Loch gemacht haben würde. Wolte Gott! aber / Rhascuporis hätte so wol sich und die Begierden seiner Gemahlin / als geharnischte Feinde zu überwinden gewüst! Alleine meine Zunge fänget mir an zu stammeln / indem ich so viel verkleinerliches von meinem Vater erzehlen soll / dem ich mein gantzes Wesen / und also mehr als keinem Menschen in der Welt zu dancken habe; also daß kein Vater so lasterhafft seyn kan / dessen Leben oder Ehre anzutasten ein Sohn herechtiget ist. Daher ich besorgen muß / wenn ich hier nicht meine Erzehlung abbräche / diese tugendhafte Versammlung würde mich und meine Thracier unter die Triballen und Scythen rechen / welche ihre Eltern zu opfern für Andacht / und im Alter sie zu erwürgen für Barmhertzigkeit halten. Rhemetalces stockte / und niemand wolte ihn auch bereden / die Schande seines eigenen Hauses zu entdecken. Nach einer kurtzen Erholung aber / fieng Rhemetalces wieder an: Ich erinnere mich: daß der Vater-Mörder Saturn als ein Schutz-Gott der Warheit angebetet werde; weiß also nicht: ob ich hieraus ohne Laster diesen Schluß machen darf: die Liebe der Warheit solle auch der Kindlichen überlegen seyn. Fürnemlich aber kan ich mich schwerlich bereden: daß in Deutschland / wie in der gantzen Welt / mein Vater schwärtzer abgemahlt sey / als er wahrhafftig ist. Daher ich mehr für meiner[78] kindlichen Liebe Pflicht /als für derselben Versehrung halte / wenn ich ans Licht bringe: daß der ihm zugeschriebene Schandfleck nur ein von seiner Gemahlin auf ihn fallender Schatten sey. König Rhymetalces heyrathete noch bey Lebzeiten seines Vaters Rhymetalces / des Parthischen Königes Phraatens mit Jotapen erzeugete Tochter Parysatis / eine Fürstin / in welcher die Tugenden und Laster mit einander umb die Oberhand kämpften /zeugte auch mit ihr einen Sohn Cotys / welcher Fürst mit Warheit von seinen Eltern alle Tugenden / aber kein Laster geerbet hat. Mein Vater Rhascuporis ehlichte anfangs des Getischen Königs Zyraxes mit der Kwadischen Fürstin Vannia erzeugete Tochter Roxana / meine Mutter. Als diese aber kurtz nach meiner Geburt entseelet ward / vermählte er sich nach dreyen Jahren mit der Fürstin Ada / des Comagenischen Königes Antiochus Tochter / dessen unglückseeligen Vater der Käyser August zu Rom enthaupten ließ. Wer in Zweiffel zu ziehen vermeinet: daß Laster und Unglück in gewissen Stämmen erblich sind / findet an dieser boßhaftigen Ada / an diesem Unglücks-Sterne /als vielmehr an dieser Unholdin Thraciens ein allzu sichtbares Beyspiel. Gleichwol aber wird die Nachwelt kaum glauben / daß das mit einander selbst-streitende Gifft aller widrigen Laster in dem engen Hertzen der ungeheuren Ada Raum gehabt / und sich noch darzu mit einander wol vertragen habe. Sintemal alle diese sich der Herrschenssucht zu Mägden gewiedmet hatten / und ihr als einer vollmächtig-gebietenden Königin auf einen Winck gehorsameten. Ich erschrecke /wenn ich an dieses Stief-Kind der Natur / und an sie /nicht so wol meine / als meines Vaterlandes Stief-Mutter gedencke; ja gantz Thracien hat ihrentwegen nunmehr glauben lernen: daß die Tugenden der Weiber der gemeinen Wolfahrt so nütze / als die der Männer / ihre Laster aber unvergleichlich schädlicher sind. Die Königin Erato fiel unter dem Vorwand: daß der beredte Rhemetalces nöthig hätte ein wenig zu verblasen / ihm ein: Das Weibliche Geschlechte wäre ins gemein so vergällt in der Welt: daß ein Scythisches Volck auch den blossen Nahmen eines Weibes für garstig hielte / und destwegen im Reden sich einer umbschweiffenden Beschreibung brauchte: daß viel Syrier von keinem Weiblichen Vieh / als einem giftigen Dinge nicht einmal das Fleisch essen wolten / ja einige gar die Weiber nicht für Menschen hielten /und jener beym Sturme und nöthiger Erleichterung des Schiffes sein Weib als das beschwerlichste Ding ins Meer zu werffen entschlossen war. Dis wäre auch nicht nur eine unbedachtsame Lästerung des albern Pöfels; sondern der so weise Democritus hielte sie für ein Monden-Thier / welches so vielen Veränderungen und Schwachheiten im Leibe und Gemüthe / als dieses Gestirne unterworffen wäre / ungeachtet es den Glantz der Sonne im Gesichte hätte. Ein ander Weiser nennte sie eine Schatz-Kammer alles Bösen / und ein Zeughauß aller Laster / mit welcher Jupiter die Welt wegen des vom Prometheus gestohlnen Feuers bestrafft hätte. Daher dörfte sie sich nicht unterstehen /denen Lastern ihres Geschlechtes das Wort zu reden: daß sie weniger schädlich als der Männer wären; sonderlich / wenn sie die Augen nur ein wenig in der Welt herumb schweiffen liesse / und gewahr würde: daß ein geiles Weib Troja eingeäschert; in der einigen Stadt Corinth gantz Griechenland beflecket / Persepolis angezündet / Egypten dienstbar gemacht hätte; ja kein Königreich wäre / welches nicht über eine Helena zu seufzen / und mit seinen Thränen die glüenden Brände des Vaterlandes auszuleschen hätte. Ihre Bescheidenheit aber / und das Erkäntnüs ihrer eigenẽ Schwachheiten nöthigte sie gleichsam dem ersten zu widersprechen: daß der Weiber Tugend so viel als die der[79] Männer zum gemeinen Wesen beytragen solle; es wäre denn in einem gantz verkehrten Reiche / wie der alten Egyptier und der Gelonen in Meden gewesen ist; da die Männer in Häusern spaanen / neheten / würckten / sich schminckten / badeten / und in so viel Wollüsten / als Oel und Balsam schwammen / die Weiber aber das Feld baueten / Gerichte hegten / und Krieg führten / oder in Mohrenlande / da die Weiber von undencklicher Zeit Zepter und Krone getragen haben. Nach dem aber in der gantzen Welt / wo die Ordnung der Natur nicht verdrehet stünde / die Männer das Haupt / dieses aber alleine des Gehirnes benöthigt wären / Armen / Hände und Füsse aber an der Ehre des Gehorsams sich zu vergnügen hätten / könte selbst kein vernünftiges Weib die grössere Nothwendigkeit und Nutzbarkeit der Männlichen Tugend widersprechen / welche nicht einen Bots-Knecht / und einen gemeinen Soldaten klüger als den Steuermann und den Heerführer achten wolte; da doch die Staats-Klugen ein Landvoll mit einem weisen Vorsteher versorgte Blödsinnige einem Reiche / wo ein Thore Weltweisen zu gebieten hatte / und eine von einem Löwen geführtes Heer Hirschen / und einem Heere Löwen / das ein Hirsch führete / weit fürzügen. Wenn Weiber mit ihren Tugenden den Gipfel erreichten /und ihr eigen Geschlechte überstiegen hätten / schaffen sie selten außer dem Gefängnüsse ihres Zimmers /in welche Einsamkeit die meisten versperrt wären /mit ihrer versitzenden oder gar erstickenden Tugend kaum so viel gutes / als eine grosse Fackel in einer engen Höle / als Ampeln in einem wüsten Tempel /und die Sud-Gestirne / welche von niemanden gesehen würden / ihre Würckung auch nur auf dem gefrornen Meere oder in unbekandten Wüsteneyen hätten. Die Tugend des Männlichen Geschlechtes hingegen gleichete sich der Sonne / welche durch alle Kreise der Königlichen Palläste / der Heiligthümer / der Raths-Häuser / der Richter-Stüle / und der gemeinen Häuser ihren Gang hätte / allen Ständen nützete / und also als ein allgemeines Gut das einzele der Weiblichen Tugend / wie das grosse Auge der Welt die Sternen der sechsten Grösse verdüsterte. Uberdis wäre die Tugend kein Werck der blossen Einbildung und eines tieffen Nachdenckens / sondern ihr Wesen bestünde in der Thätligkeit / also wäre nicht wenig an der Güte des benötigten Werckzeuges gelegen. Denn eine Ameiße hätte zwar eine grössere Fertigkeit als ein Ochse / eine Biene mehr Witz als ein Kameel / und mehr Hertze als ein Pferd; Gleichwol aber machte die Stärcke diese Thiere zum gemeinen Nutzen viel geschickter / als die Geschickten. Weil nun das Weibliche Geschlechte ins gemein zarter Glieder / schwachen Verstandes / veränderlichen Gemüthes und furchtsamen Hertzens / die Männer aber starck / klug / gesetzt /hertzhaft und thätig wären / würde es eine Vermässenheit seyn / wenn ihr Zwerg-Geschlechte sich gegen diese Riesen zu mäßen unterstünde. In welchem Absehen denn der kluge Gesetz-Geber zu Sparta Lycurgus zwar für die Männer viel heilsame Richtschnuren geschrieben / die gleichsam unnützen Weiber ihrem eigenen Willen überlassen hätte. Hertzog Jubil begegnete ihr: Er nehme zwar der Königin Einwurff für eine bescheidene Demuth auf / sie würde aber bey Zeite zu sorgen haben: daß es ihr Geschlechte für keine Verachtung ausdeutete; welches noch nie völlig dem Männlichen das Vorrecht enträumet hätte. Unter den Menschen wären die Frauen schöner / und bey den meisten Völckern in grösserm Ansehen. Niemand wäre so bäurisch / der nicht einer Frauen Ehrerbietigkeit bezeigte; Und zu Rom dörfte kein Mann / als neben seinem Eheweibe zu Wagen fahren. Unter den wilden Thieren wären die meisten Weiblichen sorgfältiger und zahmer als die Männlichen. Daher hätte[80] Solon in seinen Gesätzen auf eines Wolffes eingebrachten Kopf fünf / auf einer Wölffin nur einen Schilling zum Preiß ausgesetzt. Unter denen Pflantzen waren meist die Weiblichen die kräfftigsten / die Früchte der Männlichen Zitron-Bäume die herbesten /die süssesten aber Weiblich. Am wenigsten aber wäre die Tugend mehr eines als des andern Geschlechtes Eigenthum. Denn diese wäre ein Schatz der Seele /welche als ein Geist vom Unterschiede des Geschlechts nichts wüste. Daher entzüge mehr die Gewonheit als das Recht dem Weiblichen die Bothmäßigkeit in der Welt / wie den Weiblichen Thieren den Stand in den Tempeln der Cybele. Denn / wenn wegen ein oder der andern Herrscherin Fehler alle verwerflich seyn solten / würden eben so wol die so oft irrenden Männer sich des Gebietens enteusern müssen. Viel gekrönte Frauen hätten es grossen Königen zuvor gethan; und es wäre schwerlich ein Volck das nicht seine Heldinnen und Amazonen aufzuführen hätte; und nicht nur das kurtze Griechenland / sondern die gantze Welt hielten die Weißheit für eine anständige Gemahlin des Weiblichen Geschlechtes. Sintemal nicht die breiten Achseln der Träger / die starcken Armen der Fechter / die abgehärteten Füsse der Läuffer / sondern Verstand und Hertzhaftigkeit die Maus und Spann-Ader der Seele / und die Werckzeuge der Tugend wären. Jedes Haußwesen bildete einen kleinen Staat ab / und aus derselben Vielheit bestünden alle Grosse. Jener gute Verfassung wäre die Grund-Seule der gemeinen Wolfahrt; in selbten aber müsten die Hauß-Mütter / sonderlich bey Erziehung der Kinder / bey Bändigung der Dienstbothen das beste thun. Also arbeiteten die Frauen die knörnrichten Höltzer und rauen Steine zu tauglichen Bildern aufs Rathhauß / und in die Tempel aus. Zu geschweigen; daß den Kindern mehr die Eigenschafften ihrer klugen oder albern Mütter / als ihrer Väter angeboren werden; und hat man selten einen klugen Sohn eines scharfsinnigen Vaters / und einer thörichten Mutter / aber viel kluge Söhne kluger Mütter / und alberer Väter gesehen. Denn wären gleich die Väter die erste Ursache ihrer Kinder / wie die Sonne der Pflantzen / so wären doch die Mütter wie die Erde / die nechsten und kräftigsten. Von dieser letzten rührte her: daß in Arabien Weyrauch / in Syrien Balsam / auf Zocotera Aloe / in Dacien Gold / in Indien Perlen / Edelgesteine und Gewürtze / anderwerts aber dürre Heyde / Schleen /Eisen und Bley wüchse. Die Tugenden und Laster der Mütter aber würden in den Adern den Kindern eingepflantzt / und mit der Mutter-Milch eingeflößt. Ohne diese wäre der Lehrmeister Bemühung verlohrne Arbeit. Denn der Thon würde auch unter eines Phidias Hand nicht zu Marmel / und das Eisen ins Praxiteles Werckstadt nicht zu Golde. Dis Marck der Erde käme aus den köstlichsten Ertz-Adern / und tapfere Leute aus Mutter-Leibe. Ja ein Funcken eingepflantzten Mutter-Witzes wäre ein nützlicher Licht des Lebens /als viel scheinbare Wissenschafften der Schulen / welche oft so viel Irrthum / als grosse Brände Rauch an sich haben. Wenn aber auch die Auferziehung zur Tugend was helffen könte / müsten die Mütter hierbey das beste thun / und ihre Kinder wie die Bären ihrem ungestalten Brutte mit ihrer leckenden Zunge allererst eine Gestalt geben. Ihre Anmuth hätte an sich eine lockende Eigenschafft / welche kräftiger würckte / als die gewaltsame Antreibung der ernsthafften Väter. Nichts weniger hätten kluge Frauen ihrer Männer Hertzen in Händen / und die / welche allen andern zu gebieten hätten / schämten sich nicht denen weisen Erinnerungen ihrer Gemahlinnen Folge zu leisten. Derogestalt wären sie gleichsam die erste / wiewol unsichtbare Bewegung in dem Rade des gemeinen Wesens;[81] Und Käyser August würde mehr als einmal über die Schnure gehauen haben / wenn ihn nicht mehrmals die verschmitzte Livia in Schrancken gehalten hätte. Rhemetalces brach ein: Hertzog Jubil redete mit so guten Gründen der Weiblichen Tugend das Wort: daß aus der Eingeschafft der widrigen Dinge ihre Laster durch das gröste Gift des gemeinen Heiles seyn /und dem Drachen-Gestirne gleichen müste / dessen Schwantz alles gute verschlimmerte / der Kopf alles böse vergrösserte. Mein Erbarmens-würdiges Thracien hat leider! dis an dem schädlichen Schwantz-Sterne der Fürstin Ada mit unverwindlichem Schaden erfahren. Ihre Mutter war eines Bildhauers Tochter zu Ephesus gewest / und hatte ihrer Tochter Ada alle Schwachheiten des Pöfels in der Geburt / denen ohne dis weichen Comagenern aber durch ihre Lebens-Art alle Laster der wollüstigen Lydier mitgetheilet. Insonderheit aber führte sie zu Samosata die vom Lydischen Könige Andramytas eingeführte Verstimmelung der Weiber ein / und besetzte fast alle Aempter des Hofes mit Verschnittenen. Sie zohe die gemeinsten Leute aus einer angebornen Neigung zu der Niedrigkeit / wie die aufgehende Soñe die Feuchtigkeiten der Sümpfe hoch empor / und drückte den Comagenischen Adel als einen ihren neuen Glantz verdüsternden Nebel zu Bodem. Ihre schnelle Erhöhung blendete ihre Vernunfft / wie übermäßiges Licht das Gesichte; also daß sie ihre ungewohnte Würde nicht begreiffen / weniger ihre sich aufblähende Gemüths-Regungen mäßigen konte; sondern ihren Ehherren zu eitel eusersten und daher gefährlichen Entschlüßungen verleitete. Alles dieses lief auf Comagenens Unglück /und auf des Antiochus Untergang aus; zu einer merckwürdigen Warnigung: daß wie die Granat-Aepfel-Bäume keine Früchte ohne Kronen / also Königliche Ehbette keine andere Gemahlinnen als Fürstinnen vertragen sollen; und daß edles Geblüte mit dem des Pöfels sich so schwer als Oel und Wasser vermischen lasse. Alleine ihre viel ärgere Tochter Ada spiegelte sich weder an dem blutigen Tode ihres Vaters; noch an der Verfluchung ihrer Lasterhaften Mutter. Mit ihr segelten gleichsam alle Asiatische Wollüste und Verschwendungen in das noch unschuldige Thracien. Denn ob zwar das benachbarte Griechenland darinnen lange vorher derogestalt zerfloß: daß die Persen aus unersättlicher Begierde ihre überdrüßige Wollüste mit neuen zu verzuckern über den Hellespont setzten / die Etolier auch durch Verschwendungen arm / die Macedonier gar in Persien darmit angesteckt worden waren / hatten doch die alten Sitten der Thracier sich bis dahin eben so wenig / als der strenge Rhodan mit dem Wasser des Lemannischen Sees vermischen lassen. Ihr Frauen-Zimmer bestand meist in verschnittenen Weibern / aus Lydien / oder welche unter dem Vorwand ihrer zu der Göttin Anaitis tragender Andacht ihre Jungfrauschafft an Nagel gehenckt hatten. Ada ließ sich auch meist mit entmannten Knaben bedienen; wartete auch nur des Syrischen Gottesdienstes ab; darzu sie hundert Priester mitbrachte / und am Flusse Hebrus unter dem Berge Rhodope der Anaitis ein Heiligthum bauete. Die Thracier schöpften hierüber einen so viel grössern Unwillen / weil sie eine Gemahlin des obersten Priesters war / dessen Ampt erforderte die Einführung frembden und neuen Gottesdienstes zu verhindern. Sie strich dieser Andacht aber durch Erkiesung des lustigsten Ortes in Thracien /durch Erbauung der kostbarsten Lust-Gärte / warmer Bäder und Schau-Plätze / oder vielmehr der Wollust durch einen scheinheiligen Gottesdienst eine so schöne Farbe an: daß die ernsten Thracier / welche anfangs alles dis anstanck / durch Gewonheit selbte vertrugen / hernach selbst mitmachten / und diese Verderbnüsse[82] des Menschlichen Leibes und Gemüthes endlich eifriger liebten / als sie sie anfangs gehaßt hatten. Männer und Weiber badeten daselbst des Tages nackt; und des Nachts sassen sie in den Schauplätzen vermischt unter einander; gleich als wenn die daselbst wohnende Gottheit sich der Schamhaftigkeit schämte / und den zwischen dem Männ- und Weiblichen Geschlechte gemachten Unterschied aufgehoben hätte. Die Fürstin Ada gieng täglich / ihr Frauen-Zimmer aber in Feyertagen in gantz seidenen Kleidern; da vorhin die Thracischen Königinnen nur halbseidene Zeuge mit leinenen Bödemen getragen hatten. Und überdis muste der Kern dieses aus Persien / oder von den Seren gebrachten Wurm-Gespinstes nach der Tyrier Erfindung zweymal aus Schnecken-Blute gefärbt /und / weil dis in gleichem Gewichte gegen Golde abgewogen und bezahlet wird / theils die Unterthanen ihren Schweiß / theils die im Alterthume gestiffteten und sorgfältig gesammleten Kirchen-Güter darzu verschwendet werden. Denn ob zwar die in Indien und Persien auf den Maulbeer-Bäumen spinnenden Seiden-Würmer für einiger Zeit auch auf das Eyland Co gebracht worden sind / und nunmehr auch in Griechenland ihre Seide / welche unsere Vorfahren irrig für Baumwolle gehalten / gewebt wird; so war doch dieser Zeug der Ada gar zu geringe / weil er einheimisch und zu wolfeil war / sondern sie bestellte diese Zeuge alle / und zwar nur geblümte / und in die gantze Landschafften und Geschichte künstlich mit der Nadel genehet waren / durch Arabische Kaufleute von Rhagis und Babylon denen zweyen Parthischen Haupt-Städten. Wenn sich Ada aber offentlich sehen ließ / schlepte sie den mit dichten güldenen Blumen gestickten Purpur / als ein geringes Unterkleid auf der Erde und im Staube herumb; ihre von güldenen Fädemen hocherhaben-gestickte Ober-Kleider aber starreten von Diamanten und Rubinen; also daß ein einiges Kleid dieser Priesterin so viel und mehr kostete / als vor Zeiten aller Thracier. Dazumal unsere Könige eben so wol als die Römischen Frauen selten mehr als sechs Untzen eingewürcktes Gold in einem Kleide /und zwar nur in dem Haupt-Schleyer / oder im Leibstücke des Rockes / oder auch nur auf den Aufschlägen der Mäntel / und an den Säumen der Röcke trugen. Ja unsere sparsame Könige unterhielten auch gewisse Goldschlager / welche auf eine anderwerts gantz unbekandte Art das Silber wie das Gold zu Fädemen machten / und dardurch in verschwenderischen Augen zwar eine ansehliche / aber in Ausgaben eine wenig kostbare Pracht zeigeten. Endlich kriegte auch Ada über Seide / Purpur / Gold und Edelgesteinen /als über allenthalben bekandten Sachen einen Uberdruß. Daher ließ sie ihr aus dem grossen Morgenländischen Meere die härichten Perlen-Muscheln bringen / welche die Indianer Berberi und des Meeres Blumen heissen; daraus ließ sie die goldgelbe Wolle / welcher Farbe weder Schnecken-Blut noch andere Kunst beykommt / der Zärtligkeit aber das Gewehe der Spinnen und Seiden-Würmer nicht gleichet / zusammen kommen / und vermischte selbte nicht nur mit ihren Haarlocken / sondern ließ auch Tücher davon würcken /und das Werck davon an statt des Cedern-Maaßes und Baumwolle in ihren Ampeln als Tachter verbrennen. An statt des Zeither aus gedörtem und im Flüß-Wasser lange abgewaschenem Baum-Mooße oder aus gefeiltem Helffenbeine gebrauchten Haar-Staubes /stäubete die Fürstin Ada ihr nach dem Beyspiele der Persischen Könige mit Narden-Wasser und Myrrhen-Oele angefeuchtetes / wie auch nach Phrygischer Art mit heissen Eisen gekräuseltes Haar mit gemahlenem Golde ein. Ihren Hals / Haupt und Armen berührte kein ander Schmuck / als Kugel-rundte / Bonen-grosse / und das edelste Wasser habende Perlen. Ihre Brüste trug sie alleseit gantz bloß / und ihre Unter-Röcke waren von so dünnem seidenen Flore: daß sie mit diesem[83] mehr gewebten Winde als Kleide weniger / als eine Ehbrecherin ihrem Buhlen im Bette verdeckte. Ihr Futterwerck zu den Winter-Kleidern war nichts anders / als von der eusersten Nord-Spitze hergebrachte Zobeln und Hermelin / welches noch darzu mit flüssendem Golde / welches sie auch zu ihrer Tinte brauchte / und damit auf gepurperten Pergament schrieb / an den Spitzen vergüldet. Ihre blauen Trauer-Kleider aber waren mit eitel aus Lasur-Steine oder aufgelösetem Silber gemachter Farbe gemahlet. Ihre Zimmer ließ sie am Bodeme mit Sardischen Teppichten / an Seiden mit Goldstück bekleiden / die Decken mit Helffenbein austäffeln / durch welche aus unsichtbaren silbernen Röhren die aus Rosen / Jesmin und Musch bereiteten Salben abtröpfelten / oder vielmehr verrauchten. In die Ampeln in ihrem Zi er und in ihre eine Stunde für der Abend-Mahlzeit allzeit gebrauchte Bäder goß sie den allein bey Jericho in zwey Königlichen Gärten sparsam wachsenden Balsam / welchen man zu des grossen Alexanders Zeiten zwar gegen zweymal so schweres Silber verkauffte / die Uppigkeit aber nunmehr dem Golde gleich gemacht / und bey nahe gar vertilget hat. Sie tranck kein Wasser /als welches aus einem Brunnen bey Samosata hergebracht ward / und keinen Wein als Chalybonischen von Damaseus / umb sich nur den Persischen Königen zu vergleichen / welche nur eben diesen Wein /und aus siebzig ihnen alleine gewiedmeten Bruñen-Wasser trancken; ungeachtet der edle Wein von Jessa / Chius / Thasus und Levcas / wie auch der nach Veilgen und Hyacinthen schmeckende Saprische Reben-Safft jenen weit übertraf / aber / weil er näher und wolfeyler / dieser Verschwenderin verächtlich war. Ihrer Taffel muste das Sicanische Meer die Fische /Colchis das Geflügel / Syrien und Athen die Salben /Thessalien die Salaten / Böotien die Aale / Sicilien Käse / Cipern Senf / Miletus die Brunn-Kresse / Samothracien Zwiebeln / ja fast jedes Land was besonderes herschaffen. Alle Speisen ließ sie mit wolrüchendem Ambra und brennenden Gewürtzen / als einem rechten Zunder der Geilheit anmachen: und nicht nur mit Casia oder der gemeinen Zimmetrinde /welche doch von Phönicischen Kaufleuten gegen Silber abgewogen wird / sondern mit denen zweymal so kräftig- und theuren Sprossen der jungen Zi et-Stauden bestreuen / welche für weniger Zeit noch in diesen Landen nie gesehen / oder in Königlichen Schatz-Kammern als eine sonderbare Seltzamkeit aufgehoben wurden / welche die Vögel entweder aus unbekandten Morgenländischen Eylanden in Arabien brächten /oder die Indianer von denen daraus auf fast Himmel-hohe Bäume bereiteten Nestern der Phönix- oder Zi et-Vögel mit bleyernen Pfeilen abschüssen müsten / wie die Gewinnsüchtigen Phönicier dis der einfältigen Welt Zeither angebunden haben. Ihre eigene Gerichte ließ sie / wie die Sabeer in ihrem Lande / mit eitel Weyrauch-Holtze braten. Bey der Mahlzeit ließ sie sich von zwölf verschnittenen Edel-Knaben / welche Wechsels-weise in die annehmlichsten Säiten-Spiele sangen / ihren Gemahl den Fürsten Rhascuporis aber meist mit zwölf nackten Jungfrauen bedienen. Ada fuhr auch auf keinem andern / als im Feuer vergüldeten / oder Helffenbeinernen Wagen / welche nach Art der Siegs-Wagen gemacht / und von Perlen-farbenen Pferden gezogen wurden. Sie gieng niemals in die Lufft / als unter einem über ihrem Haupte getragenen Sonnen-Schirme. Im Winter schlief sie auf seidenen mit Eis-Vogel-Federn gefüllten Damasten / im Sommer nach Art der Sybariten auf Rosen-Blättern; und ich glaube: daß sie mehrmals wie Sminderides über Rückenweh geklagt haben werde / wenn sich etwan ein Rosen-Blat gerunzelt / oder ihrer etliche sich zusa en werden gefaltet haben. Alle ein Geräusche machende Handwercker musten von ihrem Pallaste weit entfernet seyn. Ja sie litt keinen Hahn in der Nähe / damit er sie nicht mit seiner unzeitigen Wachsamkeit im[84] Schlaffe störte. Weil sie aber nicht allzu schön / desthalben aber es zu seyn so viel begieriger war / verschrieb sie ihr aus Persien von Cyrene / von Rom und aus der halben Welt nicht nur allerhand Schmincken / sondern auch besondere Meister dazu; welche die berühmten Balsa acher Plangon / Peron und Dinias für einfältige Leute hielten / und die aus Myrabolanen / heydnischem Wundkraute / Amomum / Zimmet / Hagäpfeln / Paradiß-Körnern / Narden /Myrrhen / Gummi / Indischem Balsam / Saffran und andern Köstligkeiten gemachte Salben noch kostbar verbesserten. Ich bin auch versichert: daß Alexander so viel Sorten köstlicher Balsame nicht in dem berühmten Schreine des Königes Darius gefunden habe / als ihrer Ada in ihrem Schrein verwahrte. Jedes Glied hatte seine absonderlich ihm zugeeignete. Mit der Egyptischen Salbe aus dem Kraute der so genannten Frauen-Handschuch balsamte sie die Füsse und Schienbeine; mit der Cyprischen aus wilden Wein-Trauben die Schuh / mit der Lydischen aus Quendel die Knie / mit Sidonischer aus Brunn-Kresse die Armen / mit der Cyzikischen aus blauen Lilgen den Bauch / mit der Phaselischen aus Cyrenischen Rosen die Brüste / mit der Cilicischen aus Saffran den Rücken / mit der Rhodischen aus Narden den Hals / mit der Phönicischen aus Myrrhen den Mund / mit der Coischen aus Quitten-Blüthe die Wangen / mit der Adramytischen aus Amaranthen die Haare und Augenbrauen / mit der Sardianischen aus Haupt-stärckenden Gewürtzen die Stirne und Schläfe ein; wenn sie vorher sich mit gepreßtem Saffte aus dem Bären-Klau-Kraute über den gantzen Leib eingeschmieret /und selbten darmit weiß gemacht hatte. Hernach machte sie ihre Zähne durch ein gewisses mit Scheide-Wasser geträncktes Wachs weiß / röthete ihre Lippen allererst mit der Syrischen Röthe-Wurtzel / oder mit einer aus der rothen Wurtzel der stinckenden Hunds-Zunge gemachten Schmincke; gleich als wenn eines so gemahlten Weibes Athem darmit vergiftet werden müste; die Wangen aber färbte sie aus einer von rothem Meer-Schilffe und Egyptischen Dornen bereiteten Salbe; zuweilen auch mit dem Blute gewisser aus Indien gebrachter und zerquetschter Würme; und das Wachsthum der Augenbrauen zwang sie mit einem aus Spiß-Glase geraucheten Russe rund herumb in die Höhe / und die unnützen Haare beitzte sie mit Salamander-Speichel weg. Sie ließ sich täglich etliche mal mit zerkäueten Indischen Nelcken anhauchen / umb ihre graue Augen zu schwärtzen; und wormit sie nicht wäßricht würden / aaß sie / wie die Albanischen Weiber / welche die schönsten Augen in der Welt haben / in den Speisen kein Körnlein / und also weniger Saltz als die Priester der Isis / sondern brauchte an dessen Stelle zerstossene Kohlen. Denn wie sehr sie gleich durch niedliche Speisen verwehnet war / wolte sie doch liebreicherm Geschmacke / als ihrer Gestalt etwas abbrechen. Besonders da die Runtzeln sich zwar mit dem Schnee der Schminck-Balsam ausgleichen / trieffende Augen aber nicht ausklären lassen; ein frisches Antlitz aber mit todten Augen sich übel paaren läst. Die schmalen Hüfften vergrösserte sie mit untergebundenen Kissen; die rothen Augen-Wimpern bräunte sie; die Wartzen an Brüsten überpurperte / die Nägel vergüldete / die Haare bestäubte sie; Ja es würde iemanden schwer gefallen seyn / irgendswo eine Nadel-Spitze anzusetzen / wo sie nicht gemahlet war. Also machte sie Erde und Meer / ja schier alle Länder der Welt zu Abgöttern /ihren Leib aber zum Götzen / welchen sie täglich salben und mahlen musten. Sie hatte ihre aus der Fremde verschriebene Schönheit in Büchsen verschlossen /und den Früling mit seinen Rosen und Lilgen bey allen Jahrs-Zeiten in ihrem Schrancken; und gleichwohl niemals ihr eigenes Antlitz; so daß / ob wohl der gleichsam bezauberte Rhascuporis nur seine Ada anbetete / und nicht mehr Wittiber[85] ward / er dennoch täglich ein ander Weib heyrathete / und ein neues Weib küßte. Weil die Wollust aber unersättlich /gleichwohl aber einerley Uppigkeiten bald überdrüssig ward / erfand sie eine neue Art in gantzen alabasternen Wannen voller Balsams / bald kalt / bald warm zu baden; da sie vorhin nur die Wände der Badstuben damit bespritzt hatte; nunmehr aber in einem Bade zwölftehalb hundert Pfund Balsam / und dardurch auf einmal eine halbe Tonne Goldes verschwendete. So sorgfältig war meine Stiefmutter um ihre äuserliche Gestalt aufzuputzen / nur daß sie ihr zu Verstellung ihrer besudelten Seele so vielmehr behülfflich seyn solte. Die Fürstin Adelmunde fiel hier lächelnde ein: Wenn Hertzog Rhemetalces die Kunst sich schöner zu bilden nicht so sehr verda te / hätte er durch seine umbständliche Erzehlung ihr und allem nicht schönen Frauen-Zimmer einen so guten Lehrmeister die Gebrechen der Gestalt zu ersetzen abgegeben / als die Fürstin Ada selbst schwerlich unter ihren Wollust-Meistern am Hofe gehabt hätte. So aber würde sie genöthigt / lieber ungestalt und ohne Schandfleck zu bleiben / als schöner und ihre selbsteigene Verfälscherin zu werden. Inzwischen wäre kein geringes Merckmal einer grossen Fähigkeit: daß ein so schöner Fürst / als Rhemetalces wäre / und welcher zu seiner Vollkommenheit keines Aufputzes bedörffte / in einer ihm so verhaßten Kunst so viel Geheimnüsse begriffen und behalten hätte. Rhemetalces fühlte diesen Stich wohl; nahm sich aber der wenigsten Empfindligkeit an; sondern versetzte: Er wüntschte: daß er so wenig von dieser verächtlichen Wissenschafft gelernet / als sonst Gutes von seiner Stiefmutter genossen hätte. So aber hätte sie bald nach ihrer Heyrath durch ihre ihm erwiesene Heuchelung das Hertze seines Vaters gestohlen / ihn im Frauenzimmer auf weibische Art erzogen und gefirnset / und durch ihre Verzärtelung ihn mit allem Fleisse zu einem untüchtigen Fürsten zu machen / und dardurch ihren Kindern so viel mehr den Weg zur Nachfolge zu bähnen sich bearbeitet. Ich würde auch ausser Zweifel noch weibischer /als der entmannte Ninyas / als der Sammet-scherende Sardanapal / und das Weib Androcotus in Phrygien worden seyn / wenn mich nicht ein glücklicher Unstern dieser zauberischen Mahlerin hold und zugleich dem Verderben entrissen hätte; welche mir zwar täglich die Wangen mit Zinober überfirnßte / aber mein innerstes in was heßlichers / als in Vieh zu verstellen dachte. Erato brach allhier ein: Ich verfluche das letztere / und erkläre mich für eine offene Feindin der Laster; gleichwohl aber werde ich wegen des ersten genöthigt mein Vaterland und alle Morgenländer zu vertheidigen / welche durchgehends sich der Balsame /Salbe und Schmincke gebrauchen. Ich kan mich leichte bescheiden: daß weder Adelmunde noch Rhemetalces die der Gesundheit halben geschehende Salbung ohne diß nicht verwerffen werde. Sintemal wie im Sommer die Bäder / also im Winter die Einbalsamung die Müdigkeit ausziehe / das Oel so wohl die Glieder erwärme und gezüge mache / auch so wohl den Leib als die Farben / oder der Firnß das Holtz für Fäule und Würmern erhalte / der Saffran die Haut und das Fleisch stärcke; wie nicht minder die Salben die Aufdämpfungen des Weines ins Haupt / verhindern; die Feuchtigkeiten aber austrocknen. Westwegen die Persen / Syrier und Griechen auf ihren Gastmahlen ihrer Gäste Häupter zu bekräntzen und einzusalben pflegen. Gleicher gestalt ist die Einölung den tapfern Ringern in den Kampff-Plätzen dienlich / und in andern Fällen nöthig; westwegen der weise Socrates gewisse Einbalsamungen wie die Kleider nur den Weibern /andere aber auch den Männern anständig hält / und diese ist in dem noch so mässigen Rom unter den Tarquiniern nicht verwerfflich gewest. Ja gewisse täglich die gesündeste unter den Speisen / nemlich Honig-essende /[86] und den Leib äuserlich einölende Leute sind 2. biß 300. Jahr alt worden. Allein ich bin auch der Meynung: daß dem Frauenzimmer durch Balsame und andere Schmincken ihre Schönheit zu erhalten / oder ihren Abgang zu ersetzen eben so wenig / als den Männern durch stete Ubung / oder auch durch Artzneyen dem Abgang der Stärcke zu wehrẽ / weniger für ein Laster zu rechnẽ sey. Sintemal die Gestalt unserm Geschlechte diß / was den Männern die Stärcke ist. Und darumb hat die Natur / welche sonst das männliche aller Thiere viel schöner als das weibliche bildet /bloß und allein unter den Menschen das Frauenzimmer an Schönheit weit über die Männer gesetzt. Diese nichts minder weise als gütige Mutter erkennet selbst die Kunst für ihre Schwester / und brauchet sich unzehlbare mal ihres Pinsels / wenn sie die grauen Wolcken mit dem Purper der Morgen- und Abend-Röthe und dem Golde der Sonnen-Strahlen mahlet; den wäßrichten Regenbogen mit fast allen Edelgesteinen versetzet / den blassen Monden mit einem lichten Hofe sichtbar macht; ja dem grossen Auge der Welt / welches sonst alle Dinge sichtbar macht / sich aber selbst eigentlich schauen zu lassen viel zu eiversüchtig ist; und dem gestirnten Himmel in dem Spiegel des blauen Meeres durch den Gegenschein sein Ebenbild zeiget / und derogestalt dem Wasser eine falsche Schönheit zueignet. Uber diß ist die Natur an sich selbst nicht nur in der Gestalt / sondern auch in der Seele /und in ihren andern Wercken eine Bäuerin / und darff zu ihrer Vollkommenheit die Hand des Künstlers. Der Verstand muß nichts weniger / als rauhe Diamanten geschlieffen / das Gedächtnüß so wohl als die Glieder zur Hurtigkeit geübt; ja Tugend und Wissenschafften so wohl ins Gemüthe / als süsse Früchte auf wilde Stämme gepfropfet werden. Man beni t den Stauden die unnützen Räuber; man schabet von Bäumen die Knörner und heßliche Rinde; man zwingt die Stämme zum geraden Wachsthume; durch Einflössung gewisser Säfte die Tulipanen-Zwiebeln: daß sie schönere Blumen tragen. Die Löwen machen durch Schütterung ihrer Mähnen; die Pfauen durch Ausbreitung ihres spieglichten Schwantzes; die Tauben und Fasanen durch Spreissung ihrer gläntzenden Hälse sich ansehlicher. Die Adler verjüngen / die Füchse hären sich; die Schlangen und Heydechsen ziehen ihnen ihre alte runtzlichte Haut ab / umb mit einer schönern zu gläntzen. Was hat denn das Frauenzimmer / welches ohne diß den eckelen Männern niemals schön genung ist / verschuldet; daß es seiner Gestalt nicht mit einem Beysatze / wie der Künstler so gar auch dem edelsten Ertzte mit einem doch nur aus Glase bestehenden Schmeltze helffen darff? Das Völcker-Recht / weil es die meisten / und zwar nicht nur die Morgen- sondern auch die West-Sud- und Nordländer / ja auch die Männer selbst thun / steht so viel mehr auf mein und meines Geschlechtes Seite; die Africanischen Araber mahlen ihren gantzen Leib mit himmel-blauer / die Egyptier und die Einwohner der Glücks-Inseln ihre Glieder mit gelber / die in dem Atlantischen Eylande ihre Antlitzer mit Purper-Farbe; die Mesagetischen Mohren mit Röthe / die Britannier mit Weid; und die Indier färben auch mit steter Käuung eines gewissen Krautes ihre Zähne roth / ja schmincken so gar ihre Bärte. Die Dacischen Weiber lassen ihnen zur Zierde allerhand Bildungen in die Haut hacken. Die in Gallien kleiben schwartzseidene Fliegen auf ihre Wangen und Stirne umb ihre schnee-weisse Haut so viel scheinbarer zu zeigen; ja für etlichen hundert Jahren haben schon die Thracischen Frauen so wohl ihre Leiber gemahlet / die Augbrauen geschwärtzet / als ihre Glieder mit Spangen und Gürteln geschmückt. Ist die Schmincke der Antlitzer verwerfflich; warumb nicht auch der Edel-Gesteine[87] und Perlen-Schmuck? welcher doch mit der Gestalt selbst sich nicht wie jene verschwistert. Ist der Balsam und das Einsalben verbothen / warumb nicht auch das Wasser und waschen? sintemal beydes einerley Zweck anzielet. Ist es unrecht die Haut weich und klar zu machen / und die Antlitzer schmincken / warum kleidet sich die Welt in weiche Wolle und Seyde; und in die gefärbten Tücher? Sintemal die Cretische Farbe / ja der Purpur selbst nichts bessers als eine Schmincke des Meeres /Bleyweiß und Zinober aber der Erde ist. Stehet der annehmliche Geruch dem Frauenzimmer nicht an /warumb hat ihn GOtt den Blumen / den Gewürtzen und andern Gewächsen / den Panthern und Zibeth-Katzen eingepflantzet? Ist die Schönheit an ihr selbst ein Geschencke der Götter / ein Schatz der Natur / ein Band der Liebe; warumb verwirfft man denn ihre Handlangerin die Kunst / und ihr Kraut und Loth die Schmincken? Ist die Schönheit nun unscheltbar; was hat es denn zu bedeuten / ob sie ein Kind der Natur /oder der Kunst / ob sie angebohren / oder ein Meister-Stücke gelehrter Hände sey? Ist es unverwehrt mit den Kleidern abzuwechseln / und tadelt niemand die Sonne: daß sie keinen unaufhörlichen Tag macht /sondern nach der Nacht ihn wieder gebiehret; warumb soll es denn die verschwundene Schönheit nicht wieder zu ergäntzen verstattet seyn? Ist die gemachte Gestalt aber auch gleich keine Wahrheit / so ist sie zum minsten ein schönes Getichte. Sind die Getichte der Venunfft nun nicht schlechter dings zu verwerffen /sondern mehrmals heilsame Gemächte der weisesten Leute; warumb sollen denn die des Leibes so gar verwerfflich seyn? die Römer balsamen in Feyertagen ihre staubichte Sieges-Zeichen die Adler ein. Die Parther legen ihren Pferden güldene Halsbänder umb /und Goldstücke auf. Man vergüldet denen zum Opfer besti ten Ochsen die Hörner / kräntzet die Stiere mit Rosen. Die Mohren mahlen nicht nur ihre Könige /die Römer ihre Sieger / und beyde ihre Götter mit Zinober; und die Cyrenischen Priester baden / salben und zieren das Bild ihres Ammons / wie die Römer ihre Bräute; wegen welcher die Göttin Juno selbst sich nicht schämet den Nahmen einer Salberin zu führen; oder auch sich selbst ihrem lüsternen Jupiter zu Liebe anzustreichen. Venus hatte dem willigen Phaon an statt des Schiffer-Lohns eine Schachtelvoll köstlicher Schmincke verehret / durch die er der schönste Mensch in Lesbos worden / und nicht nur die gelehrte Sappho / sondern alles Frauenzimmer gegen ihn in Liebe entzündet worden wäre. Wie soll denn beym Frauenzimmer ein so grosses Laster seyn / was die Götter selbst thun / oder befördern? und wormit die Natur selbst mehrmals im Menschen spielet? Weil das Verhängnüß so unbarmhertzig / die angebohrne Schönheit so flüchtig ist / Zeit und Männer aber so ungerecht mit ihr handeln / indem jene das weibliche Geschlecht ehe als das männliche veraltern läßt /diese aber wohl an eine gewesene Schönheit dencken /sie aber nicht lieben / ja auch gar der noch in frischer Blüthe stehenden überdrüssig werden. Daher es wegen der Männer eine fast unvermeidliche Nothwendigkeit / wider die Zeit aber eine unverantwortliche Rache zu seyn scheinet / wenn man dem Antlitze seine Jugend / der Gestalt ihre Kindheit / durch eine kluge Erfindung wieder gibt; ja nicht ohne Wunderwerck den Raub dreissig und mehrer Jahre gleichsam in einem Augenblicke gut machet. Oder wie der Sonnen-Vogel sich selbst / also eine Frau ihre veralterte Schönheit aus ihrer Asche wieder ans Licht bringt. Daher nur zu wüntschen wäre: daß die Salben / welche die Kranckheit eines sechzig-jährigen Alters im Ansehen heilen / solchen auch in den Adern und Beinen abzuhelffen kräfftig wären. Die Natur[88] selber weiset uns hierinnen den Weg / und führet uns die Hand. Der Rosen-Strauch ersetzet alle Morgẽ den Abgang seiner schönen Blumẽ / weil ihr Alter mit dem Tage einerley Länge hat. Der Monde und die meisten Sternen prangen nur mit dem von der Sonne geborgten Lichte. Ja die Sonne selbst mahlet sich wie das sich schminckende Frauenzimmer alle Tage im Meere /und in Wolcken. Ja auch im Menschen verwandelt die Natur für sich selbst mehr als einmal die Heßligkeit in Schönheit. Des Königs Aristons Gemahlin war anfangs die greulichste Jungfrau / hernach die schönste Frau in Sparta; so gar / daß dieser erste Verwürffling hernach Helenen an die Seite gesetzt / und diese Veränderung für ein Göttliches Wunder gehalten ward /besonders da ihre Amme sie in ihrer Kindheit alle Morgen in Helenens Tempel getragen / und die Göttin umb eine bessere Gestalt angefleht hätte. Und zu Rom hat man mich versichert: daß die wunder-schöne Schwester des Germanicus Livia in jüngern Jahren beynahe die heßlichste in Rom gewesen / und Drusus destwegen schwer an ihre Heyrath kommen sey. Ja die Tugend selbst gebrauchet sich einer gewissen Schmincke / nemlich der Scham-Röthe / welche die Weisen gar billich die Farbe / das Saltz und die Morgen-Röthe der aufgehenden Tugend nennen / weil sie nur aus einem keuschen Hertzen ins Antlitz steigt /und daher kein ander Thier als der Mensch damit gefärbt wird. Diese Schmincke nennet Menander die Scham-Röthe gar die gröste Göttin; und so wohl Athen als der weise Epimenides baute ihr ein Altar; Plato aber rieth den Eltern: daß sie ihren Kindern mehr dieses edlen Purpurs / als Goldes zur Mitgift mitzugeben beflissen seyn solten. Die lebhafte Hertzhaftigkeit färbet eben so wohl das Antlitz der Helden; daher bitte ich für die Sitten meines Vaterlandes und für mich / die ich mich sonst auch selbst meiner selbsteigenen Verfälschung werde schuldig geben müssen / von so viel anwesenden Schönheiten ein gütiger Urtheil. Die Fürstin Adelmunde fühlte und färbte sich über der Königin Erato Worten und Bekentnüsse; gleich als wolte sie durch diese untadelhafte Schmincke ihre unvorsichtige Verachtung der andern entschuldigen. Weil sie aber ohne Heucheley und eigene Schande ihr voriges Wort nicht zurücke nehmen konte / fing sie an; Die Königin Erato wäre ein so vollkommenes Meister-Stücke der Natur: daß weder Balsam noch Farben / noch ihre eigene Hände was Werckes darbey haben dörfften. Ihre Gestalt wäre so edel; daß aller Beysatz nichts anders als seine Geringschätzigkeit gegen ihrer unvergleichlichen Schönheit an Tag geben könte: und daß kein Gemählde / ausser dem heßlichen / dem gemahlten Dinge gleich werde. Liehe die Schmincke auch gleich den Greulichen eine Schönheit / so wäre es doch nur ein scheinbarer Schatten davon / welcher nur von ferne / nicht in der Nähe sein Ansehen behielte; sie machte die Gemahlten aber nicht schön; sondern diese verkriechen sich nur hinter ihr neues Antlitz. Daher glaubte sie vielmehr: Die Königin hätte durch ihre Rede nicht so wohl die Schmincke zu loben / als die Krafft ihrer Beredsamkeit zu zeigen angezielt / welche allerdinges selbst die Heßligkeit / wenn sie ihr eine Farbe anstreichen wolte / annehmlich zu machen mächtig wäre. Wenn aber auch gleich Erato iemals sich einiger Schmincke gebraucht hätte / könte es aus keinem Absehen / sich mit einer geborgten Schönheit ansehlicher zu machen / oder darüber das Urthel frembder Augen zu betrügen / sondern nur aus Gewohnheit ihrer Landes-Art / oder aus einem zuläßlichen Vorwitze und zum Zeit-Vertreibe geschehen seyn; vielleicht zu versuchen: ob es möglich sey: daß einem der Betrug besser als die Wahrheit anstehe / oder ob es mehr Kunst dörffte ein redendes und vernünftiges / als ein todtes Bild[89] zu machen / ja man zugleich Werck und Werckmeister / Mahler / gemahltes und Gemählde seyn könte? Welchem Beginnen ihre Einfalt / da man in Deutschland von keiner andern Schmincke / als reinem Brunn- oder Thau-Wasser wüßte / einige Verfälschung beyzumässen nie gemeynt gewest wäre / noch ihr Urthel es zum Laster zu machen vermöchte. Sintemal eine tugendhafte Frau auf gewisse Art so wohl der Schmincken / als ein ehrlicher Mann sich falscher Müntze / unschuldig gebrauchen könte. Denn auch die wesentliche Schönheit wäre ausser ihrer rechten Anwehrung ein böses Gut / und schädlicher als keine Schmincke. Die Nattern gläntzten mit Gold und himmel-blau / denen zwey annehmlichsten Farben der Welt / und die giftigste Wolffs-Milch blühete schöner / als die heilsamsten Kräuter. Und die seltzamsten Schönheiten hätten in der Welt den grösten Schaden gethan; welche / wenn sie Tugend und Keuschheit nicht zum Grunde hätten / nichts bessers / als eine betrügliche Schmincke; ja auch in ihrer Unschuld offt wie die sonst so heilsame Gestirne der Monde schädlich wären / in dem beyde zu gewisser Zeit durch ihre Strahlen eine unzehlbare Menge Narren und Krancke machten. Uber diß wäre das schöne nicht so wohl schön; als was einem ieden gefiele. Die flachnäsichten Weiber wären bey den Mohren / die gemahlten auf dem Atlantischen Eylande / die fettesten in Egypten die schönsten. In Africa und auf der Insel Thule würde die höchste Schwärtze der schneeweissen Farbe weit fürgezogen. In welchem Ansehen denn bey Corinth / in Arcadien / und in der Stadt Thespia der schwartzen Venus Tempel wären gebauet worden. Also gienge es den Schönheiten wie den Blumen und Balsamen. Was einem stincke / rüche dem andern wohl; ja die blosse Veränderung des Ortes machte mehrmals was annehmlich / was anderwerts Eckel verursachte. In des Cicero Grabe könte man die köstlichen Saffran-Salben nicht vertragen; hingegen rüchen daselbst dieselben wohl / die den beschwerlichen Geruch der Erde hätten. Daher rechtfertigte eine eingewurtzelte Meynung / und die Sitten eines Volckes alles / was Frembden gleich häßlich oder ärgerlich vorkäme; wenn es nur an sich selbst nicht lasterhafft wäre. Massen denn hiermit das Armenische Frauenzimmer / so wohl ihre Schmincken / als das Deutsche ihre Blösse entschuldigen könte; in dem in vielen Landschaften das meiste noch finger-nackt / das reichste aber in leinenen Kitteln / iedoch mit blossen Brüsten und Armen aufzüge / und unter den Männern in Flüssen ungescheut badete. Hertzog Flavius brach ein: Ich entschütte zwar auch die schönste Erato alles Fehlers / und glaube: daß eine solche Vollkommenheit von Schmincke wohl verstellet / aber nicht gezieret werden könne. Alleine darinnen thut die Fürstin Adelmunde ihrem Vaterlande zu weh / daß sie die Gewohnheit nackt zu gehen mit der Mahlerey lebender Menschen vergleichet. Diese stellt nicht ohne Vermässenheit der Natur durch unzeitige Verbesserung Mängel aus; sie lescht die Merckmale der Zeit aus /wenn sie die nicht ohne Ursache mit dem Alter sich findenden Runtzeln verschmiert / und die mit Ehrerbietigkeit zu verehren würdigen grauen Haare vertunckelt. Die Blösse aber zeigt die Geschöpfe der Natur in ihrem unverfälschten Wesen / ohne Schmincke und beschwerliches Gepränge. Diese wäre der ersten Menschen unschuldiges / und noch der meisten Völcker Kleid; welches etlicher Meynung nach / in kalten Ländern zwar die Noth / mit Bär- und andern Häuten / in warmen aber mehr die Hoffart / als die Erbarkeit mit Seide und Wolle verwechselt hat. Denn die Erfahrung erhärtet: daß die Haut des Menschen sich so wohl als das Leder wilder Thiere wider Hitze und Frost abhärten läßt; ja die von Kind- auf angewöhnte[90] Blösse der Gesund- und Tauerhaftigkeit mehr vorträg- als schädlich sey. Daher nach einer blutigen Schlacht zwischen den Persen und Egyptiern jener Hirnschädel gantz mürbe / dieser aber stein-harte befunden worden / weil die Persen mit blossen / die Egyptier mit bedeckten Häuptern zu gehen gewohnt sind. Zu geschweigen: daß zu denen Spartanischen Kämpfen / und den Olympischen Schau-Spielen / alle / die einen Preiß zu erlangen meynten / mit ihren Lehrmeistern nackt in den Schrancken erscheinen musten. In dem Eylande Chius ringen jährlich die Knaben und Mägdlein nackt mit einander. Ja bey vielen Völckern kan der Gottes-Dienst nicht ohne gewisse Entblössung verrichtet werden. In den Tempel der Vesta müssen die Frauen / und wenn man dem Jupiter umb Verleihung Regens opfert / muß gantz Rom baarfüssig gehen. In dem Elevsinischen Feyer werden die verborgensten Heimligkeiten entblösset / und in Indien glauben die nacktẽ Weisen: daß Gott von Angekleidetẽ nicht andächtig verehret werden könne. Ich weiß wohl: daß die Entblössung ins gemein für ein Kennzeichen unverschämter Seelen / und für einen Zunder der Geilheit beruffen wird; ich bin auch nicht der Meynung: daß die einmal eingeführten Kleidungen an solchen Orten ohne Aergernüß abgeschafft werden können; wiewohl die sonst so strengen und ernsthaften Spartaner ohn einiges Bedencken ihre Jungfrauen frembden Gästen entblöst zeigeten. Allein mein eigenes Vaterland / darinnen mein Geschlechte dem weiblichen / und diß jenem alle Tage gantz nackt ohne geile Regungen für den Augen herumb geht /und man selten von einigem Ehbruche hört / welch Laster doch in dem grösten Theile der Welt nunmehr den Nahmen einer lebhaften Höfligkeit führt / ist Beweises genung: daß ein nacktes Weib ehe Eckel als Begierden verursacht; und die gäntzliche Blösse ein sicheres Genesungs-Mittel unkeuscher Begierden ist. Denn die Blösse ist entweder an ihr selbst heßlich /oder sie hat zum minsten die Schamhaftigkeit zu ihrer Gefärthin; westwegen die Geilheit gleichsam ihrer Eigenschafft nach eben so wohl als die Nacht-Eule Hölen und Finsternüß sucht. Ein überschwemmender Strom lescht nicht den Durst / sondern ersäuffet / und die sich selbst feilbittende Ubermaaß der Wollust hat den wenigsten Zug. Denn wir sind geneigt nach nichts mehr / als nach der Unmögligkeit zu seufzen / und das erlangte / oder uns zum Genuß aufgetragene zu verschmähen; ja wenn es schon Wein und Himmel-Brodt ist / verwandelt es sich auf der Lippe in Wasser und Bitterkeit. Daß diß auch nicht nur mein und der gefrornen Deutschen Glaube / sondern auch der hitzigsten Eigenschafft sey / habe ich zu Rom bey einem Gastmahle des Sestius Gallus erfahren. Die Zimmer waren mit den geilesten Gemählden / die Taffel mit reitzenden Speisen und mit keinem Geschirre besetzt /welches nicht einen Ehbruch in die Augen warff. In die Seitenspiele wurden die üppigsten Lieder gesungen; und zur Taffel bediente die Gäste eitel nacktes Frauenzimmer; gleich als wenn die Schwelgerey an ihr selbst allzu wenigen Trieb hätte. Gleichwohl aber ward der Meister der Wollust Tiberius dieser nackten Dirnen so bald als ich überdrüssig / und muste Gallus den lüsternen Tiberius mit andern Weibern vergnügen / welche weder alles weisten / noch verbargen. Denn ein gantz nacktes Weib gleicht einer Biene / welche mit dem ersten Stiche ihren Stachel eingebüßt hat. Hingegen ist die Liebe nach nichts lüsterner / als was nicht gar / doch grösten theils für den begierigen Augen verhölet wird. Und der wollüstige Tiberius pflegte zu sagen: Ihn vergnügte weder eine geschleyerte Vesta / noch eine nackte Venus. Denn jene weiste der Wollust zu wenig / diese zu viel. Eine nackende Kehle schärffet ihren Hunger /[91] den ein nackter Bauch übermässig sättigt; und man hat mehr Beyspiele: daß einen ein nackter Fuß / als ein gantzes Gemach voll nackend badender Weiber verliebt gemacht habe. Denn weil die Einbildung alles vergrössert / das Gesichte verkleinert; lassen sich unsichtbare Dinge leichter zum Abgotte machen; und was das Auge noch nie in seinem engen Kreisse beschlossen / gar schwer aus dem Hertzen verbannen; so gar: daß auch selbst die Sonne / umb ihr Ansehen zu behalten / sich des Jahres unter die Erde und hinter die Wolcken mehr verbirgt / als zeiget / und über diß mit ihren Strahlen verhindert: daß man ihre feurige Berge und Seen nicht eigentlich schauen kan. Rhemetalces fiel dem Flavius bey / und meldete: daß seine Stiefmutter Ada / welche mit Rechte der Wollust oberste Priesterin seyn könte /bey ihren unkeuschẽ Gastmahlẽ endlich selbst die Aufwartung nackter Dirnẽ abgestellt hätte / weil sie dardurch weniger gewürcket / als ihre Einbildung ihr anfangs Vertröstung gemacht hatte. Denn die Blösse ist ein Verräther der Ungeschickligkeit / und aller Mahle / welche so wohl den schönsten Frauen / als die Flecken den grösten Gestirnen ankleben; also daß offt für die Serischen Könige / welche aus einem thörichten Aberglauben kein Weib mit einem Mahle heyrathen dörffen / in seinem das Römische Reich an Weite übersteigenden Gebiete / kaum eine soll aufgefunden werden können. Die Schminckung herentgegen ist so viel schädlicher gegen der Entblössung / als die Heucheley gegen dem Neide. Denn wie dieser die trockne Wahrheit sagt / jene die Laster zu Tugenden macht; also hält diese schädliche Mahlerey der Heßligkeit eine Larve der Schönheit für und läst sie ihre abgöttische Liebhaber als eine Gottheit anbethen. Sie stielet dem Altar die Jahre / wenn sie ein funfzig-jähriges Weib als eine zwantzig-jährige Dirne aufstellt; also daß sie des Nachts nach abgewaschener Farbe ihre selbsteigene Groß-Mutter seyn könte; folgenden Tag aber wieder ein kaum etliche Stunden altes Antlitz zu zeigen hat. Auf solche Art macht sie die Zähne der Zeit / welche doch Eisen und Kiesel zermalmen /stumpf. Weder Kälte noch Hitze weiß ihre Rosen und Lilgen bleich zu machen; weil der Pinsel alle Morgen erstattet / was der vergangene Tag verzehret hat / und sie den Verlust ihrer jungen Jahre aus einem alabasternen Nabbe wieder herfür sucht; ja die Unmögligkeit / nemlich in einem Jahre das greise Alter und die blühende Jugend zu vermählen überwindet. Sie macht ihr eigenes Antlitz zu einer Leiche / welches sie in den Gestanck der todten Farben vergräbet. Denn so tieffsinnig gleich der geschminckten Anmuth ist; kan sie doch für nichts bessers / als für eine scheinbare und tägliche Beerdigung der Verblichenen Schönheit gehalten werden. Ja die / welche an solcher Färberey Belieben trägt / macht die Annehmligkeit das kostbare Geschencke der Natur unter einer falschen Waare im Kramladen feil; gleich als wenn blaue Lippen /bleiche Wangen und ein gelber Hals sich durch den sonst den Todten zum ersten gewiedmeten Balsam so wohl lebhafft machen / als die Leichen für Fäulnüß erhalten / und durch Artzney ein Feber vertreiben liesse; oder die Schönheit ein Gemächte heßlicher Hände seyn könte. Gleichwol aber dringet sie diß ihr eigenes Geschöpfe nicht nur ihren Anschauern / sondern ihr selbst zum Abgotte auf / wenn sie ihr bey ihrer Bespiegelung so sehr gefällt / und auf einmal Buhler und Buhlschafft abgiebt. Kein Vermögen wird durch einige Verschwendung von iemanden liederlicher weggeworffen / als von Weibern / derer begierige Schönheit noch gestern in einer Krause steckte / die alle Tage ihnen ein neu Gesichte kauffen / und zahlen müssen. Sie vereinbaren ihre alte Jahre mit der Jugend / und mit einem dem Alter sonst so verhaßten[92] Laster der Jugend / nemlich der Verschwendung. Denn keine Schmincke ist einem alten Weibe zu theuer / die gerne jung zu seyn schiene / wie geschwinde gleich dieses Mahlwerck abgehet. Kostbare Kleider währen noch etzliche Zeit / Perlen und Edelgesteine verläßt man den Erben; Salben aber verrauchen augenblicks in die Lufft / sind ein todtes Wesen; haben auch wenig andere Güte an sich; als daß sie der Verschwender nicht alleine / ja / weil der durchziehende Geruch bald unempfindlich wird / am wenigsten geneußt; keine Mißgunst aber ihren besten Genüß seinen Nachbarn entziehen kan. Dahero Lycurgus die so kostbaren und leicht entpehrlichen Balsam-Krämer als verschmitzte Diebe / und Vertreiber guter Sitten aus Sparta / Licius Craßus und Lucius Julius Cäsar sie aus Rom zu jagen erhebliche Ursache gehabt haben; wiewol meinem Bedüncken nach / alle Verjagte gegen meiner verschwenderischen Stief-Mutter Kinder gewesen sind / welche einem Syrier sechs Talent für das Geheimnüs aus Wallsisch-Saamen und Bohnen-Wasser eine das Antlitz verzärtelnde Salbe zu machen gab / und oft eine Schachtel-voll Schmincke mit zweymal so viel wiegendem Golde bezahlte /ja selbst gestand / oder sich vielmehr selbst rühmte; daß sie durch ihre Balsame Jährlich mehr / als gantz Assyrien und Africa ihrer Göttin der Lufft opferte /und zu ihren Schmincken mehr / als ihr Gemahl des Bacchus oberster Priester zu allen Opfern / und der König Rhymetalces zu Besoldung seiner starcken Leibwache verwendete. Salonine fieng an: Es ist glaublich / und traute ich mir selbst diese Ausgabe zimlich hoch zu bringen / nach dem ich einer Frauen Rechnung gesehen / welche bey fünf-hundert trächtige Eselinnen Jahr aus / Jahr ein unterhielt; daß sie sich täglich in ihrer Milch badete / weil sie die Haut weiß und gezüge machte. Flavius fiel ein: diese Ausgabe gienge noch hin; dis aber wäre eine verfluchte Verschwendung: daß die Käyserin Livia aus Deutschland / Gallien und Pannonien etliche tausend säugende Frauen auffangen / und nach Rom bringen / diese aber aus den Brüsten die ihren Kindern geraubte Mutter-milch in silberne Wañen spritzen lassen / daraus sie sich / in Meinung: diese Milch würde weisser / als Esels-Milch machen / mit andern unzüchtigen Römerinnen hernach gebadet hätte. Rhemetalces fiel ein: Es ist dis keine Römische Erfindung / sondern die Fürstin Ada brachte dieses Milch-Bad / als was altes /aus Comagene / und zwar noch mit dieser Verbesserung mit: daß kein ihre Milch zinsendes Weib über fünf und zwantzig Jahr alt seyn dorfte / alle aber weisse Haare haben musten. Hertzog Zeno fieng hierüber laut anzulachen / und sagte Rhemetalcen ins Ohr: Ich weiß wol: daß die alten Griechen aber irrig gegläubt: es hätten die hitzigen Mohren und Indianer wie schwartze Nägel / also auch schwartze Zeugungs-Krafft. Sintemal sie nicht nachgedacht: daß diese ein Schaum / aller Schaum aber weiß sey / noch auch an den Mohren die allerweissesten Zähne wahrgenommen haben. Dis aber habe ich noch nicht gehöret: daß außer der Fürstin Ada jemand der schwartzhärichten Weiber Milch für schwärtzer / als der weißköpfichten gehalten hat. Rhemetalces versetzte gegen dem Zeno: Unsere Bäuerinnen rühmen vielmehr die Milch der schwärtzesten Kühe für die weisseste; und fuhr fort: Meine Stief-Mutter Ada aber bereitete nach der Zeit ein abscheuliches Purper-Bad. Deñ als ihr erstgebohrnes Kind zwey Jahr alt ward / ließ es die gerechte Göttliche Rache in eine heftige Kranckheit fallen /welches etliche Aertzte für den Aufsatz hielten; Uberdis schlug noch die hinfallende Sucht zu / umb vielleicht dieses wollüstige Weib zu prüfen: ob es so wenig Mütterliches / als Menschliches an sich habe. Alle Artzneyen wurden ohne Frucht angewehrt / und daher wolte Ada verzweifeln; riß ihr also[93] die Haare aus dem Kopfe / lief mit dem Kopfe wider die Wände / und vergaß zu grossem Wunder auch so gar sich zu schmincken; also daß vielleicht Rhascuporis dismal das erstemal das kleine Licht ihres Antlitzes zu sehen bekam / weil er vorher nur seine schöne Laterne gesehen / und an seiner Gemahlin niemals vorher zweymal einerley Mund geküßt hatte. Daher nam Ada zu allerhand abergläubischen und zauberischen Mitteln ihre Zuflucht. Alle Jäger und Förster in Thracien wurden befehlicht eine abgescheelete Haut von einer sprencklichten Heydechse / als ein unfehlbares Genesungs-Mittel zu verschaffen; weil aber dieses schlaue Thier solche Haut / nachdem es sie abgeworffen hat / eben so bald / als die Stutten das mit dem Füllin gebohrne Stücke giftigen Fleisches verschlingen soll / war keine nirgends zu finden. Endlich rieth ein Artzt: Man solte von einem zum Tode verdammten dem Kinde Menschen-Blut / oder von daraus gebrennten Geist einflössen. Ein Comagenischer Verschnittener aber meinte: Es wäre rathsamer: daß es im Blute junger Knaben gebadet würde. Ob nun zwar ihrer viel diese grausame Artzney widerriethen / muste doch der Fürstin Ada Befehl / welche ihrer Vergnügung halber alle Thracier geschlachtet hätte / vollzogen / etliche hundert Kinder-Räuber ausgeschickt / welche etliche hundert Kinder denen bestürtzten Müttern aus ihrer Schoos und von den Brüsten raubten / hernach ihnen die Adern schlugen; und derogestalt zwar die meisten jämmerlich umbs Leben brachten / dem darinnen gebadeten Sohne der Ada aber seines dardurch nicht erhalten konten. Wolte GOtt aber! daß dieser unglückliche Gebrauch der Blut-Bäder ihr eine Abscheu für mehrern gemacht hätte / oder daß dis das gröste gewest wäre. So aber fieng ihre Grausamkeit / die gemeine Schwester der Wollüste / als ein Kind an den Kindern an; daß sie bey ihrer Mannbarkeit hernach in Abschlachtung der Männer so viel besser fortkäme. Maßen sie denn leider! gantz Thracien mit einem so rothen Meere überschwemmet hat: daß es noch nicht heraus schwimmen kan. Es wäre genung gewest: daß sie nicht nur den Thracischen Hof / in welchem viel Wollüste noch nicht Bürgerrecht gewonnen hatten /oder doch noch mit der Einfalt in Verträgligkeit lebten / sondern auch das ernste Thracien mit tausenderley neuen Uppigkeiten ansteckte. Denn weil das Volck ihm für Ehre schätzt ein Affe seines Fürsten zu seyn / thut es ihm seine Ungebehrden begierig nach; weil es irrig glaubt: daß der Diamant dem Gifte; und hoher Stand den Lastern seine Schädligkeit benehme. Die Neuigkeit strich ihnen eine so schöne Farbe / als Ada ihren Wangen an; also daß sie die Tugend / wie der aus Kupfer gemachte Gläntz-Firnis das Gold beschämete; und die einfältigen Thracier sich über ihrem Verterben ergetzten / auch nunmehr allererst / wie die zur Zeit des vom Jupiter entthröneten Saturns lebten /den Anfang der doch gleich verschwindenden güldenen Zeit erlebt zu haben vermeinten. Denn weil alle Veränderung beliebt ist / haben alle neue Dinge eine ansehliche Stirne / und einen köstlichen Geschmack. Die Früh-Aepfel schmecken / die Winter-Rosen rüchen am süssesten / und den verwehnten Nasen der Araber reucht ihr herrlicher Weyrauch / Myrrhen /und Aloe nicht so wol / als dem schlechten Syrischen Gummi / den sie in Bockhäuten verbrennen / und darmit einen fast unerträglichen Gestanck erregen. Bey welcher Bewandnüs sich nicht zu verwundern ist: daß die guten Thracier auch ihnen die mit einer sonderbaren Leutseeligkeit und Freygebigkeit vermuten Laster von der Priesterin Ada aufdringen liessen; welche nicht selten den Tugenden so ähnlich sind: daß Socrates beyder Unterscheidung für den Kern der Weißheit gepriesen hat. Im Fall aber die Wissenschaft der Laster den Namen[94] einer Weißheit verdienet; ist für meiner Stief-Mutter kein Weltweiser in der Welt gewest. Denn sie hatte durch ihre Scharfsinnigkeit und Ubung alle ihre Geheimnüsse durchkrochen; Ihre Eigenschaften und Kräften wuste sie vom höchsten zum kleinsten / wie Salomon aller Gewächse von der Ceder an /bis zu dem an der Wand wachsenden Mooße auf einen Nagel. Der Ehrsüchtigen Herrschsucht / welche wie der Krocodil niemals zu wachsen aufhört / räumte sie als einer Königin eine unverschrenckte Bothmäßigkeit über ihr Gemüthe ein; also / daß die andern Laster dieser als schlechte Mägde blinden Gehorsam leisten musten / und von ihr als Leibeigene an der Kette geführt wurden. Diesemnach demüthigte sie ihre im Hertzen steckende Hoffart zu deren demüthigsten Ehrerbietungen anfangs gegen ihren Gemahl Rhascuporis / hernach gegen dem Könige Rhymetalces / und der Königin Parysatis. Als sie aller dieser Gewogenheit erworben / trachtete sie nunmehr über sie und gantz Thracien den Meister zu spielen. Denn sie meinte durch ihre Heucheley der Tugend schon so ferne zu Kopfe gewachsen zu seyn: daß sie ohne Argwohn böses thun könte. Sie stand lange Zeit im Zweifel: ob sie ihre Herrschafft auf Rhemetalcen / oder den Rhascuporis gründen / und also diesem oder jenem das Licht ausleschen solte. Darinnen aber ward sie bald mit ihr selbst eines: daß auf beyde Fälle Parysatis gestürtzt; und weil zu diesem Gewebe viel Fädeme abzuspinnen seyn / keine Zeit / als der theuerste Verlust versäumet werden müste. Gifft schien ihrer Mord-Lust das geschwindeste und sicherste Mittel zu seyn. Daher ließ sie durch einen Comagenischen Verschnittenen der Königin Sattel-Knopf auf ihrem Zelter vergifften / darauf sie mit dem Könige auf die Jagt ritt. Weil aber selbter mit einer seidenen Decke belegt ward / Parysatis auch ihre Handschuch nicht auszoh /und den Sattel-Knopf mit blosser Haut nicht berührte / ward dieser Anschlag krebsgängig. Dieser Verschnittene bereitete hierauf ein paar Handschuch; aber Ada hielt diese Art zu gemein; und / weil sie so wol mit Einbisamung umbzugehen wuste / allzu verdächtig. Wenig Tage hernach fiel das Feyer des Taygetischen Bacchus ein / an welchem alleine die Priesterinnen den Gottesdienst verrichten / und kein Mann / ja der hohe Priester selbst nicht in Tempel kommen darf. Weil nun den Lastern nichts / als die Andacht einen scheinbaren Firnüs anstreicht / ward sie schlüßig /den gesegneten Wein zu vergifften / welcher auf diesem Feyer des Bacchus denen Opfernden in Crystallene Schalen aus einer zimlichen Menge silberner Krüge / derer jeder zwölf Schalen füllt / eingeschencket wird. Zu diesem Ende ließ sie darunter einen silbernen Krug mit einem Unterschiede fertigen; also /daß man daraus nach Belieben und ohne einige Vermischung zweyerley Wein einschencken konte. Sie selbst / als oberste Priesterin hatte dieses Ampt zu verrichten / und konte also darmit nach Belieben verfahren / sonder / daß einem andern Menschen das mindeste hiervon vertraut werden dorffte. Sie selbst goß eigenhändig den vergiffteten und andern Wein in den Krug / und setzte ihn an den gewöhnlichen Ort neben das Altar. Als Ada aber mit Anzündung des Opfers und Beschauung der Eingeweide beschäfftiget war / sprang eine glüende Kohle vom Brand-Altar auf den Tisch / neben den gesegneten Wein. Weil nun das den Tisch bedeckende seidene Tuch zu glimmen anfieng / gieng ohne Anmerckung der Ada eine Priesterin dahin den Brand zu leschen; und damit verwechselte sie den ersten silbernen Krug; also daß Ada nach dem Opfer der Königin Parysatis und allen andern grossen Frauen des Hofes vom guten Weine in die dazu bereitete Schalen einschenckte. Die andern Krüge verschenckten die übrigen Priesterinnen / und traf das Unglück selbst[95] sechs Comagenische Dirnen aus der Ada Frauen-Zimmer; welche / weil das mit Fleiß zu langsamer Würckung bereitete Gifft erst auf die folgende Nacht zu würcken anfieng / folgenden Morgen todt im Bette gefunden wurden. Ada erschrack nicht so wol über dieser ihrer Getreuen erbärmlicher Hinrichtung / als sie dieser unbegreifliche Irrthum verdroß. Denn die Boßheit ist so wol der Freundschafft /als des Mitleidens unfähig / und die Narben ihres oft verletzten Gewissens waren mit einem solchen Knorpel überwachsen: daß sie so wenig im Hertzen Fühle /als in ihrem Gesichte Schamröthe hatte. Ob sie nun zwar in ihrem Frauen-Zimmer eine mit Napel und anderm Gifte auferzogene Dirne hatte / welche wie jene giftige Indianerin bey nahe dem grossen Alexander gethan / ihr zu Dienste schon etliche Höflinge mit ihrem Atheme getödtet hatte / so ließ sich doch dis der Königin schwer anbringen / und Ada selbst hielt nicht für rathsam ein zweymal fehlendes Mittel das drittemal zu versuchen. Ihre Laster aber / daraus sie fürlängst ein Handwerck gemacht hatte / gaben ihr viel ein schlimmers ein; als wordurch sie nicht nur das Leben und die Ehre der Königin Parysatis / sondern auch ihres eigenen Gemahles Rhascuporis auf die Spitze setzte / und noch darzu in ihrer Seele die heftigste der Weiblichen Regungen / nemlich die Eyversucht tödten muste; welche doch allen Menschen /ja so gar auch unvernünftigen Thieren angebohren ist / und die eyversüchtigen Hirschen so quälet: daß ihnen davon Würmer in ihren Geweyhen wachsen. Es war in der Königin Frauen-Zimmer eine edle Albanierin / welche ihrer Schönheit halber gleichsam ein Begrif aller Vollkommenheiten genennet werden konte. Denn sie hatte schneeweisse Haut / Zähne und Nägel /schwartz-braune Augen und Augenbrauen / rothe Lippen / Wangen und Haut unter den Nägeln / lange krause Haare / Hände und einen gestreckten Leib /einen kurtzen Bauch / erhobene Backen / niedrige Zähne und Ohren; eine breite Stirne und Schultern; einen engen Mund / und aufgelauffene Lefzen / die Augenbrauen von einander unterschieden; länglicht rundte Finger / eine dünne Nase / einen kleinen Kopf /Füsse / und kleine rundte Brüste. Dieser seltzamen Gestalt halber war sie am gantzen Hofe hoch gesehen; insonderheit aber hatte sie das Hertze der Königin Parysatis gewoñen: daß sie nichts ohne sie thät / sondern alle ihre Geheimnüsse gleichsam in Verwahrung hatte. Weil nun der Priesterin Ada zu ihrem Anschlage an derselben Wissenschafft nicht wenig gelegen war / und sie durch keinen geschicktern Werckzeug /als Eriphylen die Königin zu leiten getraute / bewarb sie sich durch Geschencke und Liebkosungen aufs eyfrigste umb Eriphylens Freundschafft; nam sie dardurch auch so ein: daß sie von Hofe täglich in Tempel / und daraus zur Ada kam. Beyder Verträuligkeit ward mit der Zeit so groß / als sie kaum zwischen Schwestern hätte seyn können. Bey dieser Gelegenheit warf Rhascuporis auf Eriphylen ein Auge / und Ada selbst / welche ihre Schönheit und Gemüths-Gaben nie genung gegen ihrem Gemahl herauszustreichen wuste / trug selbst embsigst Holtz zu diesem Feuer; welches endlich so sehr zu Schwunge kam: daß Rhascuporis unterschiedene mal mit allen Versuchungen /damit ein Weiblich Hertze überwunden werden kan /an sie setzte; welche aber entweder aus Furcht für seiner Gemahlin Ada / oder weil sie ihre Wolthäterin durch diese Untreue zu beleidigen für ein zu grosses Laster hielt / auf solch Eis nicht trauen wolte / sondern dis Anmuthen endlich der Ada selbst entdeckte /und umb Erlaubnüs sich ihres Hofes zu entschlagen anhielt. Eriphyle / an statt / daß sie von der Ada einen grossen Danck und Ruhm erwartete / ward von ihr mit einem Gelächter bewillko t. Sie schalt ihr Bedencken eine Alberkeit /[96] und ihre Weigerung einen Hochmuth / weil sie nicht nur sich der Süßigkeiten der Liebe beraubte / sondern auch einem zu gebieten Macht habenden Fürsten so billiges Verlangen abschlüge. Ohne den Geschmack der Wollust wäre alle Empfindligkeit des Menschen stumpf / im Frauen-Zimmer aber gar todt; welche in allem andern den Männern nachgäben / in dieser Ergötzligkeit aber alleine überlegen wären. Diesemnach wäre die nicht recht bey Sinnen / die der Zeit / der Gelegenheit / und dieses Vortheils sich nicht bediente. Wenn aber ja die Beliebung der Liebe eine Thorheit seyn solte / wäre es die geringste. Denn man wäre darmit nur ihm selbst nicht klug / gleichwol aber nicht gram / worinnen die gröste Thorheit bestünde; Andern aber klug seyn /wäre schon eine auskommentliche Weißheit. Uberdis verhinge das Glücke uber uns auch in der Liebe so seltzame Tage und Zufälle / aus denen die Tugend sich selbst nicht auszuflüchten wüste. Unter diesen aber wären dis die wichtigsten: wenn Fürsten über uns was gebäthen. Denn weil diese über unsere Güter / Ehre und Leben / Gewalt / und aller Dinge oberstes Eigenthum hätten / gehörete ihnen auch der Gebrauch unsers Leibes. Königlich Geblüte hätte Verwand- und Eigenschafft mit dem der Purpur-Schnecken / welche wol färbten / aber nicht fleckten. Westwegen ihnen was versagen keine Keuschheit / sondern ein Frost der Seele / ja gar ein Laster wäre. Daher / im Fall Eriphyle sie liebte / und ihre gegen sie Zeither betheuerte Neigung nicht das Ansehen einer Heucheley bekommen / sondern den Strich der Treue und die Farbe unverfälschter Freundschafft halber halten solte / müste sie dem Rhascuporis keinmal mehr ungehorsam seyn; hierdurch aber ihre gegen Eriphylen tragende Gewogenheit nicht für geringer schätzen / als welche Cato dem Hortensius durch Abtretung seiner Martia bezeuget hätte. Eryphile hörte dieser Fürstin mit so grosser Befrembdung zu: daß sie für Verwunderung hätte zum Steine werden mögen. Sie sahe sie mit einem langen Stillschweigen starr an / umb aus ihren Gebehrden die Auslegung ihrer unbegreiflichen Worte zu nehmen. Denn sie könte ihr nichts wenigers einbilden; als daß sie nicht nur zu ihres Gemahls frembder Liebe eine Auge zudrücken / sondern seine selbst-eigene Kuplerin seyn solte. Daher bildete sie ihr festiglich ein: Ada wolte nur ihr Gemüthe ausholen / und ihre Treue prüfen; antwortete sie ihr also: Sie möchte ihr nichts zumuthen / wordurch sie zugleich ihre Keuschheit als Wolthäterin beleidigte. Je höher der Stand und die Sterne / je sichtbarer wären die Laster und Flecken. Ja kein Gestirne schwärtzte mehr / als die Sonne / das wahre Ebenbild der Fürsten. Daher sänckten die vom Thaue trächtigen Muscheln nach ihrer Empfängnüs sich in die Tieffe des Meeres bis auf den Grund / womit ihre Perlen nicht von den Sonnen-Strahlen fleckicht würden. Diese keusche Muscheln wären die edelsten Lehrmeisterinnen keuscher Seelen / wie sie für den Sonnen dieser Welt sich anstellen / und sich die ins gemein in bittern Haß ausschlagende Hold auf keinen Irrweg solten verleiten lassen. Alleine Ada wuste Eriphylen die Wollust so zu verzuckern: daß sie ihr selbte für das Saltz des Lebens / und für eine solche Süßigkeit einredete / ohne welcher Genüß jeder vergehender Tag dem Leben abgestohlen würde. Die von ihr besorgte Eyversucht redete sie durch viel Betheuerungen und vorgebildete Schuldigkeit der Ehfrauen aus / welche ihre Männer nicht nur mit ihrem eigenen Leibe / sondern auch mit frembden Schönheiten zu vergnügen; ja ihnen zu Liebe alle Verdrüßligkeit gefallen zu lassen / und aus dem selbst-ständigen Eckel wie die Bienen aus herben Kräutern süssen Honig saugen solten. Denn ein Weib solte von keiner andern Wollust wissen / als die ihr Mañ[97] genüsse. Daher müste sie dem Fürsten Rhascuporis / oder vielmehr ihr selbst die Ergötzligkeit nicht entziehen / welche ihr durch das Röhr ihres Gemahls in das empfindlichste ihrer Seele flössen würde; wo sie nicht anders durch thörichte Hartneckigkeit das Glücke mit Füssen von sich stossen / des Fürsten Rache / und ihre Ungenade mit den Haaren zu sich ziehen wolte. Mit einem Worte: Eriphyle ward überredet oder gezwungen in des Rhascuporis Willen zu kommen; Und weil die Wollüste denen am süssesten schmecken / denen zum ersten am meisten dafür geeckelt hat; ja frembdes Wasser meist besser / als eigener Wein schmeckt; verknüpfte die Liebe beyde so feste zusammen: daß eines ohne das ander nicht länger zu leben getraute. Weil nun die anfangs behutsamen Laster endlich sicher / und damit unvorsichtig werden /merckte der gantze Hof dieses Geheimnüs / nur allein Ada war mit sehenden Augen blind. Sie liebkosete dem Rhascuporis mehr als jemals vorher / und wormit sie gleichwol seine anderwerts hin gewiedmete Kräften nicht auf ihren Acker leitete / nam sie sich eines Gelübdes an / ein gantz Jahr lang des Thesmophorischen Gottesdienstes abzuwarten; welche Andacht nur von Frauen / die sich ihrer Männer enteuserten / wie die Elevsinische von derogestalt lebenden Männern vollzogen werden konte. Sie schlief desthalben auch mehrentheils im Tempel der Ceres auf gewissen Kräutern / welche der Geilheit widerstehen / und zur Keuschheit dienlich seyn sollen. Hingegen ließ sie bey allen Mahlzeiten dem Rhascuporis und Eriphylen in Pasteten Fleisch von denen Egyptischen und dem Crocodil ähnlichen Heydechsen mit unterhacken / und die daraus gezogene Krafft mit dem schmeckenden Weine aus Chius vermischen / welche allen andern Zunder der Geilheit übertreffen soll. Wenn auch Eriphyle ihre Begierden mit dem Rhascuporis abgekühlet hatte / empfieng sie Ada mit höchster Freude und Freundligkeit / umbarmete / halsete und küßte sie; und danckte ihr für die ihrem Gemahl geschaffte Vergnügung. Sie nöthigte Eriphylen in ihr Bette / nennte sie ihre Buhlschafft / und brachte sie durch ihre Liebkosungen so weit: daß sie ihr allemal die gepflogenen Geilheiten umbständlich erzehlen muste. Darüber schöpfte Ada / ihrem Vorgeben nach / mehr Ergötzligkeit / als Eriphyle in der eigenen Wollust. Denn sagte sie: dein Leib alleine hat des Rhascuporis genossen / ich aber genüsse sein in der Seele durch eine kräftige Einbildung; und du selbst wirst empfinden: daß die Wollust ein flüchtiger Schatten sey / wenn sie nicht vorher durch den Vorschmack des Verlangens /hernach durch süsses Andencken des genossenen tauerhafft gemacht; und ihr empfangenes Himmelbrod nach dem Genüsse durch Einbildung gleichsam gekäuet / und in Safft und Blut des Gemüthes verwandelt wird. Die Natur lehret uns selbst diesen geistigen Gebrauch der Wollüste / wenn sie sie uns in Träumen oft kräftiger eindrucket / und mit häuffigerm Uberflusse überschüttet / als wenn wir uns wesentlich mit ihr begatten. Derogestalt brachten Ada und Eriphyle mit ihren unkeuschen Erzehlungen manche gantze Nächte und halbe Tage zu; und ihre geile Betastungen waren gleichsam die Nachgemählde oder der Widerschall der vorher begangenen Ehbrüche; nur daß Eriphyle beym Rhascuporis sich selbst / bey der Ada den Rhascuporis fürstellte; welche jener noch täglich neu ausgedachte Arten der Geilheiten an die Hand zu geben sich befließ. Atalanta hingegen der Ada Hofemeisterin hätte für Ungedult zerbersten mögen / als sie Eriphylen zur Gemahlin / die Fürstin Ada aber zu einem unempfindlichen Steine werden sahe. Denn weil eine aus dem Bette verstossene Frau ins gemein vorher schon aus dem Hertzen verbannet ist / hernach auch das Haus räumen muß / stellte[98] ihr Atalanta mit der Fürstin Ada Untergange schon ihren eigenen Schiffbruch für Augen. Bey diesem Unmuthe erkühnte sie sich die Ada zu fragen: ob sie bezaubert wäre: daß sie Eriphylen ihre ärgste Feindin / den Raubvogel ihrer Ehre / die Vergällerin ihrer Vergnügung noch auf den Händen trüge; und durch ihre mehr / als knechtische Gedult einer Ehbrecherin den Weg zur Herrschafft / ihr selbst aber zum Grabe bähnte? Ada antwortete ihr lächelnde: Ich sehe wol / Atalanta / daß du dem Fürsten Rhascuporis grämer bist / als jene Atalanta dem Arcadischen wilden Schweine / welches sie mit eigener Faust erlegte. Ich weiß aber nicht: ob du mir damit mehr wol / als übel wilst. Du bildest dir ein: Rhascuporis liebe Eriphylen. Vielleicht ist es eine blosse Einbildung. Die Eyversucht siehet mehr als wahr ist; wie die Liebe weniger. Sie hat Mißtrauen gegen die im Zimmer schleichenden Mäuse; und wünschet: daß alles aus ihr / ja die Flöhe selbst verschnitten wären. Sie machet die Tapezereyen zu ihren Neben-Buhlern / und glaubet: daß ihr Ehmann sich in die darein gestickte Bilder verliebt habe. Daher ihr auch eine marmelne Diana / wie keusch und kalt sie ist / den Schlaff verstöret / wenn er sie den Tag vorher eigen angesehen hat. Atalanta fieng hierüber anzuruffen: Ihr Götter! hat die sonst so scharfsinnige Ada alleine Maulwurfs-Augen: daß sie nicht sehe / was gantz Thracien mit Händen greifft? daß sie nicht glaubt / was der Pöfel auf den Gassen singt / und woraus der üppige Hof ein Gelächter macht? Meinet sie: daß wenn Eriphyle mit dem Fürsten Rhascuporis auf die Jagt fährt / und Ada zu Hause nähet / sie mehr mit den Hunden das Wild / als mit ihren Begierden ihren Wunsch verfolgen? Glaubt sie Einfältige: daß /wenn sie vom Morgen bis in die Nacht sich in die Einsamkeit eines Lusthauses versperren / sie einander in der Welt-Weißheit unterrichten? Einfältige! die Gelegenheit unterrichtet unwissende Kinder / verführet die Unschuldigsten auf den gebähnten Weg der schlüpfrigen Wollüste; und die Einsamkeit / welche sonst keinen andern Gefärthen verträgt / halset und küsset sich mit der Liebe / als einer behäglichen Einsiedlerin. Sie ist eine so gefährliche Gefärthin: daß ihr die Natur selbst mißtrauet / und in Mutter-Leibe die Zwillinge ungleichen Geschlechtes von einander absondert. Ada versetzte: Ich sehe wol / Atalanta: du habest dich mit deinem Argwohne so vermählt: daß du die Warheit selbst für ein Kebs-Weib halten würdest. Denn die Eyversucht ist nicht weniger hartneckicht /als leichtgläubig. Ihre umb das Haupt hängende Schlangen zischen ihr unaufhörlich neue Mähre in die Ohren / und Argwohn ins Hertze. Sie schäumen ihr Gifft auf die reinesten Lilgen / und Galle in die ruhigsten Gemüther. Sie beissen mit ihren Zähnen die festesten Bänder der Hertzen entzwey / und zertrennen den unzertrennlichen Ehstand. Die Eyversucht schwärtzet mit dem Rauche ihrer höllischen Fackel den guten Nahmen / und vertunckelt die vollkommenste Tugend. Ihre Flamme ängstigt den Leib mit einem nie aufhörenden hitzigen Feber / und das süsseste Leben verwandelt sie in einen Brand der verzweifelnden Unholden. Ihr blutiges Schwerdt sencket sie in ihre eigene oder dessen Eingeweide / den sie vor am eifrigsten geliebt hat; braucht es aber hernach zum Spiegel seines abscheulichen Lasters; besiehet darinnen die Wunden ihres Hertzens / und die Flecken ihrer Seele. Ja sein falscher Widerschein stellet ihr den gestrigen Abgott heute als ihren Hencker / du aber meinen Rhascuporis als meinen Feind für / welchen ich nicht ohne Grund als meinen Gemahl und Liebhaber verehre. Nein! nein! Atalanta / störe nicht die Ruhe meines Gemüthes / und vergälle nicht die Süßigkeit meines Ehstandes mit der entweder unnöthigen oder unnützen[99] Eyversucht; welche nicht in meiner zarten Seele / sondern nur in einem unmenschlichen Hertzen / wie das den grossen Alexander tödtende Gifft in Pferde-Huf beherbergt werden kan. Hilf Himmel! rief Atalanta. Hat die scharfsinnige und empfindliche Fürstin Ada nun nicht nur das Gesichte /sondern auch die Fühle verlohren; welch letzter Sinn doch allen Thieren gemein ist / und dem kleinsten Gewürme nicht fehlet? Hältest du für keinen Verlust: daß Eriphyle den Kern der Liebe vom Rhascuporis einerndtet / dir aber leere Hülsen läßt? Schätzest du für keinen Verlust der Ehre: daß dein Gemahl dich als eine Unwürdige einer Magd nachsetzt; der Pöfel aber als auf eine Verschmähte mit den Fingern weist? Ada begegnete ihr: du selbst steckst in einem grossen Irrthume / Atalanta / wenn du meinest: daß eine Gemahlin der Geilheit halber / nicht wegen Fortpflantzung der Geschlechter geheyrathet werde; und daß unsere Ehre des Pöfels oder eines andern Willkühr unterworffen sey. Frembde Laster können uns wol weh thun / aber nicht unehrlich machen; wie man aus eines andern Tugend wol Freude / aber keinen Ruhm schöpfen kan. Atalanta brach ein: Die grossen Gestirne werden zwar auch wahrhafftig nicht verfinstert; gleichwol aber verstellet der Schatten der Erde den Monden / und die Dazwischen-Tretung des Monden die Sonne in unsern Augen. Die Verläumbdung halset einem nur ertichtete / nicht wahre Laster auf; Gleichwol aber wird diese als eine Beschimpfung mit Rechte geanthet / und mit Eyver gerochen. Ist das Beginnen des Rhascuporis und Eriphylens nun nicht mehr /als eine wörtliche Verunehrung? Man gäb es aber nach: daß ein Ehbrecher seiner Gemahlin keinen Schandfleck anbrenne; was kan ihrer Seele mehr Unlust / als eine solche Verachtung / und ihrem Leben mehr Bitterkeit / als die Verzückung einer geilen Dirne / verursachen? Ada antwortete; Meine liebe Atalanta; du hast eine empfindlichere Fühle / als die Spinnen; und stehst in denen Gedancken: daß die aus einem vergällten Hertzen entspringende Regungen /wie das aus unreiffen und bitteren Oliven gepreßte Oel / die besten / die linden Entschlüßungen aber wie die reiffen Oliven die schli sten sind. Weist du aber nicht: daß die: Verhölung der Wunden keine geringe Weißheit / und die Verdrückung empfangenen Unrechts die klügste Rache sey! Bildest du dir ein: daß den Männern die Keuschheit so sehr / als den Weibern obliege? Wer hat ihnen dis Gesetze geschrieben? Erlaubet ihnen nicht das Recht der meisten Völcker die zahl ihrer Ehfrauen nach ihrer Willkühr / oder zum minsten nach ihrem Vermögen zu bestimmen? Ihres Amtes ist es vielmehr klug und behertzt / unsers aber keusch und verschämt zu seyn. Die Natur selbst und der gemeine Wolstand verbindet uns hierzu: daß wir durch unsere Geilheit nicht unsern Ehgatten frembde Eyer auszubriten unterlegen / oder die Väterliche Gewalt zweifelhaftig / und die nöthige Erziehung der Kinder kaltsinnig machen. Derer keines aber ereignet sich / wenn schon ein Mann über die Schnure hauet. Was würdest du mir / Atalanta / einzuhalten haben / wenn ich des Persischen Königes Gemahlin wäre. Was würde ich gegen meine vier-hundert / neun und neunzig Neben-Buhlerinnen fürzunehmen haben; da ich mit der einigen Eriphyle so scharf eyfern soll? welche beym Rhascuporis zwar wol einen Stein im Brete haben mag / mich aber doch / als ihre Frau /und als ihre Fürstin verehret; und wo nicht im Bette /doch in der Würde die erste bleiben läßt. Derogestalt bin ich glücklicher / als keine Königin in Asien; und ich selbst bescheide mich: daß eine Frau nicht nur ihren Leib / sondern auch ihren Willen / ja ihre eigene[100] Wolfahrt zu Vergnügung ihres Mannes aufzuopfern schuldig sey. Ich glaube / sagte Atalanta: daß sie bereit auf der Schippe stehe. Sintemal sich Eriphyle nicht an der Herrschafft über des Rhascuporis Hertze vergnügen / sondern auch Insel und Priesterthum an sich reissen wird. Maßen Rhascuporis / welchen sie an dem güldenen Seile der Liebe / als einen Tantz-Bär leitet / ihrer Lüsternheit nichts zu versagen mächtig ist. Ich weiß nicht / was ich dencken / weniger was ich sagen soll: daß sie so embsig ist Eriphylen ihr Glücke / ihr selbst aber die Grufft zu bauen? Bildet sie ihr ein: daß man die von uns empor gehobene Menschen wie die erhöheten Thürme nach Belieben wieder erniedrigen könne? Meinet sie nicht: daß wenn einer nicht gar ein todter Klotz ist / ihm selbst noch mehr empor zu klimmen die Hülffe gabe; und also die / welche wir groß / jedoch kleiner als uns zu machen vorhaben / unsere Grösse unvermerckt übersteigen; ja uns / wie der Rauch das ihm gebährende Feuer erstecken? denn / weil weder die Welt ein endliches Ziel /noch die Begierden einen richtigen Maas-Stab haben; sind die Menschen durchgehends unersättlich; und das erreichte Ziel wird zum Mittel weiter hinaus zu sehen. Dahero scheinet dem / der nichts hat / ein kleines Eigenthum viel; nach dem er aber etwas erlangt /viel ein weniges; ja endlich alles nicht genung zu seyn. Ada lachte und antwortete: Ich bin dir verbunden / Atalanta; daß du so sehr für mich sorgest / und zum Zeichen deiner gegen mich tragenden Liebe / so bekümmerst für mich eiferst. Alleine lasse dich diese Larven der Einbildungen auf keinen Irrweg leiten /welche ihnen Furcht und Eyversucht träumen lassen /oder fürs Gesichte mahlen / wormit sie mit etwas /wie der in die Hölle kommende Eneas mit Gespensten zu fechten haben. Kanst du nicht begreiffen: daß eine zu ihres Ehmannes Fehlern ein Auge zudrückende Frau nach und nach selbst das Hefft und die Herrschafft über ihn behaupte; so betrachte Livien; welche durch diese Gedult dem Käyser August mit mehrerm Nachdruck / als er der Welt gebeut. Denn niemand ist demüthiger / und zur Dienstbarkeit geneigter / als der ihm übel bewust ist. Gleichwol aber / sagte Atalanta /hasset man niemanden mehr / als den man beleidiget hat. Ada setzte entgegen: welch Ehmann meinet: daß er mit Umbarmung frembder Buhlschafften seine Frau beleidige? Ist es aber auch gleich eine Beleidigung /so ist sie von keiner so grossen Wichtigkeit: daß sie des Beleidigers Hertze noch darzu so vergällen solte. Hingegen thut der ehlichen Liebe nichts mehr Abbruch / als eine tägliche Beywohnung. Die Abwechselung aber ist das Saltz der Liebe / und die Mutter der Wollust. Diesemnach denn die von den heftigen Begierden beunruhigte Magnet-Nadel der Liebe / nach einer langen Umbwallung doch endlich wieder auf dem Nord-Striche gegen seiner Gemahlin / als dem rechten Angel-Sterne stille stehen bleibt / und ein Mann nach langer Enthaltung oder Abwesenheit seine Frau so viel inbrünstiger lieb gewinnt. Welchen Vortheil die eyversüchtigen Weiber nicht zu hoffen haben / die aus ihrem Hertzen gegen ihn nichts als Galle /und von ihrer Zunge nur Wermuth ausschütten; welche allen seinen Tritten auf der Ferße argwöhnisch nachschleichen / und ihre verdrüßliche Seele mit seiner ausgespürten Untreue begierig speisen. Warlich /diese Thörichten giessen Gifft in ihre Wunden / und beleidigen sich selbst mehr / als sie von ihren Ehmännern beleidiget werden. Am wenigsten schaffen sie ihnen durch ihre Mißgunst einigen Vortheil / dardurch sie nur ihrer Ehmänner Lust verstören; sind also wie die Hirschen / welche ihr abgeworffenes rechtes Gewey verscharren; und wie[101] die Heydechsen / die ihre abgestreiffte Haut verschlingen / nur daß beyde den Menschen nicht zur Artzney dienen sollen. Ist also die Eyversucht durchgehends eine unnütze Schwachheit /bey den Weibern aber eine gäntzliche Ohnmacht. Der Männer Empfindligkeit / welche ihrer Weiber Vergebung noch mit Blute zu rächen Kräffte haben / scheinet noch etlicher massen zu entschuldigen zu seyn; ungeachtet die grösten Helden hierinnen sich selbst überwunden / und König Philipp an Olympien / Ptolomäus an Cleopatren / Agamemnon an Clytemnestern / Menelaus an Helenen / Minos an Pasiphaen /Theseus an der Psädra ihre Untreue nicht gerochen /sondern sie fremder oder ihrer eigenen Rache überlassen. Was soll denn ein ohnmächtiges Weib gegen einen stärckern / auch weniger Verbrechenden für Rache ausüben? Die verbitterte Medea hat den durch ihre blinde Eiversucht erregten Brand mit vielen Thränen ausgelescht; und durch Ermordung ihrer Kinder ihr weher / als dem Jason gethan. Nichts ist daher der Tugend gemässer / dem Gemüthe vorträglicher / dem Leben sicherer / als leiden und schweigen. Sintemal die Juno selbst keine andere Frucht ihrer unmässigen Eiversucht eingeerndtet / als daß Jupiter im Leben die irrdischen Buhlschafften einer Göttin vorgezogen /nach dem Tode aber unter die Sternen gesetzt. Gleichwohl aber / versetzte Atalanta / blieb Juno bey solchem Ansehen: daß Jupiter nur ins geheim fremde Liebe stehlen dorfte; ja Europen in einen Ochsen / die Calisto in einẽ Bär verst ellete. Allhier aber hat Eriphyle schon alle Scham / und Rhascuporis so gar die Larve seiner zu ihr tragenden Liebe abgelegt; und die Gewohnheit dem Ehbruche alle Heßligkeit des Lasters abgewischt. Daher habe ich mir fürgesetzt meiner Fürstin Unrecht entweder mit meinem oder Eriphylens Blute abzuwaschen / oder durch Gifft ihr und ihrer tollen Brunst das Licht auszuleschen. Ich beschwere dich / Atalanta / sagte Ada mit ernsthafter Geberdung / daß du dich Eriphylen / welcher ich darumb / daß sie den Rhascuporis liebt / nicht gram seyn kan / nicht versehrest / wo du mich nicht selbst versehren / und meinen unversöhnlichen Zorn dir auf den Hals ziehen wilst. Atalanta erstaunete über diesen Worten; ihre Augen wurden wäßricht; und sie gieng mit Seufzen aus der unempfindlichen Ada Zimmer. Diesem Gespräche hatte hinter den Tapeten Andronice / eine aus der Ada Frauenzimmer zugehöret / welche ins geheim Eriphylen / als einer neuaufgehenden Sonne / mehr / als ihrer eigenen Fürstin zugethan war / und daher wie alles / also auch diß Eriphylen verkundschaftete. Eriphyle schöpfte hierüber gegen die Atalanta eine Tod-Feindschafft; und ehe drey Tage hin waren / erkaltete Atalanta durch beygebrachtes Gifft. Ungeachtet nun Eriphyle der Fürstin Ada mehr als vorhin Pflaumen striech; und / weil sie diß Gespräche so viel sicherer machte / ihrer Geilheit vollends den Zügel schüssen ließ / gieng doch Ada Atalantens Fall tieff zu Hertzen / und Gemüthe; also: daß sie nunmehr gleichsam stets mit dem Bleymaasse in der Hand verfuhr / und den Zweck ihres Anschlages zu beschleunigen fürnahm. Wie nun Eriphyle abermals bey der Ada im Bette ihre mit dem Rhascuporis verübte Geilheiten abmahlete; fing endlich Ada an: Eriphyle / dieses alles sind wol Kennzeichen deiner gegen dem Rhascuporis tragenden Liebe; aber noch lange keine solche: daß du ihn so sehr / als ich liebest. Eriphyle fragte: Was sie denn ihrer Liebe für Vollkommenheit beyzusetzen für nöthig hielte? Diese /antwortete Ada: daß du den Rhascuporis / wie ich /mehr als dich selbst liebest? Ich glaube / sagte Eriphyle: daß meine Liebe schon auf diese Staffel gestiegen sey. Wolan / versetzte Ada: so bewähre diß mit einer solchen Würckligkeit /[102] als ich zeither es bewehret habe. Eriphyle versetzte: Ich wil deine Prüfung auch mit Aufopferung meines Blutes für meinen geliebten Rhascuporis bestätigen. Es ist diß noch zu wenig / fing Ada an. Eriphyle hingegen: Was hat denn ein Weib wichtigers / wormit sie ihre Liebe besiegeln könne? Ada sagte: Die Uberwindung ihrer eigenen Liebe / welche stärcker als der Tod ist. Eriphyle fragte: Wormit soll ich sie denn überwinden? Ada gab zur Antwort: Damit / daß du dich des Genusses deiner Liebe entäuserst; wormit Rhuscuporis aus seiner Liebe noch mehr Vergnügung schöpfe. Eriphyle /welche meynte: daß Ada wieder nach des Rhascuporis Umbarmung seufzete / erklärte sich: Ich muß mich bescheiden: daß ich / als ein düsteres Nacht-Gestirne /und als der Fürstin unwürdige Vertreterin ihr / als der Sonne zu weichen schuldig bin. Du irrest / fing Ada an / wo du dir einbildest: daß meine Begierden deiner Liebe einigen Eintrag zu thun verlangen. Rhascuporis seufzet nach mir nicht; und wenn ich die ihm angenehmere Eriphyle verdringen wolte / liebte ich ihn nicht / oder mich mehr als ihn. Ich und du aber kennen die allzu wohl / nach welcher seine Seele lechset /und in deinen Händen beruhet / ihn durch dieselbe zu beglückseligen. Eriphyle bat: Ada möchte ihr nicht nur diß Rätzel auflösen / sondern ihr nur befehlen. Denn die Ehre des Gehorsams wäre ihr gröster Vorzug. Ada nam das Wort von ihr / und fing an: Ich bin vergnügt / Eriphyle. Liefere diesemnach die Königm Parysatis in Rhascuporis Armen. Die Königin? fragte Eriphyle. Keine andere / antwortete Ada; weil Rhascuporis sonst keine lieb hat. Eriphyle fuhr fort: Woher weiß sie denn diß letzte Geheimnüß? Daher /versetzte Ada: daß sie eine Königin ist; alle grosse Frauen aber schön / und alle Fürsten kluge Leute sind. Eriphyle machte hierüber / als einem allzu weit gesuchten Schlusse Schwerigkeit; zweifels frey / weil sie bey Uberlegung fremden Glückes ihr eigenes mit in die Rathschläge einwickelte. Aber Ada fuhr fort: Einfältige Eriphyle! Meynest du: daß die Schönheit die einige Mutter der Liebe sey? Ist es doch noch lange nicht ausgemacht / worinnen die Schönheit bestehet. Denn wie nicht allen Menschen alle Speisen schmecken; also gefällt auch die Venus selbst nicht allen. Wie viel Köpfe / so viel Sinnen; wieviel Augen / so viel Schönheiten. Gantze Völcker zancken sich hierüber. Die Griechen halten es mit den fleischichten / und welche voll Saftes sind / wie Helena war; die Phrygier mit den schlancken und zarten; westwegen sie ihr Frauenzimmer in Harnische einschraubten / ja ihnen nicht satt zu essen / und offt Essig zu trincken gaben. Dahingegen die Nordlichen Völcker ein mageres Weib für ein lebendiges Bild einer todten Venus halten / und ihre Liebhaber dem Corinthischẽ Fürsten Periander vergleichẽ / welcher seines Weibes Leiche beywohnte. Jupiter liebte Alimenẽ / weil sie eine Riesen-Grösse; Artaxerxes Aspasien / weil sie weisse Haare hatte; Perseus Andromeden / weil sie schwartzbraun; Tyndarus Leden / weil sie schneeweiß war; Achilles ward von der Chryseis schwartzen Augen entzündet; Pallas prangte mit ihren blauen /und Juno mit grossen Ochsen-Augen. Du bist bräunlicht / wie die berühmte Cleopatra war; Parysatis aber gibt der Mylchernen Cydippe nichts nach. Ins gemein aber fällt die Liebe der Wechsel-begierigen Männer von einer Farbe auf die andere. Was mag aber für ein besserer Liebes-Zunder seyn / als die Königliche Würde? Aegisthus versahe sich so sehr nicht an der schönen Helena / als an ihrer Schwester der Königin Clytemnestra / welche eine grössere Frau war / aber an Gestalt jener nicht das Wasser reichte. Denn der Purper wirfft einen so annehmlichen Wiederschein auf die blasse Lippen / gelbe Wangen / und todte Augen: daß sie wie Regenbogen den[103] beständigen Glantz der Edelgesteine beschämen. Oder der Vorwitz bildet ihm mit den Persiern ein: daß der Brunn / woraus der König trinckt / besser als andere in der Welt sind. Uber diß ist Parysatis so schön: daß wenn sie auch keine Fürstin wäre / geliebt zu werden verdiente. Diesemnach du mich durch kein ander Wunderwerck überreden wirst: daß du den Fürsten Rhaseuporis liebest / wo du nicht machst / daß er von der Parysatis geliebt werde. Eriphyle fiel ein: Wenn ich nun gleich versichert wäre: daß Rhaseuporis nach der Parysatis seufzete; durch was für eine Zauberey werde ich ihr eben das Verlangen nach ihm einpflantzen? Ada versetzte: Durch keine andere / als wordurch du dich dem Rhaseuporis zu einem Abgotte / und der Parysatis zur geheimen Siegel-Verwahrerin ihres Hertzens gemacht hast; welche letztere Wissenschafft dir schon für sich selbst an die Hand geben wird / durch was für eine Pforte du den Fürsten Rhascuporis in das innerste Gemach ihrer Seele einleiten sollst. Denn Parysatis ist zu schön und zu lebhafft: daß ich glauben solte: Es hätte niemand als ihr Gemahl Rhymetalces an ihr Theil gehabt. Mit einem Worte: Rühme der Parysatis des Rhascuporis Thätigkeit; dem Rhascuporis der Parysatis Anmuth; so wirst du befinden: daß beyde ehe und fester / als Eisen und Magnet an einander kleben werden. Eriphyle befand sich nunmehr durch diß Garn derogestalt bestrickt; daß sie nichts anders thun / als versprechen muste / bey beyden das beste zu thun; und weil sie dadurch ihr den Fürsten Rhascuporis so viel mehr zu verbinden meynte / von der Parysatis aber / als einer Königin / welche durch den Rhaseuporis nicht grösser werden konte / sich keiner gäntzlichen Verdringung zu besorgen hatte / ließ sie ihr die Kupplerey zwischen dem Rhascuporis und Parysatis mit Ernst angelegen seyn. Es dorffte an beyden Orten so wenig Müh / als Schwefel in Brand zu bringen. Eriphyle wuste umb alle geheime Buhlschaften der lüsternen Parysatis / und diß einige Versprechen: Sie würde an dem lebhaften Rhascuporis befinden: daß sie vorher nur bey Leichen gelegen / war schon genung / sie in voller Flamme zu sehen. Rhascuporis war gleichfalls von Eriphylen so eingenommen: daß er nach der Parysatis / wie ein dürstender Hirsch nach frischer Kühlung lechsete. Mit diesen Neigungen brachte Eriphyle beyde auf einem Lusthause des Rhascuporis zusammen / allwo sie biß auf den späten Abend den Tag dergestalt hinlegten: daß sie sich so vergnügt / als Hercules und Omphale mit einander gelebt zu haben rühmeten. Eriphyle brachte der Ada auf unverwendetem Fusse die Zeitung hiervon / und ward desthalben von ihr mit so vielen Liebkosungen / als niemals vorher bewillko t; also veranlaßt den Rhascuporis und die Parysatis noch immer mehr zu Abspinnung ihres Liebes-Rockens aufzumuntern. Parysatis ward durch ihr öffteres Laster eben so kirre / als Eriphyle; sintemal sie nicht nur in dem Pallaste / darinnen Ada zugleich wohnte / zum Rhascuporis sich einfand / sondern so gar in Anwesenheit Eriphylens mit ihm zuhielt. Diese Nachricht gab der Ada an die Hand / Eriphylen weiß zu machen: Sie wäre aufs äuserste lüstern die Parysatis unvermerckt in Rhascuporis Armen zu sehen. Eriphyle faßte hierüber zwar einigen Argwohn; als aber Ada hoch betheuerte: Sie könte ohne den Genüß dieser Vergnügung ihr Gemüthe nicht besänftigen / und sie wolte lieber über die zwey Verliebten Rosen streuen / als ihrer Liebe den geringsten Eintrag thun / händigte ihr Eriphyle zu des Rhascuporis Gemache den Schlüssel ein; neben welchem sie mit einander verschlossen lagen. Ada ging mit höchst-verwirrtem Gemüthe / aber mit einem aufgeräumten Antlitze dahin. Sie ward aber durch wenige Eröffnung der für der Thür des Schlaf-Gemachs hängenden Tapeten gewahr: daß[104] beyde beysammen liegende in einen tieffen Schlaf verfallen waren. Diß machte sie so keck / daß sie selbst ins Schlaff-Gemach ging / und die nackte Parysatis von der Scheitel biß auf die Fuß-Sohle aufs genaueste betrachtete. Diese Betrachtung schwellte in ihrem Hertzen die zeither verblümte Eiversucht mit siedendem Zorn und Rache so hoch empor: daß sie ihren bey sich habenden Dolch zückte / und selbten der Parysatis zwischen die Brüste zu stossen aufhob. Die sich in einem Augenblicke erholende Vernunft aber machte ihren Schluß zweifelhafft; und nachdem sie erwoge: daß sie durch diesen Eiver ihr gantzes Glück verspielen / und auf einen Streich ihre so empfindliche Anstalt des so wichtigen Anschlages zernichten würde / schlug sie diese hitzige Aufdampfungen vollends gantz zu Bodem. Gleichwohl aber schnitt sie der Parysatis ein am Halse hängendes Hertze von Diamant ab / welches mit güldenen Sternen besämt / für ein unschätzbares Kleinod gehalten / und von Rhymetalcen der Parysatis verehret worden war. Mit dieser Beute /welche sie ihr wohl zu Nutze zu machen im Schilde führte / vergnügte sich Ada dißmal an statt des ihr abwendig gemachten Gemahls. Parysatis erwachte nicht so bald / als sie den Verlust ihres Hertzens wahrnahm; welchen sie so viel mehr empfand / weil ihr geträumet hätte: man schnitte ihr das Hertze aus dem Leibe; und weil die hierumb befragte Eriphyle weder von diesem Kleinode was wissen wolte / noch den der Ada verlaubten Eintritt bekennen dorffte. Parysatis hätte gern dieses kostbaren Kleinodes vergessen /wenn sie nur ihren Gemahl desthalben zu bestillen ein Mittel gewüst hätte. Sie gab etlichen Künstlern / welche nach Erfindung der Indianer / aus gefärbtem Cristall falsche Edelgesteine nachzumachen wusten / derogleichen Hertz an / weil kein so grosser Diamant irgendswo zu erfragen war. Aber die Kunst litt gegen der Natur hierinnen Schiffbruch / weil die güldenen Sternen darein nicht gebracht werdẽ konten. Als sich Parysatis etliche Tage darüber gegrämet / und den Verlust zu verhölen kranck gemacht hatte / kam Ada sie heim zu suchen. Wie sie nun gantz einsam beysammen waren / bückte sich Ada mit Fleiß unter einem andern Scheine über der Parysatis Bette / damit das zwischẽ ihrẽ Brüsten hängende Hertze von Diamant hervor / und der Parysatis ins Gesichte fiel. Diese fing Augenblicks an zu ruffen: Hilf Himmel! Liebste Schwester / wie ist mein Kleinod in ihre Hände verfallẽ? Ada lächelte / und nahm diese Ansprache für einẽ blossen Schertz an / mit Vermeldung: daß diß unmöglich das ihrige seyn könte. Parysatis aber ließ sich es nicht ausreden / und betheuerte: daß kein gleiches in der Welt zu finden wäre. Nachdem aber Ada eben so wenig sich eines andern bereden lassen wolte / fragte Parysatis: Ob sie denn das gegenwärtige lange Zeit besessen / und woher sie es überkommen hätte? Hierauf brach Ada herfür: Es kan der Königin unmöglich seyn; denn ich habe es für 5. Tagẽ einer in meines Gemahls Armen schlafenden Ehebrecherin in vom Halse geno en. Parysatis konte über diesen Worten die sichtbare Merckmale ihrer heftigen Bestürtzung nicht verhölen; Ada aber fuhr fort: Dieselbe / welche sich zum Eigenthume dieses diamantenen Hertzens mit Rechte ziehen wil / muß mir einen Finger breit unter dem Nabel ein braunes Maal in Gestalt eines Käfers zeigen. Parysatis erblaßte und verstummete über dieser Nachricht. Denn sie glaubte nunmehr: daß Ada ein selbstäugichter Zeuge ihres Verbrechens gewesen sey. Wormit aber Ada sie so viel mehr verwirrte / redete sie ferner: Ich mag aber mit meiner Schande nicht wuchern. Denn sonst würde ich eine Huren-Wirthin fürstellen. Ich bin hieher kommen dem Könige dieses kündbare Kleinod zu überliefern / und die ausgeforschte Ehebrecherin zu bestraffen. Parysatis sprang hierüber aus dem Bette / und eilte einem Schreibe-Tische zu; daraus sie ein[105] gewisses Glaß nahm / und den darinn verwahrten Safft austrincken wolte. Aber Ada muthmaßte nicht unbillich: daß es Gifft wäre; daher schlug sie es ihr mit Fleiß in Stücke. Als Parysatis diese verzweifelte Hoffnung zu Wasser worden / und auf dem Bodem schwimmen sah / fiel sie für der Ada nieder / und bat mit gleichsam rechelnder Stimme: Sie möchte selbst an ihr mit Versprützung ihres Blutes Rache ausüben / nur aber nicht durch Angebung ihres Lasters beym Könige ein Blut-Urtheil / beym Volcke aber eine ewige Verfluchung ihr auf den Hals ziehen. Auf diese trockene Bitte folgte ein rechter Platz-Regen unzehlbarer ihr aus den Augen schüssender Thränen / mit welchen Parysatis die Ada bey dem Haupte des Rhastuporis / bey der ihm ewig gelobter Treur / bey der von den Thracischen und Comagenischen Göttern erwarteter Erbarmnuß beschwor: Sie möchte selbst / nicht durch den König an ihr Rache ausüben; aber der Anspinnerin dieses Unglücks der boßhaften Eriphyle die verdiente Straffe nicht schencken. Ada hörte sie wohl aus / sahe sie mit unverwendeten aber grimmigen Augen an / ließ sie also unbeantwortet eine ziemliche Zeit am Creutze stehen / und für ihren Füssen liegen. Endlich öffnete sie ihren Mund / und fieng an: Du hältest mich für grausamer / als ein Weib seyn soll. Meynest du / daß / da ich von deiner Geilheit besudelt bin / ich mich nun vollends mit deinem Blute beflecken solle? Trauest du mir die Mässigung nicht zu: daß ich meine Rache über die mir angefügte Beleidigung nicht ausstrecken werde? Mit einem Worte: Es ist kein gerechter Gesetze / als das des Pythagoras: du must aus dem Vergeltungs-Becher des Rhadamanthus trincken /nemlich leiden / was du einem andern gethan hast. Erkiese dir demnach nur kurtz eines aus beyden / entweder den König zu meinem Richter / oder zu meinem Liebhaber. Die mehr todte als lebendige Parysatis hätte gerne noch mehr gewilliget / wenn Ada nur mehr gefordert hätte. Daher erklärte sie sich in ihren Willen auf alle Weise zu kommen: Ada möchte ihr nur selbst das Mittel ihren Wunsch zu erlangen an die Hand geben. Ada sagte: Eine geheime Einräumung deiner Lagerstatt kan uns beyde versöhnen / und so wohl zu mein als deiner Vergnügung helffen; weil ich auf solchen Fall dir alle mein Recht auf den Rhascuporis abtrete. Durch diese Vermittelung verwandelte sich dieser geilen Weiber Zwist in grosse Verträuligkeit. Paryfatis legte ihre angenommene Kranckheit ab / und räumte noch selbige Nacht der Fürstin Ada ihr Bette ein. Sie aber schlief oder wachte vielmehr aus Kummer des Ausschlages im Neben-Gemache. Kaum eine Stunde darnach kam der König / und ward von dieser Priesterin nicht so wohl des Bacchus / als der Liebe mit offenen Armen empfangen. Beyde opferten einander / was die Wollust in ihrem Köcher vermag / und zwar mit solcher Vergnügung des Königs: daß er bey seinem nach Mitternacht genommenen Abschiede seiner vermeynten Gemahlin nachrühmte: Sie hätte sich diese Nacht nicht als ein Weib / sondern männlich gehalten. Ada war ebenfalls vergnügter / als sie noch zur Zeit sagen dorfte / sonderlich weil ihre Wollust damit für der des Rhascuporis gewürtzt war: daß sie wissendlich einen fremden Buhler / und zwar den König genossen hatte. Auf diese Art wurden drey Nächte nach einander verbracht / ohn daß Rhymetalces ihme träumen ließ: daß er so vielmal eine fremde Frau umbarmet hatte. Gleichwohl aber ward er gegen seiner Gemahlin lüsterner / als iemals vorher; also daß die Süssigkeit wahrhaftig in fremdem Wasser /und nicht nur in der Einbildung stecket. Parysatis genaaß desthalben noch des Tages unterschiedene mal die Straalen ihrer Sonne / welche sie einem andern Nacht-Lichte abtreten muste. Weil aber diese Wenigkeit für sie kein Auskommen war / sehnte sie sich auch des Nachts so warm / als Ada zu[106] schlafen / und daher diese folgende Nacht beym Rhascuporis zu vertreten. Welches denn auch durch die Verwechselung dieser beyden unzüchtigen Weiber so glücklich bewerckstelliget ward: daß man folgende Nacht zu gleichmässigem Betruge erkiesete. Eriphyle kriegte noch selbige Nacht dieser Verwechselung halber von der Parysatis geheimster Kammer-Jungfrau Wind. Weil sie nun die für ihr geschehene Verhölung dieses Geheimnüsses für eine Verschmähung / oder zum wenigsten für ein Mißtrauen gegen ihr aufnahm / sich auch durch die Königin Parysatis schier gantz verdrungen sah / da sie doch aus einer süssen Einbildung den Rhascuporis gleichsam für ihr Eigenthum hielt /schöpfte sie gegen ihr eine grössere Eiversucht / als wenn sie selbst seine Gemahlin gewest wäre. Aus dieser Regung fand sie Gelegenheit dem Könige über der Taffel einen versiegelten Zettel unter den Teller zu spielen / darauf geschrieben war: Parysatis hätte vorhergehende gantze Nacht in den Armen des oberstẽ Priesters des Bacchus geschlafẽ / würde auch folgende Nacht keinẽ andern umbarmẽ. Rhymetalces fand diese Schrifft bey Weggebung des ersten Tellers / eröffnete und laß sie mit der heftigsten Veränderung seines Gemüthes; also: daß Parysatis ihm an der Stirne lesen konte; es müste was grosses / und zwar / weil er seiner Gewohnheit nach / ihr nichts davon entdeckte / etwas sie selbst-angehendes seyn. Denn ein böses Gewissen ist niemals von Furcht und Argwohn entfernet. Diese waren Ursache: daß die schlaue Parysatis der hierzu nicht gar willigen Ada ihre Stelle und Lager-Statt folgende Nacht nicht vertreten lassen /sondern den vermuthlich gewarnigten König selbst erwarten wolte. Rhymetalces / welcher sich den gantzen Tag mit allerhand seltzamen Gedancken geschlagen hatte; und / weil er seiner Einbildung nach / vorige Nacht seine Gemahlin in seinen eigenen Armen gehabt / wuste das Rätzel des Zettels nicht auszulegen. Jedoch meynte er / folgende Nacht solte dem vorhergehenden düsternen Tage ein Licht aufstecken. Diesemnach kam er umb Mitternacht / und zwar mit brennendem Lichte für der Königin Bette / welche bey ihrer Wachsamkeit und erblicktem Lichte nunmehr an der Wahrheit dessen / was sie geargwohnt hatte /nicht mehr zweifelte / sich also feste schlafend anstellte. Nachdem Rhymetalces sie wohl und eigentlich betrachtet / leschte er das Licht aus / erweckte die Königin / und lag / biß es lichter Tag war / bey ihr. Beym aufstehen küßte er sie so heftig auf die Lippen: daß das Blut heraus gieng; sagte hierauf: Sihest du /Parysatis / ich habe geschworen / du soltest mir das angethane Unrecht mit deinem Blute bezahlen. Hiermit gab er ihr den empfangenen Zettel zu lesen / und ließ sie allein. Parysatis wuste nicht: ob sie sich über der Verrathung ihres Ehbruchs mehr bekümmern / als über ihrem glücklichen Betruge mehr erfreuen solte. Sie nahm ihr aber nicht Zeit sich völlig anzukleiden /sondern folgte dem Könige auf dem Fusse in sein Gemach / und wuste die Farbe der Unschuld / nemlich ein freudig Gesichte so meisterlich anzunehmen: daß Rhymetalces sie aus blosser Anschauung ihres Antlizes aller Laster frey gesprochen hätte. Weil aber Parysatis wohl wuste: daß auch der allerunscheinbarste Argwohn so schwer aus einem Gemüthe / als Dörner aus Aeckern zu rotten sind / sagte sie zum Könige: Es befremdete sie: daß Rhynetalces aus etwas / welches sie für keine Verlärmdung / sondern einen tiefsinnigen Schertz hielte / gegen ihr den wenigsten Verdacht schöpfen / weniger es mit ihrem Blute zu rächen sich entschlüssen mögen. Sintemal in beyden der Zettel wahr redete / nach dem wahrhaftig / und nach den alten Grund-Gesetzen der Odrysen niemand anders /als der König in Thracien / der alleroberste Priester des Bacchus wäre / ein ander aber nur sein Ampt verwaltete. Rhymetalces ließ sich durch diese verschmitzte[107] Auslegung verleiten / der Parysatis gäntzlich beyzusti en / ja sich zu erklärẽ: Er müste gestehen: daß er ohne Ursache eiversüchtig gewest wäre; er wolte es aber einmal nicht seyn / wenn er Ursache dazu haben würde. Parysatis lächelte / und fing an: Sie nehme diese Erklärung für bekant an / und wolte sie ihn prüfen: ob sein Gedächtnüß nichts vergessen /und sein Gemüthe was verschmertzen könte. Hierauf fuhr sie zur Ada in Tempel des Bacchus / erzehlte ihr ihre Begebnüß / und wieß ihm den gefährlichen Zettel. Ehe ihn aber Ada noch sahe / urtheilte sie: Diß könte keine andere Seele / als Eriphyle verrathen haben; hernach erkennte sie selbten auch alsofort für ihre eigene Handschrifft / und damit sprach sie ihr zugleich das Leben ab. Parysatis wolte wider diesen Schluß noch einige Schwerigkeiten machen; aber Ada fing an: Wil sie noch der das Wort reden / welche nicht mich / sondern sie und meinen Gemahl beleidiget hat? Soll die leben / welche ihr Netze des Todes gestellet hat? Ein vertrautes Geheimniß entdecken ist schon ein sterbens-würdiges Laster; weil der / der solches anni t / sich unsern Freund erkläret; und uns unter diesem heiligen Mantel zuverterben sucht. Keine andere Züchtigung würde auch Erilphylen bessern. Denn wer schon einmal gegen seinen Fürsten die schuldige Ehrerbietigkeit verliert / kan nicht aufhören sie gar zu stürtzen. Denn die Boßheit ist anfangs blind / hernachtaub / läst sich also in ihrem Rennen nicht aufhalten. Ihre Gebäue sind betrügliche Irrgärte. Der Eingang ist leicht / der Ausgang aber gar nicht zu finden. Dieses aber ist der Verräther verdienter Lohn: daß sie in dem Gedränge ihrer Fallgatter selbst ersticken / und ehe sich / als andere betrügen. Sie lasse daher Eriphylen verrecken. Denn sie wird es doch nimmermehr mit der Königin gut meynen; weil sie unmöglich glauben kan: daß es die beleidigte Parysatis mit ihr iemals gut meynen könne. Wo man aber beleidigt worden / und daher sich mehr keiner Freundschafft zu getrösten hat / weiß die Klugheit von keinem andern Hülffs-Mittel / als einer ungesäumten Rache / wo uns unsere Feinde nicht in unserm Untergange / wie vorher mit ihrer Beleidigung sollen zuvor kommen. Mit dem Atheme dieser Worte leschte Ada vollends die noch übrigen Liebes-Funcken in dem Hertzen der Parysatis aus / mit welcher Eriphyle vorher einerley Zunge in zweyen Münden / und eine Seele unter vier Brüsten beherbergt hatten. Ihr Todes-Urtheil ward mit beyder Eyden versiegelt; und wormit die Zeit nicht etwan die feurigsten Gemüths-Regungen laulich machte / den nechstfolgenden Tag derogestalt vollzogen. Die Königin kam sonder einige Begleitung / und mit abgenommenen Flocken für der Ada Pallast / und ersuchte sie umb eine kurtze Begleitung an dem Flusse Hebrus frische Lufft zu schöpfen. Ada hatte kurtz vorher Eriphylen unter einem andern Vorwand zu sich gelocket; also fiel das Looß auf sie eine Gefertin mit abzugeben. Ada und Parysatis liebkoseten ihr wie vorhin / oder auch mehr; zanckten sich auch mit einander: Ob Eriphyle der Natur / oder dem Glücke mehr zu dancken hätte. Nach zweyen Stunden kamen sie auf ein Lusthaus des Rhascuporis. Die Einsamkeit schien in selbtem selbst zu wohnen; gleichwohl aber fanden sie eine aufs köstlichste bereitete / und mit den kräfftigsten Erfrischungen versehene Taffel. Sie bedienten sich unter einander selbst /und zwar so verträulich: daß niemand fremdes unter diesen dreyen die Königin hätte heraus zu lesen gewüßt. Als sie derogestalt sich gleichsam mit vielen Kurtzweilen in Freude ausschütteten / öffnete sich die Thür des Nebenzi ers / daraus drey vermute Unholden mit grausamer Ungeberdung herfür sprangen. Die erste trug einen Topf / die andere drey Zettel / die dritte ein blosses Messer.[108] Diese letztere sagte: Sie wären Bothen und zugleich Scharfrichter der Götter; welche eine unter ihnen zum blutigen Sühn-Opfer verlangten. Also solten sie looßen / welche das Verhängnüs entweder zum Leben oder Tode bestimmt hätte. Eriphyle bezeugte sich unter alten am hertzhaftesten / weil sie diese Begebnüs für eine zur Kurtzweil angesehene Anstellung hielt; dahingegen Parysatis und Ada für angeno ener Furcht bebten. Hierauf drang die den Loßtopf haltende Unholdin / darein die andere ihre Zettel geworffen hatte / mit Ungestüm auf die Herausnehmung. Parysatis und Ada griffen zum ersten / Eriphyle mit Lachen am letzten. Als sie aber ihren Zettel aufmachte / und gewahr ward: daß es eben derselbe war / den sie dem Könige den Tag vorher geschrieben hatte / erstarrete sie wie ein Scheit. Sehet ihrs! fieng die andere Unholdin an: daß die Götter niemanden straffen / den nicht vorher sein Gewissen verdammt hat. Verrätherische Eriphyle / du must sterben! Kennst du mich nicht? Ich bin der Geist der durch dein Blut erblichenen Atalanta. Hiermit riß sie ihrer abscheulichen Gespielin das Messer aus; gleich als wenn sie ihr die Kehle abschneiden wolte; fieng aber an: Nein / nein / Eriphyle! dis wäre viel ein zu leichter Tod für eine Magd / welche zwey Fürstliche Bette besudelt; einer Königin und obersten Priesterin nicht nur zu Kopfe gewachsen / sondern auch ihren Tod mord-begierig bestimmet hat. Hiermit fielen alle drey Unholdinnen die verzweiffelnde wie wütende Tyger an / rissen ihr alle Kleider / ja auch das Hembde vom Halse / banden ihre Hände und Füsse / und stachen mit spitzigen Pfriemern in ihre Armen und Beine alle Worte / die sie dem Könige Rhymetalces zugeschrieben hatte. Eriphyle stieß gegen sie anfangs die grausamsten Flüche aus; die Schmertzen aber überwanden ihre Ungedult: daß sie wehmüthigst zu bitten anfieng / umb nur schleunig abgeschlachtet zu werden. Alleine sie bekam diesen leidigen Trost zur Antwort: diese Kitzelung würde sich bald in Ernst verwandeln. Nach vollendeter blutigen Schrifft reichte die Unholdin der Ada das Messer mit dem Befehle: Sie solte die Henckerin ihrer Seele nunmehr an ihren Gliedern henckern. Ada verwandelte hierüber ihre gantze Gestalt / welche bis dahin mehr / als die Unholdin vermummt gewesen war. Denn sie ergrif das Messer mit freudiger Gebehrdung: die Mord-Lust aber guckte ihr aus den Augen herfür. Hierauf schnitt sie der bey nunmehr entdeckter Verstellung rasenden Eriphyle mit diesen beygesetzten Worten die Brüste ab: Gebet mehr Lockvögel den Fürsten / und dem Rhascuporis ein Haupt-Küssen ab! darnach spaltete sie der Verzweiffelten das Brustbein von sammen / grief mit dem Arme hinein / und riß ihr das zitternde Hertz heraus / welches ihr Parysatis /ehe sie noch die Augen schloß / auf der Ada Veranlassung um das Maul schlug. Ada schnitt ihr so denn vollends den Kopf ab / und wolte ihr Fleisch nach dem Beyspiele des grimmigen Diomedes den Pferden zu fressen geben / aus ihrem Hirnschädel aber ein Trinck-Geschirre machen; aber Parysatis beredete sie noch: daß ihre zerfleischte Leiche in den unter selbigem Zimmer flüssenden Hebrus geworffen ward. Dieses von der Ada angestiftete und von der Parysatis gebilligte Laster war ein neuer Leim dieser zweyer boßhafften Weiber Gemüther an einander zu verknüpfen; also / daß wo der Lasterhafften verträuliche Zusammenstimmung den Nahmen einer Freundschafft verdienet / den Alten kein Irrthum aufgebürdet werden kan: daß Freundschafft und Betrug Schwestern / und einer schwartzen Mutter / nemlich der Nacht Kinder sind. Ja / weil Parysatis und Ada nunmehr ein eydliches Bündnüs mit einander aufrichteten: daß jede ihren Gemahl der andern / wie Menedemus dem Asclepiades[109] sein Ehweib ohne Eintrag abtreten und zu genüssen verstatten wolte / gewaan es schier den Schein: daß wie mehrmals ein wildes Kraut heilsamer / als viel kostare Balsame sind; also die auf Laster gebaute Freundschafft auf festerm Fusse stünde / als die auf Tugend gegründete. Sintemal ins gemein die als Demant-festverknüpften Verbindnüsse der Gemüther an dem Felsen eines kleinen Eigen-Nutzes zu scheitern gehen; und zwar niemand der Cyrenischen Welt-weisen Lehre: daß ein kluger Mann nur sein / oder zum wenigsten sein bester Freund seyn solle / lobet /jedermann aber doch nach selbter lebet. Hingegen lebten Parysatis und Ada in ihren Ehbetten / wie Polistratus und Hippoclides in getheilten Gütern ohne Zwytracht / und ohne Beschwerde: daß ihre Freundin ihres Eigenthums mehr / als sie selbst genüsse. Dieser Männer-Tausch gieng aufs neue wol siebenmal glücklich von statten; sonder daß Rhymetalces das wenigste hiervon argwohnete. Alleine Ada ward nunmehr selbst überdrüßig mit dem Könige derogestalt länger der blinden Kuh zu spielen. Denn / wenn die Geilheit zum höchsten Gipfel kommt / schmeckt ihr die Wollust nicht mehr süsse; wenn nicht andere von ihren Lastern wissen; gleich als wenn ihr bester Geschmack in einem frembden Munde bestünde / oder man auch durch Laster sich berühmt machen könte. Oder es war vielmehr der ehrsüchtigen Ada mehr umb die Königliche Herrschafft / als umb die Wollust zu thun. Daher ward sie / nach dem sie sich selbst lange mit ihren Gedancken geschlagen hatte / schlüßig: daß sie sich dem Könige / wenn er in der grösten Brunst seyn würde / zu erkennen geben wolte. Sie bewerckstelligte solches auch folgende Nacht / und zwar zu einer solchen Zeit / und bey dergleichen Begebnüs / da der König sich zum Knechte seiner Begierden gemacht /und sich seiner Vernunfft zu gebrauchen keine Gewalt hatte. Gleichwol kam ihm dis Ebentheuer seines Bruders Gemahlin in seinen Armen zu finden / so befrembdet für: daß er es anfangs mehr für einen Traum / als eine Warheit hielt. Die nunmehr unverbrochene und ihm allzu kentliche Sprache aber benam ihm bey Zeiten allen Zweifel. Er fragte: Wer sie denn in dis sein Bette geleitet hätte? Weil sie aber mit ihren Geheimnüssen noch hinter dem Berge zu halten für nöthig hielt / antwortete sie: die Liebe der Leitstern aller zarten Seelen. Und weil Rhymetalces hierüber gleichsam unbeweglich war / raffte sie alle ihre Kräfften zusammen / ihn durch schmeichelnde Liebkosungen / geile Küsse und andere Reitzungen zu beseelen. Menschliche Hertzen haben einen heftigern Zug zur Wollust / als das Eisen zum Magnet-Steine; also war es dem Könige eben so wenig möglich / sich aus den Armen der schönen und liebreitzenden Ada / als einem Bezauberten aus dem Kreiße einer gleichsam Himmel und Erde versteinernden Circe loßzumachen. Er tranck also aus dem ihm gleichsam eingenöthigten Becher der Wollust so lange / als seine Kräften zulangten / und so begierig / gleich als wenn es einerley wäre / in dem Meere einer solchen Schönheit Schifbruch leiden / und in den Hafen der Vergnügung einlauffen. Die einmal geschmeckte Wollust angelte Rhymetalcen an die geile Ada so feste an: daß er ihrer beyder Verlaß nach die folgende Nacht nicht erwarten konte / sondern den Tag ohne sie gleichsam nicht zu überleben getraute / und in ihrer Abwesenheit so wenig lebhafft / als der Monde ohne Genüßung der Sonnen-Strahlen lichte zu seyn schien. Er berief sie daher gegen den Mittag in den Lust-Garten / darinnen diese Meisterin in der Liebe ihm vollends das Hertze aus seiner Brust stahl; und es zu ihrem Sclaven machte. Denn das Licht zeigte nunmehr allererst ihm den reichen Vorrath ihrer Schönheiten; welche vorher das Tuch der Finsternüs verdeckt hatte / und bewährte[110] damit: daß der Tag mehr als die Nacht der reiffen Liebe Herbst / und das Fühlen zwar der zärteste Sinn der Wollust / das Gesichte aber die warhaffte Mutter der Liebe sey. Rhymetalces war hierdurch derogestalt außer sich gesetzt: daß er sich nicht einst weiter bekümmerte / wie Ada vorige Nacht seiner Gemahlin Bette in Besitz bekommen hätte; bis er nun durch Geilheit sich erschöpft befand / und beym Abschiede zweifelhaft ward: was für Zeit und Ort er seiner neuen Buhlschafft zu ihrer Wieder-Ersehung bestimmen solte. Ada merckte dis; und weil sie das noch glüende Eisen der Liebe zu schmieden nicht zu versäumen rathsam hielt / fieng sie an: Er hätte sich vor seiner Gemahlin Parysatis nicht zu scheuen. Denn weil sie niemanden weniger / als ihn liebte / hegte sie in ihrem Hertzen nicht nur keine Eyversucht / sondern sie bewürbe sich selbst umb frembde Buhlschafften für den König / wormit sie inzwischen Lufft hätte / anderwerts ihre Begierden zu kühlen. Hiermit zohe sie der Königin Schmaragdenes Hertze herfür / mit Bericht: daß es Parysatis bey ihrer ausgespürten Zuneigung gegen dem Könige ihr zu tragen eingehändigt / ja sie selbst in ihr Bette geleitet hätte / umb mit diesem auch im tunckeln spielenden Kennzeichen bey finsterer Nacht desto glaubhaffter in Rhymetalces Augen und Bette ihre Stelle zu vertreten. Daher möchte er nur folgende Nacht ihr sicher beywohnen. Sintemal keine Parysatis in ihrem Zimmer / noch in dem Königlichen Schlosse zu finden / sondern beym tagenden Morgen zu schauen seyn würde / wie sie nach gebüßter Lust durch eben diesen Lust-Garten / und die verborgene Stiege sich heimlich in ihr Zimmer spielen würde. Rhymetalces erstarrte wie ein Scheit über dieser Nachricht; denn Zorn / Eyversucht und Liebe überwarffen sich in seinem Hertzen mit einander so hefftig: daß es keinem Gliede mit dem Blute seine Bewegung zutheilen konten / außer das Feuer der Rache sahe ihm aus den Augen. Nach einer guten Weile fragte er: ob er allem erzehlten Glauben geben solte? Ada antwortete: Er würde alles mit seinen Augen sehen / wenn er folgenden Abend durch das Schlüssel-Loch in der Ada Schlaf-Gemach zu schauen; für Tage aber in dem Lust-Hause den von der kleinern Garten-Thüre gegen dem Frauenzimmer führenden Gang zu beobachten ihm nicht wolte beschwerlich seyn lassen. Rhymetalces verließ es mit ihr dieser Anleitung nachzukommen; Ada hingegen veranlaßte folgenden Abend die Parysatis zu dem gewohnten Männer-Wechsel; hielt sie aber in ihrem Schlaf-Gemache mit allerhand Schertz-Reden auf; insonderheit aber gab sie Anlaß zu einem Wort-Streite: welche unter ihnen diese Nacht vergnügter hinlegen würde? da denn Parysatis / nach dem sie der entkleideten Ada selbst die Vorhänge am Bette wegzoh / und sie küssende gesegnet hatte / zu allem Unglücke lachende diese Worte ausstieß; Sie hätte mit der Ada ein Mitleiden: daß sie die Nacht einen älteren und abgematteten Mann wärmen solte / da sie / Parysatis / mit einem jüngern und kräfftigern angezündet zu werden hoffte. Rhymetalces sahe und hörete allem dem mit der eusersten Gemüths-Verbitterung zu; hätte sich auch schwerlich enthalten ins Zimmer einzubrechen / und an Parysatis sich zu rächen / wenn er sich von so heftigen Regungen nicht gantz entkräftet gefühlt; die Parysatis auch mit ihrem letzten Worte aus dem Schlaf-Gemache fortgeeilet hätte. Gleichwol aber schloß er das Zimmer alsofort auf / und zeigte sich der Ada mit allen Ungebehrden / die ein Zorniger jemals haben kan. Denn die Rachgier machte sein Geblüte kochend / seine Sinnen verwirrt / sein Gemüthe verdüstert. Die Adern strotzten für aufgeschwollenem Blute; das Hertze schlug ihm wie eine sich übereilende Uhr; ja der Tod selbst sahe ihm aus den Augen; also daß Ada[111] selbst sich über seiner Gestalt nicht wenig entsetzte /bis seine Zunge ihr die Auslegung machte: daß seine Hände zu eigenen Henckern der Parysatis werden solten. Ada freute sich hierauf mehr über dieser Entschlüssung / als sie solche bekümmerte. Denn ob sie wol eben dis / was Parysatis verbrach / beredete sie doch ihre Eigen-Liebe: daß dis / was an dieser ein Laster / an ihr ein Werck eines aufgeweckten Geistes wäre. Ja ihr unverschämter Mund lobte des Königes Vorsatz der Rache / welche ihrer Glückseeligkeit auch selbst den Tod einweihet / und aus anderer Einäscherung ihre Vergnügung baut. Daß aber Rhymetalces selbst an seine Gemahlin Hand anlegen solte / widerrieth sie ihm nicht so wol aus Abscheu für solcher Grausamkeit / als daß sie besorgte: die den Tod für Augen sehende Parysatis dörfte von ihr / ihrem Gemahl und der ermordeten Eriphyle alle Geheimnüsse entdecken / und durch ihre Liebe und Anschläge einen Strich machen. Welchem Rathe sich denn auch Rhymetalces unterwarf / und durch zwey vermute Stummen sie bey ihrer frühen Rückkehr im Garten hinrichten zu lassen schlüßig ward; Inzwischen aber das Feuer seines Grimmes in die Flammen der Wollüste mit der geilen Ada verscharrte. Als er bis nach Mitternacht sich mehr geschwächt als gesättiget hatte / ertheilte er den Stummen den Befehl / und legte sich selbst in ein Fenster sich an dem besti ten Trauer-Spiele zu belustigen; Ada aber wolte selbst eine spielende Person dabey seyn. Daher zohe sie dem Könige seinen Dolch von der Sejten weg / verbarg sich hinter einen Myrten-Gang; und als die beym tagenden Morgen in den Garten zurück kommende Parysatis bald beym Eingange von zweyen Stummen angefallen / zu Boden gerissen / und mit zweyen Stichen verwundet ward / sprang die grausame Ada mit dem blossen Dolche herzu / und stach selbten bis ans Hefft der Parysatis zwischen die Brüste / mit beygesetzten Worten: Kennst du mich auch / ehbrecherische Parysatis? Ich bin Ada / oder vielmehr die selbst-ständige Eyversucht / welche sich schwerer ohne Menschen-Blut versohnen / als der Diamant mit Bocks-Blute weich machen läßt. Die sterbende Parysatis bließ mit ihrer Seele noch nicht ihre verbitterte Rache aus / sondern fuhr mit ihrem Munde gegen der sie tödtenden Hand /und biß mit ihren giftigen Zähnen bey nahe ein Glied vom kleinen Finger hinweg. Worauf ihr die verbitterte Ada noch einen Stich in den mit Fleiß entblösten Bauch unter den Nabel versetzte / die Stummen aber die noch athmende Leiche in den / den Garten anströmenden Hebrus warffen. Nach vollbrachtem Morde befahl Rhymetalces auf der Ada Anstifftung etlichen von der Leibwache diese zwey stummen Werckzeuge seiner Grausamkeit gleichfalls ins Wasser zu stürtzen / umb diese Mord-That so viel gewisser zu vertuschen. Rhymetalces sprengte hierauf in Oresta aus: Parysatis wäre am Schlage gestorben; machte ihr ein prächtig Begräbnüs / und befahl ihr ein kostbares Grabmahl zu bauen. Aber der Fluß Hebrus achtete sich viel zu heilig / neben dem Haupte des Orpheus eines so geilen Weibes stinckende Leiche zu beherbergen / oder das an ihr verübte Laster zu verdrücken. Daher warf er sie eine Meile unterhalb der Stadt bey einer dem Hyettus zum Gedächtnüs-aufgerichteten Marmel-Seule ans Ufer / welcher in Griechenland zum ersten den Ehbruch mit dem Tode bestrafft haben soll. Die einfältigen Fischer brachten diese allzu kentliche Leiche eben an ihrem Begräbnüs-Tage nach Oresta; und zeigten sie dem auf dem grossen Platze für dem Tempel des Bacchus versammleten Volcke; welches dem Könige offentlich anmuthere / die Morder der Königin zu erforschen und zu straffen. Weil aber Rhymetalces widersprach: daß es der Königin Leiche wäre / und die Fischer[112] ins Gefängnüs zu werffen befahl; machte ihr Argwohn ihn selbst zum Weiber-Mörder; welcher Verdacht für eine ungezweifelte Warheit angenommen ward; als sie die Königliche Baare mit Gewalt öfneten / statt der Leiche nur etliche Stücke Bley darinnen fanden / und den aus der Parysatis Brüsten gezogenen Dolch aus dem darauf geetzten Zeichen des Kriegs-Gotts für den Königlichen erkennten. Hierüber erwuchs ein offentlicher Aufstand / welcher weder durch Einredung der König lich-Gesiñten noch durch der gewafneten. Leibwache Dräuung zu stillen war / sondern wenn das Volck an einem Orte sich besänfftigte / am andern desto ungestümer zu wüten ansieng; also daß Rhymetalces mit genauer Noth durch Hülffe seiner Leiche in Tempel des Bacchus entrann. Denn die Menge ist gleich einer rasenden See / welche die Winde der Unvergnügligkeit / der Furcht und Rache mit tausend Wellen beunruhigen / derer immer eine sich erhebet / wenn die andere sich leget. Niemals aber ist der Pöfel verwegener / als wenn er sich gefürchtet sieht. Daher dräuten sie dem Rhymetalces offentlich den Tod / und seinen Kindern die gäntzliche Ausrottung. Der Parysatis Leiche aber liessen sie aufs köstlichste einbalsamen / und setzten diesen stinckenden Laster- und Maden-Sack mit unbeschreiblichem Wehklagen in der Königlichen Grufft bey. Inzwischen hatte Ada umb dem Rhascuporis der Königin Tod ein wenig zu verbergen sich folgende Nacht unter dem Scheine der Parysatis in sein Bette gespielet; und weil des Rhascuporis Einbildung / durch welche er mit seiner eigenen Gemahlin Ehbruch trieb / seine Brunst schärfte / Ada aber übers Jahr ihres Ehherrens nicht genossen hatte / fand sie wider die gemeine Gewonheit in ihrem eigenen Bette mehr Vergnügung / als im Königlichen; also daß die Geilheit in ihrem Hertzen nunmehr für ihren Rhascuporis gegen die für den Rhymetalces fechtende Ehrsucht zu kämpfen anfieng. Hingegen war über der ausbrechenden Ermordung der Parysatis niemand mehr ergrimmet / als Rhascuporis; also: daß er seinem Bruder dem Rhymetalces sagen ließ: Er möchte seine Sicherheit anderwerts suchen; denn der Tempel des Bacchus wäre keine Freystadt eines Weiber-Mörders. Als aber Rhymetalces die Unmögligkeit sahe dem empörten Volcke die Tödtung der Parysatis auszureden / und daher sich dardurch zu vertheidigen suchte: daß sie wegen Ehbruchs seine Liebe und ihr Leben verlohren hätte; bildete ihm der sich schuldig-wissende Rhascuporis ein: Rhymetalces hätte seine mit der Parysatis gepflogene Buhlschaft ergründet /und würde ihn als den Ehbrecher angeben. Hierüber gerieth er in die euserste Bestürtzung; ließ auch den Rhymetalces mit Gewalt aus dem Tempel ziehen /und in ein einsames Zimmer einsperren; ungeachtet der König sich auf die Unversehrligkeit seiner Königlichen Hoheit und des Tempels bezohe / welcher grössere Freyheiten als der Alleischen Minerva Tempel im Peloponesus / und das Heiligthum der Phliasischen Hebe hätte / darinnen doch Vater- und Mutter-Mörder unversehrt blieben wären. Wie nun Ada sich das Blat derogestalt wenden sah / sie auch Rhymetalcens schon überdrüßig worden war / hielt sie es nunmehr auch für rathsam mit des Königes Glücke ihre Liebe zu verändern. Sie kam daher zum Rhascuporis aufs üppigste angeputzt / redete ihn dieses Inhalts an: Es ist nunmehr Zeit Rhascuporis deine Liebe unschuldig / und deinen Stand grösser zu machen. Du hast Ursache deine Ada wieder ins Bette zu nehmen / welche dich niemals aus ihrem Hertzen gelassen / ja sich übers Jahr aller Wollust enteusert hat /nur daß du genung mit der Parysatis deine Lust büssen möchtest. Meine übermäßige Liebe hat mir die Bitterkeiten der Eyversucht versüßet / aber auch deinem Irrthum abgeholffen / welcher deiner Gemahlin[113] Anmuth für unschmackbares Wasser / der Parysatis Geilheit aber für Hi el-Brod und Nectar einlobte. Du selbst hast dich überzeuget / als du die letzte Nacht mich statt der eingebildeten aber schon todten Parysatis umbarmetest / und mir gestandest: sie hätte dich niemals vergnügter aus ihren Armen gelassen. Würdige desthalben nun auch wieder im Wercke dieselbe deiner Liebe / die du unwissende für würdig erkläret hast / und geneuß meiner reinen Flammen / welche wie die der Parysatis / dich mit keinem Rauche eines Lasters schwärtzen / an welcher der Himmel seine Rache ausgeübt hat / umb mich glückseelig / dich aber unschuldig und grösser zu machen. Rhascuporis fiel seiner scheinheiligen Ada umb den Hals / küssete und benetzte sie mit vielen Thränen / bath sie demüthigst umb Verzeihung seines Verbrechens / und gelobte sie hinfort als seine eigene Sonne zu lieben und zu verehren. Ada ward hierüber hertzlich erfreuet /und fuhr fort: Meine Gedult hat meine Treue zwar hoffentlich genung bewehret; ich wil sie aber noch mit Eröfnung eines wichtigen Geheimnüsses besiegeln. Rhymetalces hat mir selbst Anlaß gegeben / und ich wil dir im Garten den mit Blut bespritzten Ort zeigen / wo er die aus deinem Bette zurück kommende Parysatis eigenhändig ermordet hat; weil ihm ihre mit dir gepflogene Liebe verrathen worden. Auf eben selbiger Stelle schwur er dir den Tod / und mir die Ehe / da ich durch dis mir zugestellte Gifft an dir seine und meine Schande rächen wolte. Ich erstaunete für so grausamen Anmuthen; und verdammete in meinem Hertzen eine Krone / meine dir geschworne Treue aber hindan zu setzen. Weil aber Rhymetalcens Gemüthe unversöhnlich / sein Gelübde unwiderruflich war / zwang mich die Liebe den Todes-Befehl zum Scheine zu übernehmen / nur / daß er dir nicht durch andere Werckzeuge das Licht ausleschen liesse. Ich habe mich nun drey Tage gequälet: ob ich durch Offenbarung so grausamen Schlusses zwey Brüder zu Tod-Feinden machen solte. Nach dem ich aber kein ander Mittel zu deiner Sicherheit aufzufinden gewüst / muß ich nur entdecken / was ich ohne Meineyd und ohne Beförderung deines und meines Untergangs nicht verschweigen kan. Hier ist das Gifft / das ich aus seiner Hand mit Schrecken annehmen müssen. Urtheile /wohin es zu verbrauchen ist? und was dich gegenwärtiger Zustand vortheilhafftig entschlüßen heist. Der aufs neue bezauberte Rhascuporis erinnerte sich nicht: daß die Waffen der Weiber Arglist / ihre Siege Betrügereyen wären; nam also alles für ungezweifelte Warheit auf; und weil seine dem Rhymetalces durch Schändung seiner Gemahlin angefügte Beleidigung sein Gemüthe schon von Brüderlicher Liebe abwendig gemacht hatte / gab seine nunmehr angezündete Rachgier so viel leichter diesen Ausschlag: daß Rhymetalces durch sein eigenes Gifft sterben / und das Rache verlangende Volck damit versöhnet werden solte. Ada zohe hierüber die Achseln ein / mit Vermelden: Sie wünschte wol ein linderes Mittel sich außer Gefahr zu setzen; aber Rhymetalces hätte das Band der Brüderlichen Liebe schon selbst zerrissen. Das Recht der Natur und Völcker billigte einem jeden auzuthun / was er vor einem andern besti t hätte. Ihnen und Thracien wäre nun nicht anders als mit Rhymetalcens Tode zu rathen. In einem solchen Absehen hätte der tapfere Timoleon ihm kein Gewissen gemacht / seines herrschsüchtigen Bruders Tod durch seine Rathschläge zu befördern. Die tugendhaffte Aretophile zu Tyrene hätte es für einen herrlichen Sieg geachtet / als sie Leandern zu Hinrichtung seines Bruders Nicarates ihres eigenen Ehmannes beredet. Diesemnach hätte sie kein Bedencken sein Urthel an Rhymetalcen selbst zu vollziehen. Wormit sich Ada aber zu einem rechten Sinnbilde der Untreue machte /[114] verfügte sie sich selbst zum Rhymetalces / welcher aus besorgtem Gifte anderthalb Tage keine Speise zu sich nehmen wolte / verfluchte die gegen ihn verübte Unbarmhertzigkeit seines Bruders / vertröstete ihn ihm aus dem Gefängnüsse und den Händen des rasenden Volckes zu helffen; und versicherte ihn: daß er sich in den Speisen / welche sie selbst mit genüssen wolte /keines Argen zu besorgen hätte. Sie hatte aber wie Parysatis des Xerxes Tochter des Darius Gemahlin zu Hinrichtung der ihrem Sohne vermählten Stagira / die eine Seite ihres Messers vergiften lassen / mit welchem sie die aufgetragenen Vögel und Früchte zertheilte / und die vergiftete Helffte dem Könige vorlegte; durch solche Zertheil- und Mitspeisung aber so viel leichter ihn seinen Tod zu essen verleitete. Nach dem sie ihm nun genung zum sterben eingegeben zu haben vermeinte / ließ sie Rhymetalcen nebst einem Gefärthen / der ihn auf den Hebrus nach Zernis in Sicherheit bringen solte / über die Zinnen des Tempels in einen Nachen; welcher aber unferne davon von des aufrührischen Volckes auf solche Aufsicht mit Fleiß bestellter Wache angehalten / und der erkennte König von dem rasenden Pöfel erschlagen ward / ehe er noch aus Würckung des Giftes erfuhr: daß sich Ada aus einer Buhlschafft in eine vergiftende Schlange velwandelt hätte. Dieser Tod kam nicht so geschwinde der Ada zu Ohren / als sie ihren Gemahl erinnerte; es wäre nunmehro Zeit nebst der Insel Kron und Zepter zu umbfassen / ohne welche alle Würde Stückwerck /alles Glücke Eitelkeit wäre. Gemeine Leute könten alle Tage / Fürsten aber nur bey grossen Veränderungen sich mit ihrer Fähigkeit sehen lassen. In keines Fürsten Macht stünde es zwar / alles thun; aber gar nichts wichtiges ausrichten / wäre eines Fürsten ärgster Schandfleck. Der todte Rhymetalces hätte seinem Sohne Cotys selbst dardurch das Erbrecht zum Thracischen Reiche abgesprochen / da er seine Mutter Parysatis als eine Ehbrecherin getödtet hätte. Daher wäre Rhascuporis nicht nur berechtiget sich für den König ausruffen zu lassen / sondern auch den jungen Cotys als ein Opfer der gemeinen Ruh abzuschlachten. Ob nun zwar Rhascuporis hierüber anstand / und den Fürsten Cotys als ein Huren-Kind zu verstossen hunderterley Bedencken hatte; so wuste doch Ada ihrer Herrschsucht / und Einrathung unter dem Scheine des uhralten Thracischen Erbrechtes eine schöne Farbe einzustreichen; als welches eben so wol als in Numidien und Arabien des verstorbenen Königs Bruder für seinen jüngern Söhnen zum Reichs-Erben angenommen hätte; weil einem Reiche vorzustehen kein Werck der schlipfrigen Jugend / sondern des erfahrnen Alters wäre. Hiermit gewaan Ada nicht nur das Gemüthe des seinem eigenen Aufnehmen leicht beyfallenden Rhascuporis / sondern sie spielte es auch durch Bestechung der Grossen / und durch Bethörung des Volckes / welches nach seinem Augenmaaße nicht mit dem Verstande urtheilt / und daher jede Scheinbarkeit sich blenden läßt / dahin: daß Rhascuporis zu Oresta für den König in Thracien ausgeruffen ward. Ich / sagte Fürst Rhemetalces / kam eben selbigen Tag aus dem Pannonischen Kriege / da ich den Römern zum besten fünf-tausend Thracier geführt hatte /nach Oresta; jedoch bekümmerte mich meines Vaters Rhascuporis Königliche Würde / und die Thracische Veränderung mehr / als die Ehrsucht mich darüber zu erfreuen verleiten konte. Denn ich hatte in Pannonien mit dem Fürsten Cotys eine grössere Freundschafft gemacht / als so nahe Bluts-Freundschafft auch unter gemeinen Leuten stifften / oder die Begierde zu herrschen sonst unter Fürsten vertragen kan. Uberdis kam mir das übermäßige Glücke so verdächtig für / als meiner lasterhafften Stiefmutter Liebkosungen / damit sie nichts minder[115] mich / als das Volck zu bethören trachtete / und meinen Vater Rhascuporis aufs neue gantz bezaubert hatte. Diese Ursachen bewegten mich meinen Vater mit Bescheidenheit die Gefahr seiner gefaßten Entschlüßung für Augen zu stellen; weil doch die letztere Art der Thracischen Reichsfolge für den Fürsten Cotys / das veränderliche Volck aber selten auf seiner ersten Wahl feste / ja es nicht in der einigen Stadt Oresta / sondern in des gantzen Reichs Erklärung bestünde / wer zur Herrschafft das beste Recht hätte. Cotys wäre ein Herr von grossen Tugenden / und grösserer Hoffnung. Die mächtigen Römer würden ihm mit Hülffe nicht entfallen sein Väterlich Reich zu behaupten / derer Freundschafft er durch seine Tapferkeit im Pannonischen Kriege nichts minder verdient / als erworben hätte. Diesemnach könte Rhascuporis nichts großmüthigers noch sicherers entschlüßen / als wenn er dem in Pannonien abwesenden Fürsten Cotys die Helffte des mehrmals getheilt-gewesten Thraciens antrüge / welches auch nach seiner Zerspaltung den meisten benachbarten Königreichen überlegen seyn / und den edlen Cotys ihm aufs höchste verknüpfen würde. Mittelmäßige Reiche wären ins gemein tauerhaffter / als allzu grosse. Jene würden durch gewohnte Wachsamkeit ihrer das wenige zu bestreiten mächtiger Fürsten erhalten; diese durch Sicherheit ihrer Häupter / durch den Neid ihrer Nachbarn / durch die Uppigkeit ihrer Einwohner zu Grunde gerichtet. Die Römer würden das zertheilte Thracien nicht mehr mit so schälen Augen / als Zeither das vereinbarte anschauen; ja der Himmel selbst ein geneigterer Beschirmer eines gerechten / als eines gewaltigen Reiches / seyn. Durch diese Einredung brachte ich meinen Vater so weit: daß er meine Meinung billigte / und zu vollstrecken im Werck begriffen war. Aber die unersättliche Ada warf auf einmal alles über einen Hauffen / indem sie für eine Thorheit eines furchtsamen Hertzens schalt; wenn es sich mit einem halben Reiche vergnügte / das es gantz besitzen könte. Kreiße und Cronen hätten nur einen Mittelpunct. Der Himmel vertrüge nur eine Sonne / Thracien nur einen König; und ein zweyköpfichtes Reich wäre eine so ungeschickte Mißgeburt / als ein so viel-köpfichter Mensch. Fürsten wären dieses Nahmens nicht werth / welche ihr Gebiethe zu vermindern ihnen träumen liessen / nicht aber ihre Gewalt zu vergrössern alle euserste Kräfften angewehreten. Denn ein nicht mehr steigendes Reich sincke wie ein empor geschossener Pfeil augenblicks zu Bodem; und die Römische Herrschsucht / welcher der noch vereinbarte Thracische Reichs-Apfel zu verschlingen zu groß gewest / würde alsofort seine Stücke ohne weniger Müh / als König Philipp verdrückt haben / als Thracien zwischen dem Cersobleptes / Berisades und Amadocus wäre zertheilt worden. Des Rhascuporis Ahnen hätten durch ihre Klugheit und Tugend die Thracier unter einen Hut gebracht; also solte er durch ihre Zergliederung sich nicht unwürdig machen ihr Enckel /der Thracier König / und der behertzten Ada Ehmann zu seyn. Auf diese Art verleitete Ada nicht alleine meinen Vater / sondern sie faßte auch gegen mir wegen meines widrigen Einrathens eine mehr als Stiefmütterliche Todfeindschafft; wiewol sie selbte mit mehr als Mütterlichen Gebehrdungen verhüllete. Rhascuporis nam die allerheftigsten Entschlüßungen wider die ihn nicht anbetenden Thracier für / verbannte den Cotys als einen durch Ehbruch unwürdig-eingepfropfften Zweig in den Königlichen Sta -Baum. Mit einem Worte: die Ehrsucht und Grausamkeit der Ada brachte nichts so schlimmes auf die Bahn / was Rhascuporis nicht billigte; ich und andere aber riethen nichts so gutes / was nicht beyde verwarffen;[116] entweder weil eines geilen Weibes Worte / wie der Nil-Fall die benachbarten Mohren derogestalt betäuben / daß sie nichts bessers hören können; oder weil ihm Rhascuporis nicht die Gedult nahm das Quell-Wasser guter Rathschläge aus dem tieffen Brunnen der Wahrheit herauf zu schöpfen / sondern sich den aus dem Munde der falschen Ada über das Wehr der heftigsten Begierden abschüssenden Strom /wohin sie wolten / fortreissen ließ. Wiewohl es ein gemeiner Fehler auch uneingenommener Fürsten ist /kühne und ruhmsichtige Fürschläge nützlichen vorzuziehen. Denn Rathschläge haben einerley Verhängnüß mit den Gesichtern: daß die schönen allein gefallen. Rhascuporis fussete auch so viel mehr auf der Ada Vorschläge / weil die Agrianes / Agathyrsen / ja fast alle Odrysische Landschafften ihn mit Frolocken für ihren König ausrufften; nicht so wohl: daß sie ihn für dem Cotys liebten / als weil das Volck nach Art der schwärmenden Bienen auf ieder Hecke / die ihnen zum ersten fürko t / ihren Sitz und Beruhigung sucht. Unterdessen kochte Ada wider mich unter dem freundlichsten Anblicke eitel Gift und Galle / theils weil sie sich durch meine Redligkeit beleidigt zu seyn glaubte; theils weil sie ihren mit dem Rhascuporis gezeugten Sohn Taxiles schon zum Erben eines Reichs bestimmete / dessen sie selbst noch nicht mächtig war. Ich hatte bey meinen neunzehn Jahren gleichwohl gelernet der Stiefmütter Liebe verdächtig zu halten / und die Verwarnigung Hegesipylens einer in der Königin Frauenzimmer sich befindendẽ edlen Thracierin erhielt mich an einem Abende am Leben / weil sie mir bey einem Tantze nur diß ins Ohr sagte: Wie schade ist es für einen solchen Fürsten / daß er in seinem Hertzen nicht so viel Argwohn / als Tugend hat! Wie jammert es mich: daß er heute mit einer Comagenischen Dirne sich zu Tode tantzen soll. Als ich mich kaum Hegesipylens entledigt hatte / kam die Königin mit ihrer gewohnten Liebkosung; und lobte mir eine ihrer Comagenischen Jungfrauẽ als ein Meisterstücke der Natur / und als ein Kleinod / welches sie alleine für mich verschrieben / und zu meiner Vergnügung biß auf selbige Nacht aufgehoben hätte. Der mir von Hegesipylen ins Ohr gesetzte Floh erinnerte mich: daß man bey so süssen Lockliedern den gefährlichen Schiff-Bruchs-Klippen am nechsten sey / und den zermalmenden Blitz über der Scheitel habe / wenn falsche Hertzen so schön Wetter machen. Diesemnach vergalt ich zwar meiner Stiefmutter Freundligkeit mit grosser Ehrerbietung; ich stellte mich aber bald darauf kranck / und zohe mich in mein Zimmer zurücke. Früh / als ich in Tempel gieng / drückte mir ein fremder Knabe einen Zettel in die Hand / und gab mir mit selbtem die Nachricht: daß die neue Comagenerin von giftigen Speisen von langer Zeit durchwürcket / und mit ihrem Atheme / ja mit der Wärmbde ihrer Hand andere zu tödten mächtig wäre. Ich erschrack über so grausamen Erfindungen / und weil ich weder meines Lebens sicher war / noch meines Vaters Befehl nach /wider den zu Philippopolis angekommenen Fürsten Cotys ins Feld zu ziehen Lust hatte / ward ich schlüssig von Oresta weg / und nach Athen zu ziehen / umb dem über Thracien aufziehenden Ungewitter auszuweichen. Meinen Schluß zu beschleunigen nöthigte mich eine neue und abscheuliche Anfechtung der Stiefmutter / welche mir eben das grausame Laster /was Phödra dem Hippolytus zuzumuthen sich nicht entröthete. Ich erstaunete hierüber anfangs als ein Stein; weil ich aber für eine halbe Genehmhab- und Anleitung zu mehren Versuchungen hielt / über einer so schändlichen Versuchung keine Empfindligkeit zeigen / schlug ich auf das Heft meines Degens / und sagte der Ada unter Augen: Diß kalte Eisen solte ihre Brunst kühlen / wenn sie mich mehr auf solche Art zu versuchen sich gelüsten lassen würde. Die schlaue Ada lachte[117] hierzu / und machte von meiner Tugend grosse Lob-Sprüche; weil ich auch einen wider die Erbarkeit lauffenden Schertz / dardurch sie mein Gemüthe hätte prüfen wollen / nicht vertragen könte. Weil ich aber so wohl das scheinheilige als rachgierige Hertze meiner Stiefmutter allzu wohl kennte /machte ich mich noch selbigen Abend / aber zu meinem Unglücke aus der Stadt. Denn den Morgen darauf lieff ein Brieff an mich vom Fürsten Cotys von Philippopolis ein; darinnen er mich meiner alten Freundschafft / und seines zu der Thracischen Krone habenden Erb-Rechtes beweglich erinnerte / der von den Römern ihm versprochenen Hülffe sein Reich zu erobern versicherte / die daraus Thracien auf den Hals wachsende Dienstbarkeit für Augen stellte / und mich bey allen Thracischen Göttern beschwur: daß ich meinen Vater von seinem Beginnen ableiten / hierfür aber das zwischen dem Berge Hämus / Gamaides / dem Fluß Agrianes und dem Euxinischen Meere liegendes Thracien versprechen / für mich aber die Landschaften Sardica und Usdicesica haben solte. Weil ich nicht zu finden war / und bey Hofe alles durch der Ada Hände gehen muste / ehe es an den König kam /gerieth dieser Brief auch zur Ada. Das Königliche Thracische Siegel war ihr Argwohns genung selbtem zu öffnen / und der Innhalt ein erfreuliches Wesen /woraus diese Spinne mich zu tödten Gifft saugen konte. Sie verdrückte diesen Brief / biß sie vorher meiner Entweichung gewiß war / und durch ihre Werckzeuge dem Rhascuporis gegen mich allerhand Verdacht hatte einpregen lassen / worzu ihnen meine von Kind auf mit dem Fürsten Cotys gepflogene Verträuligkeit / und die Widerrathung seiner gäntzlichen Verstossung genungsamen Zunder darreichte. Hierauf zoh Ada allererst des Cotys Brief herfür / woraus alle Räthe / welche Ada an ihrem Seile führte / mir ein mit dem Cotys gemachtes geheimes Bündnüß aufdrangen / meine Entfernung aber für eine Flucht zum Cotys auslegten / also meinen Vater bewegten: daß er nicht nur alle Heimligkeiten meines Zimmers durchsuchen /sondern auch meine hinterlassene Bediente in Kercker werffen / peinlich über mein Vorhaben befragen / mir aber auf allen Strassen nachsetzen / ja denen / welche mich zu nöthiger Hafft anzeigen würden / zehn Taleut zur Vergeltung durch offentliche Herolden versprechen ließ. Olorus ein Odrysischer Ritter / welchem ich alleine meine Abreise vertraut hatte / kriegte davon bey Hofe zeitlich Wind / kam mir nach / und ereilte mich bey der Stadt Zernis mit der Verwarnigung keinen Augenblick mich aufzuhalten / biß ich in das Römische Gebiete des Chersonesus entkommen wäre. Ob ich nun zwar selbst bey meiner Bestrickung keine andere Rechnung als des Todes zu machen hatte / so ward ich doch schlüssig zurück nach Oresta zu kehren / um lieber zu sterbẽ / als durch meine Flucht mich einer Verrätherey gegen meinen Vater verdächtig zu machen. Olorus widerrieth es mir aufs äuserste und mit Thränẽ / weil Ada ohn mein Blut unversöhnlich /mein Untergang ihr so vorträglich wäre / und ich mich bescheiden könte: daß eines verbitterten Vaters Haß sich so viel mehr vergrösserte / als sein Blut näher käme. Denn ie mehr eine Gemüths-Bewegung unnatürlich wäre / ie heftiger rasete sie. Frembde Feindschafft wäre ein-der Brüder zweyfach; der Eltern aber hätte so wenig / als ihre Liebe / einen Maaß-Stab. Die Zeit / und meine fürgesetzte Lebens-Art zu Athen würde mich von allen Beschmutzungen der Lästerer weiß brennen; und da es mit des Rhascuporis Beginnen einen besorglich übeln Ausschlag gewinnen solte / mir des Cotys Gewogenheit meines Vaters Güter und Würden unversehrt behalten. Dessen ungeachtet blieb ich aus einer gewissen Hartnäckigkeit / oder aus einem besondern Triebe des Verhängnüsses auf meinem Kopfe / spielte mich auch[118] mit dem Olorus durch das Agathyrsische Gebiete so verborgen in Oresta an: daß meiner kein Mensch gewahr ward / als biß ich in das Königliche Schloß einritt; und meinem auf der Rennebahn befindlichen Vater unerschrockẽ unter Augen trat. Alle Anwesenden erschracken für mir; zweifels-frey / weil ieder zu meinem Verterben einen Stein getragen hatte; am meisten aber der König /welcher mich alsofort / woher ich käme / und was ich verlangte / rechtfertigte. Ich antwortete / iedoch mit kindlicher Demut und Ehrerbietung: Ich stellte mich eigenbeweglich ein / umb den auf mich gesetzten Preiß der 10. Talent selbst zu verdienen / und über die Verläumder / welche mich einer Verrätherey beschuldigt hätten / Rache zu fordern. Rhascuporis stutzte hierüber / und befahl: daß ich ihm auf dem Fusse in sein Zimmer folgen solte. Daselbst forschte er von mir: Was ich für heimliche Briefwechselung mit dem feindlichen Cotys unterhielte? Aus was Absehn ich mich ohne sein Erlaubniß des Hofes entbrochen / und wohin ich mein Absehen gerichtet hätte? Ich entschuldigte das letztere so gut ich konte / weil ich die mir geschehene Nachstellung / ohne die treue Hegesipyla in Gefahr zu stürtzen nicht erweisen konte. Das erstere verneinte ich schlechter Dinges; als mir aber mein Vater des Cotys Brief fürhielt / betheuerte ich: daß ich von selbtem nichts wüste; es auch in meiner Gewalt nicht gestanden hätte dem Cotys sein schreiben zu verwehren / welches zwar einige bedenckliche Anmuthungen in sich begriffe / aber weder von einem mir zuschreiblichen Anlasse / noch von meiner Genehmhabung einig Wort in sich hielte. Mit einem Worte: Ich vertheidigte meine Unschuld derogestalt; daß dem Rhascuporis dadurch der Dorn seines Verdachtes aus dem Fusse gezogen zu seyn schien / und er mir allein befahl / bey Verlust meines Halses aus Oresta nicht zu weichen. Die diß bald erfahrende Ada wolte über dieser unvermutheten Gelindigkeit meines Vaters für Ungeduld von Sinnen kommen; und weil sie ihren Anschlag gegen mich zu Wasser werden sah / ward ihre Verbitterung gegen mich so viel feuriger. Sintemal der Haß ohne diß die Eigenschafft des Weines in sich hat: ie älter / ie stärcker. Weil sie aber das vergällte Hertze des Rhascuporis so geschwinde seine natürliche Eigenschaft wieder bekommen sah / getraute sie nicht ohne neue Beschuldigungs-Gründe ihn aufs neue gegen mich zu verhetzen; sondern verbarg vielmehr gegen ihm ihren Groll mit einer äuserlichen Freude: daß ich allen Verdacht so vernünftig abzulehnen gewüst hätte; bat auch selbst mir nach Belieben aus Oresta zu reisen die völlige Freyheit aus. Unterdessen schmiedete sie unter meinem Nahmen eine Antwort auf des Cotys Brief / des Innhalts: Ich wäre schon auf dem Wege gewest / über das Egeische Meer in Macedonien / von dar mich zum Cotys zu verfügẽ /und ihm allerhand heilsame Anschläge zu Eroberung seines väterlichen Reiches zu geben; von welchem ich ohne diß kein Theil / sondern alles mein von der Ada geborner Hab-Bruder Taxiles zu erwarten hätte. Weil aber inzwischen des Cotys Brief aufgefangen / und er umb der Bestrickung zu entkommen / nach Oresta wieder zu kehren genöthigt worden wäre / darinnen als ein halber Gefangener gehalten würde / und als ein Verdächtiger wenig zu seinem Vortheil thun / weniger meinen Vater zum verlangten Vergleiche bewegen könte; dörffte er seiner gerechten Sache mehr kein Bedencken tragen sich der Römischen Macht zu bedienen. Mein Rath wäre / Cotys solte das Feuer in der Asche suchen / und in der Haupt-Stadt Oresta die Urheberin alles Ubels Ada erdrücken; welche den Rhascuporis zu so ehrsüchtigen Entschlüssungen verleitet hätte. Wenn er diesem das Leben mit dem Priester-Ampte zu lassen / mir aber das meinem Vater angebothene Theil von Thracien abzutreten verspräche /wolte ich unterdeß selbst nicht alleine die verfluchte[119] Ada den höllischen Göttern aufzuopfern / sondern auch so denn dem Cotys die Pforten der Haupt-Stadt durch Hülffe seiner vertrauten Freunde zu öffnen bemüht seyn. Diesen ihren eigenen Aufsatz ließ Ada einen ihrer geheimen Schreiber / der alle Hände nachmahlen konte / abschreiben / und schickte selbten durch einen wohl abgerichteten Griechen dem Cotys /welchem dieser schlaue Bothe noch ein und ander scheinbares mündlich beyzusetzen / und vom Cotys folgende Antwort an mich auszulocken wuste: Es hätte Sylvanus der Römische Feldhauptmann nach überwundenen Breuzen / und dem aus Pannonien verjagten Bato / mit der gantzen Römischen Macht ihm beyzuspringen angebothen / die Hoffnung aber / es würde sich Rhascuporis durch mich zum Vergleiche bewegen lassen / hätte ihn fremde Hülffe ins Hertze Thraciens zu führen noch zurücke gehalten. Nachdem er aber von mir des Rhascuporis Hartnäckigkeit / der Ada Verhetzung / und noch täglich wachsende Herrschsucht vernähme / würde er genöthigt / wie schwer er daran käme / alle äuserste Mittel zu brauchen / die unter dem Berge Skodrus fertig stehende Römer zu beruffen / und seinem Rathe nach gerade für Oresta zu rücken. Könte ich unterdessen der schlauen Ada vom Brodte helffen / würde ich beyder Glücke auf viel festern Fuß setzen; wiewol diese Unholdin für der gantzen Welt ein Schauspiel grausamer Rache fürzustellen verdiente. Ich solte inzwischen mein wohl wahrnehmen / in Oresta mir ein Ansehen zu machen bemüht / und nach seinem Obsiege wegen des über dem Flusse Agrianes gelegenen Thraciens versichert seyn. Inzwischen bestellte sie bey der Uberfahrt des Flusses Pontus zwey Odrysen / welche sich bey seiner Rückkehr zu diesem Griechen gesellten /ihn erschlugen / und den ihm abgenommenen Brief des Cotys dem Rhascuporis als eine wichtige dem Feinde abgeschlagene Beute überbrachten. Rhascuporis ward über dem Innhalte äuserst bestürtzt / zeigte ihn alsofort seiner Gemahlin / und wolte mich Augenblicks in Hafft nehmen lassen. Die schlaue Ada aber /die durch diß Netze mich noch nicht genung zu überweisen getraute / machte hierwider allerhand Schwerigkeit; insonderheit ob diß auch eigentlich des Cotys /oder ein untergesteckter Brief; oder vielmehr gar des arglistigen Cotys Erfindung wäre / zwischen Vater und Sohn Zwytracht zu stiften / und mir dem gemeinen Wesen zu Schaden ein Bein unterzuschlagen. Daher solte er sich nichts mercken lassen / sondern die Wahrheit oder Falschheit der Verrätherey nach und nach daraus erkiesen: Ob Cotys des Sylvanus Völcker an sich / und gegen Oresta ziehen / ich aber was wider die Ada anspinnen würde / darauf sie ein genaues Auge haben wolte. Inzwischen ward dieser Brief gegen des Cotys ersten / und andere seine Handschrifften gehalten / und so wohl Siegel als Schrifft für richtig erkennet. Nach wenigen Wochen kam die Nachricht ein: daß Sylvanus mit seinem Pannonischen Heere aus Dardanien über das Hämische Gebürge gesetzt hätte / und an dem Flusse Suemus herab käme. Drey Tage darnach ließ der Landvogt zu Bessapara den Rhascuporis wissen: daß das Römische Heer gerade gegen selbige Stadt / Cotys aber mit seinem Kriegsvolcke an der rechten Seite des Hebrus herab züge; also jenes vermuthlich auf Bessapara / dieses auf Brisica angesehen wäre. Aber fünf Tage darauf brachten alle Posten: Die Feinde liessen alle Städte auf der Seite liegen / und giengen gerade auff die Haupt-Stadt loß. Wordurch des Cotys Brief wahr gemacht / Rhascuporis / dessen Heer bey Cille ein Lager geschlagen hatte / solches über Hals und Köpf theils an den Fluß Pontus / theils an Strom Artiscus zu rücken befehlichte / mich aber als einen der Verrätherey genungsam überwiesenen ins Gefängnüß werffen /und meine Zimmer aufs neue genau untersuchen[120] zu lassen / mit der Ada schlüssig ward. Zu allem Unglücke kam ich zu meinem Vater / und both mich an in seinem Heere wider seine Feinde / als ein gemeiner Kriegs-Knecht zu dienen / wenn er mir was höhers zu vertrauen Bedencken trüge. Denn ich könte ohne Schande die Hände nicht in die Schoß legen / wenn es umb des Vaters Krone / und Thraciens Freyheit zu thun wäre. Denn ob er zwar nicht leugnete: daß er des Cotys Freund gewest wäre / so müste ich doch das Band der Freundschafft mit ihm zerbrechen; nachdem er Thracien so muthwillig den Römern in die Hände spielte / und lieber ihr Sclave als seines Vetters Freund seyn wolte. Rhascuporis nahm diesen Vortrag für nichts bessers / als für eine Ausübung meiner mit dem Cotys abgeredeten Verrätherey auf / gab mir also einen grausamen Blick / und fuhr mich mit diesen schrecklichen Worten an: Verräther! wagst du dich noch deinem Vater unter Augen zu treten / dessen Untergang du sorgfältiger / als keiner seiner Tod-Feinde sucht! Ich verstu te für Schrecken; er aber gab ein Zeichen: daß ein Hauptmann von der Galatischen Leibwache ins Gemach trat / und den Degen von mir zu geben befahl. Wie schmertzhaft mir es fiel / mir auch der erste Eifer selbten zu zücken rieth / widerlegte doch mein ferneres Nachdencken diese unnütze Ubereilung / weil ich durch solche Widersetzligkeit nur meine Unschuld zu verdächtigen schien. Daher legte ich den Degen zu meines Vaters Füssen / kniete nieder / und öffnete die Brust mit den Worten: Nicht nur den Degen / welchen ich für meines Vaters Wolfarth und Thraciens Freyheit gewiedmet habe / sondern auch diß Hertze liefere ich dir / Rhascuporis. Oeffne es mit dieser Klinge; so wirst du darinnen nichts als Liebe meines Vaters / und meiner Mutter /nemlich des Vaterlandes; ja in meinem gantzen Leibe keine falsche Ader finden. Rhascuporis warff für Ungeduld mir des Cotys Brief für die Füsse und fing an: Unverschämter! magst du so Sonnen-klare Zeugnüsse widersprechen? Ich überlaß den Brief nicht ohne höchste Verwirrung und fing an: Cotys hat entweder diß gar nicht / oder als ein Unwahrhafter geschrieben / oder ist durch einen auf meinen Schlag gemachten Brief fälschlich verleitet worden. Er ist dein Feind /also vermuthlich auch deiner Söhne / und daher wider mich kein tüchtiger Zeuge. Das Recht wird es geben /antwortete Rhascuporis; und befahl mich in einem Gefängnüsse aufs schärffste zu verwachen. Unterdessen hatte man meine Zimmer erbrochen; und ließ Ada alle Schrifften und Kleinigkeiten aufs genaueste untersuchen. Weil nun etliche meiner Knechte Aertzte waren / welche mir für dem von meiner Stiefmutter besorgten Gifte zu verwahren nach des Königs Mithridates Erfindung ein bewährtes Gegen-Gift bereiteten; fand man in ihren Werckstätten eine ziemliche Anzahl theils eingesperrter Nattern und Schlangen; theils ihres zum jähren eingelegten Fleisches. So bald Ada diß erfuhr / überredete sie den Rhascuporis: daß ich diese giftige Waare zu nichts anderm / als ihm und ihr zu vergeben im Vorrathe gehalten hätte. Alle meine Knechte wurden desthalben in die garstigsten Kercker angepflöckt / und zu was Ende sie Gift bereitet hätten / aufs schärffste befragt. Ob sie nun zwar einstimmig aussagten: daß sie daraus Artzney / kein Gift bereitet hätten / ja keines bereiten könten; weil die Nattern weder in Zähnen / noch in dem Schwantze / noch in der Galle / sondern nur in zweyen die Zähne bedeckenden / und bey ihrem Bisse sich öffnenden Bläslein ein gelbes Gift beherbergten / wormit man aber niemandẽ vergebẽ könte / sondern weil es nur in offenen Wundẽ bey Vermischung mit dem Blute vergiftete / in grosser Menge ohne Schaden in Leib verbraucht / ja der von Nattern gestochener Thiere Fleisch / so wol als ihr eigenes sicher verspeiset / der Wein / darinnẽ die Nattern[121] ersäufft / getruncken / und ihr Gift aus den Wunden von iedermann so wohl als von den Psyllen ausgesogen werden könte: so ward doch ihr wahrhaffter Bericht als eine unglaubliche Falschheit verworffen / und etliche biß auf den Tod gepeinigt / weil sie wider mich nichts verfängliches bekennen wolten oder konten. Dessen ungeachtet wagte sich kein Mensch der Ada zu widersprechen: daß ich nicht ein Gifft-Kocher wäre. Die noch übrigen kaum athmenden Knechte wurden zu einer neuen Quaal aufgehoben und erquicket. Des Cotys Schreiben ward im peinlichen Hals-Gerichte überlegt / und die meisten Richter von der Ada bestochen oder durch Dräuen gezwungen mich des Halses verlustig zu erkennen. Es war Ort und Zeit schon besti t mich auf einer Schaubühne als einen Verräther abzuthun: als einer meiner Knechte / welchen ich viel tausend Edlen in der Welt vorzuziehen habe / durch eine nachdenckliche Erfindung die Vollziehung meines Todes-Urtheils hemmete. Denn als er noch einmal über der Gifft-Bereitung in die scharffe Frage gezogen ward /bekennte er: es wäre wahr: daß ich der Ada von einem Meer-Hafen Gifft beybracht hätte. Dieses aber hätte weder er noch andere Knechte bereitet / sondern Cotys mir zugeschickt. Diß aber hätte diese seltzame Eigenschafft: daß es dem / der es empfangen / nicht ehe schadete / als biß der Meer-Hase getödtet würde. Weil nun es der Königin noch nichts geschadet hätte /müste Cotys diesen Fisch noch unversehrt aufhalten. Uber dieser Aussage hielt der Knecht drey grausame Züge / und das Brennen mit Schwefel beständig aus /verursachte also: daß Ada in Beysorge / es würde Cotys nach meiner vernommenen Hinrichtung den Meer-Hasen / und hiermit auch sie alsobald tödten /nunmehr meinen so eivrig verlangten Tod wider Willen hinterziehen mußte; und derogestalt der Eiver ihrer in ihrem Hertzen kochenden Rache mich eben so wenig / als der siedende Traan von den Wallfischen die darein gesteckten Hände zu verbrennen Gewalt hatte. Unterdessen gieng schier keine Stunde vorbey: daß nicht Rhascuporis und Ada mit bösen Zeitungẽ erschreckt ward. Denn die mächtigẽ Städte Brisica und Zerius schickten dem Cotys die Schlüssel viel Meilen entgegen; die gantze Landschafft Rhodope zwischen den Flüssen Hebrus und Arzus liessen ihn für ihren rechtmässigen König ausruffen; und was von dar an / biß an den Fluß Strymon zwischen dem Egeischen Meere und dem Gebürge Rhodope liegt / fing gleicher gestalt an zu wancken. Die Bürgerschafft in Oresta selbst schöpfte über der wollüstigen Ada Mord-Stifftungen und meiner Gefängnüß Unwillen; also daß Rhascuporis sich nicht aus seinem Sitze zum Heere dem Feinde den Kopf zu bieten wagen durfte; ja endlich als Sylvan über den Fluß Artiscus drang /und es sich alles zum Aufstande in Oresta ansehen ließ / beyde Heere biß an diese Haupt-Stadt zurück ziehen muste. Cotys aber fiel mit seiner Reiterey in den Nachzug ein / erlegte etliche tausend / und kam so nahe: daß Ada seine Siegs-Fahnen von dem Tempel des Bacchus erkiesen konte. Sie erfuhr nunmehr: daß das Kriegs-Looß zwar von ehrsüchtigen Menschen geworffen werde / aber selten nach ihrer Einbildung / und stets nach der Maaßgebung des unerforschlichen Verhängnüsses falle. Weil nun einer sicheren Hoffart die Furcht / und der Untreue das Mißtrauen auf dem Fusse folgt; Rhascuporis auch seinen in Verwerffung meines Rathes begangenen Irrthum bereuete; gerieth Ada in höchstes Schrecken und Verwirrung. Sie schöpfte Argwohn gegen den Rhascuporis; als wenn er sie als die Uhrheberin alles Unglücks über Achsel anschauete. Ja weil ihr Gewissen ihr nichts gutes wahrsagte / ward sie gegen sich selbst falsch / gegen ihre Meynungen mißträulich / und erwehlte auch das nicht / dem sie ohne Verdacht trauen dorffte. Weil[122] Bessapara und Cille sich vollends auch ergaben / vieth sie in allen andern Festungen die treusten Befehlhaber zu verändern / wordurch entweder Heuchler aus Bret kamen / oder auch die Redlichen dem Rhascuporis und der Ada nichts gutes zuzutrauen / und also sich auf allen Fall nach einem andern Schutz-Gotte umbzusehen gleichsam gezwungen wurden. Also ist das Mißtrauen offt ein Fußeisen der Klugheit / in welches der Leger so bald tritt / als der /dem es geleget wird. Die am Flusse Taxus nahe bey Oresta gelegene Stadt Zerva gieng darmit verlohren; und die dardurch fast aller Zufuhr beraubte Haupt-Stadt ward schwierig / und zwang den Rhascuporis einen gefährlichen Streich zu wagen; weil das Volck wegen abgehender Lebens-Mittel und ihres Königs Kleinmüthigkeit schon mit dem Cotys ein heimlich Verständnüß machte. Er fiel daher umb Mitternacht das an beyden Seitẽ des Taxus geschlagene Läger des Cotys an / und schikte zugleich in möglicher Stille 30. gerüstete Schiffe dẽ Fluß Hebrus hinab / welche die Schiffbrücke anzündẽ / und darmit den Römern /welchen er zugleich an dreyen Orten blinden Lermen machte / die Gelegenheit dem Cotys zu Hülffe zu kommen abschneiden solten. Der Anfang gieng glücklich von statten; die Brücke gerieth fast ehe in Brand /als man einen Feind merckte. Rhascuporis drang mit den Odrysen über des Cotys Wall / hieb die Wache nieder; und weil die Römer ihre eigene Posten beobachten musten / gerieth des Cotys gantzes Läger in Verwirrung. Cotys selbst ward verwundet / als er sein Volck in Ordnung zu stellen bemüht war. Nachdem aber Sylvan gewahr ward: daß die gegen ihn gemachte Lermen Wolcken ohne Blitz waren / und aus der angezündeten Schiffbrücke leicht urtheilte: daß diß Ungewitter auf den Cotys allein gemüntzt war / befahl er einer Legion Römern / und der Macedonischen Reiterey auf der oberhalb Oresta gebauten Brücke und mit denen verhandenen Nachen über den Hebrus dem Cotys zu Hülffe zu eilen. Alleine die Brücke gieng von dem Gedränge / oder weil etliche erkauffte Schiffleute die Ancker-Tauen zerschnitten hatten / bald anfangs von sammen. Weil nun Rhascuporis schon im gantzen Lager den Meister spielte / war es weder möglich noch rathsam den nothleidenden Cotys mit Nachen zu entsetzen. Diesemnach machte er aus der Noth eine Tugend / fiel mit seinem gantzen Heere an unterschiedenen Orten Oresta stürmender Hand an; und weil sich niemand dessen versehen / auch wenig Mannschafft in der Stadt blieben war / eroberten die Römer das auf der lincken Seiten des Flusses Hebrus liegende Theil der Stadt / und das darinnen gelegene Königliche Schloß / darinnen ich eingekerckert war. Ada kam mit genauer Noth über die Brücke / in den festen Tempel des Bacchus; und der hiervon benachrichtigte Rhascuporis muste die Verfolgung seines Sieges mit Unwillen verlassen / umb der in Gefahr stehenden Stadt zuzulauffen. Cotys kam hierdurch aus äuserster Noth wieder zurechte / folgenden Morgen in Oresta zum Sylvan / und zu mir selbst ins Gefängnüß / umbarmte mich daselbst voller Freuden / und bezeugte darmit: daß die Veränderung unsers beyderseitigen Glückes die Aufrichtigkeit seiner Freundschaft zu verändern zwar über die meisten Menschen / aber nicht über sein Gemüthe Gewalt hätte. Also erlangte ich von meines Vaters Feinde die völlige Freyheit; Rhascuporis und Ada aber kamen mit dem andern Theile der Stadt immer mehr ins Gedrange / und ich in gröste Bekümmernüs / weil ich den Untergang meines Vaters und Vaterlandes mit geschlossenen Händen zuschauen muste / Cotys und Sylvan bemeisterten sich durch Hülffe der Bürgerschafft in einem nächtlichen Uberfalle vollends der andern Helffte der Stadt; und weil der Tempel des Bacchus[123] fast für unüberwindlich gehalten ward / brachten sie allerhand wundersame Werckzeuge herbey solchen einzuäschern. Unter andern gab sich ein Gallier mit einem stählernen vierdtehalb Schuch breiten Brenn-Spiegel an /welcher mit denen zurück-prellenden Sonnen-Strahlen funfzehn Schritte weit das grüneste Holtz im Augenblicke anzündete / in weniger Zeit Eisen und Ertzt zerschmeltzte / die härtesten Marmel wie Kalcksteine zersprengte; und / wenn man des Nachtes ein schlichtes Licht darfür setzte / an dem Orte / wohin der Widerstrahl fiel / auf zweyhundert und mehr Schritte weit alles gelesen werden konte. Mit diesem erforschten Cotys und Sylvan nicht allein alles / was des Nachtes zur Gegenwehr an der Festung für Anstalt gemacht ward / sondern sie beschlossen auch durch die gesteigerten Sonnen-Strahlen diesen alten und unschätzbaren Tempel zu zernichten. Die Noth machte mich verwegen meinen Kummer mir vom Hertzen zu weltzen / und den Cotys von diesen eusersten Entschlüssungen durch diesen Einhalt abwendig zu machen: Er hätte zwar genungsame Ursache den Rhascuporis bis auf den Tod zu verfolgen / und das Recht des Krieges rechtfertigte die grimmigsten Entschlüssungen; beraubte auch die Heiligthümer ihrer Freyheit. Aber nicht alles zuläßliche wäre löblich / noch alles euserste sicher. Die Hartneckigkeit des Rhascuporis / die Furcht der verzweifelten Ada / und der Aberglaube des den Tempel beschützenden Krieges-Volckes würde noch viel Ströme Thracischen Blutes kosten; welches die Römer Zeither gefürchtet hätten /Sylvan aber mit gröster Vergnügung durch diesen Bürger-Krieg so liederlich verschwendet sehe; und unter dem Schatten seiner Hülffs-Flügel der Römischen Adler herrschsüchtige Klauen versteckte / welche Thraciens so wenig / als anderer dienstbaren Nachbarn schonen würde. Jemehr Cotys Thracier erlegte; je weniger würden ihm zu gehorsamen / und er seinen Feinden künfftig entgegen zu setzen haben. Unsere Siege hätten die Eigenschafften der Artzneyen / welche mit den Kranckheiten auch allezeit etwas von unsern Lebens-Kräfften wegnähmen. Ja in Schlachten und Stürmen blieben die am ersten / derer Tugend sich für andern hervorzückte. Das Kriegs-Glücke veränderte sich fast mit jedem Morgen / wie Cotys bey des Rhascuporis glücklichem Ausfalle schon erfahren hätte / welchem noch das Nordliche Thracien beständig anhienge / und bey der Stadt Cabyla für ihn ein mächtiges Heer versammlete. Ein einiger Zufall wäre fähig die beste Verfassung zu verrücken / und ein Fehler einem Fürsten den Ruhm und die Frucht aller tapferer Thaten zu rauben. Kein Thracischer Fürst hätte noch an den Tempel des Bacchus Hand angeleget / von welchem nicht gantz Thracien sein Gemüthe abgewendet / er aber ihm die schwere Hand Göttlicher Rache auf den Hals gezogen hätte. Das Mittelmaaß einer mit gutem Willen behaupteter Herrschafft wäre auch beständiger / als eine erzwungene Bothmäßigkeit über die halbe Welt; Rhascuporis aber nunmehr in solchem Zustande: daß er keine ihm nachtheilige Bedingungen ausschlagen würde / nach dem ihn vorher der Sonnenschein des Glückes so verbländet hätte: daß er auch die vortheilhaften verworffen. Cotys hörte mich nicht allein mit Gedult / sondern nach einem tiefsinnigen Stillschweigen fieng er an: Rhascuporis hätte es weder umb ihn verdienet / noch auch wäre er in solcher Verfassung: daß er ihm einen Fuß-breit Erde von Thracien zu lassen Ursach hätte. Seine mit mir gemachte Freundschafft aber verbinde ihn mit mir das Reich zu theilen / als mit welchem er fürlängst das Hertz getheilet hätte. Wenn ich nun mit dem zwischen dem Flusse Artiscus und dem Euxinischen Meere gelegenen / und von dem[124] Gebürge Rhodope abgetheilten Thracien vorlieb nehme / würde er mit der übrigen Helffte vergnügter leben / als ohne meine Beruhigung mit dem gantzen. Ich ward beschämt über dieser großmüthigen Freygebigkeit des Fürsten Cotys; daher ich seine Knie mit geziemender Ehrerbietung umbfaßte; und mit dem dritten Theile seines Königlichen Geschenckes vergnügt zu seyn mich erklärte / wenn mir meinen Vater damit zu bestillen freye Hand gelassen würde. Cotys antwortete: das Geschenckte wäre mein völliges Eigenthum / und also wäre meine Gewalt darüber zwar keiner Umbschrenckung unterworffen / aber dis dingte er ihm aus / und dis müste Rhascuporis verschreiben: daß nach seinem Tode an dem Erbe Thraciens niemand als ich theil haben solte. Denn der boßhafften Ada Kinder wären nicht werth über die Thracier zu gebieten; weil die Laster in diesem Weibe am höchsten kommen / solche Untugend aber eine erbliche Kranckheit wäre / welche sich mit dem Geblüte fortpflantzte. Nach dem es mir nun nicht anständig war / der Freygebigkeit Ziel und Maas fürzuschreiben / das Thracische Recht der Erstgeburt mir auch ohne dis die Reichsfolge alleine zueignete / überdis es Ada umb mich nicht verdienet hatte / mich ihren Kindern zu Liebe wider die Väterlichen Gesätze und des Cotys Willen zu setzen / ließ ich mir alles gefallen. Dieser that dem Rhascuporis die mir verwilligte Abtretung des Ost-Nördlichen Thraciens / ich aber ihm meine freywillige Enteuserung schrifftlich zu wissen. Der damit abgeschickte Ritter erklärte hierbey des Cotys angehenckte Bedingung / und redete bey meinem Vater für mich mehr / als ich verdient hatte. Rhascuporis / der sich eines so vorträglichen Vergleichs nie weniger versehen hatte / nam es nicht nur mit beyden Händen an / sondern auch die ehrsüchtige Ada / der die Ausschlüßung ihrer Kinder ein Hertzens-Stich war / muste in einen sauern Apfel beissen / und des Cotys angetragenen Frieden durchgehends billigen. Sylvan ward von beyden Thracischen Königen theils durch ihre geschwinde Eintracht / theils durch reiche Geschencke gewonnen: daß er nicht allein diese Reichs-Theilung ihm gefallen ließ / und nach derselben würcklichen Vollziehung mit dem Römischen Heere zurück in Dardanien rückte / sondern auch darüber des Käysers Augustus Genehmhabung zu wege brachte; weil man durch diese Theilung die Kräfften der Thracier mehr / als durch einen zehn-jährigen Krieg geschwächt zu seyn glaubte. Derogestalt ward die Ruhe zwar in Thracien / aber nicht in meinem und der Ada Gemüthe befestiget. Denn ungeachtet sie mir zu dancken hatte: daß sie eine Königin blieb / so erregte doch die unverdäuliche Ausschlüßung ihrer Kinder von der Herrschafft in ihrem Hertzen eitel Galle /und ich war der verdrüßlichste Dorn in ihren Augen. Ob sie nun zwar diese Unhold so viel mehr zu verdrücken Ursach hatte / weil mein Vater nach meiner geprüften Treue gegen mir mehr Zuneigung / als jemals vorher blicken ließ; so war doch ihre Verbitterung so groß: daß sie sich durch keine Larve verdecken ließ; und mich daher alle Wolwollende warnigten: Ich möchte der Freundligkeit ihres verbitterten Hertzen nicht trauen / sondern mich vorschauen: daß nach dem ich dem Sturme entgangen / mich nicht einiger Nachregen ersäuffen möge. Denn ein unglücklicher Ausschlag arger Rathschläge machte die Bösen wol arglistiger / aber nicht gütiger. Weil es nun theils meine Sicherheit / theils mein guter Nahme erforderte: daß ich zu Hause nicht im Müßiggange verläge / und ich meiner schlauen Stiefmutter halber für nöthig befand der Römer Gewogenheit durch fernere Kriegs-Dienste zu erhalten; darzu mir des Bato in Dalmatien geschehener neue Einfall und der daraus erwachsende Krieg Anlaß gab; weil dieser unruhige Kopf ohne dis nicht so wol der Pannonier[125] Freyheit zu beschirmen /als durch Raubereyen sich zu bereichern im Schilde führte. Diesemnach reisete ich mit fünf-hundert Thracischen Edelleuten von Oresta weg / und ward in Dalmatien vom Germanicus desto freundlicher bewillkommt / weil die Römer etliche Tage vorher in der Stadt Rhetium durch einen arglistigen Brand etliche tausend Mann eingebißt hatten. Diese Scharte auszuwetzen rückte Germanicus für Seretium / eroberte selbtes mit Gewalt / und ließ alles / was Waffen tragen konte / über die Klinge springen. Weil aber die Dalmatier hierdurch mehr verbittert / als gedemüthiget wurden / schickte der Käyser den Tiberius mit einem mächtigen Heere in Dalmatien; welches dieser in drey Theil absonderte / eines dem Silan / das ander dem Lepidus anvertraute; mit dem dritten aber den Bato allenthalben verfolgte / und ihn endlich zwischen dem Flusse Jader und Tillurus in dem Berg-Schlosse Anderium einschloß / und dis so wol / als Germanicus Arduba einnahm; den Bato aber sich zu ergeben nöthigte / und damit diesem Kriege ein Ende machte. Weil nun Germanicus meiner geleisteten Kriegs-Dienste halber eine sonderbare Gewogenheit auf mich warf / zohe ich mit selbtem nach Rom / und genaaß vom Käyser / bey dem er mir gut in Worten war / allerhand Gnaden-Bezeigungen. Die Kriegs-Lust aber / die ich in Dalmatien durch Ausübung etlicher glücklichen Streiche gewonnen / versaltzte mir die Wollüste des Römischen Hofes / und die zwischen den Deutschen und Thraciern befundene Gleichheit der Sprache und Sitten; wie auch ihre in Dalmatien ausgeübte Helden-Thaten machten mich lüstern das edle Deutschland zu besuchen. Der Käyser selbst gab mir Schreiben an Varus mit / und befahl ihm mir alle Beförderung zu verschaffen. Ich kam in das deutsche Läger allererst den Abend für der grossen Niederlage / welches folgende Nacht durch Segesthens Schreiben in gröste Verwirrung gerieth / bey welcher mir denn Varus ein grösser Kriegs-Ampt anvertraute / als ich / wie der Ausschlag gewiesen / zu verwalten geschickt gewest. Jedoch darf ich mich ein Uberwundener zu seyn nicht schämen; nach dem ich in so edler Uberwinder Hände gefallen / welche mir nunmehr eivriger durch ihre wolthätige Gütigkeit / als vorher durch Tapferkeit überlegen zu seyn bemühet sind. Daher ich aus dieser Begebnüs gelernet habe: daß die blinden Menschen zwar offt in ihr eigenes Unglück auf der Post rennen; das gütige Verhängnüs aber so leicht / als man eine Hand umbdrehet / das argste zum besten wende.

Alle anwesenden Zuhörer bezeigten über des Fürsten Rhemetalcens Erzehlung eine sonderbare Vergnügung. Sein Ansehn wuchs auch in aller Augen; nicht allein / weil sie ihn hierdurch für den anwartenden Erb-Fürsten des halben Thraciens / sondern auch für ein Muster eines nicht minder tugendhafften als streitbaren Heldens erkenneten. Die weise Thusnelda konte sich auch nicht enthalten ihn durch diesen Lobspruch zu beehren: Sie lernte nunmehr aus Rhemetalcens und des Hercules Beyspiele: daß junge Fürsten besser unter den giftigen Schlangen einer gehäßigen Stiefals in den liebkosenden Armen einer verhetschelnden rechten Mutter geriethen. Rhemetalces begegnete ihr mit tieffer Ehrerbietung / und versetzte: wenn die Tugend einer so strengen Auferziehung von nöthen hätte / wäre sich nicht zu verwundern: warumb das Verhängnüs sie so geschwinde ihrer Mutter beraubet / und durch die Künste ihrer Stiefmutter Sentia ihr auch Segesthen zum Stiefvater gemacht hätte. Die meiste Empfindligkeit aber regte sich in dem Hertzen der Marsingischen Fürstin Zirolane; welche Zeither Rhemetalcen und den umb ihre Gewogenheit sich bewerbenden Fürsten Siegemund mit gantz gleichem Auge angesehen / und dardurch beyde so zweifelhaft[126] gemacht hatte: daß ihm keiner für dem andern das geringste Vorrecht einbilden konte. Nunmehr aber schlug die Wage in Zirolanens Hertze gegen Rhemetalcen umb ein gutes Theil über / wiewol sie dis Geheimnüs noch aufs möglichste zu verbergen bemüht war. Die Hertzogin Thußnelda hatte in ihrem Vorgemache eine köstliche Taffel bereiten lassen / bey welcher sie ihre Gäste mit denen niedlichsten Speisen /mehr aber mit ihrer Holdseligkeit bis in die sinckende Nacht annehmlichst bewirthete. Bey dieser Mahlzeit hatte Thusnelde umb wegen des Vorsitzes alle Schwerigkeit zu verhüten bey einer rundten Taffel eine bundte Reye zu machen Anlaß gegeben; da denn Zeno mehr ungefehr / als aus Vorbedacht die Fürstin Ismene zu seiner Gefärthin erwehlet hatte. Ismene /welche aus ihres Bruders Flavius Zuredung unvermerckt viel behertzter worden war / auch nach Gewohnheit der Verliebten aus dieser Erkiesung ihr vielleicht eine Rechnung machte / daran Zeno nie gedacht hatte / unterließ nicht ihn mit annehmlichen Bezeugungen und Gesprächen zu unterhalten. Die Höfligkeit war ihm schon Gesetzes genung sich zu bemühen: daß er dieser Freundligkeit nicht unannehmlicher begegnete. Welches in Ismenens Hertze einen noch grössern Zunder der Hofnung anzündete / und nicht nur so viel muthiger / sondern auch unvorsichtiger machte die Blöße ihrer Neigung zu zeigen; also daß die scharfsichtige Erato bey zeiten in den unruhigen Augen Ismenens die Bewegung ihrer Seele lesen konte. Dieses würckte in ihr anfangs nur einen Vorwitz / welcher stets auf Ismenens Thun ein Auge hatte / und sich an ihrem Feuer belustigte. Nach dem sich aber / ihrem Bedüncken nach / Zeno durch Ismenens Lebhaftigkeit reger machen ließ / und was mehr / als unpartheyische Begegnungen gegen sie bezeugte /fühlte sie in ihrem Gemüthe eine kleine Schwachheit aufwallen; als wenn nicht nur Ismene ihrer Liebe unrechtmäßigen Eintrag thäte; sondern auch Zeno mehr enträumte / als ihrer beyder Liebe erlaubte. Flavius /welcher nebst der Königin Erato den Sitz zu haben sich sorgfältig bemühet hatte / war so übersüchtig nicht; daß nach dem er Ismenens Gedancken vorher wuste / und also über ihre Regungen sichere Auslegung machen konte / nicht auch einen Blick in der Erato Hertz that. Denn die Eyversucht / wenn sie gleich noch in Windeln liegt / ist sichtbarer / als die schon zimlich-erwachsene Liebe. Weil dis nun Wasser auf seine Mühle war / hielt er für rathsam den Strom des Argwohns auf alle Weise zu vergrössern. Daher kritzelte er mit dem Messer auf den Teller: die Augen sind unverdächtigere Dolmetscher der Seelen /als die Zunge. Hierüber leschte eine auf der Taffel stehende Wachskertze von sich selbst aus / welches einige für ein Unglücks-Zeichen auslegten / die kluge Thußnelde aber gab ein Lachen drein / und urtheilte vernünftig: daß das übel bereitete Wachs nicht klüger als ein künftiger Dinge unwissender Wachs-Zieher seyn könne. Hingegen machte ihm Flavius dis gegen der Königin Erato wol nütze. Deñ nach dem er der erste war / der das ausleschende Licht ergrif / von der Taffel warf / und ein anders ihm von einem Edelmanne gereichtes an die Stelle setzte; fieng er gegen der Königin an: Wolte GOtt! Jedermann sehe sein Licht verleschen; und bekümmerte sich bey zeiten umb ein anders. Erato fühlte sich / und versetzte: Weil man von einem andern nicht versichert ist: daß es besser brennen werde / ist es rathsamer das glimmende wieder zu erfrischen / als wegzuwerffen. Seine Erholung ist so denn desto angenehmer. Deñ auch das Tage-Licht würde unsern Augen nicht so liebkosen /wenn es unaufhörlich schiene / und nicht alle Abende in der Nacht stürbe. Flavius antwortete: Es ist klug geurtheilt. Deñ keine Anmuth ist beständig / welche von gar[127] keiner Umbwechselung weiß. Die beständige Tauerung der besten Dinge verursacht endlich Eckel; ja nichts ist / als wir selbst / dessen wir nicht überdrüßig werden. Hingegen klebt der Umbwechselung eine solche Süßigkeit an; daß sie weder die Untermischung nicht allerdings guter Zufälle / noch auch die Eintauschung Meßings für Gold herbe machen kan. Erato begegnete ihm: die Anmuth der Umbwechselung ist eben so wol als die Umbwechselung vergänglich. Die aber / welche aus der Beständigkeit gesogen wird /bleibet wie die unbeweglichen Angelsternen / allezeit unverrücket. Uberdis ist die Umbwechselung nur eine Ergötzligkeit des Leibes; wie die Veränderung eine Eigenschafft irrdischer Dinge. Weil die Seele des Menschen aber himmlischer Art ist / soll ihr Beginnen so beständig seyn / als ihr Wesen unveränderlich ist. Flavius lächelte und versetzte: Was ist der Umwechselung mehr als der Himmel unterworffen? ja diese ist so gar die Ursache der irrdischen Veränderungen. Der Tag- und Nacht- / der Sommer- und Winter-Wechsel rühret von der Unbeständigkeit der zwey grossen Gestirne her. Zu dem besteht das Wesen unser Seele in unaufhörlichem Nachdencken / wie des Leibes in seiner Ausdehnung. Wie nun dieser niemals seine würckliche Grösse ablegt; also muß die Seele auch unaufhörlich was dencken; also / daß wenn sie sich auch der Gedancken entschlagen wil / eben damit etwas dencket. Dieses Nachdencken aber ist eine niemals stillstehende Unruh / welche stets einen neuen Gegensatz / mit dem sie sich weltze / wie das Feuer einen neuen Zunder verlanget; und also / weil man nicht immer einerley dencket / in nichts / als an der Veränderung / sein Vergnügen findet. Erato versetzte: die Veränderung des Himmels und einer wolgesetzten Seele bestünde in der vollkommensten Ordnung / und zielte auf eine gleichstimmige Beständigkeit; und liesse sich eines so wenig als das andere in seinem vorgesetzten Lauffe aufhalten oder irre machen. Die Sonne und der Monde hätten den gestirnten Thier-Kreiß / die Vernunfft aber die Tugend zu ihrer Rennebahn; derer Schrancken keines überschritte. Wie diese Gestirne niemals an einigen Ort fortrückten; indem sie nicht vorhin ihren Stand gehabt; also wolte ein gutes Gemüthe auch beständig dis / was es einmal vernünfftig gewolt. Denn einerley wollen und nicht wollen /wäre der Kern der Weißheit; weil einem nichts / als was gutes / allemal gefallen könte. Wenn einen aber entweder der gemeine Irrthum / oder eine durch frembde Verführung begangene Schwachheit auf einen Abweg verleitet hätte / ist die andere Staffel der Weißheit seine Diechsel / nach der Wegweisung des gestirnten Bäres / wieder dahin wenden / wovon man unvorsichtig abgelenckt hat / und insonderheit alle Neuigkeit so viel mehr verdächtig halten / als sie durch ihre Scheinbarkeit einen zu verblenden geschickt ist. Unterschiedene der Beysitzenden nahmen zwar unter denen hin und wieder verwechselten Reden dieses Gespräches wahr / aber es war allen außer dem Flavius und der Königin verborgene Rätzel. Jedoch ergieng es hierinnen dieser vorsichtigen Fürstin wie denen schon erleuchteten Cörpern / welche / wenn sie das zweyte Licht bestrahlt / nicht nur davon nicht heller / sondern düsterer werden. Denn nach dem Erato mit ihren Augen schon genungsames Licht aus Ismenens Blicken von ihrem Feuer bekommen hatte / Flavius aber durch seine Auslegung ihr es noch heller an Tag legen wolte / ward ihr Verstand darüber so verblendet: daß sie sich nicht ohne merkliche Veränderung aus seinem Gespräche ausflechten konte / und darzu noch folgende Nacht kein Auge zuthat; weil sie bey dieser heilsamen Finsternüs auch das geheimste in ihres Zeno Hertze zu erkiesen sorgfältig war. Denn ungeachtet sie wol so klug war: daß[128] sie des verliebten Flavius Ausdeutungen für verdächtig halten solte; so redete doch ihm ihr eigenes Auge das Wort / welches dem Zeno gar zu viel gegen Ismenen bezeugter Liebkosungen zuschrieb; durch welches falsche Licht sich denn ihr anfangs geringer Argwohn in eine Eyversucht zu verwandeln begonte; da sie doch ihrer hohen Vernunfft nach / wol zu unterscheiden gehabt hatte: daß zwar durch Anfühlung eines Blinden sich der Farben Unterscheid nicht aber von schlechter Anmerckung euserlichen Gebehrden die Farbe des Gemüthes prüfen lasse. Deñ dort kriegt ein Ding die Farbe /nach dem es liegt / oder nach dem seine eusersten Theile mit einander vereinbaret sind; die Gestalt des Hertzens aber müssen auch die Vorsichtigen im Grunde suchen. Wiewol man hierüber nicht so viel Wercks oder Wunderns zu machen hat. Denn die kleinste Schwachheit ist die Handhabe einer grössern; und die einmal verterbte Vernunfft urtheilet schlimmer / als die Unvernunfft selber. Folgenden Tag ward der auf alle Tritte der Königin Erato gleichsam acht habende Flavius innen; daß sie in dem Lust-Garten gantz einsam herumb gieng. Daher er diese Gelegenheit nicht versäumen wolte seine Liebes-Werbung mit allem Eyver zu verfolgen; verfügte sich also zu ihr unter dem Scheine einer zufälligen Begegnung. Sintemal er entweder aus Beysorge: daß seine öftere Uberlauffung ihr verdrüßlich fallen möchte; oder / weil auch die heftigste Liebe in Gegenwart dessen / was sie verehret / blöde wird / nicht den Schein einer versetzlichen Nachgehung von sich geben wolte. Nach ihrer höflichsten Begrüßung gab ihre Einsamkeit / und die ihr aus den Augen sehende Bekümmernüs ihm genungsamen Anlaß ihr an den Puls ihres Hertzens zu fühlen: ob sie gegen dem Fürsten Zeno den Abend vorher /seinem Bedüncken nach / einige Eyversucht geschöpft hätte. Daher fragte er: ob ihre Traurigkeit von ihrer allzu grossen / oder des Zeno allzu kalt-sinniger Liebe den Ursprung nehme? Erato antwortete: Weil sie ihre Unvollkommenheit bescheidete: daß Hertzog Flavius sie nicht so sehr lieben könte; die Treue des Fürsten Zeno aber sie versicherte: daß er sie mehr liebte / als sie verdiente; dörfte sie weder wegen eines / als des andern Ursach bekümmert seyn. Der Hi el müste zuweilen wölckicht / und das freudigste Gemüthe traurig seyn. Flavius versetzte: dieses aber könte so wenig als jenes ohne euserliche Ursache erfolgen. Erato hingegen: die Einsamkeit wäre vielen Menschen wie dem wilden Schweine und der Amsel angebohren / und diese gebe ihnen so viel Vergnügung / als andern die auserlesenste Gemeinschafft. Unter diese möchte sie sich auch rechnen / weil sie zwar mit ihren Gedancken sich zu schlagen einen Zug / aber weder eine Laute zu Ermunterung ihres schläfrigen Gemüthes / noch eines Schwammes ihre Thränen abzuwischen von nöthen hätte. Flavius fiel ein: die so lange getauerte Flamme der gegen den Fürsten Zeno gehegeten Liebe diente ihm gleichwol zu einer glaubhafften Nachricht: daß ihre Seele nicht / nach des weisen Hippons Meinung einer so wäßrichten Eigenschafft sey. Erato antwortete: Ich wünschte wol selbst nicht unter derselben Zahl zu seyn / welche anderer Lust zum Saamen ihrer Verdrüßligkeit angewehren. Denn diese sind wenig besser / als die / welche niemals als über anderer Unglück lachen. Allein ich habe mich bereden lassen: daß die Liebe mit der Einsamkeit in gutem Verständnüsse stehe; ja die zu einer mäßigen Traurigkeit geneigten Gemüther ihre beste Herberge sey. Sintemal diese zwar wie das kalte Eisen die Glut längsamer fangen / aber auch / wenn sie einmal glüend worden /so viel länger behalten. Dahingegen alle schweftlichte Dinge geschwinde brennen / aber zeitlich verlodern. Flavius fiel ein: Ihm wäre leid: daß eine so vollkommene Fürstin den Absatz von der Eigenschafft ihres[129] Geschlechtes / nemlich von der Unbeständigkeit / für einen Vortheil hielte; da doch in der Eigenschafft jedes Dinges seine Vollkommenheit steckte / und eine Frau / welche ihr Hertze an einen Nagel so feste hienge / sich zugleich der güldenen Freyheit enteuserte /welche ohne freybehaltene neue Wahl zu Wasser würde. Ihre Wolfahrt und Vergnügung müste bey einem solchen Vorsatze eben so wol Schiffbruch leiden / als alles in der Welt zu drümmern gehen würde /wenn nicht der Himmel / dessen vollständiges Nach-Gemächte / und seiner Schönheiten Begrif Erato wäre / in einer steten Unbeständigkeit sich herumb weltzte. Welchen Vortheil Fürst Zeno allem Ansehn nach besser wahrnehme; ungeachtet er gestehen müste: daß da er an der Königin eine ihres Gleichen nicht habende Sonne anzubeten das Glücke gehabt / er sich nach keinem andern Sterne umbzusehen Ursach hätte. Erato erblaßte über diesen Worten. Denn alles Geblüte eilte dem hierdurch verwundeten Hertzen zu Hülffe; welches nicht anders als die Unruh in einer Uhr zu klopfen anfieng. Nach einer mit Noth erzwungenen Erholung fieng Erato an: Ach! Flavius. Was für eine Grausamkeit übt er wider mich Unschuldige durch Beleidigung meines Zeno aus? Nach was für einem Gestirne mag sich der umbsehen / dessen Seele ich in meinem Hertzen besitze? Was für eine Sonne Deutschlandes wil meine Liebe und Glücke auf einmal verdüstern / da es sonsten der Sonnen Eigenschafft ist / alles zu erleuchten? Flavius holete alle Kräfften zusammen seinem erkühneten Vorhaben den letzten Nachdruck zu geben / und fieng an: Fragt sie noch / schönste Königin / dessen vergewissert zu seyn / worinnen sie ihre eigene Augen zu Zeugen hat. Warlich / Erato: Ich würde meine eigene Schwester / als eine Vermessene verdammen: daß sie sich erkühnet ihre Neben-Sonne und Mit-Buhlerin zu werden /wenn nicht mein Heyl an ihres so unzertrennlich verknüpft wäre. Fürwar / ich müste gestehen: daß kein Mensch jemals inbrünstiger / als Ismene den Fürsten Zeno geliebt hätte; wenn nicht gegen meiner der unschätzbaren Erato gewiedmeten Liebe alle andere Flammen kalt Wasser wären. Sie verzeihe diesemnach ihrem Zeno: daß er von einer so heissen Glut glimmend wird; und sie verschmähe nicht das Opfer meiner bey nahe schon eingeäscherten Seele. Erato seufzete / und brach in die Worte heraus: Ach! Flavius /so du mich liebest / warumb tödtest du mich? Beunruhige dich doch selbst nicht mit unfruchtbarer Liebe derselben / welche deiner Zuneigung doch immer entgegen zu seyn durch ihre unauflößliche Treue gezwungen ist. Flavius antwortete: Es bestehet in meiner Gewalt so wenig sie nicht zu lieben / als mich zu überreden: daß das Schöne zu verschmähen / das Gute zu hassen sey. Ihre gedräute Widerstrebung vermag mich auch weder verzagt noch kälter zu machen /sondern sie hebet meine Liebe wie die drückende Last die Palmen noch mehr empor. Aber / unschätzbare Königin / wer hat dem Weiblichen Geschlechte die Unauflößligkeit ihres Gelübdes zum Gesätze aufgehalset / wenn die Männer sich des Ihrigen loßmachen? Erato fragte mit einer Heftigkeit: wer kan den Fürsten Zeno mit Grunde dieser Untreue überführen? Flavius versetzte: Ist es nicht genung: daß ihn Ismene liebet /und daß er es ihm gefallen läßt? Ist es ihr zu wenig: daß er in ihrer Gegenwart durch seine Liebkosungen Ismenens Feuer mehr anzündet? daß er nicht nur aus ihrer Gestalt / sondern aus allem ihrem Thun Wunder macht? Warlich / Erato; was in den Augen mächtig ist / Verwunderung zu gebähren / ist viel mächtiger im Hertzen Begierden anzuzünden. Die Königin erstarrete über diesen Worten / und fieng an zu sincken; also: daß Flavius gezwungen ward sie zu fussen und zu halten / bis sie von der ihr zuhängenden[130] Ohnmacht sich ein wenig erholete. Hierauf fieng sie an: es ist genung für dismal gelitten. Gönne mir / Flavius: daß ich die Bitterkeit unsers Gespräches in der mich nun allein erquickenden Einsamkeit verzuckern möge. Laß uns aber so ehrerbietig gegen uns selbst seyn: daß unser Geist nichts in seine Gedancken fasse / dessen er sich hernach schämen / oder es bereuen müsse. Mit diesen Worten wendete sie sich von ihm weg in einen Quergang / und ließ den Flavius zweifelhaft: ob er bey dieser Gelegenheit etwas zu Vergnügung seiner Liebe gebaut / oder an der seines Neben-Buhlers eingerissen hätte. Die gröste Würckung aber hatte diese Zusammenkunfft beiden unwissende in der Seele des Fürsten Zeno. Denn dieser war eine Stunde vorher in Garten kommen / und hatte durch einen mit Wund- Weiden bewachsenen Gang der Königin und des Flavius Unterredung zugeschaut. Die Entfernung hatte ihm ihre Gebehrdungen viel anders fürgebildet / als sie in Warheit / fürnemlich an der tugendsamen Königin gewest waren. Welches so viel weniger zu verwundern; weil wir in unserer Weite auch den reinsten Sternen Flecken anzusehen uns bedüncken lassen. Fürnemlich aber hatte die sich in die heftigste Liebe am ersten einzuspielen gewohnte Eyversucht ihn die vom Flavius geschehene Umbfassung der Erato als ein so unfehlbares Kennzeichen ihrer beyder Liebe fürgebildet: daß er sich auf einmal mit allen Gedancken überschüttet befand / welche die Verzweifelung einem an die Hand geben kan. Denn das siedend-heiß gewesene Wasser / und übermäßige Liebe wird kälter als vorher / und gefrieret am stärcksten. Bald war er willens den Flavius mit dem Degen anzutasten. Aber die Beysorge den Feldherrn zu beleidigen / und den gantzen Hof wieder sich in Harnisch zu bringen / hielt ihn von dieser Ubereilung zurücke. Bald warf er eine Gramschafft auf sich selbst; bald regte ihn eine Rachgier gegen die Königin Erato; bald aber schlug ihr ihm vorkommendes Bild in der Vorstellung ihrer angebohrnen Tugend und unversehrlichen Treue alle diese Aufdampfungen zu Bodem. Aber / ich weiß nicht / was für ein Unstern es schickte: daß Erato so nahe bey dem den Fürsten Zeno deckenden Gesträuche vorbey gieng / ihn gleichsam berührte / und was entweder ihre Verwirrung oder des Zeno Einbildung ihrem Gesichte für eine verdächtige Gebehrdung eindrückte / worvon er gantz außer sich selbst gesetzet ward. Denn er bildete ihm ein: Erato übersehe ihn mit Fleiß / und kützelte sich noch in Gedancken über der Verschmähung seiner alten / und dem Vorzuge ihrer neuen Liebe. So eitel ist unser Urthel / und so verführerisch unsere Gedancken / wenn man mehr seinen Augen als seiner Vernunfft folgt. Seine Ungedult schüttete anfangs diese Worte heraus: Thörichter! hast du deine Wolfahrt auf ein Weib / auf das Vorbild der Unbeständigkeit geanckert? Hast du nicht noch als ein Kind gelernt: daß ihr Geschlechte nicht länger treu bleiben könne / als bis es Gelegenheit kriegt / aus der Untreue Vortheil zu ziehen? Einfältiger! hast du dir traumen lassen: daß Erato alleine den Wanckelmuth der Weiber abgelegt / oder Zeno einen Vorzug über alle Männer / nemlich von ihnen nicht hinters Licht geführet zu werden / habe. Mit so heftiger Regung er nun derogestalt heraus fuhr / so ohnmächtig ward hernach seine Zunge; viel verzweifelter aber sein Gemüthe. Welche Raserey so viel verwunderlicher war / weil seine Liebe Zeither die Vernunfft zu ihrer Richtschnur und die Tugend zu ihrem Leitsterne gehabt hatte. Denn blinde und geile Liebe fasset zwar auf so schlüpfrigem Trübsande: daß ein kaltsinniger Blick / eine geringe Verstellung einem Strick und Messer in die Hand giebt. Ein übel-verstandenes Wort räthet einem solchen Liebhaber in allen heilsamen[131] Kräutern den Tod / und in einem ungleichen Tritte ein Laster zu suchen. Zweyer verdrüßlichen Zeilen halber setzt er mehr / als mancher für Kron und Zepter in die Schantze. Aber allhier vergaß der kluge und behertzte Zeno seiner selbst / und ward ihm selbst unähnlicher als kein Frembder; also: daß er für Verdruß zu leben seinen Degen zückte / und nichts minder ihm selbst das Licht / als seiner vorher so süssen Liebe den nunmehr rauchichten Zunder abzuleschen vorhatte. Ismene kam diesen Augenblick gleich eben in den Gang / darinnen die Eyversucht diesen tapfern Fürsten so erbärmlich verstellte / und zwar zu einem lehrsamen Beyspiele: daß die Göttliche Versehung umb uns unseres unvollkommenen Stückwercks zu erinnern /unsere Kräfften der Seelen zwar ohnmächtig werden /aber nicht vergehen lasse. Ismene fiel dem verzweifelnden Zeno che in die Armen / ehe er gewahr ward: daß ein Mensch umb ihn wäre. Ist es möglich: daß ein durch so viel widrige Zufälle geprüfter Fürst in solchen Wahnwitz verfalle? Lässet sich ein durch so viel Hammerschläge des Unglücks abgehärtetes Hertze durch eine so schlechte Versuchung mirbe machen? Lohnet es für die Müh umb einen ersetzlichen Verlust dis zu verschwenden / was man nur einmal verlieren kan? Weiß Zeno nicht: daß wer an sich selbst die Hand legt / dem Verhängnüsse Gewalt anthue / und /da die Flucht aus uns angeschmiedeten Ketten ein halsbrüchiges Laster ist / die gewaltsame Entreissung aus denen so sanfften Banden unsers Leibes was ärgers als viehisch sey? Denn kein Thier ist so thu /daß es in seine eigene Eingeweide rase. Bedencke Zeno dich selbst / und was du deiner Tugend für Abbruch / deiner Ehre für Schande anthust. Enteusere dich dieser Zagheit / und behertzige: daß wie die Hofnung eine Mutter der Tapferkeit / also die Verzweifelung eine Tochter der Furcht sey / welche einem Helden niemals in Gedancken / weniger ins Hertze kommen soll. Bildet ihm Zeno ein: er könne ohne die Erato nicht leben? Wie wäre es: wenn sie niemals wäre gebohren / oder nie wäre gekeñt worden? Traut er keiner andern Liebe das Vermögen ihr zu vergnügen zu? Diese Gedancken sind ein partheyisches Urthel eines sich übereilenden Richters / und eine allzu vermessene Verwerffung vieler reiner Flammen zarter Seelen. Zeno sahe hierüber Ismenen mit unverwendeten Augen an; gleichwol starrete seine gezückte Hand hierüber nicht weniger / als seine krafftlose Zunge. Ismene aber riß ihm den Degen aus der Hand / und fuhr fort: Zeno / wilst du gegen dir ja unbarmhertzig seyn /so sey doch gegen der nicht so grausam / die dich anbetet. Mißgönne deiner Erato nicht: daß sie mein Bruder liebet / weil der Himmel dir ihren Verlust mit seiner Schwester erstattet. Hält Ismenens Schönheit der Erato nicht das Gewichte; so wird ihre unaufhörliche Treue den Abgang dergestalt zweyfältig ausgleichen. Ismene drückte diese Rede mit einer so durchdringenden Anmuth aus: daß sie dem Fürsten Zeno nicht nur das Hertze rührte; sondern seinen Geist gleichsam aus ihm verzückte. Er sahe sie eine Weile starr an / und hernach sagte er: Ach! Ismene / warumb mißgönnest du mir mit dem allen Menschen ja bestimmeten Tode nicht die Ruhe meiner Seele? Warumb mühest du dich mir den Ruhm zu rauben: daß meine unausleschliche Liebe gegen der undanckbaren Erato auch in meiner Todten-Asche glimmend blieben sey? Warumb lässest du mich nicht meine Treue mit meinem Blute besiegeln / und hiermit der unbeständigen Erato eine Schamröthe anzustreichen? Ismene antwortete: Ist es Vernunfft oder Wahnwitz frembde Verbrechen am seinem Leibe straffen? Und bildet ihm Zeno ein /aus einer Ohnmacht des Gemüthes Ruhm zu erjagen? Der Verdruß zu leben ist die gröste unter den Schwachheiten /[132] und für Kummer sterben keine Großmüthigkeit / keine Artzney des Ubels / sondern eine kleinmüthige Zärtligkeit / und weich-hertzige Ungedult / der Kinder Thorheit zu vergleichen / welche sich an der Erden herumb weltzen / und ihr Antlitz zerkratzen / wenn man ihnen die Tocken ni t. Zeno kan nicht den Verlust eines Weibes verschmertzen /und bemühet sich sein eigenes Leben zu verschwenden. Ist dis nicht eben so viel / als sich ins Feuer stürtzen / umb nicht zu berauchen / und in Degen zu lauffen / umb sich in keinen Dorn zu stechen? Hat Zeno noch nicht gelernet: daß ein Helden-Geist nicht nur gewaltsamen Dräuungen / sondern auch schleichenden Anfechtungen die Stirne bieten müsse? Ich weiß wol: daß wie der Porphier / welcher weder dem Hammer noch dem Eisen nachgiebt / vom Regen durchfressen wird; also ihrer viel gegen dem Krachen der Waffen und des Donners kein Auge verwenden /ein empfangenes Unrecht nicht verdeyen / und einen Verlust nicht verbeissen können / sonder sich selbst in die Erde zu scharren. Diese aber scheuen sich so sehr nicht für dem Tode / als daß sie seine geschwinde Unempfindligkeit lieben; sie hassen nicht ihr Leben / sondern nur seine wenige Beschwerligkeit / und sind den thörichten Schiff-fahrenden gleich /welche sich selbst im Meere ersäuffen: daß sie die verdrüßlichen Stöße der Welle nicht vertragen dörffen; gleich als wenn sie durch ihren Verlust dem widrigen Glücke / oder dem Verhängnüsse keinen geringen Abbruch thäten. Eine nicht bessere Zärtligkeit ist auch das Fürhaben des sonst so tapferen Fürsten Zeno. Denn diese gehet nicht nur auf Blumen und Seide; sie handthieret nicht nur Perlen und Balsam; sondern sie greifft aus unleidlicher Ungedult auch in die schärfsten Klingen; sie verschlinget mit Sophonisben Gifft / mit der Porcia glüende Kohlen / und verbrennet sich mit dem üppigen Sardanapal in seinem lodernden Pallaste / und mit der verliebten Dido auf dem Holtzstosse. Zu dieses ungeduldigen Weibes Affen machet sich Zeno; wenn er wegen der ihn verschmähenden Erato stirbet. Das Gesätze der Natur und der Vernunfft befiehlet uns nach der Tugend nichts mehr / als unser Leben zu lieben / als ein von GOtt uns zu treuer Sorgfalt anvertrautes Gut / darüber wir Rechenschafft zu geben schuldig sind. Hieraus folget nun: daß wir nichts mehr als den Tod nach den Lastern zu fürchten / und solches wider Kranckheit /Hunger / Verzweifelung und Feinde aufs euserste zu vertheidigen haben. Dem köstlichen Kleinode des Lebens aber setzet Zeno ein schönes Antlitz eines veränderlichen Weibes für. Ja er thut seiner Ehre Abbruch /umb nur die Eitelkeit einer beständigen Liebe zu besitzen. Denn es bringet so wenig Ruhm als Nutzen einen Wetterhahn für seinen Angelstern erkiesen? Opfert man doch keiner Gottheit einen Wider / zu der wir uns keiner Gewogenheit und Hülffe versehen; und Zeno wil sich selbst einer Frauen abschlachten / welche Augen und Hertze von ihm abgewendet hat. Er zwinget sich sein eigen Feind zu werden / nur daß er derselben Freund sterbe / welche vielleicht seine Freundschafft umb einen Apffel verkaufft. Warlich /Zeno / es ist nichts liebens werth / was nicht wieder liebet; und es ist keine Untreue / sondern Klugheit sich nach dem nicht sehnen / was uns selbst den Rücken drehet: Zeno versetzte: die Untreue fänget bey mir an / wenn ich an der Königin Erato Liebe zu zweifeln anfange. Der Verdacht / weil er mehr auf den euserlichen Schein / als auf den Grund siehet / ist insgemein ein ungerechter Richter / und ein gefährlicher Verleiter. Gesetzt aber / meine Erato hätte einen Fadem an ihrer Liebe zerrissen / so ist doch eine so tief eingewurtzelte Liebe leichtlich wieder ergäntzet / wenn sie gleich gar verfallen zu seyn scheinet.[133] Eine vom Frauenzimmer empfangene Beleidigung / welche die Rache sonst in Stein oder Stahl / als unvergeßlich aufzeichnete / wird nur in Staub geschrieben / und mit einem liebreichen Seufzer verwehet. Ja die Liebe wird nach der Wieder-Vereinigung stärcker wie ein wolgeheilter Beinbruch. Ihre Gestalt ist so kräfftig: daß sie vorgegangene Fehler und Schwachheiten zu was gutem macht / wo nicht in ihrem Wesen / doch in des Liebenden Einbildung. Ismene brach ein: Einfältiger Zeno / machest du Schwerigkeit diß zu glauben / was dir deine Augen fürhalten / und Erato dir selbst mit Fleiß zu verstehen gibt? Frage meinen Bruder Flavius / wie weit es mit seiner Liebe kommen sey; und urtheile: ob der Erato Verschwiegenheit / ob ihre Geberdung / ob ihre Vertragung seiner Liebe mit der deinigen eine Verträgligkeit habe? Ist die Liebe nicht eine Vereinbarung zweyer Hertzen / die Verhölung aber eines Geheimnüsses nicht ein Werck des Mißtrauens /und ein Kennzeichen der Trennung? Mißverständnüsse lassen sich unter Verliebten ja noch wohl aus dem Wege räumen; aber die durch fremde Liebe verfälschte Treue sich so wenig als ein zerbrochener Spiegel wieder ergäntzen. Dieser bildet so denn alles viel kleiner und unvollkommener ab; und ein treuer Liebhaber sihet so denn zwischen sich selbst und dem geliebten einen mercklichen Unterschied. Denn Treue und Untreue sind einander so sehr / als Tauben und Schlangen unähnlich. Die Aehnligkeit aber zwischen dem Liebenden und dem Geliebten ist der wahrhafte Brunn / und der beständige Brunn der Liebe. Aus dieser Ursache lieben nicht nur die Mohren so sehr ihre versengte / als die Nordländer ihre schnee-weisse Buhlschaften / sondern die wilden Schweine / die gebeissigen Dachsen / die giftigen Molche haben zu ihres gleichen keinen schwächern Zug / als die zahmen Pfauen / die friedsamen Schafe / und die holden Turtel-Tauben. Eine Gold- und Ertzt-Ader suchet die ander / und durchbohret zu dem Ende die Felsen. Der Epheu kreucht wie weit auf der Erden hin / biß er einen Baum mit einer ihm anständigen Rinde antrifft /daran er sich empor winde; und die Palmbäume strecken ihre Aeste und Armen nach ihres gleichen aus /ihre Blüthen werden auch nicht zu Datteln / wenn sie nicht mit dem männlichen Palmbaum vereinbaret /oder die männlichen Blüthen in ihren Stock eingespündet werden. Eine solche Aehnligkeit aber finde ich in der Gestalt / in den Sitten / und in dem Geiste des unvergleichlichen Zeno / als ich sie noch in keinem Manne gefunden habe / oder meine Tage finden werde. Mich dünckt: ich sehe in seinem Antlitze das meinige / wie in einem Spiegel. Seine Geberden scheinen mir meiner / und meine Bewegungen seiner Nach-Gemächte zu seyn. Was er und ich thue / ist gleichsam nach einerley Richtschnur abgemässen. Was er vertheidiget / lobet und recht spricht; hat mein Hertze schon vorher gebilliget / und was er verdammet / längst zuvor verworffen. Mit einem Worte: Meine Seele hänget an seiner / wie das Eisen am Magnete / und mein Wille leistet seiner Neigung genauere Folge / als die Sonnen-Wende der Sonne. Hierüber stutzte und erblaßte sie / fuhr aber nach einem kurtzen Stillschweigen weiter fort: Ich habe mich dir / Zeno / so bloß gegeben: daß du das innerste meiner Seelen wohl sehen kanst. Weil du hingegen dich aber so gar gegen mich verschleust / verräthet mir dein Stillschweigen deine Empfindligkeit. Alleine desthalben werde ich dich nicht aufhören zu lieben. Denn wenn du dich oder deine Hindernüsse nicht überwinden kanst mich zu lieben / begehre ich nicht einst von dir geliebt zu werden / sondern nur dein Erlaubnüß: daß ich dich lieben möge / dein Gehöre meiner Seufzer / und an statt meiner Heilung dein Mitleiden. Zeno ließ hierüber aufs neue keine ungemeine Verwirrung blicken; fieng endlich aber an: Ach! Ismene /[134] Ismene! du bezauberst mich mit deinen Augen /und bethörest mich durch deine Liebkosungẽ. Du schüttest dein Hertze so aufrichtig gegẽ mich aus: daß ich mich von einer aufrichtigen tugendhaften Fürstin geliebt zu werden unwürdig machte / wenn ich an der Redligkeit deiner unschuldigen Zuneigung im geringsten zweifelte. Du mahlest meine Aehnligkeit so eigentlich ab: daß ich blind wäre / wenn ich nicht an dir sähe / was du an mir gefunden hast. Die Bothmässigkeit aber / welche dir die Natur oder das Verhängnüß über mich eingeräumet hat / zwinget mir dis Bekäntnüß ab: daß an meinem Hertzen niemand als Ismene Theil haben würde / wenn es nicht der Erato Eigenthum wäre. Ismene konte über dieser Erklärung ihre Freude nicht verdrücken; daher fuhr sie heraus: O glückselige Ismene; O wohlthätiger Zeno! Ich bin vergnügt: daß du mich deiner Liebe würdig erklärest /soltest du mich auch nimmermehr lieben. Aber / wie ist es möglich / uns gegen dem der Liebe zu enthalten / den wir der Liebe werth achten? Diß letztere ist ja das Saltz / der Kern und der Zunder der Liebe. Und wie ist es möglich / daß Zeno / an dem meine Seele fester / als eine Klette anklebt / sich meiner Liebe gäntzlich entschlagen könne. Denn diese ist ein gemeiner Geist zweyer Seelen / und nichts minder das festeste als das köstliche Gummi der Welt; welches unser weiches Hertze eben so wohl mit einem unempfindlichen / als die Schnecke mit dem harten Schnecken-Hause / den Kalck mit dem kalten Marmel vereinbaret und gleichsam zusammen schmeltzt. Alleine / unschätzbarer Zeno; ich würde dich nicht vollkommen lieben / wenn ich dir weh / und deiner Liebe Eintrag thäte. Ich bin vergnügt / wenn du mich nur mit einer Brosame deiner Liebe betheilest! Meine Unwürdigkeit ist mir allzu wohl bewust: daß ich dir alleine mich mit dem vollen Maasse deiner Liebe zu überschütten anmuthen solte. Ich würde gegen dir das Laster des Geitzes / gegen der Königin Erato des Neides / du aber gegen mich die Schwachheit einer Verschwendung begehen. Liebe / und geneuß deiner Erato / wenn du dich mit einem Theile ihrer / wie ich mich mit einem Strahle deiner Liebe sättige / vergnügen kanst. Denn ich weiche dieser Fürstin gerne an dem Verdienste geliebt zu werden / rühme mich aber eines Vorzugs an Heftigkeit der Liebe. Gleichwohl aber schätze ich einen Funcken deiner Liebe für eine völlige Ausgleichung meiner unbegreifflichen Flamme. Zeno fühlte in seinem Hertzen schier über iedem Worte seine Schwachheit sich vergrössern / und / wiewohl er sich zwingen wolte nicht ferner / als bißher geschehen / bloß zu geben; verriethen doch seine Seufzer und Blicke seine Neigungẽ. Gleichwohl aber warff er Ismenen ein: Berede mich nicht / schlaue Ismene: daß deine so heftige Liebe von mir ein so weniges verlange; noch auch / daß die Liebe ohne ihren Untergang sich theilen lasse. Sie ist ein Feuer der Seelen / und daher unersättlich. Die Vereinbarung ist ihr Thun; die Einigkeit ihr Zweck; und daher die zertheilte Liebe ein Wechselbalg; diß aber alleine die vollkommene / wenn die liebende und die geliebte Seele zwey Helften eines gantzen abgeben. Ismene versetzte: Also läst es sich von Dingen gemeiner Art wohl urtheilen. Aber Zeno ist so wenig nach einem solchen Mäß-Stabe / als die Sonne nach Spannen auszumässen. Diese als das Vorbild der vollkommensten / und der Brunn der grösten Liebe ist keinmal müssig / und steht keinen Augenblick stille unzehlbare Dinge mit ihrer Gewogenheit zu betheilen. Sie flösset den Sternen ihr Licht / der Erde die Wärmbde / den Gewächsen ihre Kräfften ein. Wie nun dieser keines dem andern seine Vergnügung mißgönnt / noch die Sättigung des einen dem andern zum Abbruche gereichet; also werde ich der Erato Werthhaltung nicht beneiden /und mit weniger Liebe des Fürsten Zeno vor lieb nehmen; ohne welche Vergnügung ich ihn nicht für diß /was er ist / nemlich für meine[135] Sonne erkennen würde. Ach! Ismene / fuhr Zeno heraus / auf was leitest du mich für eine Schiffbruchs-Klippe / an der meine beständige Treue zu scheitern gehen soll. Du verlangest einen Funcken meiner Liebe; weil du wohl weist: daß nicht mehr zu dem grösten Feuer / und zu Anzündung der halben Welt von nöthen sey. Der Natter-Stich in die kleinere Zehe / vergiftet den gantzen Leib biß zur Scheitel; und durch das Auge sämet ein einiger Blick den Brand der Liebe biß ins Hertze. Du kennst dich selbst mehr denn allzu gut / und weist wohl: daß wer deine Vollkommenheiten zu lieben anfängt / seiner Liebe weder Maaß noch Ziel / auch keine Neben-Sonne dir an die Seite zu setzen wisse. Ach! Ismene /sey gegen der unglücklichen Erato nicht so grausam! Mässige den mir aufgebürdeten Zwang; und wenn du mir ja nicht erlauben wilst / sie länger zu lieben / so nöthige mich doch nicht / ihr gram zu werden. Zeno und Ismene waren in ihrem Gespräche derogestalt vertieft / oder vielmehr gegen einander verzückt: daß sie Saloninens nicht einst gewahr wurden / welche wenig Schritte davon an der durch den Garten rauschenden Bach bey ihrer Ersehung stehen blieb / und nicht eins von des Zeno letzten Worten / welche ihr in ihren Ohren ein rechter Donnerschlag waren / verhörete. Sie wolte destwegen ihren Fuß zurücke setzen; es begegneten ihr aber an dem nechsten Quer-Gange die Hertzogin Thußnelda / die Fürstin Catta / Adelmunde / Zirolane und Leitholde mit dem Hertzog Flavius / Jubil / Rhemetalces / Melo und Sigismund; welche sie in ihre Gesellschafft zohen / und durch ihre Unterredung den Fürsten Zeno und Ismene mehr an dem Verfolg ihres Gesprächs / als ihres Liebs-Kummers störete. Sie kamen dieser Erlauchten Gesellschaft entgegen / und verstellten mit ihren Antlitzern zwar / so viel möglich / ihre Gedancken. Weil sich aber heftige Gemüths-Regungen so schwer vermummen / als grosse Maale des Antlitzes überfirnsen lassen / sahen alle ihnen ihre Verstellung an / und gaben sie beyden solches auch Schertzweise zu verstehen. Niemand aber sahe in das Geheim-Buch ihrer Gedancken tieffer / als Flavius; welcher daher ihm Gelegenheit aussah Ismenen auf die Seite zu ziehen / und umb den Zustand ihrer Liebe zu fragen. Ismene antwortete: Sie hätte diesen Morgen erfahren: daß das Glück in der Liebe mit der Verwegenheit in vertrauter Freundschafft stehe. Denn sie glaubte beym Fürsten Zeno nunmehr einen guten Stein im Brete und in seinem Hertzen nicht viel weniger / als Erato Theil zu haben. Flavius schöpfte hieraus / und aus darauf folgender Erzehlung nicht weniger Trost als Hoffnung / und liebkosete nach Art aller Verliebten seiner Begierde: daß so viel Ismene feurige Kohlen der Liebe in dem Hertzen des Zeno ausgelescht hätte; so viel todte ihm zum besten im Hertzen der Erato angezündet werden würden. Thußnelde nahm die Bewegung des Flavius und Ißmenens wahr; und weil ihre Scharffsichtigkeit bereit ein wenig in des Flavius geguckt hatte / nahm sie ihr Gelegenheit mit ihm alleine zu reden / und seine Heimligkeit auszuholen. Es dorffte aber hierinnen keines Bleymasses. Denn weil Flavius von Natur offenhertzig war / und Ursache zu glauben hatte: daß kein Mensch besser als die bey der Königin Erato so hoch angesehene Thußnelde ihm bey ihr besser in Worten seyn könte / gestand er nicht allein seine Liebe / sondern ersuchte auch Thußnelden ihm zu Erlangung seines Zweckes behülfflich zu seyn. Thußnelde aber schlug ihm sein Verlangen schlechter dings ab; weil sie die Störung anderer Liebe für ein mit der Tugend unvorträgliches Beginnen; sich aber als einen Werckzeug darzu brauchen zu lassen für ein unverantwortliches Laster hielt. Flavius erschrack über dieser hertzhaftẽ Erklärung / und wormit er seinẽ Fehler eine Farbe anstrieche / versetzte er: Zwischen Freunde und Verliebte Zwytracht und Haß säen / wäre / auch[136] seiner Meynung nach / ein verda liches. Verbrechen; aber das Recht sich selbst am meisten zu lieben rechtfertigte die Bemühung einem andern in der Liebe den Vortheil abzurennen. Thußnelde antwortete: Solch Beginnen gienge nur hin / wenn die Liebe zu keiner Verbindligkeit kommen wäre. Weil sie aber so wohl als Flavius die Königin Erato mit dem Fürsten Zeno so unauflößlich verknipft wüßte / wäre alles darwider gemachte Vorhaben etwas ärgers / als die dadurch gesuchte Untreue / welche zuweilen aus Irrthum und Mißverstande herrührte / meist aber durch frembde Veläumbd- und Verleitung verursacht würde. Ja weil die Liebe ein hi lischer Einfluß / wie der Haß ein höllischer Dampf wäre / stürmete solche Störung gleichsam selbst das Verhängnüß. Flavius erblaßte hierüber / fiel aber ein: Er getröstete sich von Thußnelden eines gütigern Urtheils; wenn sie glauben könte: daß Zeno mehr Ismenen als die Erato liebte /und also dieser / nicht er das Verbündnüß zerrissen hätte. Thußnelde fragte: Ob sie sich auf diesen Bericht sicher verlassen möchte? An statt der Antwort wendete sich Flavius gegen der nur wenige Schritte hinter ihnen folgenden Ismenen / und redete sie an: Ist es nicht wahr / liebste Schwester: daß sie den Fürsten Zeno und er sie liebe? Ismene färbte sich über dieser unvermutheten Rechtfertigung; und ob es wohl der Liebe Eigenschafft ist: daß sie leichter sich ins Hertze spielet / als vom Munde gehet / so sahe Ismene doch weder Ausflucht noch Vortheil in Verhölung ihrer Liebe; sondern sagte: Sie könte sich nicht schämẽ zu gestehẽ / was sie sich nicht geschämet zu thun. Es wäre wahr: Sie liebte den Fürsten Zeno. Wäre diß an ihr ein Fehler; so würde er der Verzeihung oder des Mitleidens würdig seyn. Denn die Liebe wäre die gemeinste Schwachheit der edelsten Gemüther; ihre aber so viel leichter zu entschuldigen / weil sie zeither mit so viel Verliebten hätte umbgehen müssen / die Liebe aber / wenn sie schon nicht auf uns zielte / uns doch anfeuerte und anfällig wäre. Uber diß liebte sie nichts als was eine so kluge Hertzogin sonder Zweifel für Liebens werth erkennen würde. Daß Fürst Zeno aber sie wieder liebte / hätte sie mehr zu wünschen / als sich mit Vermessenheit zu rühmen. Gleichwohl aber hätte sie zu ihm nicht weniger Hoffnung / als ein gutes Hertze. Denn diese wäre das Hertzblat der Liebe / ohne welches sie selbst bald verdorren müste. Flavius nahm das Wort alsofort von Ismenen / und sagte gegen Thußnelden: Ismenens Bekäntnüß wäre die beste Schutz-Rede seiner Liebe / und daher könte eine so liebreiche Fürstin einen / der ihrer Hülffe so benöthiget wäre / sich schwerlich überwinden / seiner Bitte zu entfallen. Thußnelde antwortete: Ich habe von der Beständigkeit so viel Gutes genossen: daß ich mich von ihr einer gerechten Rache besorgte; wenn ich sie im Hertzen der Erato von ihrem Fusse zu stossen mich bearbeitete. Denn da Fürst Zeno von ihr abgesetzt hat / verdienet die beständige Liebe der Erato als eine hertzhafte Märterin einen desto herrlichern Sieges-Krantz. Sintemal die Liebe eines wieder-liebenden mehr ein Wucher-Gewerbe / einen Todten noch lieben eine vollkommene Tugend / einen Ungetreuen aber treu bleiben noch was köstlichers als Liebe und Tugend ist. Flavius rieff hierüber: O der unglücklichen Köstligkeit! Mich bedünckt: es verwandele sich die Beständigkeit in eine Hartnäckigkeit / wenn sie sich von dem nicht trennen läst / was sie haßt / oder hassens werth ist. Ist die Liebe eine Tugend / so kan sie der Klugheit nicht entrathen / welche Untreue als ein Laster zu lieben nicht verstattet. Ja es ist eine Unbarmhertzigkeit gegen sich selbst / wenn man seiner Seele die Anbethung eines so unwürdigen Abgotts aufdringet. Wer also liebt / ist aus einer eiteln Ruhmsucht ihm selbst gram / ein Verschwender seiner Liebe / und den Thörichten zu vergleichen / die all ihr Feuer dem Nachbar mittheilen / und für sich nichts als die Asche behalten. Thußnelde[137] antwortete: Wenn das höchste Gut des Menschen in der Gemächligkeit und kitzelnden Wollust bestünde / würden wir sehr alber thun / wenn wir nicht auch andere Flacken aufstecktẽ / wenn unsere Freunde ihr Gemüthe ändern. So aber bestehet es in der Tugend / welche so selten ohne Beschwerligkeit / als die Rose ohne Dornen zu sehen ist. Denn das Glücke zeuget eben so wohl als die Natur mehr Heyde / als Jasmin; und die stachlichten Kasten-Nüsse sind gemeiner als Datteln. Die Tugend hat insgemein Schweiß und Mühe zu ihrem Wegweiser / Verdrüßligkeit zu ihrer Gefärthin /Haß und Neid zu ihren Nachtretern; daher muß die Geduld die Mässigung / und die Beständigkeit sie auf ihrem Fusse und in Ansehn erhalten. Diese liebet niemals die Untreue / ungeachtet sie dem Untreuen hold bleibt; und wie die Sanftmuth die wildesten Thiere kirret / eine heftige Liebe auch steinerne Hertzen erweichet / also leitet die unabsetzliche Treue mehrmals die irrenden auf den Weg / und machet das ausgeloschene Feuer der alten Liebe wieder rege. Also würde ich dieser Tugend zu nahe treten / und ihre gute Würckungen hindern / wenn ich bey der Königin Erato das Wasser ihrer Gewogenheit auff eine andere Mühle / als dem vielleicht bald wieder zu bessern Gedancken kommenden Zeno zuleiten solte. Flavius versetzte: Ach! allzu gerechte Thußnelde! die Liebe verträgt keine so strenge Richter / und stehet es denn der Freundschafft nicht zu einen kleinen Abweg von der Strasse der Tugend machen. Der grosse Weltweise Chilo hat diß ja für eine Schuldigkeit eines Freundes gehalten / und umb seinem Vertrauten zu helffen einem andern selbst einen schädlichen Rath mitgetheilet. Thußnelde begegnete ihm: Diß mag ein Irrthum des Chilo / aber keine Lehre eines Weisen gewesen seyn / welchen Fehler er auch auf seinem Tod-Bette bereuet hat. Denn der wenigste Absatz ausser den Gräntzen der Tugend ist ein Tritt in das Gebiete der Laster; welches die Freundschafft so wenig zuläßlich machen / als die Sonne den Mohren weiß bleichen kan. Daher der streitbare Pericles einem seiner ihm etwas ungleiches zumuthenden Freunde weiser als Chilo antwortete: Freunden müste man zwar willfahren / aber den Göttern damit nicht zu nahe kommen. Flavius ward hierüber nicht wenig bekümmert. Daher er denn mit einer sonderbaren Bewegligkeit Thußnelden ersuchte: Sie möchte doch mit seiner Liebe ein Mitleiden haben / und wo nicht ihm / doch der hierunter zugleich leidenden Ismene zu Liebe hierinnen kein widriges Gestirne abgeben; wenn sie ja ihren Einfluß zu ihrer Vergnügung zu geben Bedencken trüge. Thußnelde erklärte sich: Es könten ihr keine zwey grössere Freuden begegnen / als wenn Flavius mit des Fürsten Zeno Willen die Königin Erato eigenthümlich besitzen solte. Ob aber der Feldherr Ismenen erlauben würde einen Ausländer / der von seinem Ursprunge selbst nichts gewisses zu sagen wüste / zu lieben / wäre eine ihr Urtheil übersteigende Wichtigkeit. Hiermit wendete sie sich zu der andern Gesellschafft; verfügte sich aber noch selbigen Tag in der Königin Erato Zimmer / in Meynung die Geheimnüsse dieser neuen Liebes-Verwechselungen vollends auszuspüren. Sie traff aber die Königin Erato in so einem erbärmlichen Zustande an: daß sie gezwungen ward ihren Vorwitz in ein hertzliches Mileiden zu verwandeln. Denn Salonine hatte über des Zeno gegen der Ismene herausgelassenen Worten mehr Eiversucht gefangen / als wenn sie seine selbsteigene Buhlschafft gewest wäre. Weil nun diese Gemüths Regung nichts mässiges räthet / hatte sich Salonine übereilet / und nicht nur ihrer Königin alles Haar-klein erzehlet / sondern über des Zeno Treu alle Empfindligkeit eines zarten Hertzen ausgeschüttet.[138] Massen es denn an sich selbst wenig Kunst brauchte den Fürsten Zeno als den undanckbarsten Menschen in der Welt abzumahlen / weil er so leicht eine Fürstin in die Schantze schlagen / an welcher Natur und Tugend ein Meisterstücke auszuarbeiten keinen Fleiß gesparet / und die ihm zu Liebe Zepter und Krone mit Füssen von sich gestossen hatte. Diesemnach es denn wenig wunderns bedurffte: daß Erato ihr Antlitz gleichsam in Thränen badete / die Hände wand / über dem Kopfe schlug / ihr die Haare ausrauffte / und ein trauriges Ebenbild einer verzweifelnden fürstellte. Salonine erkennte aber zu spat ihre Ubereilung; indem man zarten Seelen so heftige Zufälle nach und nach /und wie kluge Aertzte ihre bittere Säffte nur Tropfen-weise beybringen / und die Pillen entweder überzuckern oder vergülden muß / wenn man beyde nicht tödten wil. Aber ihr Erkäntnüß war nun zu spat / und sie zu schwach dem von ihr verursachten Ubel abzuhelffen. Daher sie die Hertzogin Thußnelde so bald nicht ins Zimmer treten sah / als sie selbte als eine vom Himmel geschickte Helfferin mit ihrem stummen Munde / aber ihr Elend deutlich genung ausdrückenden Augen umb Beystand anflehete. Erato befand sich bey Thußneldens Eintritte noch in der ärgsten Verstellung / und in einer Unfähigkeit ein kluges Wort fürzubringen. Das Ansehen dieser Hertzogin würckte gleichwohl in der Königin ein Erkäntnüß ihrer Ungeberdung / und ihr holder Anblick besänftigte die stürmerische Unruh ihres Gemüthes so weit: daß sie ihr wölckichtes Antlitz etwas auszuklären / und ihren äuserlichen Unmuth zu verstellen bedacht war. Ihre wieder zu reden beginnende Zunge wuste gleichwohl nichts hertzhafters auszusprechen / als: Sie hätte alle Bitterkeiten des Lebens geschmeckt zu haben vermeynt; nunmehr aber fühlte sie etwas / gegen welchem alle vorige Galle und Wermuth für Süssigkeit zu halten wäre. Sie würde von einem solchen Schmertz gequälet / den kein Mensch / ausser ihr /niemals gefühlt hätte. Denn sie hätte mit dem Zeno die höchste Glückseligkeit der Welt zu besitzen gemeynt; also müste sie mit seinem Verluste / und zwar seiner so herben Entbrechung sich auch für die Unglückseligste aller Sterblichen achten. Die mitleidende Hertzogin Thußnelde ward hierüber zwar wehmüthig / weil sie aber wohl verstand: daß so gewaltsame Gemüths-Regungen eben so wohl als heftige Leibes-Kranckheiten mit scharffen Artzneyen geheilet werden müsten / redete mit einem ernsthaften Antlitze sie an: Sie hätte die Königin für eine großmüthige Heldin zeither verehret; sie sähe sich aber betrogen /und sie als eines der weichhertzigsten Weiber an. Hätte ihre Vernunfft / ja ihre Erfahrung sie noch nicht gelehrt: daß man so wenig in der Liebe als im Leben vollkommen und immer glückselig seyn könte? Im Himmel gäbe es mehr fest-stehende als irrende Sternen; in der Welt aber mehr veränderliche als standhafte Gemüther. Daher müste man wider Falschheit und Untreue sein Hertz / wie ein kluger Schiffer wider den umbschlagenden Wind seinen Mast befestigen. Wenn das Glücke ihr noch nie seine schlüpfrigen Füsse /und seine Flüchtigkeit gewiesen hätte / wäre ihr ihre Unwissenheit und Einbildung so sehr nicht zu verargen: daß es bey keinem Menschen festen Fuß setzte. So aber hätte sie / Saloninens Erzehlung nach / so wohl die Tücken des Glückes zu Artaxata / als die Bitterkeiten der Liebe zu Sinope genungsam geprüfet. Sie möchte sich erinnern / was sie zu Athen in dem Tempel des guten Glückes der Hoffnung / als einer Abhelfferin alles Unheils für ein Gelübde gethan hätte; welches sie nun[139] entweder bräche / oder diese ihre Abgöttin für eine Betrügerin halten müste. Wäre ihr entfallen / was sie unter dem Gordinischen Gebürge mit Saloninen über der dem Fürsten Zeno zu Liebe geschehenen Verstossung der Armenischen Krone für Süssigkeit geschmeckt; und wie sie Saloninens Zweifel mit der im Phrixischen Tempel empfangenen Weissagung so hertzhafft abgelehnet hätte? Was für Kleinmüthigkeit wäre es nun an dem glücklichen Ausschlage des Verhängnüsses zu zweifeln / welches in allen ihr ertheilten Wahrsagungen so eigentlich eingetroffen hätte? Ja wenn auch alle Hoffnung ihren Zeno zu erhalten verschwunden wäre / stünde einer solchen Heldin derogleichen Geberdung nicht an. Denn da wir in gewissen Fällen unser eigenes Leben zu verspielen für Gewinn achten müsten / stünde niemanden zu / der Vernunfft und Hertzhaftigkeit hätte /sich mit dem Verluste einigen andern Dinges sich selbst durch Kleinmuth zu verlieren. Erato hörete Thußnelden mit Geduld zu / und nach unterschiedenen Seufzern fing sie ein: Ich erkenne meine Schwachheit / leider! so wohl als mein Unglück; aber es steht in meiner Gewalt so wenig klug als glücklich zu seyn. Unterdessen tröst ich mich: daß meine Unvernunfft ein Zeugnüß meiner unverfälschten Liebe ist. Wenn mich nicht so wohl Zeno / als mein Glücke verliesse / oder mich nicht sein Vorsatz / sondern ein Zufall seiner beraubte / traute ich alle seine Stösse /und alle Verfolgungen des Verhängnüsses auszutauern; so aber werde ich durch seinen Verlust nicht nur verunglückt / sondern durch seine Untreue / als eine seiner nicht würdige Liebhaberin beschimpfet. Thußnelde begegnete ihr: Es ist das letztere freylich wohl schmertzhafter. Alleine / wenn Zeno schon an ihr derogestalt mißhandelte / würde ihr doch so wenig verkleinerliches / als den Mohren die Schuld beyzumessen seyn: daß sie von der Sonne geschwärtzt werden. Tugend hat nicht nur mit dem blitzenden Himmel / mit der lebenden Erde und dem liederlichen Glücke /sondern auch mit den Lastern und Fehlern der Menschen zu kämpfen. Und wir müssen bey Verläumdung unserer Neider / bey Verachtung des Pöfels uns mit unserer Unschuld und des Verhängnüsses Schickung trösten: daß es zwar bey uns steht tugendhaft zu seyn / derogleichen Meynung aber von uns zu haben nicht allen aufdringen können. Wir machen uns aber in solchen Fällen niemals mehr verdächtig / als durch Ungeduld; und beschämen Neid und Verachtung durch nichts besser / als wie verfinsterte Gestirne durch richtige Verfolgung unserer Bahn. Ja die / welche uns zu beflecken gemeynet / verehren uns hernach so viel mehr beym Erkäntnüsse ihres Irrthums; und die mehrmals für verloschen gehaltene Liebe ko t hernach /wie die Wolcken und Nebel zertreibende Sonne / mit desto hellerm Lichte wieder herfür. Erato antwortete: Ich erkenne zu Danck: daß die vollkommenste Liebhaberin der Welt aus Mitleiden mich von der Irre-Bahn auf den rechten Weg leiten wil. Aber die Barmhertzigkeit einen mit leerer Hoffnung zu speisen hat mehr Grausamkeit in sich / als einen / der erhungern soll / mit dem nährenden Geruche fürgesetzter Gerichte aufhalten. Gleichwol aber ist der Himmel gegen mir noch viel grausamer. Denn er bekrieget mich durch die Liebe eines andern / welchen ich lieben müste / wenn ich den Zeno nie geliebt hätte / und mein Gemüthe so wanckelmüthig als Zeno wäre. O ihr Götter! wie unbarmhertzig handelt ihr gegen mich durch Verlängerung meines Lebens / oder vielmehr ihr grausamen Menschen / die ihr mich an der Freyheit zu sterben hindert! nur damit ich entweder über der Untreue des Fürsten Zeno unaufhörlich seufzen /oder durch[140] eines andern Liebe seine Veränderung rechtfertigen müsse. Die tiefsinnige Fürstin Thußnelda fühlte an den letzten Worten so wol ihre Liebes-Schwäche gegen den Flavius / als die Aertzte die Kranckheiten an dem Pulße. Weil sie nun aus diesem Feuer allerhand Rauch besorgte / wünschte sie bey zeiten solches in der Königin Hertzen zu dämpfen. Daher sie zwar nichts wenigers / als ihre und des Flavius Liebe ausgespürt zu haben anstellte; gleichwol aber ihr einhielt: es wäre freylich nichts unglücklichers / als wenn wir durch unsern nachfolgenden Fehler eines andern vorgehendes Laster rein brennten; zur Störung unserer Gemüths-Ruh aber nichts schädlicher / als eine zweifelhafte Theilung unsers Hertzens. Denn eine Seele vertrüge so wenig zweyerley Liebe / als ein Kreiß zwey Mittelpuncte / und die Welt zwey Sonnen. Daher müsten die / welche ruhig und glücklich seyn wolten / ihrer Liebe enge Schrancken setzen / und die Augen für neuen Reitzungen niederschlagen. Sintemal eine zertheilte Liebe die Lebens-Geister zerstückte / und ihr eigenes Hertze durch tausenderley Quaal zerfleische. Weil die Liebe uns mit dem Geliebten vereinbarte / fühlte man alle Wunden und Kranckheiten wormit diese befallen würden. Und derogestalt wäre mehrmals unsere empfindliche Seele auf eine Zeit der Hitze und Kälte / dem Donner / und dem Schifbruche auf der See / der Heucheley und der Verläumbdung unterworffen. Ja man stürbe nicht selten stückweise / und würde mit dem Untergange dessen / was uns lieb ist / bald dar bald dort ein Theil unsers Hertzens mit begraben. Welch Leben denn eine stete Folter-Banck / ja ein täglicher Tod wäre / dessen unerträgliche Marter die Königin vernünftig aus ihrer itzigen Empfindligkeit zu schöpfen hätte / die sie aus dem besorgten Verluste des von ihr einig-geliebten Zeno schöpfte. Nach diesen und etlichen andern sanffteren Einredungen nam Thußnelda von der Erato Urlaub / in Meinung: daß der Königin Gemüthe zu seiner Beruhigung wie getrübtes Wasser zu seiner Ausklärung mehr Zeit als Arbeit vonnöthen hätte. Salonine aber / welche Thußnelden allzu wol verstand / aber alle Hofnung verlohren hatte den Fürsten Zeno von Ismenen abwendig zu machen / und die mit der Königin abgebrochene Treue zu ergäntzen /liebkosete der Königin neuen Neigung derogestalt: bey vieler Dinge Besitzthume ließe sich eines ohne sonderbare Empfindligkeit einbissen / aber der Verlust dessen / was man nur allein hat / wäre auch dem allerhertzhaftesten unverschmertzlich. Worinnen ihr Erato itzt ein trauriges Beyspiel abgebe. Also wüste sie nicht: ob es mehr Schwachheit als Klugheit wäre sein Hertz einem alleine zum Leibeigenen machen. Wer seinen Schatz an unterschiedene Orte vergrübe /oder seine Waaren auf viel Schiffe vertheilte / den könte weder Arglist noch Ungewitter auf einmal arm machen. Am allerwenigsten aber könte sie in der Liebe und andern Dingẽ wol oder klug gethan rühmen / wenn man seine erste Einbildung ihm zum Götzen machte / und seinem freyen Willen den unveränderlichen Vorsatz oder vielmehr die Dienstbarkeit / selbten durch keine neue Wahl zu verbessern / aufdringe. Deñ weil Wesen und Schein / Liebe und Heucheley von sammen schwerer als gute und falsche Edelgesteine von einander zu unterscheiden wären / wäre nichts gemeiners / als in der vorsichtigsten Wahl dennoch fehlen; ja die Menschen verwandelten sich eben so greulich als die Seiden-Würmer in geflügelte Raupen / und würden niemanden unähnlicher / als ihnen selbst. Durch diesen und anderen Einhalt ward Erato so verwirret und zweifelhafft: daß sie weder einigen Trost zu schöpfen / noch was gewisses zu entschlüssen vermochte / sondern als ein Ruder-loses[141] Schif von den Wellen ihrer eigenen und anderer Regungen bald dar bald dorthin verschlagen ward.

In nicht viel besserem Zustande befand sich Ismene / weil sie der Hertzogin Thußnelde letztern Worte auf der Seite gar genau gefaßt hatte / welche ihrer / gegen einen unbekandten Ausländer geschöpften Neigung wenig geneigt zu seyn schienen. Sie beschwerte sich in ihren Gedancken: daß Flavius Thußnelden ihre Liebe entdeckt; noch viel grössere Schuld aber gab sie ihr selbst: daß sie aus übermäßiger Verträuligkeit sich gegen ihre Schwägerin so bloß gegeben hatte. Denn ob es zwar nicht thulich wäre / seinen Freunden alle sein Anliegen verschweigen; so wäre es doch noch viel gefährlicher für ihnen niemals etwas geheim halten. Auf diesen vorspielenden Blitz aber folgete wenig Tage darnach ein viel grausamer Donner-Wetter. Denn weil Hertzog Herrmann ihm nichts mehr angelegen seyn ließ / als die Wurtzel der zwischen den Cheruskern und Catten eingewurtzelten Feindschafft mit Strumpf und Stiel auszurotten / die neue Eintracht aber / und mit dieser die Wolfarth Deutschlandes durch alle nur ersinnliche Verbindnüsse zu befestigen; hatte der Feldherr durch den obersten Priester Libys die Heyrath seiner Schwester Ismene mit dem Fürsten Catumer / und des Hermundurischen Fürsten Jubils mit der Fürstin Catta / und des Caßuarischen Fürsten Siegmunds mit der Chaucischen Fürstin Adelmunde dem Hertzoge Arpus und Ganasch fürschlagen lassen. Das in Deutschland ungemeine Ansehen des Priesterthums und die Klugheit des frommen Libys hatte es beym Hertzoge Arpus auch schon beyder Heyrathen Einwilligung zu wege gebracht; und wegen Hertzog Jubils bey dem Hertzog Ganasch einen guten Grund gelegt. Der Feldherr ward über dieser glücklichen Handlung aufs höchste erfreuet / aber / als er diesen Schluß durch seine Gemahlin Thußnelde Ismenen fürzutragen begehrte / über ihrer Nachricht von Ismenens gegen den Fürsten Zeno angeglommener Liebe aufs höchste bekümmert. Nichts desto weniger ließ er sich dis an seinem Vorhaben nichts hindern / sondern entschloß vielmehr bey ihm feste mit seinem Ansehen durchzudringen / und dahero seiner Schwester Ismenen selbst den Vortrag zu thun. Er kam daher den nechstfolgenden Morgen selbst in ihr Gemach; machte daselbst in seinem Fürtrage von dem Lobe ihrer Tugenden und Schönheit / von seiner für sie tragenden Sorge den Eingang; lenckte hernach auf den Wolstand des gemeinen Wesens ab / worzu das Weibliche Geschlechte eben so wol als das Männliche / Werkzeuge abzugeben verbunden wären. Diese ihre Pflicht hätte Ismene durch freywillige Erkiesung der Waffen in der Schlacht mit dem Varus bewehret / und es durch ihre Tapferkeit vielen Helden zuvor gethan. Daher zweifelte er an nichts weniger / als an ihrem guten Verfolg ihres so herrlichen Anfangs. Gleichwol aber hätte seine Brüderliche Gewogenheit ihm angelegen / zwar durch einer so holdreichen Schwester Verehlichung dem Vaterlande eine Wolthat / jedoch ihr dardurch kein Unvergnügen zu schaffen. Die meisten Fürstinnen wären dem unglücklichen Verhängnüsse unterworffen: daß sie ihres Standes / oder gewisser Staats-Ursachen halber sich müsten niegesehenen Fürsten / und derogestalt oft Kriepeln und Mißgeburten verloben lassen. Aber ihm solte leid seyn über Ismenen eine so grausame Bothmäßigkeit zu üben. Eines seiner Augen hätte zwar auf Deutschlandes Heil / das andere aber auf Ismenens Vergnügung sein unverrücktes Absehen gerichtet / und er ihr daher einen solchen Bräutigam ausgesonnen / der am Stande ihr gleich; dessen gute Bildung ihr für Augen /[142] ja sie seiner Tapferkeit eine Zuschauerin gewest wäre. Dieses aber wäre Catumer der Catten Erb-Fürst / ein Herr /an dem die Natur nichts vergessen / und der Neid nichts zu tadeln hätte. Ismenens Hertze fieng an über dem ersten einer Verlobung erwehnenden Worte so sehr / als einer / der über sein Leben und Tod ein ungewisses Urthel anhöret / zu beben; jedoch verstellte sie ihre Verwirrung bis auf den letzten Schluß / welcher als ein Donnerschlag alle zu ihrer Vermummung gemachte Anstalt über einen Hauffen warf. Alle Bemühungen sich zu erholen waren zu schwach ihre Gemüths-Regungen zu verdrücken / und der Feldherr laaß ihre Entschuldigung zeitlicher an ihrer Stirne /als ihre Zunge mächtig war solche fürzubringen. Sie rühmte seine Brüderliche Liebe / bedanckte sich für die Väterliche Vorsorge; strich die Vollkommenheit des Fürsten Catumers heraus / und wünschte das geringste Werckzeug bey Beförderung gemeiner Sicherheit zu seyn. Hierauf aber wendete sie das Blat / und weil sie nicht zweifelte: Thußnelde würde dem Feldherrn die in ihrem Hertzen angeglommene Liebe entdeckt haben; ja diesen neuen Heyraths-Fürschlag für ein von der Thußnelde an die Hand gegebenes Mittel hielt / dem Zeno im Lichten zu stehen / und ihrer Liebe den Riegel fürzuschieben / getraute sie nicht sich auf eine Abneigung vom Heyrathen zu beziehen /sondern sie gründete sich auf die bey den Deutschen gewohnte Freyheit / welche denen Fürstlichen Fräulein so wol / als gemeinen Jungfrauen ihren Bräutigam nach ihrer Willkühr zu erwehlen erlaubte. Daher versehe sie sich zu einem so gütigen und gerechten Bruder / er würde sie / welche durch keine Missethat des gemeinen Rechtes verlustig gemacht / nach der Neigung ihres Hertzens / und nach Eingebung des Himmels sie sich verehlichen lassen. Der Feldherr antwortete: Der Pöfel möchte nach dem blinden Triebe ihrer ersten Regungen / Fürsten aber nach Gesätzen der Staats-Klugheit heyrathen. Weil man dem Vaterlande mehr als sich selbst gebohren wäre / drückte die gemeine Wolfahrt alle andere Absehn unter sich. Daher müsten Fürsten ihnen den lüsternen Zahn / in der Liebe nur ihre Vergnügung zu suchen / ausschlagen / und gedencken: daß diese Beschwerligkeit durch ihr hohes Ansehen und durch die so süsse Herrschafft über gantze Völcker reichlich ersetzt würde. Wer in allem nach Belieben zu thun ungebundene Hände hätte / könte unschwer in der Liebe eine mäßige Dienstbarkeit vertragen. Dieses Gesätze erstreckte sich so weit als die Herrschafften / und daher auch über Deutschland / welchem sie als eine treue Tochter des Vaterlandes nicht zu wider leben könte / sondern ihre Neigungen für seine Wolfahrt desto williger aufopfern würde / weil sie ja in der Schlacht schon ihr Blut dafür zu versprützen den Anfang gemacht hätte. Ismene fiel ein: sie erinnerte sich keines Beyspiels: daß im Cheruskischen Hause einige Fürsten ihren Töchtern / weniger Brüder ihren Schwestern aus diesem Grunde Männer aufgezwungen hätten. Von andern der Dienstbarkeit gewohnten Völckern liesse sich auf die Deutschen / welche so wenig ohne Freyheit als Athem leben könten / keinen Schluß machen; und würde dieser denen Jungfrauen unerträgliches Joch aufhalsen / wenn die / welche nur einmal ihr Lebtage heyrathen dörffen / in ihrer einigen Vermählung kein Wahlrecht hätten. Sintemal der Zwang einen wider Willen zu ehlichen grausamer als das Verbot gar nicht zu heyrathen wäre. Der Feldherr begegnete ihr: Er könte diese Meinung gelten lassen /wenn eine Fürstin zu unanständiger Vermählung gezwungen würde; wie in Sarmatien / da man Königliche Töchter keinem Fürsten / umb allen Anspruch an das Reich zu verhüten / sondern nur wenigen Geist habenden Dienern vermählte; oder sie / wie Käyser August[143] seine dem Antonius vertraute Schwester Octavia nur zu seines Feindes Fallbrete / oder gar nach ihnen angekünstelter Unfruchtbarkeit sie zu Vertilgung anderer Fürstlicher Häuser mißbrauchte. So aber hätte er durch Erwehlung des tapferen Fürsten Catumers Ismenens Vergnügung nichts abgebrochen; indem niemand / der nicht von einer andern Einbildung schon eingenommen wäre / ihn als nicht Liebens werth verachten könte. Ismene fiel ein: sie wäre zu wenig diesem vollkommenen Fürsten Mängel auszustellen; aber dis wäre doch wahr: daß er aus dem Cattischen Hause wäre / dieses aber mit den Cheruskern eine ewige und so heftige Feindschafft gehegt hätte: daß man glaubte: beyder Geblüte liesse sich so schwer / als Hartzt und Wasser mit einander vermischen. Wie solte sie nun mit einem Catten eine unzertrennliche Gemeinschaft des Leibes und des Gemüthes eingehen? oder deutscher zu sagen / ihn so werth achten / als wenn es keinen Mann mehr in der Welt hätte / und mit ihm nicht nur sein gegenwärtig und künftiges Glücke übernehmen / sondern auch seine Neigungen und Begierden in mich saugen. Werde ich so deñ / wenn das Wetter und der Catten Freundschaft umbschlagen wird / auch mit Catumern wider meine Cherusker eine Todfeindschafft hegen /und wie die dem Theseus vermählte Hippolyte wider die ihr verschwisterten Amazonen die Waffen führen müssen? denn die Erfahrung hätte bewehret: daß die Zusammenheyrathung zweyer widriger Geschlechter den dardurch auszuleschen vermeinten Groll wie die in das brennende Naphta der Susianischen Brunnen gegossene Fluth das Feuer nur rasender mache. Würde meinem hertzliebsten Bruder so denn nicht mit mir das Hertz bluten / wenn er mich sodenn zum Steine des Anstossens so wol der Cherusker und Catten gesetzt / und zwischen Thür und Angel eingekle t sehen würde? Sintemal der Ehstand ohne dis mehr Dörner als Blumen trägt / und mehr Trauer- als Feyertage zehlet / derer jede Stunde uns eben so wol zweymal so lang wird / als jede Dornspitze zwey Wunden sticht / weil man so wol seine eigene als seines Ehmanns Schmertzen fühlet. Würde ich sodenn nicht unbillich lebenslang über die / welche mich in ein so strenges Gefängnüs verdammt hätten / zu seufzen Ursach haben? Sintemal der / welcher sein Geblüte einem Feinde vermählt / unverantwortlicher als Lucius Valerius handelt; der seinen ärgsten Feind Cornelius Balbus zum Erben einsetzte / weil todtes Reichthum ja keine Fühle wie Menschen haben. Den Feldherrn bissen diese letzten Worte zwar im Hertzen; weil er aber wol wuste: daß wie das reinste Wasser von dem darein fallenden Regen Blasen macht / also auch die besten Gemüther / wenn sie einmal in Verwirrung gerathen / sich leicht zur Unbedachtsamkeit verleiten lassen / und daß man mit Sturme in der Liebe mehr einreisse als baue / verschmertzte sie; und begegnete Ismenen: Die zwischen den Cheruskern und Catten eine Zeitlang gewehrte Zwytracht wäre keine Mißgeburt giftiger Hertzen / sondern eine von beyder Völcker Tugend angezündete Flamme gewest. Denn sie hätten nicht umb schnöden Raub oder aus Haß und Begierden das andere zu unterdrücken / sondern umb den Vorzug der Tapferkeit gefochten / und als zwey Feuersteine sich an einander geprüfet. Die Ehre aber wäre von so hohem Werthe: daß nichts als sie solche Irrthümer zu entschuldigen vermöchte. Denn ein herrlicher Nachruhm wäre das höchste unter allen Glückseeligkeiten / ja der Mensch hätte außer ihm nichts bessers GOtt danckbarlich abzugewehren. Sein Glantz erleuchtete das Finsternüs der schon verschimmelten Zeiten / und sehe in das unbegreifliche Ende der Nachwelt hinaus. Ja die dem menschlichen Hertzen eingepflantzte Begierde nach dem Tode unvergessen zu seyn / wäre ein herrliches Zeugnüs[144] für die Unsterbligkeit ihrer Seelen; ohne welcher Vorschmack sie sich nimmermehr so eivrig umb ein gutes Gedächtnüs bewerben würden. Westwegen die Serer ihren Todten allererst so viel Ehren-Titel zueignen /die alten Griechen aber dem Saturn und der Ehre Bilder mit entblösten Häuptern aufgerichtet / und beyden als zweyen keiner Verfinsterung unterwürffigen Gottheiten geopfert haben. Bey welcher Bewandnüs denn die Catten und Cherusker einander höher als kein ander Volck geschätzt / niemals aber einige Abscheu sich mit einander zu vermählen gehabt hätten. Hingegen aber wäre ungewiß: was Zeno für ein Landsmann / oder aus was für einem Geschlechte er wäre; welchen weder er / noch einiger ander deutscher Fürst sich mit dem Cheruskischen Geblüte würde vermischen lassen. Sintemal Ismene wol wüste: daß das Cheruskische niemals als mit uralten Fürsten sich verknüpft / und so wenig Enckel ohne Hertzogs-Hüte /als der Granat-Aepfel-Baum Aepfel ohne Kronen hätte. Und da Zeno sich für sich selbst nicht genungsam als einen Fürsten aufführen könte / würde Ismenens Vermählung ihn zu keinem nicht machen. Denn die Deutschen hielten es weder mit den Lyciern / wo ein Weib den Mann adelte; noch auch mit den Seren /und Parthen / wo eines Handwercksmannes Tochter durch edle Heyrath edel und zur Fürstin würde; eine einem Unedlen verlobte Fürstin aber nicht einst unter den niedrigen Adel ihre Stelle hätte. Daher möchte Ismene nur bey zeite ihre süße Gedancken aus dem Siñe schlagen / wo sie ihr anders einige vom Zeno hätte träumen lassen. Mit diesen Worten grief der Feldher Ismenen aus Hertze / und tastete zugleich ihren Augapfel an / also: daß die milden Thränen ihr häuffig über die Wangen schossen / ihr klopfendes Hertz aber sich gleichsam aus ihrer Brust zu arbeiten suchte. Denn es geht der Liebe wie den Strömen / welche /wenn man ihren Lauff mit Währen oder Schleussen aufschwellet / sich über Ufer und Tämme ergießen. Sie antwortete / jedoch mit zitternder Sprache: sie könte nicht leugnen: daß ich / oder vielmehr das Verhängnüs mein Hertze dem Zeno zugewendet habe. Denn meine Zuneigung / welche vorher niemals einigen kleinen Vorschmack der Liebe genossen / ward gleichsam in einem Augenblicke wie eine vom Gebürge abstürtzende Bach so heftig dahin getrieben: daß ich alle meine Widersetzligkeit auf einmal übern Hauffen geworffen sahe. Die Liebe hat mich ehe bemeistert / als angesprengt / welcher man nicht wie der Schleichenden widerstehen kan. Denn sie raubet uns uns selbst / und entwafnet so wol unsere Vernunft /als Tapferkeit. Ich wil nicht widersprechen: daß ich geirrt und gefehlet. Aber so viel grosse Beyspiele unsers Hauses reden doch für mich: daß Lieben ein Irrthum der Klugen und eine Schwachheit der Hertzhaftesten sey. Ich habe nicht nur die mir itzt gemachte /sondern auch die der Erato halber entgegen stehende Schwerigkeit gesehen. Denn weil er von dieser allein geliebt zu werden verlangte / schien kein Mittel übrig zu seyn / seine Liebe zu erwerben / als wenn man ihn nicht liebte. Allein die letztere Schwerigkeit hat die erste / und diese jene wie ein Nebel den andern verzehret. Denn weil sein Ursprung ungewiß / und sein Fürsten-Stand zweifelhaftig ist / kützelte sich meine Liebe so vielmehr mit ihrer vollkommenen Reinigkeit: daß sie den Zeno selbst / nicht seinen Stand und Glücke liebte. Weil aber eine so mächtige Königin des grossen Armeniens den Zeno nicht nur liebte /sondern ihm zu Liebe ihr Königreich weggeworffen hatte / war mir unglaublich: daß Erato was geringers als einen Fürsten lieben solte. Sein Fürstliches Ansehen / seine so wol an Hof als zum Kriege nöthige Tugenden redeten für ihn / und verdammten meinen daran habendẽ Zweifel als die schwärtzeste Verläumbdung. Und was machte mir ferner[145] am Wege stehen / da der kluge Herrmann ihn als einen Fürsten verehrte / und unterschiedene Hertzoge ihm gar die Oberstelle einräumten. Der Feldherr setzte ihr entge gen: ich würde wider die Gesätze eines höflichen Wirthes gesündigt haben / wenn ich den / welchen ich für einen angenehmen Gast aufgenommen / seines Standes halber gerechtfertiget / oder ihm die von andern zugestandene Ehre strittig gemacht hätte. Bey Vermählung aber würde es eine schädliche Unvorsichtigkeit seyn / wenn man ohne vorhergehende Ergründung der Ankunft auf oft betrügliche Muthmassung den Grund einer so hochwichtigen Verbindung bauen wolte. Des Zeno Tugenden wolte ich lieber einen Ehren-Krantz aufsetzen / als ein Blat von seinem verdienten Ruhme abbrechen. Alleine wie das so edle und mächtige Feuer nur unnütze Asche und greuliche Kohlen / das die Erde an Grösse übertreffende Meer nur Fichten einer Ellen lang / ein tapfer Fürst aber einen untüchtigen Sohn zeuget; also ist hingegen Unedlen so wenig der Weg zur Tugend / als den Schnee-Königen dem Adler gleiche in die Höhe zu fliegen verwehret. Daher läßt sich Tugend und Adel nicht stets an eine Schnure fädemen. Seine Gestalt hat auch freylich zwar das Ansehn eines Helden; aber euserlicher Schein ist ein betrüglicher. Führer unsers Urthels und unser Begierden. Vollkommener Liebe Eigenschafft ist auch freylich die Person nicht ihre Anhänglinge werth halten; und Fürsten haben hierinnen kein besonder Recht. Eine Fürstliche Braut bringet in Deutschland eben so wol als eine gemeine ihrem Gemahl ein Joch Ochsen / ein gesatteltes Pferd / und eine volle Rüstung zu / umb anzudeuten: daß sie beym Friede in der Arbeit / im Kriege in der Gefahr /und wenn er aller seiner Hoheit entsetzt würde / auch hinter dem Pfluge seine treue Gefärthin bleiben wolle. Destwegen aber ist eine Fürstin nicht befugt sich in einem Ackersmanne zu vergaffen / und aus dem Pöfel ihre Vergnügung zu holen. Wenn man schon Wein /Balsam / Honig / Gu i / oder andere köstliche Saffte in die Muscheln tröpfet / wird doch keine Perle daraus / sondern der vom Himmel fallende Thau / nach welchem die Schnecken als nach ihrem Ehmanne dürsten / ist der allein sie schwängernde Saamen dieser theuern Muschel-Töchter. Also ist Tugend und Geschickligkeit in Deutschland zu Fortpflantzung hoher Geschlechter nicht genung / sondern sie müssen mit Fürstlichem Geblüte vermischt seyn. Wie / nach der Egyptier Lehre / von einem sterblichen Manne und einer unsterblichen Frauen nichts gezeuget werden kan / also zeugt bey den Deutschen kein Unedler mit einer Fürstin nicht einst einen Edelmann. Stand und Tugend aber ist im Fürsten Catumer / welcher sich vom Tuiscon her ausführen / und allen Helden der Welt die Wage halten könte / vollkommen vereinbaret. Da ihm nun gleich Zeno in beyden gleich käme /hat doch Ismene als eine deutsche Fürstin Catumern den Vorzug zu enträumen / weil er ein Deutscher /und der anwartende Erbherr über alle Catten ist / welche ihre siegreiche Waffen bis an die Seulen Hercules / und über den Phrat ausgebreitet / und von denen die bezwungenen Feinde zu sagen pflegen: daß die unsterblichen Götter für ihnen nicht stehen könten. Daher würde Ismene / wenn sie der Sache nur recht nachdächte / und nicht ihren ersten Irrthum ihr selbst zu einem Götzen aufnöthigte / zweifelsfrey wenig Bedencken haben zum Fürsten Catumer zu greiffen. Wie die meisten Stauden im Anfange am stärcksten schieben; also hat zwar auch die erste Liebe den heftigsten Trieb; unterdessen sind doch so wol dort die Zweige /als hier die Regungen an sich selbst am schwächsten; hernach aber härten sie sich alle Stunden / und vergrössern sich über Nacht. Daher solte sie dieser Schwachheit beyzeite begegnen. Denn die Eichen /welche[146] gleichsam natürlich-wachsende Colossen vorbildeten / liessen sich anfangs wie weidene Ruthen beugen. Uber die zuletzte sich in Meere verwandelnde und zu übersehen unmögliche Flüsse könte man bey ihrem Quell mit gleichen Füssen springen. Die Löwen wären bey ihrer Geburt so ungewafnet als die Hasen /und die Elephanten nicht stärcker als junge Rehe. Nicht anders ist es mit unser Liebe und andern Regungen beschaffen. Ihr Ursprung rühret wie der Wolcken-Brüche von Tropfen her; ein Funcken und ein kaum sichtbares Saam-Korn ist eben so wol als gantze Städte fressender Flammen / und hoher Cedern Saame ein Tropfen; sie werden aber hernach zu Strömen und unleschbaren Bränden. Sie haben anfangs weder Zähne noch Klauen / welche weder Kette noch Kesicht bändigen / kein Mohnsafft der Klugheit einschläffern / keine Beredsamkeit bezaubern kan. Man meint sodenn der Unmögligkeit Gewalt anzuthun /und die Vernunfft zu trotzen. Man rennt sodenn gantz verblendet in sein eigen Verterben / und unsere Neigungen halten sich sodenn wie Eppich an den umbwundenen Stock unauflößlich an / wenn selbter gleich faul und wurmstichig ist / und uns mit ihm unser Fall für Augen schwebt. Ismene seufzete hierüber / und fieng an: Ach! es ist mit mir schon so weit kommen! meine Liebe hat niemals die Kleinigkeit eines Sandkorns / sondern mit ihrer Geburt wie die Gebürge von Erschaffung der Welt an einerley Grösse gehabt; und sie kan so wenig als unser Berg Melibocus mehr wachsen. Was für Unehre würde mir auch nicht zuwachsen / wenn man Ismenen nachredete: daß sie mit ihren Worten / wie die Lufft mit den Blättern spielte? daß ihr Gemüthe wie die Echidnischen Eylande bey Winde hin und her schwermen? daß sie nach so hohen Betheuerungen durch ihre Untreue den vollkommensten Fürsten Zeno so liederlich hinters Licht geführet /und durch ihre Wanckelmuth sich aller hertzlichen Liebe unfähig gemacht hätte? der Feldherr brach ein: diese Gedancken wären alles Kitzelungen der Neuigkeit; welche ihr selbst-geschriebenes Lob an der Stirne trägt / und nicht nur mittelmäßigen Dingen / sondern auch Africanischen Mißgeburten eine falsche Schönheit eindrücket / und stählerne Spinnenweben für fester als Hanfene Schif-Tauen hält. Sie fühle nur was behertzter an ihre Ketten / und entschlage sich eine Zeitlang des Zeno / sie untersuche den Grund meiner bewehrten Einrathung / und gebe den Ausschlag ihrer Entschlüßung nach dem / was ihr aus ein oder der andern Heyrath für gutes oder böses erwachsen kan; so wird sie gewahr werden: daß die Fessel ihr von sich selbst vom Halse fallen werden. Die geschwinden Lieben sind ohne dis nicht so tauerhaft als die langsamen. Die bald Feuer-fangende Spreu verlodert in einem Augenblicke / das kalte Eisen aber wird schwer / bleibt aber lange glüend. Dieses ist der heilsamste Weg sich auch aus einem Felsen-Kerker durchzuarbeiten. Sie erwege dieses nicht nur überhin und einmal / sondern oft und mit gutem Bedacht. Höhlen doch die weder Härte noch Bestand habenden Regentropfen den unter allen Steinen allein im Schmeltz-Ofen nicht zerflüssenden Marmel aus; der beseelte Staub der fühlenden Natur / nemlich die Ameissen lassen auf den dem Stahle widerstrebenden Klippen eine Spur / worüber sie offtmals nach ihrer Nahrung auslauffen. Wie soll nicht die tiefste Einbildung einem vernünftigen Vorsatze nachgeben? Nach erkenntem Irrthume aber ihn verlassen / ist die andere Staffel der Klugheit / an seiner Meinung aber / wie der vielfüßichte Meer-Fisch an den mooßichten Klippen kleben / eine scheltbare Hartneckigkeit; und eine der Gelbesucht gleiche Kranckheit? welche unsere Augen bethöret: daß ihnen alle anders-gefärbte Dinge gelbe seyn müssen.[147] Schämet sich doch das Vorbild der Beständigkeit / und die Richtschnur der allerordentlichsten Dinge nicht ihren Lauf zu verändern /und zuweilen gleichsam zu wancken. Und was wil Ismene viel Wercks über Veränderung einer unbedachten Liebe zu machen? Die Schwäche ihres Geschlechtes entschuldiget ihre Schwachheit. Sintemal die gantze Welt weiß: daß das Frauenzimmer die Sonne in Augen / den Monden im Hertzen hat. Ismene erblaßte hierüber / und versetzte: Ich bin von Kind-auf bemüht gewest / mich dieser Weibischen Gebrechligkeit zu entbrechen / und den Diamantstein mir zu meinem Sinnbilde erkieset / umb mich beyzeiten beständiger Entschlüßungen anzugewöhnen. Diese wird Fürst Catumer zweifelsfrey selbst höher halten / als ein Gemüthe / das wie ein vom Winde geregtes Rohr hin und her fähret. Ich kan mich nicht wol bereden: daß Catumer zu einer Seele grossen Zug haben soll / die von einer andern Liebe schon eingenommen ist / welche aus dem eingenommenen Hertzen schwerer als der Geruch aus einem mit Balsam durchzogenen Gefäße zu bringen ist. Der Feldherr brach ein: Liebe Schwester; sie mache ihr das Werck so schwer / als sie wil; so heischt die Wolfahrt Deutschland: daß es geschehe. Der Schluß ist mit dem Hertzog Arpus gemacht /welcher ohne Zerrüttung der allgemeinen Eintracht /und ohne meinen eusersten Schimpf nicht zernichtet werden kan. Mit einem Worte: sie muß sich des Zeno entschlagen / Catumern / in dessen Liebe sie vergebliche Zweifels-Knoten sucht / heyrathen / wo sie meine liebe Schwester / eine treue Tochter des Vaterlandes seyn / den Haß der Cherusker und Catten / und den Fluch der Nachwelt vermeiden wil. Mit diesen Worten gieng der Feldherr mit Bezeigung eines nicht gemeinen Unmuths aus dem Zimmer / und ließ Ismenen in einer solchen Verwirrung / welche ihr das Kentnüs ihrer selbst benam / und sie anfangs in Raserey und halbe Verzweifelug / hernach aber in die tiefste Traurigkeit versetzte. Als Ismene nun lange in der verschlossensten Einsamkeit ihrem Kummer nachgehangen / und durch desselbten Verschweigung / an statt /daß sie ihn wie das verschlossene Feuer zu erstecken vermeinte / nur mehr erreitzet hatte / brachte doch endlich die mit ihr in höchster Verträuligkeit lebende Gräfin von Bentheim / mit Versprechen die Helffte ihres Betrübnüsses auf sich zu laden / ja mit ihrem Leben ihre Beruhigung zu kauffen: daß ihr Ismene nicht nur ihrer Traurigkeit Ursache / sondern auch alle verzweifelte Entschlüssungen offenbarte / die sie im Schilde führte / und zu vollziehẽ nun gleichsam auf dem Sprunge war. Die Gräfin erkennte sich zwar viel zu ohnmächtig / dis / was die Grossen für gantz Deutschlandes Wolfahrt beschlossen hatten / zu hindern; jedoch muste sie nach Gewonheit erfahrner Aertzte Ismenen ihre Kranckheit geringer machen /als sie war; aber / weil Ismene an der Genesung selbst gäntzlich verzweifelte / ihr scheinbare Hülfs-Mittel fürschlagen. Darunter waren die fürnehmsten diese: Hertzog Jubil wäre in die Ascanische Fürstin Leitholde / Catumer in die Chaucische Fürstin Adelmunde /Malovend in die Catta / Sigismund in Zirolanen verliebt; diese dem entdeckten Schlusse schnurstracks zu widerlauffende Lieben müste man nicht nur unterhalten / sondern durch Beytragung alles nur ersinnlichen Zunders mehr anzustecken bemüht seyn. Hierdurch würde Ismene so viel Gehülffen / als Verliebte wären / beko en / die aus Hintertreibung dieses gewaltsamen Schlusses eine gemeine Sache machen müsten. Die Vollziehung dieses Werckes deuchtete sie auch so schwer nicht zu seyn / weil der Liebe nichts so sehr als Zwang zuwider wäre. Sintemal die sich nach einander so sehr sehnendẽ[148] Seelen entweder selbst aus einem Gestirne entsprossen / oder zum wenigsten die Liebe nichts anders als ein Feuer zweyer Hertzen wäre / welche von den regen Funcken eines Sternes angezündet würden / sich also nicht so leichte von kaltsinnigem Absehen der Staats-Klugheit ausleschen liesse. Ismene hörete der Gräfin Vorschläge mit mehr Begierde als Hoffnung an; warff also ein: Es wäre wohl wahr: daß die natürliche Zuneigung zweyer Seelen die kräfftigste und dauerhaftigste Ursache der Liebe / am meisten aber der Ihrigen wäre. Denn / als ihr Zeno das erste mal wäre ins Auge gefallen / hätte sie gegen ihm einen solchen Zug im Hertzen gefühlet / welchem zu widerstehen sie weder Kräffte noch Vorsatz hätte. Ob sie nun zwar die Lehre und eingebildete Wissenschafft / welche die Menschen der grausamen Bothmässigkeit des Gestirnes unterwirfft / für eine Verläumderin der unschuldigen Sternen / und für eine Betrügerin hielte / welche mit ihrer genauesten Rechnung falsche Schlüsse machte / und zu Verdunkelung ihrer Irrthümer und lügenhaften Wahrsagungen das Licht des Himmels mißbrauchte; so wüste sie doch freylich keine andere Ursache ihrer Regung zu ersinnen / als den Einfluß des Himmels / als welcher in alle Wege der einige Uhrheber aller wahrhaften Vereinbarungen und Ubereinstimmungen wäre. Wie sie denn auch glaubte: daß Gott den Erd-Kreiß in die Rundte eines Eyes desthalben vereinbaret hätte /damit der sie rings umbher beschlüssende Himmel sie nicht nur mit seinen Einflüssen vollkommen durchwürcken / sondern er auch als ein Feind leerer und zertrennter Dinge mit seinen einträchtigen Bewegungen alles / und derogestalt auch gewisse Seelen eben so wohl als Magnet und Eisen und gewisse Gewächse miteinander verknüpfte. Allein es gäbe so viel unächte Ursachen der Liebe / als After-Gestirne und Irr-Lichter in der Welt / welche die Vernunfft verblendeten / das Geblüte entzündeten / und ohne Kräuter oder Gegensprechen die Seelen bezauberten. Unter diesen stellte die Staats-Klugheit und die Herrschsucht zwey gefährliche Circen für / welche erstere aus ihrem Hertzen auch diß / was das Verhängnüß durch die Würckungen des Gestirnes darein gedrückt hätten / auszuleschen bemüht wäre. Die andere aber wäre eben so vermessen als mächtig. Sie erfüllte das Haupt mit kohlschwartzen Dünsten / wischte in den Gemüthern die reinesten Bilder aus / setzte darein falsche Gemählde / und lobete denen Verliebten die schwärtzeste Untreue für einen Streich der tiefsinnigen Klugheit ein. Und da der Hof ja kein Himmel wäre / an welchem unbewegliche Glücks-Sternen stünden / solte ihr die Gräfin doch nicht einbilden: daß der bewegliche Liebes-Stern bey Hofe angenagelt wäre. Die Gräfin von Bentheim aber mühte sich Ismenen alle diese Schwerigkeiten nicht nur auszureden /sondern / weil sie denen Fürsten Jubil / Catumer /Malovend und Siegesmund etwas bessers als eine so fladdernde und seichte Liebe zutraute / both sie sich selbst zum Werkzeuge an zu Ismenens besten zu arbeitẽ. Sie fand auch unschwer Gelegenheit an den ihr ohne diß nicht frembden Hertzog Jubil zu kommen; es fiel ihr auch so viel weniger schwer / ihn auf die gegen der Ascanischen Fürstin geschöpfte Liebe zu leiten; weil er vorher sie mehrmals umb ihm bey Leitholden gut in Worten zu seyn ersucht hatte. Aber die Gräfin hatte ihm die Rechnung ohne den Wirth gemacht / und ihr Anschlag hatte bereit die Uberfahrt versäumt; weil Hertzog Jubil schon dem Priester Libys und folgends dem Feldherrn selbst die Cattische Hertzogin zu heyrathen Mund und Hand gegeben hatte. Wie die Gräfin nun an diese Seite rührte / hörte sie vom Fürsten Jubil diesen unvermutheten Klang: Das Verhängnüß hat uns genöthigt andere Flacken aufzustecken / und der veränderte Wind unsere Segel auf eine[149] andere Seite zu schwencken. Ich bin ein Bräutigam mit der Cattischen Fürstin / und also ist mir verwehrt länger ein Liebhaber der schönen Leitholde zu seyn. Die Gräfin erschrack über dieser Nachricht; iedoch hielt sie für rathsam es für einen Schertz aufzunehmen / und zu melden: Sie glaubte nicht: daß Hertzog Jubil veränderlicher als das Bild der Unbeständigkeit nemlich der Monde seyn würde / weil seit der Zeit sein Gesichte unvermindert gebliebẽ wäre /seit daß er noch von seiner heftigẽ Liebe gegen Leitholden gesagt hätte. Es ist wahr / antwortete Jubil /ich habe sie inniglich geliebt / und ich werde ihr ni ermehr gram werden; weil ich aber nunmehr die Fürstin Catta über alles andere lieben muß / Leitholde aber mehr als eine zertheilte Liebe verdienet / werde ich gezwungen einen Schritt zurück zu thun / umb dieser holdreichen Fürstin Vergnügung nicht im Lichte zu stehen. Hilff Himmel! fing die Gräfin an zu ruffen. Soll ichs für Ernst aufnehmen: daß der tapfere Hertzog der Hermundurer der Ascanischen Fürstin solch Unrecht anfüge? Ist es glaublich: daß er das seiner Wanckelmuth halber fast von iedermann verfluchte Glücke noch an Unbeständigkeit überlauffen wil? Sintemal seit der Zeit seiner noch lodernden Liebe das Glücke weder Leitholden was abgenommen / noch dem Hertzoge Jubil was zugesetzt hat. Höret auf ihr Sterblichen / das Glücke weder durch den süssen Geruch des ihm angezündeten Weyrauchs aufzuhalten /noch seinen Lauff zu hemmen / ihm Steine der Verläumbdung in Weg zu werffen. Denn / wenn auch Fürsten mit ihrer Liebe derogestalt zu spielen für verantwortlich halten / mag man der männlichen Treue die dem Glücke abgeknipfte Flügel anhefften / und sie auf ihre bewegliche Tugend stellen. Hertzog Jubil begegnete der Gräfin: Jede Gemüths-Veränderung verdienet so wenig den Nahmen der Untreue / als die Abwechselung des Gewitters den Fluch der Ackersleute. Nach den Maaßgebungen der Vernunfft die Farbe ändern ist mehr ein Werck der Klugheit / als der Leichtsinnigkeit; und die Fähigkeit der Verwandelung ist in natürlichen Dingen meist ein Merckmal ihrer Vollkommenheit. Die weisse Farbe / welche Himmel und Gestirne ihnen als die fürtrefflichste zueignen / wormit das Meer in seinen Perlen / die Erde in ihren schönsten Blumen prangt / ist allein geschickt alle andere Farben anzunehmen. Das unentbehrliche Wasser kan allein mit dem Geschmacke aller Gewächse und Würtzen angemacht werden; ja nichts ist veränderlicher / als das Antlitz des Himmels; und nichts weniger hartnäckicht / als ein aufgeräumter Geist. Die Gräfin brach ein: Ich bin zu wenig alle Veränderung schlechter dings zu schelten / sonderlich in der Liebe /welche ohne Veränderung der Gemüther nicht gebohren werden kan. Ja ich lobe vielmehr die Veränderung / wenn sie erhebliche Ursache zum Grunde / und nicht heftige Ubereilung / sondern behutsame Langsamkeit zu ihrem Wegweiser hat. Was aber hat denn der Hertzog für erhebliche Ursache Leitholden zu verstossen /und die Fürstin Catta zu erwehlen? Ich erinnere mich seiner Betheuerungen: daß Leitholde die schönste Fürstin der Welt wäre. Da nun in der Schönheit die Vollkommenheit der Natur und der Kunst bestehet; und beyde umb diesen Zweck zu finden sich mühen und schwitzen; da die Schönheit der Ursprung der Liebe ist / bin ich begierig zu vernehmen: Ob entweder Leitholde ihr schön Antlitz verlohren / oder die Schönheit an ihr selbst / wie die Trachten ein ander Maaß bekommen / und daher die gestern ungestaltere Catta heute schöner als Leitholde worden sey? Hertzog Jubil fing an: Es ist diß letztere nichts ungemeines noch wunderns werth: daß unsere Augen von einerley Gestalt zweyerley Urtheil fällen; sintemal auch so gar die Sonne uns einmal schöner zu seyn deuchtet / als das andere mal; und dem weisen Anaxagoras ko t der sonst iedermann weiß scheinende Schnee[150] schwartz / und einem andern die leichte Lufft so schwer als die Erde für. Ja kein Ding in der Welt scheinet mehr in der blossen Einbildung zu bestehen /als die Schönheit. Denn da sie ein gewisses Wesen hat / kan / was in Mohrenland schön ist / in Deutschland nicht heßlich seyn. So aber ist fast kein Volck mit dem andern hierüber einerley Meynung. Wo die Sonne den Einwohnern auf den Wirbel scheinet / und sie schwärtzet / sind die schönsten / welche den Kohlen am ähnlichsten sind / und bey der schneeichten Nord-Spitze für höllische Geister würden angesehen werden. Gleich als wenn der der Sonnen nechste Welt-Strich ein Aufenthalt rauchichter Gespenster /und kein Antlitz / das dem Eben-Holtze nachgäbe /liebens-werth wäre. Ja sie wissen von keiner andern Schmincke / als dem sie noch mehr schwärtzenden Oele / darmit sie ihre Leiber einschmieren umb die Kohlen und Tinte zu beschämen. In Hispanien wird die Oliven-Farbe / in Egypten die dem alten Helffenbein gleichende Aehnligkeit / in Persien die Schwartzbräunligkeit für das schönste gehalten. Unsere Deutschen aber halten in der Haut eben die Wahl / die man im Mehle und Perlen hält / nemlich die weissesten für die besten. Bey denen Seren sind kleine Füsse und kleine Nasen / bey denen Indianern die breiten / bey den Griechen die länglichten Antlitze / in Persien die dicken / in Europa die schmalen Augenbrauen / in Africa groß aufgeschwollene Lippen / in Egypten grosse Brüste / bey den Galliern und Albaniern blaue / bey den Asiaten schwartze / bey den Scythen kleine Augen / sonst aber ins gemein grosse Augen die vollkommensten Schönheiten; ja es hat ein abergläubischer Verführer ihm aus der grossen Augen eingebildeter Vollkommenheit träumen lassen: daß die Einwohner des Himmels und der Gestirne mit grössern Augen / als die Straussen-Eyer wären / prangeten. Im Mohrenlande sind die weissen / auf dem Eylande Jamboli die schwärtzesten / in dem güldenen Chersonesus die rothen Zähne / welche man durch Käuung des Bethel-Krautes mit Fleiß also färbte / die beliebtesten. Gleich als wolten sie mit den Pferden eine gemeine Schönheit besitzen / derer Zähne in der Jugend gelbe sind / im Alter weiß werden. Ja über dem Flusse Ganges läßt ihm das Frauenzimmer entweder die Zähne vergolden / oder die vier fördersten gar ausbrechen / und entweder göldene oder diamantene hinein setzen. Alleine die unterschiedenen Völcker sind nicht nur / sondern wir Deutschen selbst gantz widriger Meynung. Hertzog Herrmann hält die weisse und blau-äugichte Thußnelda / sein eigener Bruder Flavius nunmehr die braune und schwartz-äugichte Erato für die schönste der Welt. Das Frauenzimmer in Italien mühet sich seine Haare mit Lauge und Kräutern gelbe zu beitzen; das Römische bezahlet die röthlichen Haare der Deutschen umb so viel wiegendes Gold / umb mit dieser frembden Zierrath die kahlen Schläfe oder die Raben-Haare zu verdecken; die Syrischen streuen sie zu dem Ende mit Gold-die Gallier mit weissem Mooß-Staube ein; umb der ehrwürdigen Alten greise Haare noch bey frischen Jahren zu tragen; gleich als wenn die Zeit das beschwerliche Alter dem menschlichen Geschlechte nicht zeitlich genung über den Hals brächte. Andere schwüren / die Kasten-braunen Haare wären die schönsten. Zu Rom hält man dem Käyser zu Liebe die zusammen-gehenden und keine Mittelscheidung habenden Augenbrauen für was sonderbares. Dahero könte mir die Gräfin auch schwerlich so gar übel auslegen / wenn meine Einbildung die braune Catta der schneeweissen Leitholde vorzüge; wiewohl ich die Schönheit dieser Fürstin noch so hoch / als einen Stern ohne Fleck halte; ungeachtet auch diese mehrmals den Blumen ähnlich ist / welche eine purper- und güldene Gestalt haben / aber heßlich nach dem Bocke stincken. Welch[151] Unrecht thut ein so kluger Fürst / versetzte die Gräfin / der unschätzbaren Schönheit an: daß er sie kein wesentliches Gut / sondern für einen geringen Schatten der Gedancken / und für einen blinden Abgott thörichter Einbildung hält; daß ein Hertzog von so hohem Stamme dieser edlen Fürstin einen so unwürdigen / nemlich einen den eitelen Träumen und Gespenstern eigenen Ursprung zueignet. Denn ob sie zwar eine Beherrscherin über unsere Gedancken / und also über unsere im dencken eigentlich bestehende Seele ist; ob sie gleich unsere Hertzen reget und entzündet; hat sie doch eben so wohl / als die alles irrdische durchdringende Gestirne / ausser unserer Einbildung ihr Wesen uñ Grundfeste. Die Einbildung blendet ja zuweilen wohl unsere Augen / und tastet unser Gemüthe an; sie stellt durch Hülffe der Finsternüß und der Ferne uns einen Irrwisch für einen Stern für; aber wenig Zeit uñ Licht entladet uns bald solches Irrthums; die Schönheit aber hat eine so kräfftige und beständige Würckung in unsern Augen und Seelen / als die Sonne in der Welt. Allen andern Sinnen hat die Natur einen wahrhaften und wesentlichen Gegen-Satz geschaffen; warumb solte denn der geistigste unter allen / nemlich das Sehen sich allein mit Träumen und Gespenstern ergetzen / und mit einem eingebildeten Undinge armen? So zweifele ich auch: daß der scharffsichtige Hertzog Jubil die abscheuliche Heßligkeit auch nur für ein geträumtes Nichts / und für einen eitelen Wahn halten werde / wenn die Vorwelt Thorsiten nicht für so wol gemacht / als Achillen / den Esopus Alcibiaden gantz ungleiche / die einäugichten Cyclopen der weissen Galathea / die rauchen und Bock-füssichten Wald-Götter und halb-pferdichten Centauren für Miß-Geburten der Natur gegen der unvergleichlichen Helena angesehen hat. Da nun die Häßligkeit einen wesentlichen Grund hat / warumb soll die Schönheit ein Diamant mit einer falschen Folge seyn? Warlich! Gott /welcher der Bruñ der Schönheit / ja die vollkommenste Schönheit ist / dessen Schatten und Nach-Gemählde alle andere Schönheiten sind / würde in unsere Hertzen keine so lebhafte und allgemeine Regung /der Schönheit aber keinen so kräfftigen Zug uns an sich zu locken eingepflantzt haben; ja wir müsten alle mit sehenden Augen blind seyn / wenn diese eine so geringe Schein-Waare wäre. Eintzele Menschen können fehlen / nicht alle; die weltweisen Lehrer sind irrigen Lehren unterworffen / nicht die Natur. Das Erkäntnüß der Schönheit aber lernen wir in keinen Schulen / aus keinen Büchern / sondern es wird unsern Augen und Hertzen angebohren. Die Kinder / so bald sie die Augen aufthun / greiffen nach Gold und Edelgesteinen / und werffen greuliche Tocken weg. Das unterschiedene Urtheil oder die Wahl der Menschen kan dem Wesen der Schönheit auch das minste benehmen. Jedes Volck hat seine gewisse Eigenschaften / wie seine besondere und den Nachbarn unverständliche Sprache. Giebt es doch Menschen / welche Eicheln essen / und Granat-Aepfel verschmähen /denen eine stinckende Muschel oder faule Auster besser als Fasanen und eingeamberte Gallerten schmeckt. Ja der Uberfluß macht: daß uns heute für der gestern seltzamen Speise eckelt / nach der wir die Finger leckten. Wie viel leben ihrer noch heute / welche des Marsyas Schilff-Pfeiffe für des Apollo Leyer den Preiß geben würden. Jener Schäfer hielt Verona für schöner / als Rom. Unsere Küh- und Ziegen-Hirten auf dem Berge Melibocus leben vergnügter als die Edlen am Käyserlichen Hofe. Wie wenig wissen eine vom Apelles oder einem Pfuscher gemahlte Taffel zu unterscheiden / und Zevxes muß aus Verdruß seinem Lehrlinge Miccius anbefehlen seine weibliche Hippocentaur einzuhüllen / weil alle Anschauer sich nur über der neuen Erfindung / nicht einer aus tausenden aber sich über der Kunst des Gemähldes verwunderten.[152] Ja der Aberglaube hat sich in die Häßligkeit so sehr vergafft: daß er dem Göttlichen Wesen Hüllen rauher Steine / und Baumrinden umbgegeben / und seinen alle Sternen beschämenden Glantz unter Schalen / Haar und Hörner wilder Thiere verstecket hat. Dieser Irrthum aber giebt dem Fürsten Jubil keinen Vorwand / weniger einigen Schirm / welcher die Schönheit allzu wol kennet / weil sie mit ihm selbst eine so nahe Verwandnüs hat; und dessen scharffes Auge nicht nur die Fürstin Leitholde für der Catta zu unterscheiden / sondern aus allen Schönheiten der Welt die vollkommenste auszulesen weiß. Daher lasse ich mich nicht bereden: daß Jubil an der Fürstin Catta was schöners als an der mit so grosser Vorsicht erkieseten Leitholde finde. Da sein Vortrag nicht mehr meine Versuch- als seine Entschlüssung ist / muß ein ander Geheimnüs darunter verborgen seyn. Denn ich kenne den Fürsten Jubil so wol / als Leitholden. Sein Gemüthe ist so gesetzt / seine Treue stehet auf so festem Fusse: daß beydes kein leichter Wind wanckend machen kan. Seine Vernunft / welche sonst die Liebenden am ersten verlieren / verstehet allzu wol: daß einem Helden-Gemüthe die Unbeständigkeit so unanständig ist / als nach der gemeinen Meinung / die Bewegung der Erdkugel natürlich. Argwohn und Mißtrauen kan auch hier nicht die erste Bewegungs-Ursache seyn. Deñ diese werden nur in kalten und wenig Liebe hegenden Hertzen / wie die Donnerkeile in der dritten Gegend der kältesten Lufft gezeugt. Ihr Hertze nähret mehr Tugend als Geblüte / ihre Seele hegt eine so zarte Empfindligkeit: daß sie durch nichts unanständiges / weniger durch einige Beleidigung sich seiner Liebe unwehrt gemacht haben kan. Woher rührt denn nun seine Veränderung? Mit was wil er ihr einen so unerträglichen Verlust erstatten / ohne welche Ergäntzung Hertzog Jubil nicht wenig von seiner Ruh und Ruhme einbißen muß. Mit diesen Worten rührte die Gräfin ihm so sehr das Hertze: daß er etliche der tiefsten Seufzer nicht verschlucken konte / und nach einem gezwungenen Stillschweigen heraus brach: Ach! warumb rühret sie so unbarmhertzig meine von sich selbst schon blutende Wunden an? Warumb versaltzet sie mir meine neue Glückseeligkeit mit einer solchen Schärffe: daß ich mich sehnen muß unglücklich zu seyn? Es ist wahr: daß Leitholde umb die Erde zu bereichern dem Himmel gleichsam alle Schönheit wie Prometheus das Feuer entwendet hat. Aber ach! ist ihr unverborgen: daß das Verhängnüs keine schwächere Bothmäßigkeit über unsere Liebe / als über unser Glück habe? Weiß sie nicht: daß das Gute das erste / die Schönheit aber erst das andere Augen-Ziel der Liebe / dis aber das beste unserer Güter sey /was uns am anständigsten ist. In der Zusammenschickung bestehet die Seele eines jeden Gutes; nicht an seiner besondern Köstligkeit. Die Natur treibt den Stahl nicht in die Gold-Adern; der Mah wächst auf keinem Rosenstocke / keine Mispel auf Dattel-Bäumen; ungeachtet diese viel edlere Quellen sind / als jene vonnöthen habẽ. Sondern die Vereinbarung heischt eine gleiche Verwandschafft. Das Wasser vermenget sich am leichtsten mit dem Wasser / das Feuer mit Feuer / und der nach des Epicurus Meinung alle Dinge ausmachende Sonnenstaub vereinbaret sich nur mit seines Gleichen / der Rundte mit dem Rundten; der Höckrichte mit dem Höckrichten. Ja wie jeder Kreiß nur einen einigen Mittelpunct hat / also hat jeder Sinn und ihre Seele in ihrer Regung auch ihre umschränckte Gräntzen. Das schärfste Gehöre / der beste Geschmack ist gegen die seltzamsten Schönheiten unempfindlich / auf welche die Augen als ein Blitz fallen. Also muß ich leider! Nur gedencken: daß mein Hertz entweder keine würdige Ader hat / worein die unvergleichliche Fürstin Leitholde ihre Liebe einflössen dörffe;[153] oder daß mein Unstern des Glückes mich nunmehr in einen solchen Kreiß verdrungen habe / darein auch ihre kräftigste Einflüsse kein Vermögen zu würcken haben. Die Gräfin antwortete: der Fürst verwirret mich mehr durch diese unverständliche Rätzel / als er meine Unwissenheit unterrichtet /und meinen Kummer erleichtert. Zeit und Abwesenheit sind ja wol mächtig eine laue oder seichte-gewürtzelte Liebe nach und nach verrauchen zu lassen; aber das Verhängnüs hat über die in unserm Gemüthe wohnende Göttligkeit weniger Gewalt eine lodernde Neigung / als die umb die brennenden Berge schäumenden Meer-Wellen das unterirrdische Feuer auszuleschen. Niemand hat auch über den Hertzog Jubil einige Bothmäßigkeit außer GOtt; dessen Regung seine erste Liebe selbst angezündet hat. Diesemnach auch ihm schwerlich ein einig ander Gut / als Leitholdens Schönheit anständiger seyn kan; welche / nach dem sie ihn einmal schon so beweglich gezogen hat / eben so wenig als der Magnet seinen allezeit dauernden Zug zum Angelsterne ablegen kan. Ist die Güte die Frucht der Dinge / so ist die Schönheit zum minsten die Blüte davon; und derogestalt Güte und Schönheit zwey Liebens-würdige Geschwister und Töchter der Natur von einerley Adel. Ja die Schönheit hat noch mehr Licht / Pracht und Thätigkeit als die Güte; welche den Liebhabern nicht so geschwinde unter Augen leuchtet / sondern oft aus den besten Sachen / wie heilsame Kerne aus harten Schalen / mit Kunst oder Gewalt hervor gesucht werden muß. Sie hat desthalben auch so viel mehr und andächtigere Verehrer. Der innerlichen Güte zündet nur die Hand der Weisen /der Schönheit aber das gantze menschliche Geschlechte Weyrauch an. Man betet sie so wol in den Hölen der Einsiedler / als in Königlichen Pallästen an; der karge Reiche macht sich nicht nur ihr zu Liebe zum Verschwender; sondern es ist auch niemand so arm / der ihr nicht gerne sein euserstes / nemlich die Seele wiedme. Weil nun Hertzog Jubil der unvergleichlichen Fürstin Leitholde die Güte der Schönheit / die Freyheit seiner niemanden zu Gebote stehenden Willkühr zugesteht / möchte ich ja gerne die Hindernüs ergründen / welche das / was Natur und Himmel billiget / ungeschickt / oder unanständig machen kan; welches ich für unmöglicher halte / als dem Feuer seine Leichtigkeit / dem Bleye seine Schwerde zu benehmen. Grausame Rechtfertigerin! versetzte Hertzog Jubil. Ihre Scharfsichtigkeit verwandelt sich in einen Wütterich / wenn sie den / den sie fallen sieht / noch durch abgezwungenes Bekäntnüs seiner Schwachheit eine Schamröthe abjagt. Ich gebe mich gefangen: daß ich die Fürstin Leitholde zu verlassen weder Recht noch Hertze genung habe. Aber wie der mehr als ein Mensch ist / dessen Hertze nicht seinen Augen Beyfall giebt / bey Erblickung der Schönheit; also ist der nichts weniger als ein Fürst / dessen vernünftiges Hertze nicht die sich vergehenden Augen zurück halten kan. Sie erwege: daß ich des Bojischen Königs /des grösten Fürsten in Deutschland Sohn / nunmehr aber bey nahe ein Herr ohne Land bin. Fürsten aber sonder Herrschafft sind was weniger als Leiber ohne Seele. Denn diese würdiget das Mitleiden auch frembder Leute der Beerdigung / jener aber spottet der Feind / die Nachbarn treten ihnen auf den Fuß / und der Pöfel spielet mit ihnen / wie die Hasen mit todten Löwen. Trauet nun wol Leilholde bey einem so ohnmächtigen Fürsten ihre Vergnügung zu finden; sintemal doch die Liebe der Fürsten nirgends als in einem Purpur-Bette sanfter Ruh genüßen kan. Denn diese verlanget zwar die Ergetzligkeit zum Unter- / aber das Glücke zum Deckbette / und die Würde zum Hauptküssen. Kan mir bey solcher Beschaffenheit jemand vernünftiges verargen / wenn ich nach Eigenschafft des schwachen Epheu an dem Cattischen Stammbaume einen Pfeiler[154] zu meiner Emporkli ung suche /ohne welchen mächtigen Hauses Beystand ich mir nimmermehr träumen lassen darf die Bojische Krone auf meinem Haupte / den Vater-Mörder Marbod unter meinen Füssen zu schauen. Die Gräfin brach ein: So höre ich wol: Hertzog Jubil liebe nicht so wol die vollkommene Fürstin Leitholde / als seinen Vortheil; welcher Abgott freylich die meisten Hertzen zu seinen Anbetern hat / und fast aus allen Händen der Welt angezündeten Weyrauch kriegt. Alleine die wahre und unverfälschte Liebe ist viel zu hochmüthig: daß sie für einem so niedrigen Absehen sich groß zu machen ihre Knie beugen solte / und sie würde sich lieber in Koth treten lassen / als sich mit dieser eitelen Abgötterey besudeln. Ihre einmal erkiesete Buhlschafft ist ihr Schatz und ihr Königreich; Eine tugendhaffte Seele gilt bey ihr mehr als alle güldene Berge der Welt / und das Besitzthum eines treuen Hertzens vergnüget sie mehr / als hundert Kronen auf dem Haupte. Dieses hält die Liebe für ihre Ehre und ihre Wollust /welcher sie die gantze Welt / und ihr eigenes Blut willig aufopfert; ja dem Tode lieber in die Armen rennt / als das Geliebte aus seinem Hertzen läßt. Hertzog Jubil versetzte: Ach! ich Unglücklicher! gleichet man meine Liebe falschem Golde / welches nicht den Stich hält? Machet man meine Liebe zu einer Larve /welche auswendig nur scheinbaren Firns der Heucheley / aber keinen Grund der Treue habe? Meine liebe Gräfin; sie spannet den Bogen der Liebe zu hoch. Sie wil auf der Erden keine Menschen / sondern Götter /kein irrdisches Feuer / sondern eitel reine Glut der Sternen haben. Sie glaube mir aber: daß ob wol die aus Liebe geschehene Verachtung der Zepter mehr ein süßes Getichte der Vorwelt ist / als einige wahrhaffte Beyspiel hat / ich doch meine Ehrsucht zu überwinden und umb Leitholden zu besitzen mich eines Königreiches zu enteusern mächtig seyn würde. Alleine das Gedächtnüs meines enthaupteten Vaters / ein einiger auf den Ertz-Mörder Marbod fallender Blick / der Glantz seines unmäßigen Glückes schläget in meinem Hertzen wie ein Donnerstrahl alle andere aufsteigende Gemüths-Regungen zu Bodem. Der Geist meines erblichenen Vaters schwebet mir Tag und Nacht für Augen / und ruffet mir unaufhörlich in die Ohren: daß GOtt / welcher doch die Rache als ein für die Menschen allzu süsses Ding ihm alleine vorbehalten hätte / mir durch die Finger zu sehen erbötig wäre / ja an Marbods gerechter Straffe selbst Lust schöpfen würde / wenn ich mich auch der geringsten Wieder-Vergeltung anzumaßen so viel Hertze / als Recht hätte. Sie wundere sich aber nicht über diesem Gesichte. Hat doch ein jeder Tropfen unschuldig-vergossenen Blutes eine Zunge / welche umb Rache ein so grosses Geschrey hält: daß es von der Erde durch die Wolcken /wie der Donner aus den Wolcken bis zur Erde dringt. Umb die Rache ermordeter Fürsten aber ist der Himmel selbst derogestalt bekümmert: daß er die von den Mördern verwürckte Straffe auf derselben Häupter abweltzet; welche es zu rächen vermögen / aber vergessen. Dieser Kummer ist die Ursache meiner gezwungenen Entschlüßung / welcher mir so lange das Hertz fressen wird / so lange ich dem Fürsten-Mörder seines nicht gefressen sehe. Weil ich aber weiß: daß die guthertzige Fürstin Leitholde mich auf eine andere als gemeine Art liebet / die Gräfin aber mehr Verstand besitzet / als ihr Geschlechte sonst zu haben gewohnet ist oder nöthig hat; beruhet es in ihrer Hand der Ascanischen Fürstin Gemüthe nicht nur zu besänften / sondern auch mir bey ihr die eigenbewegliche Billigung meiner neuen Liebe zuwege zu bringen / und mich / wo nicht in ihrer Liebe / doch in ihrer Freundschafft zu erhalten. Die Gräfin lächelte / und begegnete ihm: Ich höre wol / weil die Staats-Klugheit an keine Gesätze der Gerechtigkeit gebunden zu seyn meinet / daß Hertzog Jubil bey[155] Ersehung seines Vortheils sie eben so wenig mit einigem Bande der Liebe fässeln zu lassen gedulden wil. Mir ist leider! auch allzu wol bewust / und das Fürstliche Frauenzimmer / welches hieriñen viel unglücklicher als der Pöfel ist / hat es mit bitteren Thränen zu beweinen Ursache: daß die Staats-Klugheit der meisten Heyrathen Kuplerin / aber auch die Verfälscherin der reinesten Liebe / und das giftigste Scheidewasser der verknüpftesten Hertzen sey. Weil aber der Hi el nichts minder der Urheber keuscher Flammen / als ein Behaltnüs der unausleschlichen Lichter ist; machet er insgemein durch solche Staats-Streiche als durch eine falsche Rechnung einen Strich. Das Verhängnüs /welches ihm durch irrdischẽ Vorsichtigkeit sein Absehen nicht absehen / weniger hindern lassen wil / verblendet der allerweisesten Rathschläge / schläget durch die unvermuthesten Zufälle unseren gewissesten Anschlägen ein Bein unter / solte es auch gleich den ordentlichen Lauff der Natur umbzudrehen gezwungen werden. Alleine / wenn auch gleich die Göttliche Versehung niemals in unsere Beginnen die Hand einschlüge / meinet Hertzog Jubil durch Heyrathung der Fürstin Catta sich gewiß versichert: daß die Catten ihm zu Liebe den Degen wider den mächtigen König Marbod / für welchem Rom selber zittert / zücken werden? Weiß er nicht: daß die von der Staats-Klugheit ausgeheckte Liebe Schlangen-Eyer heckt / welche zwar die Farbe der Tauben-Eyer / inwendig aber giftige Würmer haben. Ihre Liebes-Früchte sind wie die Aepfel von Sodom euserlich Gold und Purper / inwendig aber stinckende Asche. Sie sind auswendig mit Zucker übergläsete Pomerantzen / ihr Safft aber ist Gifft und Galle. Ich bin nicht gäntzlich in Abrede: daß die Staats-Heyrathen dem gemeinen Wesen zum besten etlicher maßen Mittel sind mit Ehren aus einem unanständigen Kriege zu kommen / und einen Frieden zu versiegeln; daß kluge Gemahlinnen die Eyversucht oder Krieges-Lust ihres Gemahls gegen ihr Väterliches Haus zu sänftigen vermögen / daß sie unter sich mit einander wolverstehenden Geschlechtern ein desto kräfftigers Freundschaffts-Band abgeben. Maßen denn die oftere Hin- und Wieder-Verehligung das Cheruskische und Cimbrische Haus etliche hundert Jahr so feste mit einander vereiniget hat: daß keine Staats-Räncke der Nachbarn sie jemals zu trennen versucht / weniger vermocht haben. Allein es ist auf ihren scheinbaren Grund auch in diesen Absehen wenig beständiges / am wenigsten aber auf die Tauer was sicheres zu bauen. Denn wenn das Feuer der Rache / der Ehrsucht / des Eigennutzes / des Mißtrauens den geringsten Zunder sich anzuglimmen erreichet / zerschmeltzet der Grund nemlich die vermeinte Liebe wie das vorhin geladene Wagen-tragende Eiß von der Sonne und den warmen Dünsten der Erde im Mertzen. Solche Heyrathen leschen die alten Neigungen in den Hertzen der Herrscher nicht aus / sondern sie überfirnßen sie nur; gleich als wenn sie ein Vorrecht hätten aus ehlicher Liebe ihrem Gutbedüncken eine Gramschafft zu machen. Der Hertzog sehe sich ein wenig in unser Nachbarschafft umb / oder in die Vorwelt zurücke. Hat nicht der Vasconer- und der Varduler König durch Ehlichung der Cantabrischen Fürstin und dem darbey auf dem Pyreneischen Gebürge beschwornen Frieden nicht nur seinen alten Haß und Herrschsucht vermäntelt / sondern auch wegen ihrer Erstgeburt / auf etliche Landschafften / welche den Nahmen des Europeischen Indiens verdienen /oder in Hofnung: daß der einige männliche Erbe nicht lebhaft seyn würde / auf alle seine Reiche ein Erb-Recht zu erlangen angezielet; gleichwol aber durch Erkiesung anderer Cammer-Mägde / und Entführung frembder Ehweiber seinem eigenen Antlitze die Larve abgezogen / und durch Entmummung sich verrathen: daß Arglist[156] und Herrsucht unter dem Schein der Liebe seine Heyrath beschlossen habe? Der Sitoner Hertzog hätte mit Verlobung seiner Schwester der Svioner König sicher gemacht: daß seine und seiner Bunds- Genossen Krieges-Rüstung nicht wider ihn und zu Ergäntzung des alten Verlustes angesehen wären. Der glückseeligen Eylande Beherrscher hat zwar dem Hibernischen Könige seine aber vorher unfruchtbar gemachte Tochter vermählet; damit ihre Kinder mit der Zeit an sein Königreich keinen Anspruch machen könten. Ja ein Gothischer König legte lieber seine Gemahlin einem seiner Edelleute bey / als er die Schande seines Unvermögens die Welt wissen / seiner Schwester Söhne aber seine Herrschaft überkommen lassen wolte. Zu geschweigen: daß solche seichte Staats-Liebe nicht nur so bald als ein nie recht angezündetes Licht von einem kleinen Winde ausgeweht / sondern in Verdruß / Eyversucht und bittern Haß verwandelt wird. Uberdis zeiget GOtt selbst meistentheils durch verhängte Unfruchtbarkeit sein Mißfallen an solchen Blendungen der Liebe; wie der Sarmatische König Cimaris / und der auf den glücklichen Eylanden Rodipe unglücklich erfahren / derer jener seines verstorbenen / dieser aber seines noch lebenden Bruders Gemahlin aus solchen Staats-Gründen ihm vermählte. Am allerwenigsten aber hat ein unglücklicher Fürst sich auf seines Schwehers oder Schwagers Hülffe zu verlassen. Deñ ein Unglücklicher hat keine Freunde /und die Barmhertzigkeit ist ein grosser Gebrechen eines Fürsten. Dessen Hertzogs Jubils Vater König Britton ihm selbst ein trauriges Beyspiel gäbe / für den seiner Gemahlin Bruder nie ein Pferd gesattelt /sondern dem Bojischen Untergange als einem über Meer brennendem Feuer zugeschaut / sein Sohn aber dem Hertzog Jubil selbst in seinem Lande den Auffenthalt verweigert hätte / umb mit dem erschrecklichen Marbod nicht zu zerfallen. Hertzog Jubiln rieß nunmehr die Gedult aus / der Gräfin länger zuzuhören / zweifelsfrey weil sie ihm gar zu nahe an das empfindlichste seines Hertzens kam. Er fieng dahero seufzende an: Höret auf mich zu quälen / und mein ohne dis unruhiges Hertze in einen innerlichen Krieg zu versetzen. Es ist wahr: daß die Staats-Heyrathen nicht allezeit gerathen und ihres Zwecks fehlen. Alleine wie viel tausend andere mißlingen auch / und zerflüssen in nichts wie ausgegossenes Wasser / welches die allerheftigste Liebe zusammen geschmeltzet hat. Die Sonne selbst ist nicht ohne Flecken / und gebieret nicht nur Würmer auf Erden / Geschmeiße in der Lufft/ Kröten in den Wolcken / sondern auch Schwantz-Sterne im Himmel. Der für der Saate von der Spreu gereinigte Weitzen wächst doch niemals ohne Spreu; und die Liebe / ja die Gestirne selbst haben ihren Rauch wie ander Feuer. Die nechste Bluts-Freundschafft ist zuweilen ein Zunder der Todfeindschafft / und kein Haß brennet grausamer / als welcher von den gedämpften Kohlen der Liebe sich ansteckt. Solte man destwegen dieses heilige Band der Natur als unnütze oder gar als schädlich schelten. Eben so wenig sind die Ehen zu verdammen / welche mehr die Liebe des Volckes / welches der Fürsten fürnehmste Gemahlin ist / als die bloße Selbst-Liebe geschlossen. Die Dienstbarkeit meiner weyland herrschenden Bojen gehet mir zu Hertzen / und ich wäre nicht würdig ihres Geblütes / weniger ihr Fürst zu seyn / wenn ich einiges Mittel sie in vorige Freyheit und Ansehen zu setzen / oder sie nebst denẽ Hermundurern vollends von ihrer gäntzlichen Ausrottung zu erretten vernachläßigt. Deñ wer schon / wie Marbod / so viel Menschen-Blut gekostet / dürstet nach mehrerm so lange / bis ihm sein eigenes entgeht. Es sey aber mit den Staats-Heyrathen beschaffen wie es wolle / so ist meine Verlobung mit der Cattischen Fürstin eine schon geschehene Sache / darzu man alles gute reden soll / weil nur künftige Dinge der[157] Berathung unterworffen sind; Leitholde selbst Vernunfft genung zu meiner Schwachheit ein Auge zuzudrücken / und Hertzhaftigkeit sich selbst zu überwinden. Sie versichere diese himmlische Seele auch: daß weil ich nicht so glückseelig seyn kan / sie als meine Gemahlin zu lieben / ich sie nimmermehr als meinen Abgott zu verehren unterlassen werde. Hertzog Jubil wendete sich / und gieng hiermit von der Gräfin weg / wormit sie der aus seinen Augen schüßenden Wehmuths-Thränen nicht gewahr werden möchte. Die Gräfin aber / ehe sie der Fürstin Leitholde ihre Verrichtung beybrachte / verfügte sich zum Fürsten Adgandester /und erzehlte ihm den zwischen dem Fürsten Catumer und Ismenen vom Feldherrn gemachten Heyraths-Schluß; weil sie wol wuste: daß Adgandester auf die Fürstin Ismene fürlängst ein Auge gehabt hatte. Wie behutsam sonst dieser Fürst hinter dem Berge zu halten / und sein Gemüthe zu verschlüßen wuste / so verrieth er doch seine heftige Regungen durch eine solche Ungebehrdung: daß die Gräfin meinte: er solte von Sinnen kommen. Die Gräfin erschrack hierüber nicht wenig / und bereute ihre unbedachtsame Entdeckung dieser beschlossenen Eh / welche sie itzt erst für ein grosses Geheimnüs zu halten anfieng / nach dem Adgandester / den man wegen grosser Verträuligkeit insgemein des Feldherrn Unterhemde hieß / hiervon noch nichts wuste. Daher bemühte sie sich ihn zu besänftigen / und ihm einzuhalten / sie wunderte sich: daß ein so kluger Fürst in seiner Seele eine andere Frau als die Vernunft gebieten liesse. Sie sähe nunmehr / daß die Fürstin Ismene desselbten Abgott wäre / welchen zeither seiner rühmlichen Thaten halber gantz Deutschland für einen Abgott gehalten hätte. Am seltzamsten aber wäre ihr: daß Adgandester sein Hertze von der Liebe einer so ohnmächtigen Regung aufschwellen liesse / welcher Feuer selten Asche machte / und ihre Verletzung niemals bis aufs Leben dringte. Diese Regung stünde niemanden übler an / als einem so grossen Staatsmanne / der von keiner andern Buhlschafft als seiner Ehre wissen / und seine Gedancken nur mit der gemeinen Wolfahrt vermählen solte. Sie irret / antwortete Adgandester / wenn sie meine Ungedult einer thörichten Liebe zuschreibet; welche ihrer Blindheit halber gar recht mit verbundenen Augen gemahlet wird. Ich eyvere umb Ismenen so wenig ihrer Schönheit halber / als jene neidischen Buhler / welche ihre Buhlschafft in Stücke zerrissen / und unter einander theilten. Meine Ehre / welches sie selbst für mein fürnehmstes Augenmerck hält / ist durch anderwärtige Verlobung Ismenens beleidiget; die ich nicht mehr als eine Tochter des Feldherrn Segimers / und als eine Schwester des grossen Feldherrn zu lieben / als Herrmann sie mir zu vermählen Ursache hat. Denn weiß sie jemanden in Deutschland / dem meine grosse Dienste unbewust sind? Habe ich nicht den angebohrnen Haß meines Hauses gleichsam mit meiner ersten aus Mutterleibe gebrachten Haut abgelegt; und durch meine Treue mich mehr / als wenn ich darinnen gebohren wäre / in das Cheruskische eingepfropfft? Wie viel mal habe ich mein Leben für Herrmanns in die Schantze gesetzt / welcher ohne mich weder dis / noch die Feldhauptmannschafft / noch Thusnelden besitzen würde. Aber / einfältiger Adgandester / hast du bey Verspritzung deines Blutes / bey Verschwendung so vielen Schweisses / bey Feilbietung deines Lebens nie daran gedacht: daß kleine Wolthaten Freunde / grosse aber Feinde machen? daß kein strafbarer Laster sey /als einen mit seinen Verdiensten bebürden / und keine giftigere Todfeindschafft als derer / welche sich empfangener und unvergoltener Wolthaten schämen müssen? Hast du noch nicht gelernet: daß wie die neidischen Spinnen die etwas bessers spinnenden Seiden-Würmer tödten / also die schli sten Hofheuchler die getreuesten[158] Werckzeuge des gemeinen Heiles durch ihre Vergällung schwartz und verhaßt machen? Unglücklicher Adgandester! kanst du dir nunmehr was anders / als deine gäntzliche Verstossung vorbilden /nachdem Ismene einem Fürsten versprochen wird /welcher an Geblüte nicht besser / an Verdiensten gegen den Feldherrn viel geringer / als du / und an aufrichtiger Freundschafft gegen die Cherusker noch wenig oder gar nicht geprüfet ist? Sintemal die Gnade der Fürsten niemals als im Abgrunde / zu sincken /ihr einmal gefaßter Haß aber nur mit des verhaßten Tode zu wachsen aufhöret; ja auch wohl gegen die unschuldigen Kinder / oder die unempfindlichẽ Leichen ausgeübet wird. Der Gräfin von Bentheim ward bey dieser Raserey ie länger / ie bänger / setzte daher ihm entgegẽ: Es wäre diese Heyrath ihr wohl so sehr /als vielleicht Adgandestern zuwider / weil sie so wohl die Neigungen Ismenens selbst / als der Ascanische Fürstin Leitholde beleidigte. Aber darumb könte sie weder Bäume ausreissen / noch dem Feldherren so grosses Unrecht / weniger so schlimme Meynung beymässen. Dieser kluge und großmüthige Fürst suchte sonder Zweifel durch solche Heyrath der Cherusker und Catten alten Haß zu ersäuffen / und Deutschlande die hochnöthige Eintracht zu erwerben. Sein Gemüthe wäre viel zu edel / und sein Hertze viel zu aufrichtig: daß er Adgandestern / welcher vielleicht ihn nie umb Ismenen angesprochen hätte / zu beleidigen / weniger seine Ungunst und Undanckbarkeit anzudeuten gemeynt seyn solte. Adgandester fiel ihr in die Rede: Bin ich denn nicht so wohl ein Cattischer Fürst als Catumer? also ich eben so wohl ein taugliches Werckzeug zwischen den Catten und Cheruskern Verträuligkeit zu stifften? Sind meine Verdienste nicht zulänglich den Abgang hundert Dörffer auszugleichen / mit derer Besitzthume mir allein Catumer überlegen ist? Hat mein so vieljähriger dem Feldherrn geleisteter Gehorsam / meine Bemühung ihm und seinẽ Hause alles zu Liebe zu thun / was ich ihnen an den Augen angesehen / meine gegen Ismenen offtmals heraus gelassene Zuneigung nicht die Stelle einer bescheidenen Werbung zu vertreten / und dem scharffsichtigen Feldherren nicht an die Hand zu geben vermocht; daß ich ihn nur zu dem Ende nicht umb seine Schwester anspräche / wormit ihre mir geschehende Vermählung nicht das Ansehen eines eigenbeweglichen und unerbettelten Geschenckes einbüssete. Die Gräfin begegnete ihm: Mein lieber Adgandester / ist er so lange bey Hofe gewest / und ein so grosser Staats-Mann worden / hat aber wegen allzu grosser Gewogenheit seines Fürsten / und seines ihn überschüttenden Glückes nicht gelernet: daß grosse Herrscher keiner Verbindligkeit unterworffen / die Zahlung ihrer Schulden aber eine freywillige Begnadigung seyn solle? Sie wollen umb verdienten Sold / wie viel mehr aber umb so grosse Dinge / welche Diener ihnen zu Eydamen oder Schwägern machten / nicht anders als Götter umb den Thau / Regen und Einfluß des Gestirnes gebeten seyn. Sintemal sie ihnen ohne dis für verkleinerlich halten: daß sie iemanden anders als gekrönte oder solche Häupter / welche niemanden als Gott und den Degen für ihre Oberherren erkieseten / zu Verwandten haben sollen; gleich als wenn zwischen der Könige und anderm edeln Geblüte kein geringerer Unterschied / als zwischen dem Jüdischen Holtz-Balsam /und unserm Kiefer-Hartzte wäre. Ich kan / sagte Adgandester / mir von des Feldherren Meynung keine bessere Rechnung machen. Alleine meine gutwillige Erniedrigung ihm zu dienen hat er mit Billigkeit nicht für eine Enteuserung meines Standes anzunehmen /sondern sich vielmehr zu erinnern: daß ich ein so guter Fürst als Hertzog Herrmann bin / ungeachtet er ein grösserer Herr / iedoch nicht so mächtig als Käyser August[159] ist; der ihm nicht für verkleinerlich geschätzt hat / seine einige Tochter Julia seinem Diener dem unedlen Agrippa / seine Enckelin Vipsania dem Asinius Gallus zu vermählen / und zwar eigenbeweglich anzubieten. Die Gräfin brach ein: Wo dencket er hin / Adgandester? oder auf was für einen gefährlichen Strudel läßt er sich den Sturm seiner Gemüths-Regungen verwerffen? Es ist zwar sonst Vorwitz oder vielmehr Vermessenheit / bey mir aber eine hertzliche Wohlmeynung: daß ein unverständiges Weib einem so klugen Fürsten ein Licht anzünden / oder selbten vom Irrwege zu rechte weisen soll. Aber er dencke nach: ob nicht diese Wände und Pfosten Ohren das geheimste zuhören / und Zungen dem Fürsten alles zu verrathen haben? Unsere Einsamkeit und mein Schweigen ist nicht genung: daß der Feldherr morgen nicht wisse / was wir hier so offenhertzig reden. Denn ich glaube: Fürsten haben gewisse Geister zu ihren Diensten / welche nicht nur unsere Reden / sondern auch unsere Gedancken ausspüren / und ihnen zutragen. Daher muß ein kluger bey Hofe mehr dencken /als sagen / ja viel mehr thun als gedencken; Denn die trockene Wahrheit ist hier und in allen Höfen ein halsbrüchiges Laster; daher stiehlt sie sich nur mit Noth zuweilen durch die Fenster in Fürstliche Zimmer; ja ich glaube: daß ihr in manches Fürsten-Zim mer in funfzig Jahren nicht einmal der Eintritt erlaubt wird. Er verhülle daher lieber seine Verdienste / als er sie durch Herausstreichung verächtlich / sich aber verhaßt macht. Weiß er nicht: daß die Deutschẽ ohne diß nichts für heiliger halten / als ihre tapfere Thaten ihrem Fürsten zuschreiben. Er versuche: ob ein Fadem in dem Gewebe dieser nur von der Staats-Klugheit zusammen gesponnenen Heyrathen durch seinen Witz zu zerreissen / und also durch Auffädemung des gantzen Gewürckes so wol er und Ismene /als die sich nach dem Fürsten Jubil sehnende Leitholde zu vergnügen sey. Adgandesters Heftigkeit fieng hierauf sich nach und nach abzukühlen / und daher fragte er: ob er sich darauf zu verlassen hätte: daß der Ismene die Heyrath mit dem Fürsten Catumer zuwider wäre? Die Gräfin versicherte ihn: er hätte an nichts wenigerm zu zweifeln. Denn sie haßte Catumern /weil sie den Fürsten Zeno inniglich liebte. Was würde ich denn gebessert seyn / antwortete Adgandester /wenn ich schon ihre Heyrath mit Catumern stöhrte /und sie einem Ausländer zu Theile werden solte? Die Gräfin lächelte darüber / sich wundernde: daß da er ihm die erste Schwerigkeit zu überwinden getraute /er sich des Zeno halber Kummer machte / welcher ihm kaum Ismenen zu heyrathen träumen lassen dörffte / weil die Königin Erato an ihn nicht nur einen vorrächtlichen Anspruch hätte / sondern auch das gemeine Wesen Deutschlandes ihm tausend Steine des Hindernüsses in Weg zu werffen an die Hand geben würden. Adgandester ward hiermit gewahr: daß das schwächere Geschlecht in Künsten und Verwickelungen der Liebe es den Männern bey weitem zuvor thäte / und daher saan er Tag und Nacht die Heyrath zwischen Catumern und Ismenen zu stören; ließ auch Ismenen durch die Gräfin vertrösten: daß er aus Mitleiden über ihrer Bedrängung sie nicht hülff-loß lassen wolte / wenn sie nur so viel Muth als Ursache ihres Bruders Zwange sich zu widersetzen hätte. Sintemal nichts unüberwindlichers / als die Liebe wäre / und die nicht zu lieben wüsten / welche über ihrem Vorsatze hielten / und sich einen Bruder in denen unmittelbar ans Hertze gehenden Dingen zu widersprechen schämten / worinnen auch einem Vater der Zwang nicht anstünde. Ihm selbst spielte sich eine gewüntschte Gelegenheit an die Hand Catumers und Ismenens Heyrath aufzuschieben. Der Verzug war das erste Pflaster für gefährliches Ubel. Denn es lieffen gewisse Nachrichten ein: daß nachdem der Käyser alle nur aufzubringen mögliche Macht zusammen gerafft hätte / Germanicus schon[160] mit einer ziemlichen Macht zu Divodurum an der Mosel mit dreyen Legionen ankommen wäre / daselbst der Gallier Hülffs-Völcker sa lete / Tiberius aber mit einer grössern Macht durch Noricum folgte. Weil nun die Umbstände muthmassen liessen: daß die Römer in der Catten Gebiete den Einbruch versuchen würden / fiel es dem Fürsten Adgandester nicht schwer im Kriegs-Rathe es dahin zu bringen: daß Hertzog Melo an den Rhein gegen der Ubier Altare / Catumer zu seinen Catten gegen Meyntz voran eilen / und den Berg Taunus bewahren solte / biß der Feldherr und Hertzog Arpus mit der grössern Macht folgten. Der Feldherr hätte zwar gerne die Vermåhlung seiner Schwester und Catumers vollzogen / aber er fand allenthalben so viel Schwerigkeiten: daß Hertzog Arpus selbst die Verschiebung billigte. Ismene schätzte sich durch seine Reise so sehr beglücket: daß sie ihre Freude mit genauer Noth bey seinem Abschiede verbergen konte. Leitholde hingegen war durch der Gräfin von Bentheim erzehlten schlechten Verrichtung beym Hertzoge Jubil mit Bekümmernüß so angefüllet: daß sie Tag und Nacht durch unaufhörliche Thränen ihr geängstigtes Hertz erleichtern muste. Alle Trost-Worte der Gräfin fielen in taube Ohren / und an statt / daß sonst der Schmertz mit der Zeit abni t / wuchs er in ihrer Seelen alle Stunden sichtbar / und näherte sich ie länger ie mehr der Verzweifelung. In etlichen Tag und Nächten schlief / daß und redete sie nichts; ausser diese verbrochenen Worte: Untreuer Jubil! fielen ihr zuweilen von der Zunge. Ungeachtet sie auch ihren Unwillen über der Gräfin steter Anwesenheit mercken ließ / schätzte doch diese mitleidende Frau für unverantwortlich von dieser Fürstin einigen Fuß zu versetzen / sondern wolte lieber mit ihrer Gegenwart verdrüßlich / als mit ihrer Gefahr nach ihrem Willen leben. Sie ließ von denen Fürstinnen / welche sie ersuchen wolten / niemanden für sich / entweder umb keine Zuschauer ihrer Schwachheiten zu haben / oder weil alle Tröstungen ihr Leid mehr verbitterten. Endlich kam sie gar von Sinnen: daß sie die seltzamsten Reden ausschüttete / und wie sie vor stets geweinet hatte / nunmehr unaufhörlich lachte / und sie gleichsam aus einem Heraclitus in einen Democritus verwandelt zu seyn schien. Wie wenig Kräfften sie gleich übrig hatte / entkräftete sie sich doch noch mehr durch eine stete Bewegung / biß sie endlich in einen tieffen Schlaf oder vielmehr Ohnmacht fiel. Nach 12. Stunden kam sie wieder zu sich / und nachdem sie die für ihrem Bette sitzende und sich in Thränen badende Gräfin mit starren Augen eine gute Weile angesehen hatte / fieng sie an: Vertrauteste Freundin / Gott Lob! Ich bin von meiner Kranckheit und Liebe genesen. Sie sage dem Fürsten Jubil: Ich erlasse ihn alles Anspruches / wormit er desto gewissenhafter die Catta ehlichen / ich aber einer grössern Glückseligkeit genüssen könne / die ich oder sonst iemals eine Frau in dem vergnüglichen Eh-Bette hätte finden mögen. Die Gräfin schätzte sich neugebohren; sonderlich da sie selbst die vorhin verschmäheten Artzneyen zu ihrer Stärckung / als auch die Besuchung des vorhin abgewiesenen Frauenzimmers verlangte. Als sie aber wieder zu Kräfften kommen / verlohr sie sich des Nachts mit einer einigen sie bedienenden Jungfrauen aus dem Zimmer und der Burg: daß kein Mensch durch die vom Feldherrn anbefohlene sorgfältigste Nachforschung ihr auf die Spur kommen konte / und daher die meisten ihren Tod muthmasseten.

Gieng es nun in dem Hertzen der Königin Erato /Ismenens / und Leitholdens trübe her / so schien in des Cassuarischen Fürsten Siegemunds Hertze nicht die Sonne; welches nunmehr einer stürmenden See vollkommenes Ebenbild war. Denn so lange die Asianische Fürstin Zirolane Rhemetalcen kein geneigter Auge als ihm zeigte / wie sie denn so wohl die[161] Freundligkeit ohne diß zu ihrer steten Gespielin / als die Klugheit zu ihrer Leiterin hatte; behielt Siegemund die Eiversucht gegen seinen Mitbuhler noch in seinem Hertzen verborgen / und unter dem Zügel der Vernunft. Es hatte aber Zirolane bald von Anfang eine mehrere Empfindligkeit gegen Rhemetalcen / als Siegemunden geschöpft / ungeachtet des letztern nahen Verwandschafft mit der Hertzogin Thußnelde und andere wichtige Bedencken sie ihr Urtheil zu eröffnen über ein Virtel-Jahr zurück gehalten hatte. Dieses lockte endlich Fürst Siegemund mit seiner Heftigkeit wider sich selbst heraus. Denn als der Hertzogin Thußnelde Geburts-Tag mit einem Turnier gefeyert ward / und iedes Frauenzimmer ihr einen gewissen Ritter ihr zu Ehren und mit Führung ihres Sinnebildes zu stechen erkiesete / bey Zirolanen aber Rhemetalces und Siegemund eivrig anhielten / entschloß sie sich keinen unter beyden zu wehlen / umb zwischen beyde Fürsten keinen Zanck-Apfel zu werffen. Rhemetalces gab sich mit Zirolanens Erklärung: daß kein ander Ritter unter ihrem Schirm in die Schrancken erscheinen solte / zufrieden / und ihr diese schertzhaffte Antwort: Er müste ihm nur seine Lüsternheit umb seinen Gehorsam zu zeigen / vergehen lassen / und sich trösten: daß man auch dem zahmen Viehe / welches man doch mästen wolte / das Geträncke entzüge / das alle Thiere doch am beschwerlichsten entrathen könten. Siegemund aber bezeugte über Zirolanens Verweigerung eine ziemliche Ungedult; welche ihm Zirolane mit dieser nachdenklichen Frage verwieß: Ob er nicht wüste: daß Donner-Schläge die Empfängnüß der Perlen-Muscheln hinderte / oder gar verursachten: daß die trächtigen gar ihre edle Frucht verschütteten? Ob nun zwar Fürst Siegemund wohl verstand / daß Zirolane ihm damit so viel sagte / er würde durch Sturm wenig seine Liebe befördern / erkühnte er sich doch auf besti te Zeit mit einem Schilde / darein der Marsingischen Fürsten uhraltes Sinne- Bild / nemlich drey gekrönte Getreyde-Eeren gemahlt waren / in dem Schrancken zu erscheinen. Diese Eeren führet das Marsingische Haus zum Gedächtnüsse: weil desselbten Uhrheber sich um die Sarmatier bey einer grossen Hungers-Noth durch freygebige Vorschüssung seines reichen Vorrathes für 900. oder gar 1000. Jahren so wohl verdient: daß sie ihm die Königliche Krone aufgesetzt haben. Zirolane ward über dem ersten Anblicke dieser sonst bey ihrem Geschlechte so hoch-geschätzten Eeren so verdrüßlich: daß / weil sie ihr leicht an Fingern ausrechnen könte: es würde sich niemand als der ungeduldige Siegemund dieses Keñzeichens zu mißbrauchen unterstanden haben / und Rhemetalces sie einer dem Fürsten Siegemund geheimen Erlaubnüß halber in Verdacht ziehen würde / sie aufstand von der Schaubühne weg zu gehen. Bey ihrer Umbwendung aber überreichte ihr ein unbekandter Edel-Knabe einen Zettel des Innhalts: Weil ein Ritter das Fürstliche Marsingische Sinnebild ihr zu Trotze mißbrauchte / nöthigte ihn seine diesem Hause verbindliche Pflicht gegen ihn das ihr angefügte Unrecht offentlich zu rächen. Wormit nun Zirolane den zu erkiesen wůste / welcher sich zu ihrem Dienste gewiedmet hätte / schickte er ihr den Abriß seines Schildes / welcher ihn nicht so wohl als ein einiger geneigter Strahl von ihren schönen Augen wider aller Welt Tapferkeit vertheidigen würde. Zirolane hüllete das beygelegte Blat auf / und befand zu ihrer höchsten Verwunderung darauf ein Gemählde / welches auf dem Meere eine aufgähnende Purper-Muschel / über welche der Blitz hinfuhr / fürbildete / mit der Bey-Schrifft: Viel Geschrey / wenig Wolle; groß Gethöne / kleine Perlen. Weil nun Zirolane sich erinnerte: daß sie dieses Gleichnüß in keines Menschen Anwesenheit dem Fürsten Siegemund eingehalten[162] hatte; veränderte sie ihre erste Muthmassung / und bildete ihr numehr festiglich ein: daß Rhemetalces sich der gekrönten Eeren brauchte / Siegemund aber der Ubersender dieses Gemähldes und Zettels wäre. Hierinnen ward sie so viel mehr bestärckt / als sie noch einen Blick in die Schrancken that / und das Pferd / worauf der vermeynte Rhemetalces saß / mit zweyen Buchstaben K. und S. welche die Griechen an alle gute Pferde zu brennen pflegen / bezeichnet / umb die gekrönten Eeren aber noch diese Uberschrifft beygesetzt sahe: Verwegenheit krönt auch die schlechten Eeren. Weil sie dem sonst so bescheidenen Rhemetalces nichts weniger als diese Vermessenheit zugetrauet / ihr Hertze aber schon von ihm einen ziemlichen Zunder gefaßt hatte / ward es mit so vielerley Gedancken / als die aus Indien kommende Opalen Farben in sich haben / erfüllet; also daß sie so wenig mit sich des Bleibens oder Weggehens halber einen Schluß zu machen wuste / als man sagen kan / welche Farbe in erwehntem Edel Gesteine den Vorzug habe. Bey diesem währenden Zweifel näherte sich Thußnelde Zirolanen / und zohe sie mit der Hand zu sich / mit Bitte: Sie möchte ihr doch bey ihrem Freuden-Tage nichts mißfällig seyn lassen. Wordurch Zirolane zwar zu verharren gezwungen / iedoch aufs neue verwirret / und in Argwohn gesetzt ward: Ob nicht Thußneldens Bruder mit ihrer Einwilligung mit den Marsingischen Eeren seinen Schild gezieret hätte. Welch Blat ihrer Muthmassung sich aber bald wieder wendete / als der Ritter mit der offenen Perlen-Muschel in die Schrancken ritt / und Thußnelde nicht nur seinen Aufzug für andern rühmte / sondern er auch nach deutscher Helden-Art eine wilde Schweinshaut über den Rücken herat hencken hatte. Die Hertzogin Thußnelde gab diesen Tag mit einem weissen Tuche /welche die Deutschen durch die Bleiche weisser / als die Griechen durch Mah-Safft zu bereiten wissen /wie zu Rom auch die Stadt-Vögte / das Zeichen zum Treffen; welches alle Augenblicke den Augen die vollkommensten Schauspiele der Tapferkeit und Geschickligkeit fürstellte. Sintemal alle Ritter diesen Freuden-Tag Ehre / ihrer viel auch bey ihren Buhlschafften Gewogenheit zu erwerben das äuserste ihrer Kräfften angewehreten. Hertzog Flavius / Jubil / Zeno / Marcomir / Malovend / und der Feldherr selbst verrichteten gleichsam eitel Wunderwercke / und speiseten darmit / als mit den höchsten Vergnügungen die Liebe der ihnen zugethanen Seelen; wiewohl / weil darunter ihrer etliche gleichsam zertheilte Hertzen /und darinnen verborgenes Feuer hatten / Furcht / Eiversucht und Mißgunst ihre Galle mit in so süsse Gerüchte einmischten. Zirolane schlug inzwischen sich so sehr mit ihren eignen Gedancken / als die kämpfenden Ritter einander mit ihren Waffen; als sie aber den Ritter mit der Perle gegen den mit den gekrönten Eeren ausser der ihn treffenden Ordnung herfür rennen sahe / fieng allererst ihr zitterndes Hertze an zu schlagen. Beyde Ritter brachen drey Lantzen mit einander / sonder daß einer sich im Sattel beugte / oder mit einem Fusse im Steigereiffen wanckte. Ob nun wohl hiermit die Zahl der Rennen erfüllt war / und beyde ihren Ehren ein Genügen gethan hatten / so schätzte doch beyder Eiversucht ihr für Schande ohn einen erlangten mercklichen Vortheil über den andern die Schrancken zu verlassen. Insonderheit aber war der verliebte Siegemund sehr verbittert weil er aus Zirolanens gegen ihn gebrauchten Worten feste glaubte: Sie hätte seinem Widersacher / welchen er ungezweifelt für Rhemetalcen hielt / sich der vom Blitz eröffneten Perle auf dem Schilde zu bedienen / und dardurch ihm seine Heftigkeit zu verweisen angestiftet. Sie riessen daher die vierdte Lantze ihren Waffenträgern aus den Händen / und rennten nicht anders[163] als zwey umbs Leben kämpfende Tod-Feinde gegen einander. Weil aber der Zorn ein übeler Rathgeber / und insgemein ein Vater der Fehler ist / versahe es der sonst keinem Ritter im Turnier was bevor gebende Ritter mit den gekrönten Aeren: daß der mit der Perle ihm die Lantze recht auf die Brust anbrachte / und umb seinen gäntzlichen Fall zu verhüten / des Pferdes Hals zu umbarmen nöthigte. Zirolane röthete sich über diesem Schimpfe; und weil sie ihr einbildete: daß ihr und dem Marsingischen Hause aus so unglücklicher Vertheidigung ihrer Eeren eine Verkleinerung zuwüchse /fieng sie zu dem anwesenden Frauenzimmer an: Es möchte dieser Ritter seyn wer er wolte / so erkennte sie ihn nicht für ihren Ritter; Sie würde sich auch bald anfangs aus den Schrancken weg begeben haben /weil sie gesehen: daß einer ohne ihren Willen sich des Marsingischen Wappens gebrauchte; wenn nicht die Hertzogin Thußnelda als ihre vollmächtige Gebieterin ihr zu bleiben Befehl ertheilt hätte. Unter diesem Gespräche hatte der Ritter mit den Eeren schon eine andere Lantze erwischt / und den mit der Muschel sich zu wehren gezwungen. Es lieff aber diß Rennen nicht viel glücklicher aus / indem jener zwar diesen so wohl faßte: daß er einen Steige-Bügel verlohr; diesem aber von jenem der Helm gar vom Kopfe gerennt / und er daher für den Fürsten Siegemund erkennet ward / welcher für Verdruß hierüber über die Schrancken sprengte. Thußnelde und Zirolane wurden auf einmal von so unterschiedenen Gemüths-Regungen hierüber befallen: daß sie sie nicht zu unterscheiden / weniger zu dämpfen wusten. Thußnelde fürnemlich war beschämet ihres Bruders wegen / nicht so wohl / weil er im Lantzenbrechen durch seine unvergnügte Heftigkeit den Kürtzern gezogen; als weil sie nicht wuste: wer sein sich ebenfalls bald aus dem Kampf-Platze entfernender Obsieger wäre; und daß er wider Zirolanens Willen ihr Sinnebild gebraucht / aber so unglücklich vertheidigt hätte. Zirolane sahe Thußnelden ihre Bekümmernüß an den Augen an; und weil sie nicht gerne sich oder Rhemetalcen aus ihrer Gewogenheit gesetzt wissen wolte / sagte sie zu ihr: Fürst Siegemund wäre sicher nicht aus Mangel seiner Geschickligkeit / sondern aus einer Straffe des Himmels verunglückt; weil er für ihre Unvollkommenheit die Lantze zu führen wider ihren Willen sich eingedrungen hätte. Thußnelde antwortete: Meines Bruders Schande soll seine geringste Straffe seyn / und ungeachtet der Himmel zu des andern Ritters Tapferkeit und seinem Unfalle geholffen haben mag / soll er desthalben doch der Straffe der Menschen nicht entgehen. Zirolane zeigte hierüber nicht wenig Bestürtzung / meldende: Wo der Himmel sich einmischte / hätte der Menschen Recht ein Ende. Zu dem könte sich niemand als sie durch den Fürsten Siegmund beleidigt halten / also käme auch nur ihr die Rache zu; welche sie schon vergeben hätte. Thußnelde antwortete: Sie hätte Theil an Zirolanens Beleidigung / und auch Frembde wären berechtiget / den Verbrecher zu Vergnügung des Beleidigten anzustrengen. Sie wolte aber ihren Bruder sich selbst zu straffen auflegen / welches er so viel weniger würde verweigern können / weil es andern ihre Beleidigung verzeihen zwar eine Tugend; seinen eigenen Fehlern aber heucheln eine Grausamkeit wäre. Zirolane begegnete ihr: Wenn Thußnelde eine so strenge Richterin seyn wolte / müste sie ihr als einer Schwester das Befugnüß zu urtheilen strittig machen; besonders / da es eine neue Beleidigung des Beleidigtẽ wäre / wenn man ihm einen Nothzwang der Rache aufdringen wolte. Die Straffe aber / welche der Beleidiger sich selbst unterwürffe / könte sie so viel weniger billigẽ; weil edle Gemüther andern zwar viel / ihnen selbst aber wenig oder nichts vergäben / und niemanden härter / als sich selbst bestrafften. Thußnelde fiel ein: Seine eigene Bestraffung soll zwar kleiner als sein Verbrechen / ihm aber gleichwohl genungsam[164] empfindlich seyn; denn er soll sich nicht erkühnen weder Zirolanen noch mir mehr unter Augen zu ko en. Zirolane versetzte: So wenig sie vom Richter-Ampte verstünde / deuchtete sie dis eine viel zu große Straffe für das ärgste Laster / wie viel mehr also für eine so kleine Schwachheit zu seyn? Ihre Augen wären kaum würdig so fürtrefliche Fürsten zu schauen; also nicht fähig: daß die Entfernung von ihnen den Nahmen einer Straffe verdienen solte. Thußneldens Antlitz aber schätzte sie nicht nur für so schön / sondern auch für so gütig / als der Himmel wäre; und also würde sie ihre Vorbitte so viel gelten lassen: daß sie einem so werthen Bruder dis nicht entzüge / was der Himmel denen lasterhaftesten Menschen / ja den wildesten Thieren nicht verhüllete; wo sie anders nicht besorgen solte: daß sie selbst Theil an Thußneldens Ungnade hätte / und also ihre Vorbitte keiner Erhörung werth wäre. Hiermit und durch andere Höfligkeiten überwand sie endlich Thußnelden: daß Fürst Siegemund / ungeachtet sie seine Vergehung in der Seele schmertzte / keine andere Straffe /als welche Zirolane selbst aussetzen würde / leiden solte. Siegemund schämte und scheute sich einen Monat-lang wieder nach Hofe zu kommen / bis er durch seine vertraute Freunde von Zirolanens /Thußneldens und des Feldherrn Regungen / und was diese seine Glücks-Sternen ihm für ein Gesichte zeugen möchten / Nachricht bekam. Unterdessen ließ Rhemetalces sich nichts wenigers als seines wider den Fürsten Siegemund erlangten Vortheils mercken; maßen er denn auch sich so verborgen von dem Kampf-Platze entfernet hatte: daß außer Zirolanen und dem Fürsten Siegemund selbst niemand zu muthmaßen wuste / wer der Ritter mit der Perlen-Muschel gewest wäre. Ja gegen Zirolanen selbst machte es ihm Rhemetalces anfangs gantz frembde / bis sie ihn bey der Aufrichtigkeit seiner Liebe beschwur ihr umbständlich die Warheit / und wie er durch die Nachricht einer sie bedienenden Jungfrau das Gleichnüs von der Muschel erfahren hätte / zu erzehlen. Hiermit setzte Rhemetalces bey Zirolanen einen so guten Stein ins Bret des Glückes / oder vielmehr eine Angel an ihr Hertze: daß sie nicht mehr ihre Gewogenheit gegen ihn versteckte / sondern ihm umb seine Hofnung zu stärcken die Schwäche ihrer Seelen ihn durch allerhand holdseelige Bezeugungen zeigete. Fürst Siegemund hingegen kam zwar wieder nach Hofe; aber er kriegte von Thußnelden / da er sich nicht ihrer von Zirolanen wieder erbetenen Gewogenheit wieder verlustig machen wolte / zweyerley Gesätze / nemlich sich der Straffe / welche die beleidigte Zirolane ihm auflegen würde / ohne einige Ausflucht zu unterwerffen /und / da er gleich den seine Vermessenheit straffenden Ritter mit der Perlen-Muschel wüste / oder erführe /sich gegen ihn einige Rache zu üben nicht gelüsten lassen solte. Siegemund muste nur klein zugeben / die Achseln einziehen / und Zirolanen selbst umb seine Bestraffung demüthig anflehen. Diese wuste mit den freundlichsten Worten ihm sein Verbrechen so lebhaft abzumahlen / und so empfindlich ins Hertze zu reden: daß er nach der gemeinen Eigenschafft aller Fehlenden / nunmehr allererst die Größe seiner Schuld zu erkennen bekennte. Zur Straffe aber deutete sie ihm an: daß einige Liebe gegen sie ihm nicht ins Hertze / und kein Wort hiervon zu gedencken ihm auf die Zunge ko en lassen solte. Siegemund fieng hierauf an überlaut zu ruffen: Grausamste Fürstin! unbarmhertzige Zirolane! warumb spricht sie mir nicht lieber das Leben ab / als dis / was mir lieber und süsser als tausend Leben ist? warumb hinterhält sie mir das Todes-Urthel / da sie doch durch diesen Ausspruch mich durch lange Quaal zu tödten vorhat? Ich befinde mich beschwert durch dis Urthel / und beziehe mich hiermit an einen andern Richter. Zirolane fragte: wen er denn anders zum Richter[165] haben wolte? ob seine Schwester Thußnelde? weder eine noch die andere / antwortete er; denn es scheinet: daß ihr beyde mit einander umb den Vorzug in der Grausamkeit kämpfet. Ich begehre keinen andern Richter über mich / als welche Gewalt über alle Welt zu urtheilen haben / nemlich die Liebe oder den Tod. Dieser oder jene müssen durch Zirolanens Mund reden / wo ich mich nicht über höchstes Unrecht beklagen soll. Meine Verdammung zum Tode aber wird mir süsse seyn / weil ihre holdseelige Lippen auch die Bitterkeiten des Todes zu verzuckern vermögen. Ja ich werde mit Freuden und glückseelig sterben / wenn Zirolane sich erbarmet mich mit eigenen Händen zu tödten. Mit diesen Worten sanck er nieder auf ein Knie / reichte Zirolanen seinen entblösten Degen / und fuhr fort: Mit diesem Eisen übe sie an mir aus ihre Rache / wo sie nicht ewig die unbarmhertzige Zirolane heissen soll. Zirolane erkennte nun allererst die Heftigkeit seiner Liebe / sahe ihn als mit einem etwas mitleidentlichern Hertzen an / und sagte: Weder Liebe noch Tod kan hier über ihn urtheilen. Denn die erste ist nicht in meinem Hertzen / der letztere nicht in meiner Gewalt / das Lebẽ und die Glückseeligkeit beruhet wol in seinẽ eigenen Händen. Wolte Gott! erwiederte er / es verhielte sich also / so würde ich zu sterben nicht Noth haben / und wo nicht glückselig seyn / doch glückseelig zu werden nicht verzweifeln dörffen. Denn wäre keine Liebe in Zirolanens Hertzen / und hätte der vom Verhängnüsse zu meinem Untergange ausgerüstete Ritter so wenig Perlen in dem Schatz-Kasten ihrer zarten Seele / als in seiner leeren Muschel / so könte ich noch der Zeit und dem Himmel vertrauen: daß ich nicht ewig aus ihrem Hertzen verbannet seyn / sondern mein erbärmlicher Zustand sie zu Mitleiden bewegen / und meine feurige Liebe das ihre Seele umbgebende Eiß zerschmeltzen würde. Zirolane antwortete: Mein lieber Siegemund /er ist unbarmhertziger und kälter gegen sich selbst /als er mir beymißt. Er selbst ist der Ursprung seiner Unvergnügung / und brauchet mich nur zum Steine seines vorsetzlichen Anstossens. Daher gehet es mir nicht besser als der Soñe / welcher man Finsternüsse antichtet / umb den Irrthum unsers Gesichtes zu entschuldigen. Es ist nicht nur verlohrne Müh / sondern eben so grosse Thorheit irgendswo Liebe / da sie nicht ist / als unserer Ost-See Perlen / und in Africanischen Lachen oder in Indien von des Meleagẽrs Hännen geweinten Agstein suchen. Daher schlage er beyzeiten ihm aus dem Sinne / was er / seinem eigenen Geständnüsse nach / nicht zu hoffen hat. Das Hertze ist zwar das Behältnüs unserer Neigungen / aber nicht die Richtschnur unseres Fürhabens. Unter allen Thieren stehet es dem Menschen allein auf der lincken Seiten / umb uns zu erinnern: daß wir seine Leitungen allemal für verdächtig halten / und seinem Reitze nicht so blind folgen sollen. Fürst Siegesmund seufzete /und fieng an: Ach! es lässet sich in dieser Schule leichter lehren als lernen; und durchgehends leichter gebieten / als gehorsamen. Der menschliche Wille ist keinem Zwange unterworffen / sondern vielmehr ein Beherrscher unsers Thuns / als welcher frey und zur Bothmäßigkeit gebohren ist. Mit der Milch unserer verliebten Mütter wird uns der Saamen der Liebe eingeflößt / und die Sternen selbst pflantzen uns einen kräftigen Zug zu gewissen / und uns ähnlichen Schönheiten ein. Daher ist es so wenig möglich: daß eine edle Seele nicht liebe / als daß das Feuer nicht brenne / oder der Magnet kein Eisen ziehe. Zirolane begegnete ihm: Es ist dis die alte Art unsern Schwachheiten zu heucheln / und unsern Irrthümern Pflaumen zu streichen. Der Wille ist allerdings ein Gebieter so wol im obern als niedrigerm Rathe der Seele; aber destwegen doch so blind: daß er in seinem eigenen Hause sich verirret / und wenn die Vernunfft ihm nicht vorgehet / und Vorsicht ihn bey der Hand[166] leitet / stolpert er über seine eigene Füsse; Er stürtzet über Hals und Kopf ins Verterben / er verwundet sich mit seinem eigenen Messer / weñ man ihm nicht das schädliche aus der Hand ni t und die Klugheit ihm zum guten den Weg weist. Die Natur freylich hat wie allen Thieren /also dem Menschen die Liebe eingepflantzt / weil sie ohne sie vergehen würde; aber niemanden hat sie an einen gewissen Menschen angepflöckt. Der Magnet zeucht nicht nur der Chalyber / sondern alles Eisen /und unsere deutsche Eichen und Buchen geben eben so wol / als die Syrischen Cedern und die Arabischen Gummi-Sträuche einen Zunder dem Feuer ab. Fürst Siegesmund fiel ein: Ach! leider! nun erfahre ich: daß Zirolane noch von keiner Anfechtung der Liebe versucht worden sey / weil sie die Liebe für eine Flamme hält / welche sich an jedem Zunder sättige / und nicht Balsam und Weyrauch zu seinem Opfer und Vergnügung verlange. Wie zwar alle Sternen die Erde fruchtbar zu machen geneigt sind / jeder aber absonderlich einen gewissen Einfluß in dis oder jenes Gewächse hat; also reget die Liebe wol durchgehends ein Geschlechte zum andern / alleine jeder Mensch hat doch nur eine Seele / wie der Magnet nur einen Angelstern / zu welcher ihn entweder die Gestirne oder sein Verhängnüs am kräftigsten zeucht. Dieser Zug wird uns schon bey unser Geburt / oder bey unser Empfängnüs eingeflößt / und unserer Seele das Bild eingepräget /welches der Himmel zu unserer Liebe besti et / und selbtem eine mit uns habende Aehnligkeit eingedrückt hat. Welches Band keiner Welt Macht / keine Hindernüs der Mißgunst / keine hartnäckichte Widersetzligkeit; ja unser eigener Wille oder das Verhängnüs selbst nicht zerreissen kan. Zirolane lächelte / und sagte: Es ist dis: daß die Gestirne und die durch sie eingedrückte Aehnligkeit des Leibes und Gemüthes unsere Verknüpfungen verursachen solten / ein alter aber verführischer Aberglauben. Denn wie ko t es: daß die schwartzen meist weisse / weisse aber meist schwartze lieben? Wie viel traurige sind ihrer wäßrichten Eigenschafft / wie viel feurige ihrer Galle und Farbe gram / hingegen jene den freudigen / diese denen eingeschlaffenen hold? die alten Greise spielen am liebsten mit den Kindern. Die Hunde sind den verhaßten Wölffen ähnlicher / als den Schaafen / die sie aus einer sondern Neigung beschirmen. Der gläntzende Stahl hat mit tunckelm Magnet- die Spreu mit dem Agsteine die wenigste Gleichheit und doch eine so nahe Verwandschafft. Uberdis finde ich zwischen uns beyden weder in der Gestalt noch in Regungen keine solche Gleichheit; oder da meine Augen auch gleich selbte zu erkiesen allzu übersichtig wären / müste ich doch in mir gegen ihm einen Gegen-Zug finden /wenn uns die Kräften der Gestirne zu einander versehen hätten. Grausame Zirolane! fieng Fürst Siegemund an zu ruffen: Hat es nicht Riesen gegeben / die den Himmel gestürmet? Giebt es nicht Mohren / die die Sonne verfluchen? Was ist sich zu verwundern: daß Menschen dem Reitze der Natur und den Leitungen der Gestirne widerstreben? Fühlet gleich sie noch nicht ihren Trieb; so wird doch der in ihr Blut eingeflößte Saamen noch rege werden / wenn sie ihn nicht mit Gewalt selbst ersteckt? In den Kieselsteinen stecket wol Feuer / es muß aber durch Schläge des Stahles / und die Gegen-Liebe durch Liebe heraus gebracht werden. Warlich! Zirolane; sie thut dem Himmel Unrecht / wenn sie ihm die Ehre entzeucht: daß einige wahre Liebe in unlern Seelen glimme / welche nicht von ihm herabgethauet sey. Alle die den Ursprung aus der Erden bekommt / hat die Schwerde der Kaltsinnigkeit an sich / und ist mit dem Hütten-Rauche des Geitzes / oder mit dem Dampfe der Ehrsucht besudelt. Das einige Beyspiel der Fürstin Odatis / des Scythischen Königs Omartis Tochter / welcher nicht geschwinder ein Traum[167] des Fürsten Zariadres Bildnüs in die Augen / als das Siegel der Liebe in ihr Hertz drückte / Alcibiadens gegen der nie gesehenen Medontis von Abydus nur von ihrem Ruhm entzündete Flamme kan ihr allein wahr machen: daß es weder in unser Wahl noch Gewalt stehe die / zu welcher uns der Himmel versehen / nicht zu lieben. Und ob zwar der Liebenden Aehnligkeit nicht so leicht oder bald allen Augen sichtbar ist; so thut sie sich doch mit der Zeit / welche allen Dingen ihre Farbe und Gestalt zu verändern vermag / herfür; und ist in der Welt nichts gemeiners / als das man hernach mit eivrigster Brunst umbarmet / worfür man anfangs die gröste Abscheu gehabt hat. Zirolane brach ein: Wer auf diese Aenderung hoffet / bauet Schlösser in die Lufft / und anckert auf Trübsand. Glücket es einem / so gehen hingegen tausend Absehen zu scheutern / welche irgendswo Gegen-Liebe erzwingen wollen. Deñ dieser Zwang ist vielmehr dem Verhängnüsse zu wider / welches durch die Sternen uns so wol die Ab- als Zuneigungen einflösset. Darumb / wo ich glauben soll: daß er mich jemals geliebt habe / so bestätige er es durch dis Merckmal: daß er mir von der Liebe nichts mehr sagt. Mein Urtheil füget ihm weder was unrechtes / noch verkleinerliches an. Denn ich weiß wol: daß Fürst Siegemund Liebens-werth ist / und es ihm an tausend Liebhaberiñen nicht fehlen kan. Alleine er kan diesen Zoll so wenig von mir / als alles Frauenzimmer solchen von ihm mit Rechte fordern / wenn er nicht über die gantze Welt die Bothmäßigkeit seiner Liebes-Regung erstrecken wil. Die Tentyriten hassen die Krokodile und stellen selbten als Todfeinde nach / welchen die Cinbiten in Egypten Göttliche Ehre anthun. Für dem Hunds-Steine / welchen bey seinem Aufgange die Africanischen Ziegen mit unverwendeten Augen anbeten / schäumen die Meere / erzittern die Seen / vertrocknen die Gewächse / und jären die Weine; wie soll ich denn nicht recht haben / mein Hertze für ihm zuzuschlüssen ungeachtet er würdig ist: daß ihm tausend andere offen stehen. Mit einem Worte: Fürst Siegemund muß mir nichts mehr von seiner Liebe sagen /oder ich werde mich in eine Verfassung setzen müssen: daß er mir hinfort gar nichts mehr sagen könne. Mit diesen Worten wendete sie sich umb / in willens sich von ihm zu entfernen; Fürst Siegemund aber erwischte ihren Arm / und fieng an: Grausame Zirolane / wil sie mich nun auch aus ihren Augen verbanen /nachdem sie mich aus ihrem Hertzen verstossen hat? Ich wil ihrem Befehl gehorsamen / und meiner Zunge Gewalt anthun: daß sie ihr nichts mehr von meiner Liebe sagen soll. Mit diesem theuern Zungen-Opfer /wormit sich auch die erzürnten Götter versöhnen lassen / wird sich hoffentlich auch Zirolane vergnügen; und über seine Mögligkeit ihm nicht die Vertilgung seiner Liebe im Hertzen aufdringen; welche er so wenig / als der Sonne ihr Licht ausleschen könte. Zirolane sahe ihn mitleidig an / und antwortete: Ich wil mich auf eine kurtze Zeit mit seinem Stillschweigen /da er solchem treulich nachkommt / vergnügen; weil ich wol weiß: daß Feuer und Liebe durch nichts bessers als ihre Einzwängung zu dämpfen sind; und daß sein Stillschweigen ihn in kurtzer Zeit als des Pythagoras Schüler weise machen werde. Siegemund versetzte: Ich weiß nicht Worte genung zu finden / für diese Milterung ihres Urthels zu dancken / gütigste Zirolane. Aber meiner Seele durch Seufzer Lufft zu machen wird mir ja unverwehrt seyn? In keinerley Weise / begegnete ihm Zirolane. Denn in Seufzern maßet sich der Athem und die Augen des Amptes der Zungen an / und also sind sie eine durchdringendere Sprache als die Rede / wormit er mich mehr als mit diesen beleidigen würde. Mit diesen Worten verließ sie den Fürsten Siegemund; welcher aber ihr diese Worte nachseufzete: Ach unbarmhertziger[168] Ausspruch! welcher einem auch sein Unglück zu beseufzen verwehret! Weil er nun Rhemetalcen in völliger Gnade bey Zirolanen sah / traute er ihm nicht so lange bey Hofe zu leben: daß er des Feldherrn bevorstehenden Aufbruch erwartet hätte / sondern reisete zum Herzoge Arpus / umb im Kriege sein unfriedsames Gemüthe zu beruhigen; gleich als wenn die stürmerischen Waffen die Liebes-Regungen wie das Ungewitter Epp und Fluth des Meeres aufzuheben mächtig wären. Jedoch war nicht nur Fürst Siegesmund und andere / welchen das Glück die Ferßen kehrte / und die Liebe über Achsel ansah / unruhig / sondern auch die / welche von beyden auf den Händen getragen wurden / fühlten in sich ihre Regungen.

Also giebet es auf der Welt so wenig Glückseeligkeiten ohne Beschwerde / als in den Gebürgen Gold-Adern ohne Erde / und im Himmel Sternen ohne Flecken. Die Sonne selbst / welche doch alles lebend macht / ist mit ihren annehmlichen Strahlen denen nahe an dem mittelsten Gürtel der Erd-Kugel liegenden Sud-Ländern mehrmals nicht wenig beschwerlich. Nicht anders gieng es der Hertzogin Thußnelde / welche sich zu unermäßlichen Freuden Deutschlandes schon schwanger befand. Sie selbst legte GOtt alle Tage für diesen Seegen ein hundert-faches Danck-Opfer ab; und ihr Verlangen wuste ihren Wunsch nicht höher zu schwingen; als eine Wurtzel zu seyn /aus welcher der Cheruskische Stamm sich in mehr als tausend Aeste ausbreiten möchte. Gleichwol aber war dieser so glückliche Zustand ihr desthalben beschwerlich: daß er ein Hindernüs seyn solte / ihren Gemahl /indem sie mehr / als in sich selbst lebte / an den Rhein und in den Krieg zu begleiten. Dieser versäumte keinen Augenblick in Zurüstung seines Heeres /weil im Kriege der Vorsprung bey nahe ein halber Sieg ist; Thußnelde aber ihr das Trauerbild des bevorstehenden Abschiedes für den Augen zu haben. Ihre Vernunfft und Bescheidenheit hielten sie zwar zurücke: daß sie wider ihre vom Feldherrn gut befundene Zurückbleibung das wenigste einwarf / gleichwol aber verschwendete sie insgeheim unzehlbare Thränen und Seufzer: daß ihr verwehret würde eine Gefärthin seiner Müh und Gefahr / und eine Zuschauerin seines Glückes und Unglückes zu seyn; also beym Aufbruche die edlen und andere gemeinen Weiber Glückseeligkeit preiste / welche ihre streitbaren Männer zu begleiten für ihr den Vorzug hatten. Gleichwol begleitete sie / und das meiste Fürstliche Frauenzimmer den Feldherrn und andere Hertzoge über die Lippe bis zu denen dreyen Paderbrunnen / welche auf der Stelle einen zimlich starcken Fluß machen; und wie der Brunn Arethusa zu Syracusa für eine Geburt des Flusses Alpheus / also diese für drey Kinder eines zwey Meilen davon sich unter die Erde verkriechenden Flusses gehalten werden. Allhier verrichteten alle Fürsten ihre Andacht; wolwissende: daß der Sieg mehr ein Göttliches Geschencke / als ein Werck der Tapferkeit sey. Die Hertzogin Thußnelde beschenckte beym Abschiede jeden Fürsten mit einem gerüsteten Pferde. Sie aber blieb mit der Königin Erato / der Fürstin Ismene / Catta / Zirolane und andern alldar in steter An dachts-Ubung. Am fünften Tage darnach trat die Sonne in Widder; da denn die Deutschen den Anfang des Jahres machen / welchen sie wegen Verjüngung der Natur mit besserem Rechte auf den Eintritt des Frühlings / als die Egyptier und Grichen auf die Zeit der in den Krebs tretenden Sonne / und die Römer zehn Tage nach dem kürtzesten Tage verlegt haben. Denn in diesem ersten Tage des Jahres / an welchem auch die Egyptier dem Osiris / die Griechen der Sonne prächtig opferten / wolte sie nicht nur GOtt für den Seegen ihres Ehstandes nach Gewohnheit der schwangern Frauen ein gelobtes Opfer abliefern / sondern muste auch alter[169] Gewohnheit nach als Cheruskische Hertzogin die Stelle der obersten Priesterin vertreten. Sintemal diese drey Brunnen mit dem darumb gehegten Eich- und Fichten-Walde das grösseste Heiligthum der Hertha ist. Es ist aber allhier weder Tempel noch ander Gebäu zu schauen / gleich als wenn der Ort für menschliche Wercke viel zu heilig wäre /ungeachtet sich allhier unter einer obersten Priesterin /hundert Priesterinnen / und noch viel andere edle Frauen und Jungfrauen aufhalten / und in Hölen eines nicht weit entferneten Berges wohnen / aus reichen Stifftungen der Vorwelt aber ihren wol auskommentlichen Auffenthalt haben. Die Fürstinnen suchten die oberste Priesterin nach abgewartetem Gottesdienste täglich zweymal in ihrer Höle heim / und schöpften in dieser Einsamkeit ihre absondere Vergnügung; Wie denn keine war / die nicht eine Erleichterung ihres Kummers fühlte. Maßen denn die Heiligthümer nothwendiger Weise von der Andacht eine heilsame Lufft und Krafft bekommen müssen / weil durch grosse Ubelthaten gewisse Oerter vergifftet / und der Bodem mit Vergiessung unschuldigen Blutes befleckt wird. Zu solcher Vergnügung aber half sehr viel die Leitseelig- und Bescheidenheit der obersten Priesterin /welche eine Gräfin von Schwalenberg war / und die Frauen von Buren / Desenberg / und Borrentrick zu ihren fürnehmen Vertreterinnen meist bey sich hatte. Die Königin Erato war als eine frembde bey denen annehmlichen Gesprächen die sorgfältigste ein und andere Geheimnüsse und Ursachen der Gebräuche zu erforschen; wiewol sie anfangs in Erwegung: daß man in denen den Gottesdienst angehenden Sachen ins gemein nicht gern alles eröfnet / im Fragen gar furchtsam; aber die Höfligkeit der Priesterinnen machte sie bald kecker. Ihre erste Frage war: warumb die Priesterinnen in so finstern Hölen wohneten / und sich nicht gemächlicher Häuser bedienten / da sie ihren Gottesdienst unter freyem Himmel zu verrichten kein Bedencken trügen? die oberste Priesterin antwortete: Sie wunderte sich über ihre Befrembdung; weil sie ja in Asien und Griechenland würde gesehen haben / wie viel schlechtere Hölen daselbst Tempel oder Wohnungen ihren Göttern abgeben. Ich / sagte sie / habe selbst oberhalb der Stadt Themisonium in einer grossen gewässerten Höle des Hercules / Apollo und Mercur Bilder andächtig verehren gesehen; weil diese die Jonier wider die Galater beschirmt haben sollen. Am Flusse Lethe beten die Magneten in einer überaus grossen Höle den Apollo an / welcher die von den höchsten Klippen stürtzende Menschen unbeschädigt erhalten / und ihnen Kräffte die grösten Bäume auf der Achsel zu tragen geben soll. Unter dem Parnassus ist die berühmte Corycische Höle des Pan / in Phrygien die Höle Steunos der grossen Mutter / welche wir Hertha nennen / hochgeschätztes Heiligthum. Ja in dem Tängrischen Vorgebürge ist des Neptun Tempel mit Fleiß als eine Höle gebauet. Warumb solten denn diese unsere meist von der Natur in die heiligen Felsen gebaute Hölen / welche der Menschen erste Häuser gewest / und eben so wol als die Gräber zu Gotteshäusern taugen / uns nicht gut genung seyn? GOtt hat unserer himmlischen Seele zu grossem Nachdencken den stinckenden Maden-Sack des Leibes zum Hause eingeräumt / umb uns das Geheimnüs zu entdecken: daß unsere irrdische und vermoderte Leiber in den Himmel zu erhöhen und mit der Seele / welche sie nach Art der die Dünste der Erden in Wolcken verwandelnden Sonne sie an sich ziehen wird / zu vereinbaren keine Unmögligkeit sey; warumb sollen denn diese hole Klippen / welche von einer Gottheit erfüllet und bewohnet sind / unsern schnöden Leibern nicht zur Wohnstatt taugen / und mit ihrer Finsternüs unsere Geister erinnern: daß sie über der Sonnen ein viel helleres Licht durch himmlische Gedancken[170] suchen sollen. Diese tiefsinnigen Worte redete sie mit einer so feurigen Regung: daß Erato selbiges mal keine Erklärung darüber zu bitten sich wagte. Bey folgender Zusammenkunfft aber fieng sie ehrerbietig an: Ich habe von dem Priester Libys gelernt: daß die Deutschen nur ein einiges unsichtbares Göttliches Wesen anbeteten; nechsthin aber habe ich allhier verstanden: daß diese Hölen von einer absonderen Gottheit bewohnt würden / und daß die allhier verehrte Hertha eben dieselbe Gottheit sey / welche in Phrygien die grosse Mutter hiesse. Die Priesterin antwortete lächelnde: Es kan beydes ohne Widersprechung gar wol beysammen stehen. Denn unsere Hertha der Phrygier grosse Mutter Cybele / Berecynthia / der Römer Maja / der Thracier Bendis / der Samothracier Axieron / der Galier Dis / der Scythen Apia / der Colchier Phasiana / der Cimmerier Cimmeris / der Syrier Biblia / Derceto und Adargatis / der Lydier Rhea / ist nichts anders als die Erde / wie es dieser Völcker mit einander übereinstimmende Abbildung und andere Lehren genungsam erhärten. Sintemal sie an ihr die unterirrdischen und mehrmals bebenden Hölen durch eine Drommel / die Gebürge und Städte durch ein gethürmtes Haupt den durch den Ackerbau fruchtbar werdenden Bodem durch einen von zahmen Löwen gezogenen Wagen / der Saaten und Viehzucht durch einen Püschel Eeren / und einen Hirtenstab / wie auch durch einen an eine Fichte angebundenen Wider und Ochsen / ihr Blumwerck durch mit Feilgen gezierte Zweige ihr Gespinste durch das mit Wolle umbwundene Bild des Attis ihrer Feuchtigkeit einen Becher /ihre Unbewegligkeit durch gewisse Sitze umb sie her / und durch eine Wage / ihre einträchtige Vereinbarung durch Pfeiffen und Heerhörner / ihr in sich nehrendes Feuer durch Fackeln / ihre Ertzgruben durch klingende Zimbeln abbilden / und weil aus der Erde alles entspringet / sie nicht nur für eine Mutter aller Dinge / sondern so gar ihrer andern Götter anbeten /insonderheit aber die Gallier eben so wol / als die Athenienser sich aus der Erde gewachsen zu seyn rühmen. Ihren Gottesdienst aber haben die Griechen von unsern Nord-Völckern durch die der Diana beliebte Jungfrau Opis nach Delos beko en / von dar er sich schier weiter in die gantze Welt ausgebreitet / weil jeder Mensch zur Erde als einer Nährerin aller Thiere / einer Mutter aller Reichthümer einen Zug hatte / und daher die klügsten Weltweisen fürs erste Element / für die älteste Göttin / und des Himmels Ehweib erkennte; wiewol anfangs und auch noch bey vielen Völckern / insonderheit aber bey den Syrern unter dem Nahmen Adargatis / bey den Egyptiern unter der Isis die gantze Natur verehret. Hernach aber dieser Gottesdienst in die Verehrung des Feuers / welchem die Persen fürnemlich beygefallen / und des Wassers /den die Egyptier angenommen / zerspaltet ward. Hierbey aber hat es der hinter einen blinden Eyver der Gottesfurcht sich zu verstecken gewohnte Aberglaube nicht bewenden lassen; sondern er hat den Bäumen /den Wässern / den Bergen / den Aepfeln / der Saate /der Erndte / dem Futter / den Steinen / ja so gar den Baum-Raubern / dem Miste und den Schlachten absondere Gottheiten zuzueignen sich nicht geschämet /gleich als der allwissende und allmächtige GOtt allen besondern Dingen vorzustehen entweder zu unachtsam oder zu ohnmächtig wäre. Zu geschweigen: daß endlich nicht etwan die diesen Dingen fürstehenden Gottheiten und Schutz-Geister / sondern so gar die todten Dinge selbst / als der Berg Carmelus / der Stein Elagabalus / die Stadt Rom für Götter angebetet worden. Alleine wir Deutschen sind nicht nur von diesem gantz unvernünftigen / sondern auch von dem gemeinen Irrthume fast aller Völcker befreyet: daß Himmel und Erde von zweyerley / zugeschweigen die Theile der Erde von absonderlichen[171] Gottheiten beseelet würden. Es ist ein GOtt / ein allgemeiner durchdringender Geist / welcher in die gantze Welt / jedoch in jedes Theil auf besondere Weise einfleußt; also: daß der Himmel gleichsam eine Männliche / die Erde eine weibliche Würckung bekommt / welche erstere wir Tanfana / die andere Hertha heissen. Woraus andere Völcker / theils durch Mißverstand ihren Irrthum gesogen / theils uns zu Unrechte beschuldigt haben: daß wir den Vulcan und den Mercur / unter welchem letzten Nahmen auch die Samothracier der Erde opfern / anbeteten. Welcher Aberglaube uns so viel weniger zuzutrauen ist; weil wir nicht einst derselben Weltweisen Meinung für vernünftig gelten lassen /welche die Welt / und die Erde für ein grosses Thier halten / welches für Erscheinung neuer Schwantz Gestirne erschrecke; über der schönen Gestalt des Hi els sich erfreue / schwitze / weine und heule. Sintemal wir uns leicht bescheiden können: daß es wider die gesunde Vernunfft lauffe das anzubeten / was wir mit Füssen treten / mit unsern Pflugschaaren verwahren / und unserm Unflate besudeln. Denn ob die Erde zwar unser Ursprung und unsere Säugamme ist / so vergöttern wir doch nicht unsere Eltern; und wenn die Erde gleich auch ein beseeltes Thier wäre / so ist doch der Mensch das edelste und herrlichste Theil der Welt / ja ihr wunderwürdiger Begrief / gleichwol aber höret er nicht auf selbst denen Ameißen ähnlicher / als Göttern zu seyn. Erato hörete der Priesterin mit Begierde zu / und pflichtete dem Glauben der Deutschen als dem Vernünftigsten je länger je mehr nicht weniger im Hertzen als mit dem Munde bey; freuete sich also auf das den nechsten Morgen vorstehende Feyer der Hertha / welches zu Ehren des die Erde durch den Einfluß der Sterne befruchtenden GOttes gehalten wird.

Die hundert Priesterinnen hatten sich bald nach Mitternacht in einem Lerchen-Baum-Walde versa let; welcher für so heilig gehalten wird: daß / wer einen Baum darinnen umbhaut / das Leben verwürgt hat; vermuthlich / weil die einmal abgehauenen Lerchen-Bäume und Fichten nicht / wie andere Bäume wieder auswachsen / und die Fichten auch bey andern Völckern der grossen Mutter gewiedmet sind. Die Frau von Buren / welche dem zwischen denen dreyen Brunnen versa leten Fürstlichen Frauenzimmer als eine Auslegerin des Feyers zugegeben war / gab hiervon die Ursache: daß die edelste Art der Fichten /nemlich der Lerchen-Baum / der in Deutschland die Stelle der Zedern vertritt / in sich so viel Oel / worvon doch alle andere Bäume verderbt würden / nehrte; sie auch keine andere Baum-Art in sich pfropfen oder einäugen liesse / und wenn der schädliche Nord-Wind wehete / Thränen vergieße / gleichwol aber den gantzen Winter durch sein Laub unversehret behielte /von keinem Wurme gefressen würde; also zugleich ein Bild der Fruchtbarkeit / der Einfalt / der Andacht und Unsterbligkeit wäre. Die Priesterinnen kamen mit aufgehender Sonne in vier Theile abgetheilet / denen Brunnen zu. Im ersten Hauffen waren eitel Jungfrauen / unter der Aufsicht der Fräulein von Riet-Beck. Sie waren alle mit roth-weissen langen Röcken angethan /ein weisser Flor bedeckte ihr Antlitz / ihre unaufgebundenen Haare waren von Salben gantz feuchte; das Haupt mit Fichten-Kräntzen bedeckt; sie spielten theils mit ertztenen Zimbeln / theils auf ledernen Drommeln / theils auf Pfeiffen von Buchs-Baum Holtze; umb damit gleichsam der Erde Fruchtbarkeit in Zeugung des Ertztes / der Thiere und der Bäume zu preisen. Etliche unter ihnen aber trugen an Stangen ein von Blumen künstlich zusa en gesetzet / und Augẽ / Nase / Stirne / Wangen / Mund / Knie / Brüste und andere Glieder artlich abbildendes Frauenzimmer.[172] Die vorwitzige Erato fieng an: Ich sehe in diesem Aufzuge eine grosse Gleichheit mit dem Feyer / welches in Phrygien die Priester der Rhea / Cybele oder Berecynthia Curetes an dem Flusse Gallus jährlich begehen; aber auch grossen Unterschied. Die Curetes weinen und heulen / diesen lächelnden Jungfrauen aber siehet mit der Anmuth auch die Freude aus den Augen. Jene schnitten ihnen nach Art der Traurenden die Haare glatt ab / schlügen ihre Armen und verwundeten den Leib / weil sie diese Göttin mit nichts besser als Menschen-Blute zu versöhnen glaubtẽ. Dieser Ungeberdung aber wolte sie sich von so holden Jungfrauen nicht versehen. Die Frau von Burẽ antwortete: Die Königin möchte ihr hierüber keinen Kummer machẽ; sie würde bald sehen: daß diese Priesterinnen über der Göttlichen Güte / welche vermittelst der fruchtbaren Erde die Menschen genüssen / sich so weniger Traurigkeit anmassen würden / als sie darzu Ursach hätten; am wenigsten würden sie / wie die Curetes / rasend werden. Die Priesterinnen näherten sich inzwischen denen Brunnen / tauchten ihr Blumen-Bild darein / wuschen ihre Augen / Hände und Füsse daraus / hernach streueten sie eine Menge Blumen auf den Bodem / steckten das Bild in die Erde / und hegten einen zierlichen Tantz darumb; worzu immer die Helffte Wechsels-weise diese Reymen darzu sang:


Sch \nster Lentz / des Jahres Kindheit /

Vater der Ergetzligkeit /

Edler Ausbund bester Zeit /

Dessen Auge steckt voll Blindheit /

Wer auf dich nicht wohl gibt acht /

Wenn sich die Natur verjůnget /

Hertha Blůth' und Blumen bringet /

Der Mohnde Perlen weint / das Feld Schmaragden lacht.


Der hat ein gefroren Hertze /

In den Adern Schnee und Eiß /

Der von keiner Regung weiß /

Wenn die grosse Sonnen-Hertze

Mit dem Wider sich vermählt

Wenn der Himmel mit der Erden

Bråutigam verlangt zu werden.

Das Meer zum Spiegel ihm / die Welt zur Braut erwehlt.


Wer nicht ietzt Gott sehen lernet /

Muß ein Unmensch und ein Stein /

Gott ihm selbst ein Unding seyn.

Denn weil Gott zwar nicht entfernet /

Aber uns unsichtbar ist /

Weil er muß sein Bild fůrstellen /

Hat den Frůhling zu Apellen /

Zum Pimsel ihm das Licht / die Welt zur Mapp' erließ.


Erato fieng hierüber an: Ich sehe wohl: daß in Deutschland nicht nur das Waschen / sondern auch das Tantzen / welches Theseus beym Delischen Altare zu ersten angestellt hat / ein Theil des Gottes-Dienstes sey; aber was diß Blumen-Bild andeute / verstehe ich noch nicht / sintemal ich bereit so viel gelernet habe: daß in Deutschland die Römische Blumen-Göttin nicht verehret / weniger ihr üppiges Feyer begangen werde / an welchem die geilesten Weiber gleichsam alle Scham so schändlich aufopfern: daß sie einmal / als Cato darzu kam / in dieses tugendhaften Mannes Augen das Feyer zu halten sich nicht erkühnen wolten. Es ist wahr: antwortete die Priesterin; wir wissen von der unkeuschen Flora / welche zu Rom durch Bescheidung ihres mit dem Leibe erworbenen Wuchers sich zur Göttin gemacht / nichts; wohl aber von der Göttlichen Regung / und der dem Erdbodem eingepflantzten Fähigkeit zu des Menschen Ergetzung Speise und Artzney das gantze Jahr durch / fürnemlich aber im Frühling tausenderley schöne und heilsame Blumen zu gebähren. Dieser zu Ehren flechten die Priesterinnen / welche noch die Blume unversehrter Jungfrauschafft besitzen / dieses Bild zusammen /aber nicht die zu mahlen unmögliche Gottheit / sondern den Blumen-reichen Frühling abzubilden. Unter diesem Gespräche näherten sich der Priesterinnen an der Hauffen; welcher grün und gelbe bekleidet / ihr aufgeflochtenes Haar mit Kräntzen aus Getreyde-Eeren und Mah-Häuptern beschattet war. In der[173] rechten Hand trugen sie Sicheln / in der lincken brennende Wachs-Fackeln. Sie trugen ein aus Erd- und Acker-Früchten gemachtes Bild gleichfalls in der Mitte. So bald sie Erato von ferne erblickte / fieng sie an: Ich kan mir aus vorigem Aufzuge leicht die Rechnung machen: daß diese Priesterinnen den Sommer fürbildeñ wollen; weil ich der Ceres gewiedmeten Eeren /den Mah / die Sichel und Fackeln erblicke. Es ist wohl wahr: versetzte die Frau von Buren; aber wir wissen von der Göttin Ceres nichts / ausser daß unser Sommer eben so wohl der Zeit und Erde / als jene des Saturn und Ops Tochter ist. Und wie diese Proserpinen zur Tochter gehabt haben soll; also ist die Erde auch die milde Mutter alles Ertztes / des Schwefels /des Quecksilbers / der edlen Steine und aller Berg wercks-Früchte. Ihre Eeren und Sicheln bedeuten die fruchtbaren Saaten / ihre Fackeln das unterirrdische Feuer / welches andere Völcker unter dem Nahmen der irrdischen Venus / der Vesta / der Proserpina /und des Pluto verehren / der Mah auf der Erde Verschwisterung mit dem Wasser / und ihre nöthige Kühlung; westwegen Parmenides auch die Erde für das erste und höchste Kalte / Thales aber es gar für den Ursprung aller Dinge gehalten hat. Unterdessen näherte sich dieser andere Hauffen der Priesterinnen mit allerhand vermischten Seiten-Spielen. Diesen führte die Hertzogin Thußnelde in der Tracht der obersten Priesterin. Nemlich sie hatte einen mit Golde / Silber und Purper durchwürckten Unter-Rock an / welchen ein grasegrüner zur Helffte bedeckte. Sie trug über ihren ausgebreiteten Haaren eine von Edelgesteinen /Perlen / Corallen reich-versetzte Krone; die doch aber mit Weitzen-Eeren durchflochten war; gleich als diß Geschencke Gottes jenen Schätzen zu vergleichen / an Nutzbarkeit aber weit fürzuziehen wäre. In der Hand trug sie ein Rauch-Faß mit glimmenden Wacholder-Beeren / und einen Weitzen-Püschel. Erato hatte Thußnelden so geschwinde nicht ersehen / als sie voller Verwunderung anfieng: Ob denn in Deutschland vermählte Frauen Priesterinnen abgeben könten? Die Priesterin antwortete: Weil die Deutschen die Liebe für ein hi lisches Feuer / welches die Thiere wie die Wärmbde der Sonnen die gantze Erde fruchtbar machte / und die ehliche Beywohnung für ein Gesätze Gottes hielten / welcher die Natur ihre Ewigkeit zu dancken hätte / westwegen so viel Völcker auch die Liebe für die älteste Gottheit anbetheten / hielten sie für abergläubisch verehlichte von der Priesterlichen Würde zu verstossen. Denn ob sie wol die Jungfrauschafft für ein heiliges Gelübde hielten / so fern selbtes nicht gleichsam der Natur Gewalt anthäte; ihnen auch nicht unbewust wäre: daß in Böotien dem Thespischen Hercules / zu Rom der Vesta / in Asien der Taurischen Diana niemand anders als Jungfrauen /welche ewige Keuschheit gelobten / zu dienen fähig wären: ja daß der Pythische Apollo der Stadt Temessa ihm jährlich durch Opferung der schönsten Jungfrau wegen eines erschlagenen Gefärthens des Ulysses zu versöhnen / wie auch der Delphische Apollo im Messenischen Kriege ihm aus dem Aepyditischen Geschlechte eine Jungfrau abzuschlachten anbefohlen; über diß Pausanias wegen der ermordeten Cleonice bey den Göttern sich dieses Jungfrauen-Mords halber durch kein Mittel nicht aussöhnen können; so wäre doch die Verheyrathung keines weges für eine Besudelung zu halten. Massen denn für des Devcalions Sünd-Fluth kein Mensch ewige Jungfrauschafft gelobt. Die Griechen zu Athen und Delphis ihn ewiges Feuer durch Frauen / welche sich nur hernach des Ehstandes entschlagẽ wollen / verwahret / die Egyptier auch nur ihren Priestern mehr als ein Ehweib verwehret / die Juden aber den Ihrigen eine Jungfrau zu heyrathen mit meist allen andern Völckern verstattet hätten. Warumb solte nun[174] dem weiblichen Geschlechte übel anstehen / was dem männlichen unverwehrt ist. Zumal jenes ehe als dieses die Regung dieses Feuers fühlte. Welches die Römer endlich zu erlaubẽ gezwungen hat: daß sie nach 30. Jahren des abgewarteten Gottes-Dienstes denen Vestalischen Jungfrauen die Freyheit zu heyrathen verstattet. Zu geschweigen: daß etliche Völcker die Gelobungen der Keuschheit für einen Greuel / den Verlust der Jungfrauschaften aber für ein heiliges Thun gehalten / und daher die Phönicier / die Angilen in Africa / ja ihre eigene Armenier ihre Bräute die erste Nacht in Tempeln ihren Priestern geliefert. Die an dem Ufer des Cyprischen Meeres sich feil bietenden Jungfrauen aber ihren schnöden Gewinn theils zum Heyrath-Gute / theils zu heiligen Opfern der Venus angewendet hätten. Wie die Deutschen aber die Geilheit nicht nur aus ihren Heiligthümern / sondern auch aus ihren Eh-Betten verbanneten / und daher das bey ihnen ungemeine Laster des Ehbruchs mit Abschneidung der Haare und Staupen-Schlägen / oder auch gar mit Strick und Feuer strafften / ja nicht einst den Frauen zweymal zu heyrathen erlaubten; also wäre bey ihnen die keusche Liebe nichts unheiliges. Sie machten daraus zwar nicht / wie die Athenienser / einen Traum / oder eine blosse Ergetzligkeit der Gedancken / und eine Feindin des weiblichen Geschlechtes; also gar: daß die ehliche Beywohnung nicht einst ihr Werck seyn solte; alleine sie spielten sie mit dem Zeno für eine Mutter der Freyheit / der Freundschafft und Eintracht; und für eine Gehülffin gemeiner Wohlfarth. Dahero / wenn die Liebe eine Gottheit zu seyn verdiente / ihr Bild zu Athen nicht unbillich in den Eingang der Academia gesetzt / und nebst Minerven so wohl alldar / als durchgehends bey Schlüssung der Bindnüsse / bey den Spartanern für bevorstehender Schlacht verehret worden wäre. Die Thebaner hätten gleichfalls aus einer nachdencklichen Andacht eitel Liebende und Geliebte zu ihren fürnehmensten und heilig-gehaltenen Kriegs-Hauffen erkieset / und die Cretenser /wenn sie gleich treffen sollen / die schönsten Bürger ausgelesen die Liebe umb Sieg anzuruffen. Die Königin Erato nahm der Priesterin Ausführung für vernünftig und begründet an / unterdessen näherte sich auch dieser Hauffe der Priesterinnen / und badeten ihr Bild des Sommers in der Bach / welche aus allen dreyen Brunnen daselbst zusammen laufft; gleich als wenn die Brunnen-Bilder der Jungfrauschafft / Flüsse aber der Frauen / und jene zwar beliebter / diese aber nützlicher wären; oder weil der in dem Sommer gleichsam alle Köstligkeiten der andern Jahres-Zeiten vereinbaret wären. Hierauf hegten die Priesterinnen umb das in einen fruchtbaren Acker gepflantzte Sommer-Bild einen zierlichen Tantz / worzu iedes mal die Helffte der ruhenden folgende Reymen sang:


Beliebter Sommer / Kern der Zeit /

Des Jahres kråfft'ge Mannbarkeit /

Ausgeber der Natur / des Uberflusses Horn /

Wer sonder Opfer Danck / und Rauchwerck / Weitz und Korn

Von wenig Saaten håuffig erndtet ein /

Der muß von Weyrauch arm / und kalt von Andacht seyn.


Dein grosses Reichthum übertrifft

Vernunfft und alle Rechnungs-Schrifft /

Kein K \nig hat zu zahln / was nur der Sperling frißt.

Wie daß denn nur der Mensch undanckbar Gott vergißt?

Den stummes Vieh zu Gottes Preiß erweckt /

Dem Hülf' und Spreu so gut als uns das Mund-Mehl schmeckt.


Dafern die Zeit soll gülden seyn /

Und alle Schåtze schlüssen ein /

So bist du / Sommer / mehr und güldener als Gold.

Die Erde fůhlt in dir erst recht des Himmels hold /

Und da der Winter ist ein Bild der Nacht /

So hegt die Sommers-Zeit des Mittags Nutz und Pracht.


Mittler Zeit folgte der dritte von der Gräfin von Schwalenberg geführte Hauffen der verwittibten Priesterinnen. Sie waren alle mit gelblicht-fahlen den dürren Blättern gleichenden Ober- und blauen Unter-Röcken bekleidet. Ihre Haare waren in zwey Köpfe zusammen[175] geflochten; das Haupt mit Oel-Zweigen und Wein-Beer-Laube bekräntzet; welches die Frau von Buren dahin auslegte: daß so wohl die Wein-Reben / welche sich auf keinen andern Baum pfropfen liessen / als die Oel-Bäume Sinnen-Bilder der fruchtbaren Keuschheit wären. Daher auch in Cilicien diese Bäume nur von Knaben gepflegt würden; und in Griechenland müsten alle / die sie warteten / oder die Frucht abnähmen / wie diese Priesterinnen bey ihrer Einweihung schweren: daß sie niemals jemanden anders / als ihren Ehegatten beygewohnt haben. Sintemal so denn die Oelbäume viel besser wüchsen / und mehr trügen. Sie trugen in den Armen ein mit Wein-Trauben / Oliven und allerhand Obste gefüllten Korb / und pfieffen auf eitel Kru -Hörnern / vielleicht weil sonst der Gott des Weines mit einem gehörnten Ochsen-Kopfe aufgeführet wird / und so wohl die Deutschen als andere Völcker aus Ochsen-Hörnern zu trincken pflegen. Auf einer Stange ward das von eitel Herbst-Früchten artlich zusammen gemachtes Bild des Herbstes getragen; welches ungeachtet sonst der Herbst schon das sich abneigende Alter / oder den Abend fürbildet; dennoch auf der einen Seite einen barthichten Jüngling / auf der andern Seiten ein fruchtbares Weib fürstellte / wie die Griechen auch ihren Wein-Gott mahlen. Nachdem diese Priesterinnen das Herbst-Bild im andern Brunnen gewaschen hatten / stellten sie solches gleichfalls in die Mitte /und hielten theils nach dem Gethöne ihrer Kru -Hörner / theils nach dem Gesange folgender Reimen einen nicht ungeschickten Tantz darumb:


Schatzreicher Herbst / des Jahres Speisemeister /

In dem iedweder Stern was gutes auf uns thaut /

Du machst die Erde voll / den Himmel feister;

Du schaffst: daß die Natur / die in dem Frůling Braut /

Im Sommer Mutter wird / im Winter gar versåugt /

Sich als Verschwenderin uns zeigt.


So Stand' als Kraut bringt ietzt Gesäm' und Früchte /

Jedweder Winckel scheint ein Sonnen-Tisch zu seyn.

Das Wasser zins't die niedlichsten Gerichte /

Dazu die leere Lufft scheint Flůgel-Werck zu schnei'n /

Die Wålder sind nun auch von Thieren so erfůllt /

Als wandelte sichs Laub in Wild.


Wenn auch der Herbst sonst keine Gewächse håtte

So wäre mehr als viel der sůsse Trauben-Safft;

Weil er die Milch der Alten ist / das Fette

Der Erd' / das Oel und Marck der Welt / der Schwachen Krafft;

Durch den Gott Mensch und Vieh hat unterscheiden wolln /

Ja den wir ihm selbst opfern solln.


Die Königin Erato nahm bey diesem Tantze allererst wahr: daß die sä tliche Priesterinnen weisse Holtz-Schuh trugen / alle Schlingen der Kleider aufgelöset waren / ihre Röcke allerhand färbichte Säume und bundte Streiffen / ihre Führerinnen aber auch mit eingewürckte Gold-Fädeme hatten. Dahero fieng Erato an: Sie wüste wohl: daß auch der Egyptier / der Griechen und anderer Völcker Priester keine lederne Schuh / am wenigsten von verrecktem Vieh tragen dörfften / sondern entweder weisse von Papier oder Holtze anziehen / und sich enger gebundener Kleider enthalten / beym Gottes-Dienste die Schuh auflösen oder gar ausziehen müsten. Sie möchte aber wohl wissen: Ob die Zierath der vielfärbichten Streiffen /derer fast keine mit der andern überein treffe / sonst aber alles so gleiche wäre / was sonderliches bedeutete? Die Frau von Buren antwortete: Es zeigten diese Streiffen nichts anders / als wie bey den Römern die Monden auf den Schuhen / und die güldenen Ringe /bey den Scythen die grünen Hüte / bey denen Daciern die Reiger-Federn / bey den Persen die zweyfachen Stiefeln / bey denen Arcadiern / welche älter als der Monde seyn wolten / das Kleinod auf der Brust / und die helffenbeinernen Schuh-Schnellen / bey den Egyptiern die Geyer- oder Habichts-Flügel ihre Adeliche Ankunfft nicht aber wie die Hauben das Priesterthum ins gemein /[176] der leinene Schleyer das Priesterthum der Isis an. Denn weil der Adel fast nirgends in der Welt so hoch als in Deutschland und Gallien geachtet ware / so gar daß die Unedlen / welche gleich frey und nicht Knechte wären / gleichsam für Leibeigen geachtet / in keinen Fürsten-Rath gezogen würden / ohne Verlust ihrer Würde / ja gar kaum ohne Gefahr ihres Lebens mit einer unedlen sich verheyrathen dörfften /trügen die Edlen in Deutschland auch gewisse Kennzeichen ihres Standes; und daher auch diese Priesterinnen; wiewohl weil kein Unedler in Deutschland das Priesterthum erlangen könte / sie derogleichen Merckmaals nicht bedörfften. Die Königin Erato brach ein: Sie wäre unwürdig edel zu seyn / wenn sie den bey den Deutschen gewohnten Vorzug des Adels nicht billigte. Denn weil der Edlen Vorfahren Tugend der Nachwelt lange Zeit hernach zu statten käme / wäre diese auch wohl-verdienter Leute Nachkommen Ehrerbietung / und nichts minder die abwesende als gegenwärtige Tugend hoch zu schätzen schuldig. Dahero gäben die Verdienste der Voreltern ihren Kindern eben so wohl / als die Sonne düstern Thälern ein gewisses Licht. Ja die Tugend selbst kriegt von dem Adel wie die Diamanten von den Folgen einen gewissen Glantz / welche sonst vielleicht unter dem Schatten eines niedrigen Ursprungs wäre verdunckelt / wo nicht gar als eine ohnmächtige Bemühung ersteckt bliebẽ. Westwegen auch auf denen Olympischẽ Spielẽ denen Gewinnern / derer Ahnen schon vorher daselbst gesiegt hätten / herrlichere Preise ausgetheilet würdẽ. Kein Volck lebte unter der Soñe / das nicht zwischẽ Adel und Pöfel einẽ grossen Unterschied machte; etliches machte wohl gar in ihrem Lande achtzehnerley Stände und Würden. Ja die Araber untersuchten so gar die berühmten Geschlechter ihrer Pferde / und zahlten offt eines von schlechtem Ansehen theurer als hundert andere. Die über dem Caspischen Meer wohnenden Scythen hielten die aus einem gewissen Stamme gezeugten Pferde / welche viel Tage von wenig Handvolln Heu lebten / und nie beschlagen werden dörfften / so werth: daß sie für einen Kirchen-Raub hielten / wenn iemand eines davon einem frembden verkauffte. Das Ertzt würde / nachdem es aus diesem oder jenem Gebürge kommen / und die Kräuter nach ihrem Vaterlande hochgehalten. Diesemnach wäre es nicht weniger vernünftig als recht: daß in Deutschland die Fürsten nur aus dem Adel erwehlt / und nur alte Ritters-Leute zu Grafen und Gefärthen der Hertzoge und unter ihre Leibwache gezogen würden. Der Unedlen gäntzliche Ausschlüssung aber von denen geistlichen Würden und dem Priesterthume schiene ein allzu strenges Recht zu seyn. Denn wenn die Menschen ihren allerältesten Ursprung untersuchten / wären sie Kinder eines Vaters / und aus einer Mutter Leibe entsprossen. Gott forderte seinen Dienst nicht nur von Fürsten oder Edlen / sondern von dem gantzen Geschlechte; und jene wären gegen seiner überschwenglichen Grösse so wohl als Leibeigene kleiner als Sonnen-Staub / und seine Knechte. Daher könte in Gottes Augen zwischen beyden schwerlich ein Unterscheid seyn; sonderlich da er denen geringsten Sclaven-Kindern eben so wohl als Fürstlichen eine vernünftige Seele / und damit die Fähigkeit ihm andächtig zu dienen gegeben hätte. Westwegen auch der vom Wahrsager-Geiste für den weisesten gerühmte Socrates / ungeachtet sein Vater ein Steinbrecher / die Mutter eine Heb-Amme gewest / und tausend seines Gleichen die Weltweißheit ihnen gleichsam eigen gemacht; welche eine nöthige Staffel zum Erkäntnüsse Gottes / und ein Zunder / ja ein Leit-Stern heiliger Andacht wäre. Aus welcher Ursache die Egyptier / bey denen doch die Priesterliche Würde höher als nirgends[177] anders in der Welt geschätzt würde / niemanden aus ihren Landes-Einwohnern hierzu für zu geringe achteten. Die Priesterin lächelte / und versetzte: Kein Mensch wäre freylich wohl in der Welt so groß: daß er gegen dem unermäßlichen Gotte / wie ein Sand-Korn gegen der Sonne zu vergleichen wäre. Und weil alle den Ameissen ähnlicher / als Gotte wären; müste die Vergötterung der Sterblichen ein desto abscheulicher Greuel in seinen Augen seyn. Alleine Gott erniedrigte sich unbeschadet seiner Grösse durch seine Güte und Liebe zu dem Menschen so tieff: daß er seine Nieren prüfete / seine Haare zehlete / der Frommen Nahmen gleichsam zum steten Andencken in seine Hand zeichnete /ja sie als sein Ebenbild oder als seinen Aug Apfel werth hielte. Da er nun über diß gewisse Thiere zu seinen Opfern erkiesete / andere als unrein verwürffe /und derogestalt zwischen dem tummen Vieh bey seinem Gottes-Dienste Unterschied gehalten wissen wolte; warumb solte er nicht vielmehr aus denen ihm dienenden Menschen einen für den andern zu erwehlen belieben? Wolte er ihm fette Ochsen / nicht magere Kühe geopfert wissen; warumb solte er nicht auch den Kern eines Volckes zu seinen Priestern verlangen? Alle Völcker trügen Abscheu einen verschnittenen oder verstimmelten zum Priester zu dulden. Daher hätte Antigonus dem Hircan die Ohren abgeschnitten / umb ihn zum Jüdischen Priesterthum unfähig zu machen. Ungeachtet Metellus im Brande des Vestalischen Priesterthums über Rettung des Palladium die Augen einbüßte / und Marcus Sergius durch seine grossen Dienste schwach worden war / musten doch beyde das Priesterthum ablegen. Warumb solten denn nicht die Hefen des Pöfels von der Klarheit heiliger Würden ausgemustert werden? Die Andacht und der Gottes-Dienst wären zwar aller Menschen Schuldigkeit; das Priesterthum aber nicht iedermanns Thun /und gleichsam was von der Vernunft unbegreiffliches; also daß die Geten ihren Priester und den Berg ihres Heiligthums für einen Gott hielten. Bey unterschiedenen Völckern wäre diß auf ein einiges Geschlechte gewiedmet; bey den Römern aber könten wegen der hohen Gewalt der Priester / welche das Volck gleichsam an dem Finger leiteten / ihrer nicht zwey aus einem Gechlechte zu einerley Priesterthume erkieset /aus denen Edlen aber nur vom Volcke die / welche schon geweyhet / darzu benennet werden. Ja die Weltweißheit zu lernen wäre bey den Sarmatern dem Pöfel verwehret; weil die Wissenschafft die Folge eines blinden Gehorsams hinderte / und Unterthanen / welche mehr als ihre Gebieter verstehen / diesem schwerlich zu Gebote stehen könten. Die Egyptischen Priester hätten auch zwar ihre Landesleute / welche sie alle für die ältesten und edelsten Menschen gehalten /aber schwerlich einen ihrem Urthel nach unedlen Ausländer zu Lernung ihrer geheimen Weißheit / weniger zum Priesterthum gelassen. Daher hätte der von ihnen doch beschnitene Pythagoras zwar einen Vorschmack von ihrer Weißheit / aber nichts weniger als ihr Priesterthum; und der göttliche Plato kaum die Schalen von den Geheimnüssen der Jüdischen Priester überkommen. Ja die Egyptischen Priester hätten aufs sorgfältigste sich von dem Thun des Pöfels abgesondert /und durch die entäuserte Essung der Zwiebeln nichts anders als daß sie andere Leute nicht so gut als sich hielten / zu verstehen gegeben / weil die Zwiebel wider aller andern Gewächse Eigenschaft ihre Feuchtigkeit mit dem wachsenden Monden verminderte /mit dem abnehmenden vermehrte. Was wunderte man sich aber über der Deutschen heilige Verfassung? Hätten doch in Epirus die Hirten der der Sonne gewiedmeten Schafe an dem Flusse Oricus aus den edelsten Geschlechtern seyn müssen. Nachdem auch die Königin Erato der Deutschen Gewohnheit billigte: daß[178] sie ihre Fürsten und Herrscher nur aus dem Adel erkieseten; könte ihr ja so viel weniger bedencklich fallen: daß das Priesterthum nur Edlen offen stünde. Sintemal ja bey den meisten Völckern die Priesterliche Würde mit der Königlichen Hoheit entweder unzertrennlich verknüpft wäre / oder die Könige nur aus den Priestern erwehlet würden. Also wären alle Könige in Egypten Priester gewest / und daher hätten sie auch nur eben so viel Wein trincken dörffen / als den Priestern das Maaß gesetzt war. Die Mohren wehleten allezeit einen ihrer Priester zum Könige; und die Spartaner hätten den Zepter mit des Jupiters Priesterthume vereinbaret. Nichts minder wären zu Rom so wohl die sieben Könige / als ietzt die Käyser oberste Priester gewesen / ja als gleich mit dem stoltzen Tarquinius die Königliche Herrschafft ausgetilget worden / hätte doch der hohe Priester den Nahmen eines Königes des Gottesdienstes behalten. Bey den Thraciern und Cappadociern aber müste der hohe Priester aus Königlichẽ Geblüte seyn / wie er auch der nechste nach ihm an Ansehẽ und Gewalt wäre. Wie nun der Gottes-Dienst in den Händen des Pöfels gleichsam verächtlich würde; hingegen durch die Hoheit der Priester mehr Ansehen bekäme; weil man ins gemein mehr auf den Werckmeister als aufs Werk sähe; also erforderte auch die gemeine Wolfarth: daß in Deutschland nur Edle zum Priesterthum kämẽ / weil allhier eben so wohl der Adel und junge Fürsten ihren Priester / als in Persien ihre Weltweisen / in Indien die Brachmanen zu ihren Lehrmeistern hätten. Sintemal die / welche in sich selbst keine edle Regungen hätten / sondern bey der Niedrigkeit ihres Standes niedrige Gedancken hegten / auch nichts bessers als ihren Lehrlingen einflössen könten. Daher hätten Leonidas mit seinen niedrigen Schwachheiten auch das edelste Gemüthe des grossen Alexanders angesteckt /und hätten sie ihm sein Lebtage angehangen / auch zwischen seinen grossen Tugenden für geblickt / die ihm theils angebohren / theils hernach vom Aristoteles des Heldens Machaons und Asclepiadens Enckel beybracht worden. Welchen letztern Alexander selbst seinem Vater Philipp fürzoh / weil dieser ihn durch seine Zeugung vom Himmel auf die Erde gebracht /jener aber durch seine Lehren ihm den Weg von der Erde in Himmel zu steigen gewiesen hätte. Nichts minder hätte Achilles umb ein so grosser Held zu werden einen unsterblichen Götter-Sohn den Chiron zu seinem Lehrmeister haben müssen. Der Adel wäre auch nicht so willig einem gemeinen Manne / als einem seines Gleichen Folge zu leisten; und machten sie es jenem offt nicht viel besser / als Hercules seinem Unterweiser Linus / den er mit seiner ihm auf den Kopf geschlagenen Harffe getödtet. Insonderheit wüste der des gezwungenen Gehorsams gewohnte Pöfel über edle Gemüther die Schärffe ihres Zwanges selten zu mässigen / da doch diese meistentheils durch Lindigkeit leichter geführet / wie das in starcker Glut harte haltende Gold durch ein mässiges Stroh-Feuer zerschmeltzt würde; und daher nachdencklich getichtet wäre: daß Chiron durch Honig und Aepfel Achillem gleichsam an einem Fadem geleitet hätte. Endlich liessen sich in Deutschland keine Unedlen weder zu solchen Lehrmeistern noch zu Priestern erkiesen /weil allein der Adel und Fürsten der Weißheit und guten Künsten obläge; der Pöfel aber zu Handwercken gewiedmet wäre / also weder schreiben noch lesen könte; ob es schon in Deutschland nicht wie in Thracien für Schande gehalten würde / wenn ein- oder ander beydes verstünde. Die Königin Erato fiel ein: Das erste wäre die ruhmwürdigste Gewohnheit; weil doch auch der Fürsten Kinder die Klugheit nicht mit auf die Welt brächten; derselben aber so viel / als hundert tausend andere[179] Menschen bedörffen. Das andere aber scheinet mir eine der grösten Grausamkeiten zu seyn: daß die Unedlen nichts von dem grösten Geschencke Gottes nemlich der Weltweißheit / lernen /andere nichts lehren / und im Gottesdienst gleichsam mit blinden Augen sich behelffen soltẽ. Ist diß nicht so viel / als ihre Seelen in ein Land verbannen / darinnen die Sonne nie aufgeht? Sintemal ausser der Sonne / nichts in der Welt von sich selbst und seinem Ursprunge nach erleuchtet ist / und des Menschen Gemüthe blinder als der Maul-Wurff in Augen gebohren wird / und durch fleissige Unterweisung kaum einen wenigen Schimmer / niemals aber ein vollkommenes Licht erlanget. Westwegen die Griechen der Göttin der Weißheit gar nachdencklich die nur im finstern stehende Nacht-Eule zugeeignet haben. Socrates hat wegen menschlicher Unwissenheit an ihm selbst gezweifelt: ob er ein Mensch oder ander Thier wäre; und Plato ist der Meynung gewest: die Eigenschafft unser Seele liesse sich so wenig / als der stets mit Wellen und Schupfen bedeckte Meer-Gott Glaucus / eigentlich betrachten und sehen. Wenn aber ja die Unterweisung uns ein Stückwerck der für die uneingefleischten Geister vorenthaltenen Wahrheit und Weißheit beyzubringen vermag / wie daran niemand mit Vernunft zweifeln kan / heißt es bey so gestalter Verschlüssung derselben nicht der Natur Gewalt anthun: daß der in die Seelen der Unedlen geflößte Saamen der Weißheit unter dem Schimmel aufgedrungener Unwissenheit ersticken müsse? Oder ist diese Aufhalsung der Unwissenheit nicht gar für einen Todschlag zu halten / wo anders wahr ist: daß die Unwissenden ehe / als sie sterben / todt sind / die Weisen aber / wenn sie gleich gestorben / doch leben? Denn da in andern Ländern so viel gemeine Mütter / so viel Socrates / Demosthenes und Euripides für die höchste Staffel der Klugen /so viel Hostilier und Agathoclen zum Zepter / so viel Perpennen zu Feldherren / so viel nützliche Catonen fürs Rath-Haus gebohren; wer wolte zweifeln: daß unter dem deutschen Pöfel eitel unfruchtbare Mütter /oder die Tugend nur eine unabtrennliche Gefärthin des Adels wäre? Die Priesterin versetzte: Meines Ortes wüntschte ich: daß wie alle Deutschen weiß /also auch weise wären. Ich wil es auch nicht leugnen: daß es einen Schein der Strengigkeit habe / weñ man unserm Pöfel so wohl die Thüre zur Weißheit / als zum Priesterthume verschleust; da doch jene wahrhaftig das Saltz des Lebens / und das Gesichte der Seele ist. Alleine über diß / daß es vielen / welche diesen Schatz zu finden vermeynen / wie denselben gehet /welche statt Goldes Kohlen ausgraben; das ist / sich in eine kohl-schwartze Finsternüß vertieffen; haben viel Weise der Unwissenheit mehr Lobes als der Weißheit zugeeignet. Heraclitus meynte: Viel Künste und Wissenschafften schwächten nur einen gutes Verstand. Hippon nennte sie Eitelkeiten; Anaxarchus hielt sie vor so schädlich als nützlich. Zu geschweigen: daß einige gar die Weltweißheit für eine Erfindung der höllischen Geister halten. Wie ich nun zwar das erstere für Irrthum / das letztere für Verläumbdung halte / und selbst der Weißheit meine meisten Tage des Lebens gewiedmet habe; also vermöge meines Gelübdes ihr Wort reden muß; so kan ich doch denselben Staats-Klugen vieler Völcker nicht gäntzlich ablegen / welche Künste und Wissenschafften dem Pöfel für so wenig / als die Luchs-Augen den Maulwürffen anständig / und dem Mercur / der bald ein gütig / bald ein schädlich Gestirne abgibt / nicht unähnlich / oder sie doch zum wenigsten an Fürsten für Gold / beym Adel für Silber / am[180] Pöfel für Bley /oder oft gar giftiges Spißglaß halten. Denn wie die Blindheit eine Mutter der Folge / und der Gehorsam eine Tochter der Einfalt ist; also erwecket die Wissenschafft vieler Dinge im Menschen hohe Gedancken; und meinen Unterthanen: es geschehe ihnen Weh und Unrecht / wenn sie einem / der weniger / oder kaum so viel als einer unter ihnen verstehet / zu Gebote stehen sollen. Sie erkiesen sodenn unschwer alle Fehler ihrer Führer / und wissen auch klugen Fürsten ihre Mängel auszustellen. In welchem Absehen die Natur nur denen zur Herrschafft erkieseten Adlern ein so scharffes Gesichte und das Vermögen in die Sonne zu sehen gegeben hat. Daher kein besser Mittel ist Unterthanen im Zaum zu halten / als sie reich / nicht allzu scharfsichtig werden lassen. Der blosse Unverstand /woher der Sonne und des Monden Verfinsterung rühre / hätte mehrmals gantze aufrührische Heere besänftigt. Ohne diese Unwissenheit ist der Pöfel nicht geschickt: daß man selbtem den zur beständigen Treue so nöthigen Aberglauben beybringe; welches doch der sicherste Kapzaum beweglicher und verwegener Gemüther ist. Daher jederzeit die Wissenschafft sich frembder Thorheit vortheilhafftig zu bedienen für keine gemeine Klugheit gehalten worden. Welches Streiches die Fürsten in Deutschland so viel mehr von nöthen haben / so viel die Deutschen streitbarer und der Dienstbarkeit ungewohnter als andere Völcker sind; also: daß wenn nicht des Pöfels Einfalt eine Regungen mäßigte / und die Priester den Fürsten an der Hand stünden / sie schwerlich zu bändigen seyn würden / nachdem sie jenen ohne dis mehr als diesen zu gehorsamen gewohnet sind. Wiewol in etlichen Ländern Deutschlandes / wo insonderheit der Druyden Gottesdienst verfallen ist / die Unedlen auch schon so weit durchgedrungen: daß man sie so wol zu Erlernung der Weltweißheit / als zu der Würde des Priesterthums lassen muß. Die Königin Erato begegnete ihr: Ich kan endlich wol nachgeben: daß einfältige Unterthanen leichter zu beherrschen sind; ich weiß auch wol: daß viel kluge Gebieter sie durch Aberglauben nach ihrem Gefallen gleichsam wie an einem Seile geleitet haben; dis aber scheint mir noch unverantwortlich zu seyn: daß man aus irrdischem Absehen dem gemeinen Volcke die wahre Erkäntnüs GOttes vorenthält / und zu einem vergänglichen Vortheile selbtes gleichsam mit Fleiß zum Aberglauben verleitet; da doch der Mensch nur zu dem Ende von der Natur mit dem Kleinode der Vernunfft begabet worden: daß er die Warheit zu ergründen / und GOtt zu erkennen sich bemühen solle. Die Priesterin konte hierüber ihre Empfindligkeit so sehr nicht verbergen: daß sie nicht etlicher maßen aus ihrem Gesicht hervor geblickt hätte / sie setzte aber der Königin mit der leutseeligsten Bescheidenheit entgegen: Es könte kein grösser Laster erdacht werden / als GOtt / der die Warheit selbst wäre / mit Fleiß fälschlich abbilden /und statt des wahren Gottesdienstes das Volck zu Aberglauben verleiten. Dieser Betrug hätte zwar in der Welt bey nahe den Nahmen einer Klugheit bekommen / und viel Völcker würden damit hinters Licht geführet / wo man einen Gottesdienst einführte /nicht wie er GOtt gefällig / sondern den Herrschern vorträglich ist. Diese Arglist aber ist von den Deutschen weit entfernet / welche nicht nur den einigen und wahren GOtt / so viel es ihnen die Kräfften der Natur und sein Spiegel die Natur verstattet / zu erkennen / sondern auch diese Erkäntnüs dem gemeinen Volcke nach dem Beyspiele der Terdulen in Hispanien / des Linus in Griechenland / und des uralten Lehrers Zoroasters durch öftere Fürsagung gewisser Reime mitzutheilen bemühet sind. Maßen denn unserer Barden Beredsamkeit keinen andern Zweck für sich hat / als GOtt nach Mögligkeit zu offenbahren /und die Tugend zu rühmen; also: daß ob wir uns wol[181] bescheiden: unser Verstand und Einbildung könne so wenig GOttes Unbegreifligkeit / als die Zeit seine Ewigkeit / kein Geitz seine Weißheit / keine Tugend seine Güte / kein Werck seine Allmacht abmäßen /dennoch GOtt unserm gemeinen Volcke bekandter /als vielleicht anderer Völcker Weltweisen ist. Denn diese Reimen begreiffen in sich gar deutlich die Lehre von dem einigen / ewigen / gerechten und gütigen GOtt / von der Unsterbligkeit der Seelen / und daß desthalben die Tugend zu üben / die Laster zu meiden / für jenes nach dem Tode Belohnung / für dieses unendliche Straffe zugewarten wäre. Diesemnach denn unsern Priester nicht so wol aus Mißgunst oder aus Vorsatz andere in Irrthum zu leiten / als daß es besser ist das Erkäntnüs GOttes im Gedächtnüsse / denn auf der Rinde oder Leder zu haben / nichts hiervon aufschreiben; außer dem aber mit der meisten Völcker Priestern nicht darfür halten: daß die Andacht schon den Gebrechen der Unwissenheit ersetze / und das einem unbekandten GOtte gewiedmete blinde Gebete kräftig genung sey; sondern sie lehren vielmehr: daß ob zwar die blosse Erkäntnüs GOttes ohne Andacht keine Vereinbarung mit GOtte mache / selbte dennoch ein heilig und nöthiges Ding / die Unwissenheit aber eine schnöde und unheilige Finsternüs sey. Ja es würde der ärgste Greuel bey uns seyn / wenn man von GOtt was falsches dem gemeinen Wesen zum besten jemanden was überreden wolte. Sintemal GOtt vielmehr abergläubische Anschläge krebsgängig / und die ihn durch Abgötterey verunehrenden Reiche zu nichte macht; der wahre Gottesdienst aber ein viel fester Band zwischen Fürsten und Unterthanen seyn muß /als der Aberglaube; wo anders das Wesen länger / als ein betrüglicher Firnis Farbe hält. Destwegen aber ist es nicht der Nothdurfft: daß zwischen Priestern und gemeinem Volcke kein Unterscheid seyn dörffe; oder daß in den Geheimnüssen des Gottesdienstes dieses so viel als jene wissen müsten. Denn wie GOtt das einfältigste Wesen ist / also vergnügt er sich auch an einer andächtigen Einfalt der Menschen; ungeachtet er von denen ihm sich Lebenslang wiedmenden Priestern als Lehrern mit eben dem Rechte ein tägliches Nachsinnen / und derogestalt ein mehrer Erkäntnüs / als von der Sonne mehr Glantz denn von denen Sternen der Milch-Strasse erfordert. Nach dem auch unterschiedene Dinge so tiefsinnig sind: daß nicht alle Köpfe solche zu begreiffen fähig sind / oder Zeit haben / weil bey den Deutschen zwar nicht wie bey denẽ Brachmañen zu Anhörung dieser Weißheit sieben und dreißig doch wie bey den Galliern zwantzig Jahr erfordert werden; überdis solche Geheimnüsse vom ungelehrten Pöfel in ärgerlichen Mißverstand gedeutet werden können / ohne welcher Wissenschafft selbter doch das Heil seiner Seele wahrnehmen kan; ist es mehr Klugheit als Sünde / am wenigsten aber was ungewöhnliches solche Geheimnüsse dem gemeinen Volcke zu verhölen. Denn die Egyptier schreiben zwar ihre Lehren des Gottesdienstes aber mit einer niemanden als den Priestern verständliche Bilder-Schrifft auf / daher sie auch zu Andeutung ihrer Rätzel für ihre Tempel einen Sphynx setzen. Die Syrier halten den Gottesdienst der Syrischen Göttin / die Römer den des Saturnus so geheim: daß man in den innersten Heiligthümern / und auf den fürnehmsten Festen nichts davon ergründet. Die / welche der grossen Mutter in Griechenland beym Orpheus / oder bey den Brachmannen in Indien sich einweihen lassen /müssen die Eröfnung des geringsten Geheimnüsses abschweren. Ja Plato nöthigte seinem Timäus / Pythagoras seinen Schülern in der Weltweißheit einen Eyd der Verschwiegenheit ab. Welches wir Deutschen doch so schlechter dinges nicht billigen / noch der Griechen Vorhaben loben können / da sie allen Gottesdienst hinter Larven der Getichte versteckt;[182] und weil der thumme Pöfel solch. Schalen für den Kern annimt / die Andacht in eine abscheuliche Abgötterey verwandelt haben. Hingegen bey unser Deutschen Einfalt die Anbetung des einigen GOttes gantz unversehret blieben ist / und wir mit den spitzigen Atheniensern keinem unbekandten Gotte Altare zu bauen /noch mit den andern Griechen unsere Andacht unter dreißig-tausend falsche Götter zu vertheilen haben. Die Königin hatte diesem eivrigen Gespräche der Priesterin etwas ferner entgegen zu setzen so wenig Hertze / als Zeit. Denn endlich näherte sich denen Brunnen auch der vierdte Hauffen der Priesterinnen /welcher so langsam fortrückte / als wenn alles an ihnen gefroren wäre. Sie waren alle in schneeweissen leinenen Zeug gekleidet / welchen auch andere Völcker als den geschicktesten zur Priesterlichen Kleidung brauchen. Sie hatten alle die Haare theils in zierliche Knoten empor gebunden / theils mit heissen Haar-Nadeln aufgekrauset / und mit blauen Feilgen bekräntzet. In den lincken Händen trugen sie ertztene Rauch-Fässer mit glüenden Kohlen / darein sie nach und nach Agstein streueten; in den rechten eine eiserne Hacke / und einen güldenen Pfeil. Das Bild /das sie trugen / war von allerhand Arten Ertztes zu sammen gesetzet. Die Frau von Buren machte darüber die Auslegung: daß hierdurch die Wolthaten / welche GOtt auch im Winter vermittelst der Erde zuwürffe /bedeutet würden. Sintemal / wenn gleich sodenn die Natur gantz unfruchtbar / oder gleichsam gar todt zu seyn schiene / sie dennoch in der unterirrdischen Hölen und Adern Gold / Silber / Kupfer / Zinn / Eisen / Bley und Quecksilber kochte. Desthalben wird sie anderwerts unter dem Nahmen des Pluto / der Pandora und Proserpina verehret / mit welcher Rampsinitus aus Egypten in der Hölle auf dem Bretspiele gespielet / und ein güldenes Handtuch zurück gebracht haben soll. In diesen Hauffen befinden sich eitel Jungfrauen / welche ewige Jungfrauschafft geloben; welches so wol Feuer / als ihr getragenes Ertzt andeutet. Sintemal aus dem Feuer so wenig / als aus der Jungfrauschafft gebohren werden kan; und ob wol das Ertzt nach etlicher Meinung lebet / und in ein anders verwandelt werden kan / so zeuget es doch eben so wenig als die Steine aus sich nichts mehrers seines gleichen; sondern seine Eltern sind Schwefel und Quecksilber / ungeachtet man ihr von einer Frauen in Gallien / aber fast unglaublich erzehlet: daß ihre zwey Diamanten etliche Junge geheckt hätten. Aus diesem Absehen haben vielleicht auch die Phrygischen Priester der Berecynthia nicht nur ewige Keuschheit geloben / sondern sich auch mit einem scharffen Samischen Steine gar entmannen lassen müssen. Bey diesem Unterrichte näherten sich die Priesterinnen / welche ein Fräulein von Dalberg führte. Nach dem sie ihr Bild des Winters aus dem dritten Brunnen gebadet hatten / hegten sie umb selbtes nach ertztenen Hörnern einen zierlichen Tantz mit solcher Geschwindigkeit: daß es schien / sie wolten es denen dem Winter geeigneten Winden zuvorthun; darzu sie denn wechselsweise folgende Reymen absangen:


Du n \th'ge Ruh der Zeit / des Jahres Alterthum /

Beliebter Winter dir gebůhrt so vielmehr Ruhm /

Als dich der Himmel blickt fůr andern Jahres-Zeiten

Mit mehr- und hellern Augen an.

Wir můssen Kråntze dir fůr andern zubereiten /

Denn unsre kalte Keuschheit kan

Nicht sanfter als auf Eise liegen /

Und nur der Schnee ihr Bild die Jungfrauschafft vergnůgen.


Jedoch bist du gleichwol nicht ohne Nutz und Frucht /

Weil die Natur in dir sich zu erholen sucht;

Der Himmel sich kůhlt ab / die Erde sich durchwässert.

Die matten Pflantzen ruhen aus;

Gesåm' und Zwiebelwerck durchs liegen sich verbessert.

Die Welt wůrd' ohne dich in Graus

In Asch' und Důrfftigkeit gerathen /


Rhein / Elbe / Belt und Meer verfeigen / sieden / braten.[183]

Schlåfft auch gleich die Natur / und ruht der Geist der Welt /

In diesem was die Erd' in ihren Schalen hält /

So ist sie thåtig doch im innersten Geåder.

Die unterirrd'sche Feuers-Glut

Kocht Schwefel / Saltz und Ertzt / und heitzt die warmen Båder /

Fl \ßt Brunnen ein des Meeres Fluht /

In Bauch der Berge Gold und Eisen /

Damit die Ehrsucht raas't / die Geitzigen sich speisen.


Die Königin Erato / welche anfangs dieser Priesterinnen in Knoten gebundene gekrausete / und doch noch so weit über die Schulter abhängende Haare für falsche gehalten hatte / nam nunmehr wahr: daß sie ihre eigene wären. Daher sie sich nicht sattsam darüber verwundern konte / und betheuerte: daß sie in keinem Lande bey einzelen Menschen so schöne Haare gesehen / als die Deutschen durchgehends hätten. Sie fragte daher: durch was für Kunst sie sie so wachsend machten / und ihnen die weisse Farbe erhielten? Ismene antwortete ihr: das deutsche Frauenzimmer hätte solche Haare von Natur / und hielt es für Schande andern zu gefallen solche durch einige Kunst zu schminckẽ. Die Männer aber färbten ihre Haare roth / und machten sie mit Seiffe und Lauge wie die Pferde-Haare harte / nicht der Zierde halber / sondern daß sie in Schlachten dem Blute ähnlich / und mit ihren in die Höhe stehenden Haar-Püschen den Feinden desto schrecklicher fürkämen. Diese dörffen auch nicht eher ihnen einiges Haar abnehmen lassen / bis sie einen Feind erlegt; und die Helden sind gewohnet ihr Haar zu verloben / bis sie eine Schlacht gewonnen / da sie sodenn allererst der Schere und dem Scher-Messer solches wieder unterwerffen. Sonst aber pflegt bey den Deutschen weder das männliche noch weibliche Geschlechte sein Haar aus Andacht abzuschneiden /wie die Griechen und Römer es ihren Göttern zu wiedmen pflegen; sondern es muß vielmehr nach Einweihung der Priester und Priesterinnen solches gantz unversehrt verbleiben solches aufs sorgfältigste unterhalten / und an heiligen Feyern / sonderlich aber an gegenwärtigen zierlich aufgeputzt werden. Erato fiel ein: Es kommet diese Gewohnheit mit den Asiatischen Völckern / den Griechen und Römern gantz überein / wo allenthalben das Bild der Vesta und ihre Priester gekrausete / von Salben und Balsame aber wolrüchende Haare trügen; ja zu Rom wäre unter denen sieben Geheimnüssen / welche selbige Stadt unüberwindlich machen solten / die Haar-Nadel der Vesta das fürnehmste / die vier Pferde aus Thon das andere; welchen folgte der Vejenter Asche / des Orestes Zepter / das Trojanische Palladium und die Ancilischen Schilde. Die Priesterin fieng hierüber an: Es hätte dieser Aufputz der Haare seine geheime Bedeutung / und würde der Ka und das Kraus-Eisen so wenig von den Priesterinnen / als andern keuschen Frauen zur eitelen Uppigkeit mißgebraucht. Der Gottesdienst hegte keine Unversöhnligkeit mit dem Gepränge; und da fast alle Völcker ihre Tempel und Altäre bekräntzten / mit Gold und Edelgesteinen zieraten; ja der grosse Schöpfer das Gewölbe und den Fußbodem seines grossen Tempels der Welt / nemlich Himmel und Erde so schön mit Sternen und Blumen gestickt hätte / trüge GOtt auch an denen Zierathen der Priester kein Mißfallen / wenn nur das Hertze einfältig und demüthig wäre. Die Haare aber an den Priesterinnen bildeten eben so wol als an den Bildern der Vesta die schönen Bäume / Blumẽ und Gewächse der Erden ab / welche warhaftig auch nichts anders / als ihre wunderschönen Haarlocken wären; westwegen man auch die schönen Haare der Hyacinthen-Blumen zu vergleichen pflegte.

Nach vollbrachtem Tantze näherten sich von denen vier Enden der Welt alle Priesterinnen denen Brunnen; unter denen etliche aus weißgeflochtenen Körben vier weiß-gezogene Tücher nahmen / und sie auf so viel zwischen den Brunnen gedeckte Taffeln deckten. In denselben[184] waren in vier anmuthigen Landschafften die vier Jahres-Zeiten so künstlich und sichtbar gewürckt: daß es der Königin Erato also fort nicht ohne Erregung einer Verwunderung in die Augen fiel. Sie sahe den Zeug anfangs für Seide / die Arbeit aber für was gar frembdes an / und fragte: woher dieses seltzame Gewand gebracht würde? die Fürstin Zirolane antwortete lächelnde: Ihr einfältiges Vaterland wäre der Ursprung dieser Leinwand. Erato war entweder beschämet über ihrem Irrthume / oder nam Zirolanens Antwort für Schertz auf; fragte daher: ob denn bey den Marsingern auch Seiden-Würmer / wie in Griechenland gehegt / oder die in Indien von ihnen gesponnene und hernach von den Bäumen abgeke ete Seide / welche erst unter dem Käyser Julius nach Rom kommen wäre / dahin gebracht und gewebet würde? Zirolane antwortete: wir wissen so wenig als andere von Seiden-Würmern und Seiden-Webung; wiewol das anfangs von den Seren in Indien / von Indien in Persien / hernach auf das Eyland Co / worauf Pamphile das Gespinste der Seiden-Würmer zum ersten aufgewunden / gezwirnet und gewürcket hat / folgends in Griechenland und Italien gebrachte Seiden-Gespinste dem Rheine und der Donau so nahe gebracht worden ist: daß / nach dem in Gallien und Pannonien solches schon gemein worden / unser Himmel sonder Zweifel auch diese unvernünftige aber künstliche Spinner vertragen würde. Erato brach ein: Ich wil endlich wol glauben: daß dieser Taffel-Zeug nicht wie der Serische gantz / aber wol / wie man in Griechenland und zu Rom nur noch hat / halbseiden sey / und die Werfte zwar von köstlicher Indischer Baum- oder der herrlichen Wolle aus Caramannien / welche die Schaafe im Früh-Jahre von sich selbst fahren lassen / der Eintrag aber Seide seyn werde. Zirolane versicherte die Königin: daß kein Fadem Seide noch Wolle / sondern nichts als Flachs bey diesem Gemächte wäre / welcher durchgehends in Deutschland / fürnemlich aber in grosser Vollkommenheit aus dem bey den Aestiern und Sciren geholeten Leine wüchse / in dem Sudetischen Gebürge wunderklein gesponnen / und also gewebet würde. Die Marsinger versorgten darmit nicht allein gantz Deutschland; daß sie weder der theuern Seide / von der jede Untze acht güldene Müntzen kostete / und für weniger Zeit noch zu Rom nur edlen Weibern zu tragen erlaubt gewest wäre / noch der rauchen Baum- oder andern theuern Wolle bedörffte. Die Königin Erato ward hierüber so begierig: daß sie alle Scheue geweihete Sachen anzurühren vergaß / sondern sich der einen Taffel näherte / und das Tuch darauf sorgfältig besahe und betastete. Es ist wahr / fieng sie hierauf an. Diese Leinwand ist zur edelsten Wolle zu glatt / und beschämet alles wöllene Gewand / das gleich aufs beste gepresset ist / und ob zwar nicht so weich / aber so gläntzend als Seiden-Zeug. Ich muß auch gestehen: daß / was ich vorhin Leinenes und zwar von dem besten Tarraconischen Flachse gemacht gesehen / gegẽ diesem Hanffen nichts zu seyn scheinet; ungeachtet mit dieser Hispanischen Leinwand sich die Indischen Könige kleiden / und sie der Seide fürziehen. Wiewol auch die Egyptier sich rühmen: daß ihr gegen Arabien an einem Stengel wachsende Flachs / worvon alle Kleider ihrer Priester gewebt werden / der weisseste und weicheste in der Welt sey /die Indier aber ihre Baumwolle die sie von einem Baume sa len / der im Stamme der Pappel / in Blättern der Weide ähnlich ist / ablesen / wie auch ihren von sich selbst wachsenden und von Oele trieffenden /die Achaier aber ihren bey Elis gepflantzten und vormals gegen gleichwichtiges Gold zu verwechseln gewohnten Flachs über alle andere heraus streichen / so kan ich doch nicht leugnen: daß dieser deutsche Leinen-Zeug alle diese gelbe Gewächse / ja den Schnee selbst übertreffe. Und weil die weisse Farbe zu Opfern / Königlichen[185] Gastmahlen / Bedienungen und Schauspielen gewiedmet ist / zu allem dem gebraucht zu werden verdiene; wiewol ich hiermit meinem Vaterlande und Meden / welche fast gantz Asien mit Schafen und Wolle versorgen / nichts vergeben wil; und auch nicht weiß: warumb die von dem unschuldigsten Thiere genommene Wolle zu geistlichen Kleidern unheilig / auch in Tempel und Grabstädte zu bringen unwürdiger als Flachs seyn solle / dazumal Phryxus seinen Widder dem Jupiter zu wiedmen /kein Volck Lämmer zu opfern / auch etliche Götter selbst Schäfer abzugeben kein Bedencken gehabt hätten. Alleine / wie dem allem ist / bin ich begierig das Gewächse dieses Flachses wegen seiner so wunderschönen Farbe zu sehen. Zirolane fiel ein: Sie würde kein Merckmal einer solchen Weisse daran finden. Denn der Stengel wäre gantz grün / die Blume Himmel-blau. So werden sie den Flachs gewiß / sagte Erato / durch den Heraclischen Mah so weiß machen. In keinerley Weise / versetzte Zirolane; sondern /nach dem die euserste Schale abgebrochen / das Werg davon abgehechelt / und das roh-gesponnene Garn gewebt worden / hat die Sonne nebst unserm Bober-Neiß- und Loh-Wasser die Eigenschafft die Leinwand so weiß / als der Schnee ist / zu bleichen. Erato brach ein / weil die Leinwand allererst / nicht aber das Garn für der Webung gebleicht würde / könte sie kaum begreiffen / wie gleichwol dieser Zeug so dichte wäre /und käme ihr desthalben so viel weniger unglaublich für: daß Ajax und andere Helden schon im Trojanischen Kriege / wie auch die Athenienser / bey denen doch alle Männer sonst wöllene Kleider trugen / Leinwandtene mit Saltz und Essig so feste zusammen gezwungene Brust-Harnische gehabt / und noch hätten /welche die schärfsten Waffen und spitzigstẽ Zähne wilder Thiere aufhielten. Jedoch wäre der in dem heissesten Indien und auf den Carystischen Stein-Klippen wachsende und im Feuer unversehrliche Flachs noch wunderwürdiger / daraus denen Indischen Königen ihre Sterbe-Kittel umb die Holtz- von der Leibes- Asche zu unterscheiden / und die Tachte in die ein Jahr-lang brennende Lampe des Callimachus zu Athen gemacht würden. Zirolane versetzte: Der Deutschen Garn wäre zwar kein das Feuer verlachendes noch den Preiß der Edelgesteine übersteigendes Wunderwerck; es würde auch nicht wie das auf dem Eylande Amorgos wachsende Gespinnste mit Schnecken-Blute gefärbt; es wäre aber fester / als das Egyptische und Indische / und gleichwol das feinste und viel dünner als beyde. Erato begegnete ihr: dis letztere schiene ihr zweifelhafft; weil von dem Egyptischen Garne ins gemein anderthalb-hundert Fädeme durch einen Finger-Ring giengen; ja das in dem Rhodischen Tempel Minervens aufgehobene Wamst des Königs Amasis wäre von so dünem Garne gemacht / daß jeder Fadem von dreyhundert fünf und sechzig Fädemen zusammen gezwirnet wäre. Zirolane lächelte / und fieng an: dis gerühmte Garn würde bey ihren Marsingern nicht wol für Mittel-Garn gelten / als wo von dem kleinsten ein vier-tausend acht-hundert Fädeme haltendes Stücke durch einen Finger-Ring gezogen werden kan. Die Königin Erato verstummte / und wuste nichts zu antworten / als daß die Fürstin Ismene Zirolanens warhaffte Erzehlung zu bestätigen / und sie von allem Argwohne der Ubergrösserung zu befreyen veranlaßt ward. Erato entschuldigte ihr Stillschweigen: daß es aus Verwunderung / nicht aber aus einigem Zweifel herrührte. Aber / sagte sie / was für zarte Finger spinnen denn solche die Spinnenweben selbst übertreffende Fädeme? Denn ich glaube nicht: daß die Erfinderin des Spinnens Arachne so dünne habe spinnen können. Zirolane antwortete: Unser Garn wird nicht nur von kaum kriechenden Kindern / welche die Lust und Kunst zu spinnen gleichsam mit aus Mutter-Leibe bringen /[186] und Weibern / welche sauber Leinwand für die schönste Kleidung halten / sondern auch von graubärtichten Männern und ihren rauesten Händen gesponnen. Denn was sich nur im Sudetischen Gebürge reget / ist gleichsam eine Spinne oder ein Flachs-Wurm / und daher auch das Spinnen dem Männlichen Geschlechte keine Schande ist / und in Deutschland nicht nur wie zu Rom den Bräuten ein angelegter Rocken mit der Spindel mitgegeben wird; sondern ihr gröstes Gut / und meistes Thun bestehet bey den Marsingern im Gespinnste. Ja auch das Adeliche und Fürstliche Frauenzimmer schämet sich nicht an dem Rocken zu lecken. Erato fiel ein: Es hat sich niemand einer so nützlichen Arbeit zu schämen / und habe ich mich zu Rom über nichts mehr verwundert / als daß an einem Orte / wo Glück und Uberfluß alle gute Sitten verterbet hat / und schier alle Bemühung den Wollüsten gewiedmet wird / das Spinnen gleichwol noch bey dem vornehmen Frauenzimmer so gemein ist /und / weil sie Ehre hieraus suchen / solcher Arbeit in dem sichtbarsten Orte des Hauses / nemlich im Vor-Saale obliegen; und die Pfosten mit gespoñener Wolle behängen. Ja ich habe die Käyserin Livia selbst vielmal spiñen sehen; und August hat nicht nur seine Tochter uñ Enckelinen zum Spinnen fleissig angehalten / sondern auch selten ein ander Kleid getragen /als was seine Gemahlin / Schwester oder Tochter gewebet. Zirolane versetzte: So dörffen meine Lands-Leute sich so viel weniger ihres Spinnens und Webens schämen / zumalen der unglaubliche Nutzen dem Lande diese Arbeitsamkeit reichlich belohnet. Sintemal die Marsinger ihr gesponnenes Garn nicht nur in unsäglicher Menge denen Batavern / Morinern und Atrebatern zum Weben zuschicken; sondern der Carthaginenser Schiffe haben auch die Marsingische Leinwand / wie auch die wollüstigen Phöacer zu Ulyssens Zeiten schon vermuthlich aus Deutschland geholet; weil die Leinwand in Griechenland jederzeit sehr seltzam gewest ist. Itzt aber verführen solche die Cimbrern / Friesen und Britannier hauffenweise übers Meer in Africa / Indien und in die Atlantischen Eylande; ohne welche die Einwohner dieser heissen Länder meist nackt gehen müsten. Daher der Marsinger Gebiete / ungeachtet es von der See weit entfernet ist /die gröste Handlung in Deutschland hegt / und schwerlich Egypten oder einig ander Land in der Welt so viel Gespinnste ausgiebt. Erato fiel ein: Es ist nichts würdiger übers Meer verführet zu werden / als Leinwand / als welche denen Schiffen ihre Flügel / ja gleichsam die Seele giebt / und ein Ende der Welt mit einander verbindet. Zirolane versetzte: Es verdienet die Leinwand / ungeachtet der Flachs nicht wie die Baumwolle von sich selbst wächst / oder wie die Seide von Würmern gesponnen wird / sondern gesäet werden / und mit unglaublicher Arbeit wol zwölfmal durch die Hände gehen muß / wol diesen Preiß; und können wir Deutschen leichter der Serer Seide / welche die Leiber mehr zu zeigen als zu bedecken fähig /und zur Kleidung anfangs nur von Weibern mißbraucht worden / nun aber auch die Männer damit zu verstellen verschwendet wird / und der Indier Baumwolle / als sie unsers Gespinnstes entbehren. Daher unsere Vor-Eltern mit denen Pictonen diese heilsame Gewohnheit aufs genaueste beobachteten: daß niemand / ja auch der Adel und die Fürsten kein außerhalb Deutschland gemachtes Gewand tragen dorffte. Sonst aber vertreibt Gallien mehr grobes Segel-Tuch als Deutschland / weil unsere Leinwand nicht weniger als Cleopatrens Purpur-Gewand zu Segeln allzu köstlich ist. Erato konte inzwischen sich an dem Taffel-Zeuge nicht satt sehen / und hob endlich an: der Zeug hierzu ist gewiß köstlich / und weiß ich nicht: ob nicht die Frauen aus dem Geschlechte der Serraner zu Rom / ihr Geliebde nichts leinenes zu tragen / bey Anschauung dieses[187] Gespinnstes gebrochen haben würde / aber ich weiß nicht: ob ich nicht die Arbeit daran noch für viel köstlicher halten soll? denn ob zwar das Würcken eine der ältesten Künste ist / also: daß viel Völcker / insonderheit aber die Indier / Assyrier und Phrygier darinnen umbs Alterthum streiten /die Lydier auch die Erfindung ihrer Arachne / die Pamphylier des Latous auf das Eyland Co gezogener Tochter zueignen; diese Weberey auch hernach zu Babylon / Salamis / Sumum / und in Griechenland hoch kommen / und theils einander mit der Dichtigkeit /theils mit der Zärtligkeit zu überwinden trachten / und jene gleichsam Drat / diese einen durchsichtigen Wind gewebet zu haben scheinen; so habe ich doch mein Lebtage nichts gewürcktes mit so vollkommenen Bildern gesehen. Die nichts minder berühmte Weberin als Königin Tanaquil hat zwar durch den ihrem Eßeherrn Servius Tullius gewürckten Rock /weil er gewässert gewest / ein Meisterstücke gemacht zu haben vermeinet; also daß er auch hernach im Heiligthume des Glückes aufgehoben worden. Aber was ist das wenig künstliche von der blossen Einsprengung und der schweren Presse herrührendes Wässern gegen diesem gezogenen? Die Babylonier weben zwar in weisse seidene und Baum wollene Tücher gewisse Streiffen von Purper und Golde. Alleine / wie dis letztere wegen seiner rauen Härte die Gewebe mehr unbrauchbar als zierlich macht; also ist beydes wol kostbar nicht künstlich; und das scheckichte Webewerck der Griechen / da die Werffte weiß / der Eintrag grün oder roth ist / nicht viel besser; das künstlichste / das ich zu Rom gesehen / ist gewesen / theils ein würflicht-gewürckter / theils ein gleichsam mit Palmen-Blättern bestreuter Zeug / welch letztere auch dem Capitolinischen Jupiter seiner Seltzamkeit halber zum Mantel gewiedmet worden / und von Römischen Bürgermeistern bey Antretung ihrer Würde getragen wird. Daselbst wieß man mir zwar auch einen mit güldenen Sternen besäeten Purper-Rock / welchen beym ersten Punischen Kriege die Sieger angezogen haben sollen. So viel aber sein Alterthum urtheilen ließ / waren die Blumen gestickt / nicht gewebt; diese Webung aber soll zu Alexandria aufko en seyn. Aber was ist jene Einfalt / wie auch die rauche Sammet-Arbeit gegen dieser / wo die Weberey der Mahlerey es gleiche thut / oder ihr mit diesem Schnee gar eine Röthe abjagt. Denn ob ich wol weiß: daß die Helden für Troja schon Kleider / darauf allerhand Zierathen gemahlt gewest / getragen haben / welche erfunden zu haben sich die Egyptier rühmen / diese Art auch noch nicht für langer Zeit zu Rom in hohem Werth / und der Siegs-prangenden Bürgermeister zu Rom Ehren-Röcke in Persien aber der Grossen Sommer-Kleider gewesen; so ist doch dieser Grief auf Leinwand zu mahlen so gemein als das Mahlwerck in nasse Kalck-Mauer / und endlich so gering-schätzig worden: daß zu Syracusa und Rom nur Huren gemahlte Kleider tragen / da doch die grossen Bürgermeister Marcus Flavius Flaccus / und Titus Papirius in den Heiligthümern des Vertumnus und Consus damit abgemahlt stehen. Den Augen kan auch wol nichts schöners fürkommen / als die der Tyrier Erfindung nach aus Schnecken-Blute zweymal gefärbten und die braunen Rosen abstechenden Seiden-Zeuge / für welchen der Feilgen-blaue und Pappeln-rothe Purper gleichsam Ascher-farbicht und bleich aussieht. Und das aus zerquetschten Würmern gemachte Karmesin beschämet mit seiner vollen Blut-Farbe gleichsam den vollkommensten Purper; aber allen solchen giebt die Farbe /hier aber im Deutschen gezogenen die blosse Hand des Künstlers ihren Glantz und Mahlwerck. Das vollkommenste und diesem deutschen Webewercke am nechsten kommende ist die von den Phrygiern erfundene[188] Seyden- und vom Attalus erdachte Gold-Stückerey / da die Nadel mit Abbildung aller Dinge es dem Pinsel sich mühet vorzuthun; und daher mit Rechte den Ruhm des Nadel-Mahlwercks verdienet. Die Babylonier und letztlich die Gallier haben es auch so hoch gebracht: daß sie Webe- und Stückwerck mit einander vermählet / und diß / was in kleinen theils gewebt / theils gestückt worden / mit der Nadel zu sammen nehen / und darmit die künstlichsten Tapeten zusa en setzen. Aber alles diß ist eine leicht begreiffliche Arbeit der menschlichen Hände / in diesem gezogenen aber steckt eine mir gantz unbegreiffliche Kunst; wie mit der Weber-Schütze der Eintrag durch die Werffte so wunderseltzam durch einander geflochten werden könne: daß es so eigentlich und sichtbar alle Bilder zeiget / ungeachtet ein Fadem so weiß als der andere ist. Denn ob ich wohl weiß: daß die Egyptier die alte Art zu würcken / da nemlich die stehenden Weber den Eintrag aufwerts in die Werffte gebracht / und mit einem Eisen einzuschlagen pflegteñ /umb ein grosses verbessert und die Griechen gelehrt haben sitzende unter sich den Einschlag einzuschieben / mit dem Kamme einzuschlagen / mit den Füssen die Schemmel des Weber-Stuhls zu treten / und darmit die Helffte der Fädeme in der Werffte Wechsels-weise halb hinauf / halb herunter zu rücken / so scheinet doch alles diß nur zu diesem gezogenen oder vielmehr gemahltem ein schlechter Anfang und unvollkommenes Kinderwerck zu seyn. Zirolane antwortete: Ich bin wohl keine Weberin / aber eine Liebhaberin der Weber-Kunst. So wenig ich aber hiervon verstehe / ko t die Egyptische Art zu weben unser deutschen am nechsten; es mangelt aber daran noch viel gutes. Denn über diß / daß unsere Weber gerade vor sich weg würcken / und mit dem beweglichen Weber- Kamme das Gewebe dichte an einander schlagen /müssen die Fädeme der Werffte von fast unzehlbaren Zotten gefaßt / und nach der Reye von denen auf der Seite des Weber-Stules stehenden Gehülffen gezogen werden / wormit aus Unterscheidung solcher Fädeme das Gewebe die verlangte Bildung überkomme. Diese Kunst aber wäre mehr sichtbar / wenn nach der nicht ungemeinen Landes Art der Grund weiß / die Bildungen aber blau gewürcket würden. Erato hörete diß alles mit grosser Vergnügung / und weil sie derogleichen Webe-Werck zu sehen höchlich wünschte / fragte sie: Ob nicht auch bey den Cheruskern derogleichen Weber-Stüle befindlich wären? Ismene nahm das Wort / und antwortete: Sie wolte ihr zwar zu Deutschburg etliche zeigen / aber sie kämen gar nicht an die Geschickligkeit der Marsingischen. Zirolane brach ein: Ich kan dißfalls meinem Vaterlande sein Lob wohl nicht abstricken; iedoch muß ich bekennen: daß die Bataver in Weben den Marsingern überlegen sind / und aus unserm gesponnenen Garne so schöne Arbeit fertigen: daß wir selbst den Grund kaum für unser Gemächte erkennen. Unter diesem Gespräche endigten sich sämbtliche Täntze / und alle vier Hauffen näherten sich den drey Brunnen / allwo die oberste Priesterin die andern alle daraus mit einem Sprengwedel bespritzte. Hierauf hülleten sie alle ihre Häupter in ein weisses Gewand ein / schlugen mit ihren Händen auf die Brüste / dreheten sich dreymal linckwerts auf einer Stelle herumb / küsseten ihre rechte Hände /und warffen damit ihre Küsse gleichsam dem Himmel zu. Endlich fielen sie auf die Erde mit ihren Antlitzern / und beteten mit einer solchen Unbewegligkeit /gleich als wenn eitel todte Leichen alldar lägen. Erato fieng an: Ich sehe wohl: daß die Deutschen im Bethen sich eben wie die Persier / Armenier und Römer bezeigen / auch auf gleiche Art Küsse werffen / im Bethen ihre Häupter einhüllen / und sich herumb drehen / nur daß diß bey diesen Völckern rechtwerts geschihet / weil auch die Umbwendung[189] des Himmels von der lincken zur rechten Hand geschihet. Ismene / weil die Frau von Buren sich nun auch unter die betenden vermengt hatte; meynte / es geschehe bey den Galliern und Deutschen linckwerts aus einer andächtigen Demuth / weil bey ihnen die lincke für die Unter- in Asien aber für die Ober-Stelle gehalten; ja die Seite des aufgehenden Morgens ins gemein die lincke genennet würde / auch wenn man gegen Mittage der Sonne das Antlitz zukehrte / die lincke Seite der Welt wahrhaftig wäre. Diese Wendung geschehe nun freylich zwar der vermeynten Umbwendung des Himmels entgegen; aber vielleicht aus dem Absehen: daß der Menschen Wendung zu Gott nichts irrdisches an sich haben solte. Uber diß wären auch bey allen Völckern die Eingänge in die Tempel / und die Bilder ihrer Götter gegen Morgen gerichtet. Wäre aber die Meynung des Leucippus und Philolaus wahr: daß der Himmel stünde / die Erde sich bewegte / so wäre die linckwerts geschehende Bewegung auch der natürlichen gemässer. Die Verhüllung der Häupter aber beym Gottes-Dienste ist in Deutschland so viel merckwürdiger / weil die Deutschen nicht nur zu Hause und in Städten / wie die Einwohner wärmerer Länder / sondern auch auf den Reisen baarhäuptig Sonne und Kälte vertragen / und von Kind- auf durch Entblössung und Baden im kalten Wasser darzu gewöhnet werden. Sonst halte ich diese Verhüllung auch für eine Ehrerbietung gegen Gott; daher auch die Serer / wenn sie mit ihrem Könige reden / eine helffenbeinerne Taffel für den Mund halten / wormit nicht etwan ihr Athem sie anhauche. Bey den Römern begraben die Söhne ihre Väter auch mit verhülletẽ Häuptern / und allen Göttern opfern sie also / ausser dẽ Saturn und der Ehre mit entblößten Häuptern /vielleicht weil die Zeit alles eröffnet / die Ehre sich aber nicht verhüllen lässet. Diese Art aber hat bey gegenwärtigem Heiligthume fürnehmlich dahin sein Absehen: daß die Natur oder die Hertha eine rechte Hülle Gottes ist; worunter Gott zwar zu suchen / niemals aber vollkommen zu finden ist; und daher die Egyptier gar nachdencklich ihrer Isis die Uberschrifft gemacht haben: daß kein Mensch noch nie ihren Schleyer aufgedeckt hätte. Sonst aber verhüllten sich die Betenden gar billich bey aller Andacht / wormit sie vom Anblicke irrdischer Dinge nicht gestöret würden; und weil Gott sich denen / die ihn verehreten /näherte / welchen unsere Augen weniger als die Sonne anzuschauen vermöchten. Erato war überaus vergnügt mit dieser Auslegung / und betheuerte: daß sie in Deutschland viel Geheimnüsse ihres Armenischen Gottes-Dienstes hätte verstehen lernen. Sie erinnerte sich hierbey auch: daß die das Feuer anbetenden Persen bey ihrer Andacht den Mund mit einem Tuche fest verbinden / und diß zwar zu dem Ende: daß ihr heiliges Gebete sich nicht mit der gemeinen Lufft verunreinigte. Alleine weil die Lufft an ihr selbst unbefleckt wäre / und ohne ihre Gegenwart nicht einst die Zunge gerührt werden könte / hielte sie es mit der Deutschen vernünftigern Auslegung; sie möchte auch gerne gründlich vernehmen / wohin die Werffung der Küsse eigentlich zielte / welche in Syrien und Asien eben so nicht nur den Bildern der Götter / sondern auch den Königen / derer Hände und Füsse nur die Grossen küßten / zugeworffen würden; wie denn auch zu Rom sich selten iemand unterstünde an den Bildern der Götter einige Hand oder Fuß / sondern nur das Altar /die Pfosten der Tempel oder den Saum an denen heiligen Kleidern anzurühren; meist aber iedermann seine geküßte Hand gegen dem Bilde empor hebt / oder an das Kien hält / und den Zeiger an den Daumen anlegt. Die Frauen aber pflegen gar mit ihren Haaren die Opfer-Tische und die Füß-Bödeme der Heiligthümer zu fegen. Ismene antwortete: Sie wäre zwar keine Priesterin / und hätte in so hohen Dingen[190] wenigen Verstand / sie hielte aber darfür: daß / weil Gott der menschlichen Seele ein geheimes Feuer durch Erkäntnüß der Wahrheit und Liebe des Guten zu Gott empor zu klimmen eingepflantzt hat / die Schwerde aber unsers Leibes und die Eitelkeit der irrdischen Regungen sie an der Erden angepflöcket / die Andächtigen mit diesen flügenden Küssen ihre Begierde sich Gott zu nähern ausdrücken wollen. Erato sahe Ismenen hierüber starr an / und nach einem kurtzen Stillschweigen betheuerte sie: es könte kein Priester darüber eine tieffsinnigere Auslegung machen; und bestätigte sie hierinnen die von ihrem Platonischen Lehrmeister beygebrachte Meynung: daß Gott so viel Seelen als Sterne geschaffen und mit einander von Anfang vermählet hätte. Nachdem sie aber durch das Haus des Monden den Krebs / nemlich die irrdische Pforte herunter gefahren / hätten sie doch güldene Flügel oder den Trieb sich wieder mit ihren Sternen zu vereinbaren behalten / dahin sie auch nach abgelegten sterblichen Leibern durch das Haus am höchsten stehenden Irr-Sternes des Saturnus / nemlich den Steinbock als die hi lische Pforte der Götter empor flügen; wie wohl sie auch noch im Leben durch eine vierfache Entzückung und Andacht sich mit Gotte gleichsam vereinbaren könten. Bey Beschlüssung dieser Worte sahen sie sieben aufs herrlichste geputzte Frauenzimmer an der Bach herauf kommen; welche ungefehr dreissig Schritte von denen Fürstinnen entfernet stehen blieben. Die Fürstin Catta war am ersten gewahr: daß die erste unter ihnen die verlohrne Ascanische Fürstin Leitholde wäre; vielleicht weil sie / als welche an statt Leitholdens den Hertzog Jubil heyrathen solte / am meisten auf diese / an ihre Neben-Buhlerin ein Auge zu werffen Ursache hatte. Catta empfand mit ihrer ersten Erblickung eine so heftige Regung: daß sie als ein weisses Tuch erblaßte. Inzwischen fragte die Königin Erato: was diese sieben für Frauenzimmer wären / und zu welchem Ende sie dahin erschienen? Wie nun Ismene meldete: Sie würden vermuthlich sich zu neuen Priesterinnen einweyhen lassen; weil solches nur diesen einigen Tag des Jahres geschehen könte; veränderte die Fürstin Catta abermals ihr Antlitz: daß selbtes gleichsam aus einer weissen Narcisse in eine feuer-rothe Rose verwandelt ward. Die mit ihr verträulichste Adelgunde die Chaucische Fürstin fragte alsofort nach der Ursache dieser abwechselnden Farbe / welcher Catta kein Wort antwortete / sondern nur mit dem Finger auf Leitholden zeigte. Diese Anweisung machte sie alsobald Adelmunden / Adelmunde aber der gantzen Versa lung kentbar; welche denn diese verlohrne Halb-Göttin wieder zu schauen sich derogestalt erfreute: daß sie Augenblicks auf sie gerade zulieffen. Die schwermüthige Catta folgte allein mit etwas längsamern Schritten / weil sie nicht unbillich von Leitholden / als der sie in der Liebe durch versprochene Heyrathung des Fürsten Jubils so grossen Eintrag gethan hatte / ein scheles Auge besorgte. Ungeachtet die Fürstinnen nun gleich kaum drey Schritte von Leitholden entfernet waren / blieb sie doch mit ihren sechs Gefärthiñen als eine steinerne Säule unbewegt stehen; und als sie gleich Erato umbarmen wolte / gab sie mit der Hand ein Zeichen der Entfernung / wiech auch selbst etliche Tritte zurücke. Zirolane hob hierüber an: Ob sie denn denselben / welche über ihrer Wiederfindung so hertzliche Freude empfindeten / das Glücke einer verträulichen Bewillkommung mißgönnete? Leitholde aber schlug die Augen zu Bodem / und als Ismene ihr ferner zuredete: Sie möchte doch die / welche an ihrem Wohlstande und Bekümmernüsse Theil hätten / mit ihrer Unempfindligkeit nicht tödten / schossen ihr die Thränen häuffig aus den Augen. Endlich als bald diese /[191] bald eine andere ihre Zuneigung aufs beweglichste ausdrückte / fieng Leitholde an: Wenn ihr mich liebtet / würdet ihr mich nicht zwingen mein heiliges Stillschweigen zu brechen; welches ich schon so lange in einer der nechsten Höle bewahret habe. Aber meine Thränen haben mich schon überwiesen /und euch verrathen: daß ich mehr Schwachheiten an mir habe / als dieser Ort / und der heutige Tag von mir erfordert / welcher der letzte meiner Eitelkeiten /und der erste meiner Vergnügung seyn soll. Zirolane fragte hierauf: Ob sie denn entschlossen wäre sich der Hertha Gottes-Dienste zu verloben. Leitholde antwortete: Ihre Seele hätte sich der Keuschheit und diesem Gottes-Dienste schon zu Deutschburg gewiedmet; hier wolte sie nur dessen offentliche Erklärung thun. Ismene fiel ein: Sie gestünde: daß Leitholdens Liebes-Versuchungen wohl die bitterste Empfindligkeit zu erregen mächtig wären; aber ihre eigenen wären nicht süsser; iedoch wüsten Zeit und Gedult offt der Wermuth selbst ihren herben Geschmack zu benehmen /also man zu solchen beschwerlichen Entschlüssungen nicht zu eilen hätte. Leitholde begegnete ihr: Derselben könte nichts mehr beschwerlich seyn / welche sich schon überwunden hätte dasselbe aus ihrem Hertzen zu reissen / was sie mehr als sich selbst geliebt /und ohne welches sie zu leben nicht getraut hätte. Sonderlich aber würde ihr zu Linderung ihres Schmertzens dienen / wenn sie schon noch einigen Zug irrdischer Liebe fühlen könte: daß ihr geliebter Jubil einer so vollkommenen Fürstin / als Catta wäre /zu Theile werden solte; welcher sie zu desto mehrer Vergnügung wünschte: daß weder sie Leitholde iemals mehr an Jubil / noch Jubil an Leitholden dencken möchte. Catta ward hierüber so verwirret: daß sie nicht wuste: ob sie Leitholden für ihre Enteuserung dancksagen / oder ihren gethanen Eintrag entschuldigen solte. Endlich erholete sie sich und fieng an: Dafern ihre mit dem Fürsten Jubil gethane Verbindung zu Leitholdens Beleidigung gereichte; hätte sie daran nicht mehr Schuld / als die unvernünftige Sonnenwende / wenn selbte diesem Gestirne nachsähe. Sintemal ihr bey der Vorsorge ihrer Eltern nichts als der Gehorsam anständig gewest wäre. Diesemnach wäre ihr leid: daß durch diß ihr aufgehende Licht Leitholden einiger Schatten der Unvergnügung befallen solte. Leitholde versetzte: Ich habe mich gegen Catten mehr Ursache zu bedancken / als zu beklagen; weil Catta eine Ursache ist: daß in mir die irrdische Liebe erloschen / die hi lische aber glimmend worden ist. Denn ob zwar unsere Seele den Zunder dieses heilsamen Feuers mit in den Leib bringt; ja die irrdische / iedoch keusche Liebe / wie andere Güter der Welt / uns reitzen solte zu der hi lischen / weil alle diese Dinge etwas oder zum minsten einen Schatten von dem höchsten Gute an sich hätten; so geben doch diese leider! mehr Fessel als Flügel ab; und gebrauchen wir uns der zarten Zuneigungen unserer Seele / wie die trägen und unvernünftigen Reise-Leute der zu Anzeigung des Weges an die Strassen gesetzter Bäume; nemlich sie lieben mehr den Weg als die Ruh / sie schlafen unter ihrem Schatten ein / verspielen den Tag und die Gelegenheit ihr Ziel / nemlich Gott zu erreichen. Hernach verirren wir uns in den Finsternüssen der Wollüste / fielen uns in dem Schlamme der Laster / biß uns die Mitternacht des Todes überfällt / und wir unsere Seele in äuserstes Verterben stürtzen. Ismene antwortete: Da reine Liebe eine Tugend / die erstgebohrne Tochter der Natur / ja die Erhalterin der Welt ist; wie mag sie denn so gefährlich oder verterblich seyn? Leitholde begegnete ihr: Die Liebe ist freylich an ihr selbst gut / und nützlich /aber[192] wie das überständige Obst faul wird / also vertirbt sie / wenn man ihr mehr einräumet / als ihr gebühret. Diß aber geschicht / wenn man das höchste und ewige Gut nicht von dem vergänglichen unterscheidet / und diesem das Hertze wiedmet / welches doch alleine jenem zuständig ist; da doch diese nicht mehr als die Helffte der äuserlichen Sinnen und Glieder einnehmen dörffen / wenn der Mensch ein heiliger Tempel Gottes seyn soll; welcher das höchste Gut /und so wohl sein eigener Umbkreiß als sein Mittel-Punct ist. Wir haben aber leider zu bejammern: daß in dem Menschen nicht so wohl die Vernunfft / als in unbeseelten Dingen ihre Eigenschafft kan. Denn alle Wasser in der Welt / von was für unterschiedener Farbe / Gewichte / Geschmack und Kräfften sie gleich seyn / haben ihren Hang zu dem obersten Wasser /nehmlich zum Meere / welches einerley Farbe und Geschmack hat / von so viel Flüssen nie grösser / von Versorgung so unzehlbarer Brunnen nie kleiner wird /und niemals unbeweglich steht. Alle heilsame Brunnen entbehren gern den Ruhm ihrer Tugenden / halten die marmelnen Röhre / die Schalen aus Jaspis und die ertztenen Wasser-Künste / darein sie zu tausend Vergnügungen der Augen und des Mundes geleitet werden / für ihre hoffärtige Gefängnüsse und prächtige Grab-Mahle. Alle irrdische Dinge haben einen Zug zur Erde / und ie näher sie ihr kommen / einen so viel heftigern; also: daß sie lieber in einem Abgrunde verächtlich liegen und mit Füssen getreten / als in der ihnen verhaßten Höhle ansehliche Zierrathen / Corinthische Säulen und prächtige Siegs-Bogen seyn wollen. Alle feurige und geistige Dinge schwingen sich gegen dem Himmel als dem Ursprunge der Wärmbde und des Lichts / ja nichts nicht ist in dem fast unbegreifflichen Umbschweiffe der Natur / was nicht zu seinem Anfange / woher es entsprossen ist / zu gelangen sich eifrigst bearbeite. Denn in diesem ist eines ieden Dinges Vollkommenheit / der Mensch alleine klebet an den Mittel-Dingen / welche nur Bilder /Spiegel oder Rätzel des höchsten' Gutes sind / denen diß doch gleichsam eine Stimme und einen Reitz eingepflantzt / uns zu Gotte zu ruffen und zu locken. Die Sternen / das Meer / die Erde / und alle Wunder-würdige Geschöpfe sind nur Buchstaben / durch welcher nachdenckliche Zusammensetzung wir das grosse Wort / nehmlich Gott selbst lesen können. Dieser ist das grosse Meer aller Wesen / der Abgrund alles Guten / der allein die Grösse unsers unersättlichen Hertzens erfüllen / alle Kräfften unser Liebe erschöpfen soll und kan; welche / wenn sie ausser ihm auch sich mit dem vollkommensten in der Welt zu vermählẽ vermeynet / nur gläntzenden Staub / verleschende Lufft-Sternen / betrügliche Schatten umbarmet / sich mit dem bitteren Wasser labet / und an statt der allersüssesten Quellen aus schlammichten Pfützen trinckt. Die Königin Erato fiel ein: Allerliebste Leitholde /niemand ist unter uns / der nicht ihrer heiligen Meynung beypflichte: daß das höchste Gut über alles andere zu lieben / die Geilheit aber nicht des Nahmens der Liebe würdig / sondern vielmehr ein bitterer Haß seiner selbst / und eine Besudelung anderer sey. Alleine wir halten die reine Liebe zweyer keuschen Seelen für einen Strahl der göttlichen Liebe / und das höchste Gut für ihren Ursprung. Denn da Gott dem Himmel die Zuneigung gegen die Erde / der Sonne gegen den Monden und andere von ihm erleuchtete Sterne; den Trieb eines Thieres / ja eines Gewächses zu dem andern eingepflantzet hat / wer wolte gläuben / daß die keuschen Flammen unserer Seelen von was bösem herrühren / oder einer tugendhaften[193] Frauen unanständig seyn? Hätte Socrates auch seinen Phödrus von keiner andern als dieser Liebe unterrichtet / würde er so wenig sein Antlitz mit dem Mantel zu verhüllen /als wir uns zu verschleyern Ursach gehabt haben. Knüpfet aber Gott zwey Hertzen zusa en / wer wil sich unterstehen sie durch ein ander Absehen zu trennen? Es ist mir / antwortete Leitholde / nie in Sinn kommen keusche Liebe zu lästern. Sie rühret freylich von Gott her / der die Liebe selbst ist; ja sie ist ein Vorbild der Göttlichen; und daher hat jene auch keine Unverträgligkeit mit dieser. Alleine wie alle Tugenden in den Menschen Unvollkommenheiten sind; also ist es auch mit der reinesten Liebe beschaffen. Sie hat ihre Schwachheiten / wie alles irrdische Feuer seinen Rauch. Ungeduld und Eiversucht hencken sich an unsere Gemüther fester / als die Kletten an unsere Kleider an; also daß wir öffter von unser Liebe schamroth als vergnügt gemacht werden. Denn die Heucheley verkleidet sich in den Purper-Rock der vollkommensten Liebe uns zu betrügen. Das Glücke hat sein Spiel mit nichts mehr / als mit der redlichsten Liebe uns zu ängstigen; ja alle Laster der Welt schütten über sie ihre neidische Pfeile / und ihr vergällendes Gifft aus uns zu verterben. Diesen Klippen aber bin ich / Gott Lob / nunmehr entronnen. Ich bin meiner aus meinen eigenen Gedancken entsponnener Liebe durch einen höhern Trieb erledigt. Sintemal diß / was die Liebe zerreissen soll / stärcker seyn muß / als was sie gestifftet. Meine neue Liebe hat die erste wie ein Adler so fern überstiegen / als der Himmel über der Erde ist. Ich habe Gott / als die allein liebens-würdige Perle gefunden / dessen Werth zwar die wollüstigen Misthäne dieser Welt nicht kennen / gegen welcher die sie kennenden aber alle andere Vergnügung der Welt für Bohnen und kalt Wasser achten. Ich werde umb Gott allein zu lieben / mein Lebtage keinen Mann mehr lieben. Gehabt euch diesemnach wohl; und wo ihr glücklich zu lieben vermeynet / so verlobet euren Leib keinem Manne / der euch nicht erlaubet eure Seele ewig und einig Gott zu vermählen. Denn der beleidiget Gott fast weniger / der ihm gar nicht dienet / als welcher ihm einen Neben-Buhler an die Seite setzt. Mit diesen Worten kehreten Leitholde und ihre Gespielen / welche alle von hohem Geschlechte waren /denen Fürstinnen den Rücken / und näherten sich denen gleich vom Beten aufgestandenen Priesterinnen. Weil alle sieben Jungfrauen waren / wurden sie auch von den Jungfräulichen Priesterinnen mit Küssen bewillko t / hernach entkleidet / und dreymal in das flüssende Wasser eingetaucht. Erato fieng an: Ich sehe wohl: daß das Waschen und Baden eben so wohl in Deutschland als bey andern Völckern zur Einweyhung gehöre. Sintemal weder die Egyptier noch die Griechen iemanden der Isis oder Ceres einweyhen /den sie nicht vor im Nilus oder Ilissus-Wasser wohl gesaubert haben. Ja auch nach der Einweyhung baden sich die Egyptischen Priester täglich drey mal / wenn sie aufstehen / für dem Früh-Mahl / und ehe sie zu Bette gehen. Die Jüdischen Priester waschen gleichfalls alle mal / wenn sie in Tempel gehen / aus einem grossen ertztenen Meere Hände und Füsse; ja kein Jude isset iemals ungewaschen; und die Egyptier meynen durch Besprengung ihres Weyh-Wassers gantze Häuser und Städte von ihren Meineyden und Verbrechen zu reinigen. Die Frau von Buren / welche sich wieder dem Fürstlichen Frauenzimmer zugesellt hatte / sagte: Sie wüste zwar über ander Völcker Gottes-Dienst nicht Auslegungen[194] zu machen; sie aber schrieben bey ihrem Waschen dem Wasser eben so wenig /als dem Blute der Opfer die Krafft zu: daß durch Benetzung der Leiber die Flecken der Seelen abgewaschen würden. Sondern sie zielten vielmehr darmit auf eine Anweisung: daß sie diesem Gottes-Dienste sich verlobten / ihre Seelen mit Abthuung aller Laster reinigen solten / und auf ein ander grosses Geheimnüß /welches zu entdecken ihr nicht erlaubt wäre. Unterdessen wurden die gebadeten sieben Jungfrauen abgetrocknet / und befraget: Welcher Zeit Heiligthume sie sich verloben wolten. Weil sie aber alle ewige Keuschheit erkiesen / und also den Winter-Orden betreten wolten / ward ihnen angedeutet; Es lieffe diß wider die Gewohnheit und die Gesetze des Gottes-Dienstes / und müsten ihrer zum wenigsten drey sich dem Frülinge eignen / da nach fünff Jahren iede nach Belieben heyrathen mag. Weil aber alle sieben hartnäckicht auf ihrem kalten Vorsatze beruheten / wurden ihnen in einem irrdenen Topfe sieben mit Wolle überwundene Höltzlein fürgehalten / durch die sie looßen musten / wohin eine oder die andere eingeweyhet werden würde. In dem / als diese die Wolle abwunden / sagte Erato: Ich sehe wohl / diese Looß-Höltzer sind denen gantz ähnlich / welche bey Rom zu Präneste in dem Tempel des Glückes gezeiget werden / und aus einem Kiesel-Steine / den Numerius Suffucius zerseeget / gesprungen seyn sollen; daselbst auch als ein grosses Heiligthum in einer Küste von Oel-Baum-Holtze verwahret werden / aus dessen Stamme bey ihrer Hervorkunfft soll Honig geronnen seyn. Inzwischen ereignete sich: daß die Fürstin Leitholde / wie auch die Wachtendongin und Willichin dem Frülinge; die Fräulein von Steinfurth / Ponborck / Borholt und Lembeck aber dem Winter eingeweyhet werden solten. Welch ersteres die Fürstlichen Zuschauer so sehr erfreute / als alle drey darüber betrübt zu werden schienen. Hierauf wurden sie alle sieben nach eines ieden Ordens-Art angekleidet, wiewohl sie nicht ehe zu denen würcklichen Priester-Diensten gelassen werden / als biß eine von den hundert Priesterinnen abgehet. Erato fragte bey währender Ankleidung: Ob sie diese Kleider so lange / als die der Ceres Verlobten trügen / nemlich / biß sie gantz zerschliessen und zum längern Gebrauch untüchtig wären? Die Priesterin antwortete: In keinerley Weise / sondern wir wechseln alle Virtel Jahr unsere Kleider ab. Denn wie wäre verantwortlich dem so reichen Geber alles Guten in zerlöcherten Bettlers-Kleidern dienen? In kargen Hertzen / welche den Gottes-Dienst so wohlfeil haben / und darzu wenig oder nichts verwenden wollen / kan wenig Andacht seyn. Dahero denen /welche nicht knechtisch gesinnet sind / nichts zu kostbar seyn kan für den Schöpfer der Welt / und den König aller Könige. Nach der Ankleidung rühreten die neuen Priesterinnen mit dem Spieß-Finger eine gute Weile beyde Augen an. Erato fragte alsofort: Ob nicht diß / wie bey andern Völckern ihren Eyd-Schwur bedeutete? Ja / sagte die Frau von Buren /und sie geben damit zu verstehen: daß sie ihr Priesterthum für ihren Aug-Apfel halten / und lieber dieses als jenes versehren wollen. So bald diese Einweihung vollbracht war / blieben die vier obersten Priesterinnen alleine bey denen vier Taffeln stehen / da denn die des Frülings sich gegen Morgen / des Sommers gegen Mittag / des Herbstes gegen Abend / des Winters gegen Nord wendete. Die sieben neu-eingeweyheten aber wurden befehlicht Rasen auszustechen / woraus etliche[195] der Priesterinnen vier Altäre bauten / die andern aber alle Nothdurfft zum Opfer herbey schafften / und den Vorrath auf die Taffeln legten. So bald die Altäre zweyer Ellen hoch gefertigt waren / ward aus iedem Brunnen ein Kessel voll Wasser geschöpft; wormit iede oberste Priesterin ihr Altar an statt des Weines / weil doch jenes dessen Mutter ist / besprengete. Beym Frülinge aber ward darzu noch Milch /beym Sommer Oel / beym Herbste Wein / darunter gemischt. Hernach wurden alle Altäre / an statt des Weyrauchs mit denen bey allen Jahres-Zeiten reiffen Wacholder-Beeren berauchert / auch mit Gersten /welche die Menschen nach den Eicheln am ersten gespeiset haben sollen / und Saltze / als dem Kennzeichen der Fruchtbarkeit und Freundschafft überstreuet. Die höchste Priesterin Thußnelde aber brauchte zum ersten auch Agt-Stein und Weyrauch / den man bey den Deutschen häuffig in Ameissen-Nestern findet /und zum letzten Weitzen. Nach diesem ward auf des Frülings Altare Graß und Blumwerck / auf des Sommers unausgedroschen Getreide und Brodt / auf des Herbstes Obst und Trauben / auf des Winters Eicheln / Tannen-Zapfen / wie auch Kiefern-Fichten- und Lerchen-Bäumen grünes Laub verbrennet. Erato hob hierbey an: Diese geschickte Eintheilung der Opfer vergnügte sie mehr / als daß die Egyptier alle Tage der Sonnen früh Hartz / zu Mittage Myrrhen / des Abends einen Talg aus Weine / Honig / Trauben /Galgen-Hartz / Myrrhen / Steinbreche / Rhodis-Holtz / Bintzen / Wacholdern / Zimmet und ander Gewürtze opfern; die Juden aber bey ihrem Gottes-Dienste durch Myrrhen des Wassers / durch den Onyx-Stein der Erde / durch Gummi der Lufft / durch Weyrauch des Feuers Wohlthaten fürbilden. Hierauf fragte sie: ob diese Altäre / wie des fürtrefflichen Jupiters zu Athen mit keinem Blute bespritzt werden dörffte? Denn sie wüste wohl: daß die Opferung solcher Gewächse die allerältste wäre / die Griechen auch glaubten: daß erst Hyperbius den ersten Widder / Prometheus den ersten Ochsen geopfert hätte; nachdem aber die Erde eine Mutter und Erhalterin aller Thiere wäre / die Blut-Opferung auch der gantzen Welt / und wie sie beym Tansanischen Tempel gesehen hätte / auch den Deutschen gemein wäre / meynte sie der Schuldigkeit zu seyn bey diesem Feyer solches nicht gar zu sparen. Die Priesterin lächelte / und antwortete: In Opfern karg seyn ist nur eine Grausamkeit gegen sich selbst / weil sie Artzneyen unser krancken Seelen /und Brunnen Göttlichen Segens sind. Dahero der /wer dem Besitzer aller Reichthümer etwas gibt / nicht gegen Gott / sondern gegen sich selbst Freygebigkeit übt. Es möchte die Königin aber nur kleine Geduld haben; so würde sie schauen: daß die Deutschen nicht allein das Fette vom Lande für sich behielten; die Erstlinge der Jahres-Früchte wären mehr Abzahlungen voriger Gelübde und Vor-Bothen der Danckbarkeit als völlige Opfer. Sie hatte auch kaum ausgeredet / als etliche der Priesterinnen in gewisse Hörner bliessen; worauff denn aus den nechsten Wäldern eine grosse Menge Ochsen / Kühe / Schafe / Ziegen / und auch unterschiedene Bären herfür gesprungen kamen. Erato wunderte sich hierüber und meldete: Diese Hörner hätten einen kräfftigern Zug / als vielleicht des Orpheus Leyer gehabt haben möchte; fragte auch hierbey: woher gleichsam in einem Augen-Blicke diese viererley Art Thiere / und zwar darunter die[196] so verträglichen Bären herkämen? die Priesterin antwortete: Es würden diese Thiere in der ringsumb gelegenen heiligen Gegend unterhalten / und dörffte selbte niemand melcken / noch bescheren / noch zur Arbeit brauchen / noch auf andere Arten beschweren; welche / weil sie ihr reichliches Auskommen hätten / und gantz kirre würden / diesen Hörnern so viel begieriger zulieffen; weil man sie auch darmit des Winters zu ihrer Fütterung beruffte. Erato versetzte: Ich erinnere mich: daß auf eben diesen Schlag die Araber gantze Heerden heiliger Camele / Ziegen und Schaffe unterhalten. Die Phäacer nähreten auch der Sonne / und die Persen am Euphrates der Diana gewiedmete Ochsen; und ich selbst habe in Italien noch die wilde Zucht von den Stutten gesehen / welche Käyser Julius bey Durchsetzung des Flusses Rubico dem Geiste selbigen Stromes gelobte. Alleine / weil ich in Deutschland so viel Kleider von Wolfs-Häuten gesehen / also diese in grosser Menge sich allhier befinden müssen /vermuthlich aber in diese heilige Heynen weder Schütze noch Jäger kommen darf / wie sind so viel Schafe und Widder für diesen ihren Todfeinden sicher? Sintemal die Wölffe nicht nur mit den Schafen ihren Hunger stillen / sondern aus einem eingewurtzelten Hasse gantze Heerden erwürgen; und destwegen die Schafe für keinem Elephant oder Löwen sich so sehr als für einem Wolffe erschüttern. Es ist wahr /sagte die Priesterin / und die Deutschen Wölffe sind den Schafen so gram / wo nicht grämer als in Asien. Wir haben auch befunden: daß bey Vereinbarung der Wolfs-Häute und Schaf-Felle diese die Haare fahren lassen / die aus diesen gemachte Drommeln gegen jenen zerbersten: daß die aus der Schafe Därmern gemachten Säiten / neben den Wolfs-Säiten zerspringen; daß die Felle der von Wölffen erbissenen Schafe Läuse hecken / welche denen sich damit bekleidenden Feber und Hertzklopffen verursachen. Aber diese heilige Gegend ist von der Göttlichen Versehung so beschirmet: daß entweder kein Wolf sie beschreitet /oder doch diesen Thieren kein Leid thut / und sich /als wenn er keinen Hunger hätte / gleichsam in ein Lamm verwandelt. Welches der Königin Erato so viel glaubhaffter war / weil auch die Bären unter den andern Thieren anmuthig spieleten; von denẽ man sonst glaubt: daß sie durch keine Kunst kirre gemacht werden könten. Sie erwehnte aber hierbey: daß in der Stadt Copto Isischem Tempel die grösten Scorpionen gleichfals unschädlich wären / und die Egyptischen Weiber über selbten baarfüßig ohne einigen Stich am Bodeme hergiengen / und zu Hierapolis in dem Vorhofe des Tempels irreten Pferde / Adler / Bären und Löwen zahm und unschädlich durch einander. Diese Opfer-Thiere eileten auch eigen beweglich in das flüssende Wasser und badeten sich darinnen / gleich als sie durch diese Reinigung sich selbst zu ihrer Opferung bereiten wolten. Ob ihrer viel nun zwar schon bleyerne Siegel / als Kennzeichen vorhergegangener Prüfung am Halse hängen hatten: daß sie in allem vollkommen wären / von Rauden / Geschwüren / geschlitzten Zungen / versehrten Ohren / Blindheit / gespitzten Schwäntzen und andern Gebrechen allerdinges befreyet wären; so verfügten sich doch acht Priesterinnen unter diese wol abgewaschene Thiere / welche jedes Stücke noch von der Fuß-Sole an bis zur Scheitel genauest betrachteten. Welches alles / nach der Priesterin Auslegung / dahin zielete: daß GOtt von allem das beste gehörete / und der verflucht wäre / der diesem allgemeinen Vater die Hülsen liefern /ihm aber die Spreu vorbehalten wolte. Nach dem nun nirgends einiger Mangel zu finden war / faßten die Priesterinnen des Frühlings sich mit einem Widder /des Sommers mit einem Ochsen / der niemals gezogen hatte / des Herbstes mit einem[197] Bocke / des Winters mit einem Bäre. Erato fieng hierüber an: Ich finde hier eine grosse Gleichheit mit dem Griechischen Gottesdienste bey denen eben diese ersten drey Thiere / und zwar an dem Jahres-Tage / da sie aller Götter Feyer begehen / das vollkommenste Opfer machen. Ich möchte aber wol die Ursachen der Wahl und Unterscheidung bey diesem Gottesdienste vernehmen? denn ob wol dis die gemeinsten Opfer-Thiere aller Völcker sind / also gar: daß ob schon zu Memphis Ochsen / zu Thebe Widder / zu Mendes Böcke für Götter verehret würden / sie doch an gewissen Orten Egyptens geschlachtet wurden; so hab ich doch allhier in solchen Geheimnüssen viel nachdenckliche Erklärungen bekommen. Gehöret der Widder vielleicht dem Frühlinge zu / weil dieser beginnt / wenn die Sonne ins Zeichen des gestirnten Widders tritt; welches die Egyptier anbeten / und destwegen ins gemein keine Schafe zu schlachten verstatten / wie auch die Schäfer als unreine Menschen hassen. Zirolane fiel ein: Ich verstehe mich zwar auf kein Geheimnüs; wenn aber meine Muthmaßung mich nicht verführet / haben unsere Priesterinnen mit ihren Widder-Opfern wol kein Absehen auf den gestirnten Widder gehabt / welcher so wol als des Phryxus seiner mit der güldenen Wolle ein bloßes Getichte ist / sondern weil sie GOtt für alle Gaben der Natur hiemit dancken wollen / lassen sie den Frühling vielleicht ihm desthalben den Widder opfern / weil umb diese Zeit die erste Wolle den Schafen und Lämmern abgenommen wird; die eine der grösten Reichthümer Deutschlandes ist / und bey den Marsingern / insonderheit aber bey den benachbarten Buriern so zart und köstlich fällt: daß ihre Zärtligkeit der Baumwolle nichts nachgiebt / ihre weisse Farbe aber in den Augen eben so wol / als der weisseste Schnee / das Licht und die Schwanen auf roth absticht / darvon viel die Seide beschämende Zeuge und Tücher gefertiget / und so gar in Asien verführet werden / also ich nicht weiß: ob sie der Milesischen was nachgäbe. Erato antwortete: bey so gestalten Sachen haben die Deutschen mehr Ursache den Widder unter die heiligen Opfer-Thiere zu zehlen / als die Cyrener den Ammonischen / die Colchier aber den güldenen Widder mit dem Phryxus anzubeten; und nicht nur nach Gewohnheit der Mörgenländer die Wolleschaar / als die warhafte Erndte des Frühlings /als ein grosses Feyer mit Gastereyen und Täntzen zu begehen; sondern auch die Erstlinge ihrer Schafe nicht zu schären / und der Wolle / wie des Geträides GOtt zu wiedmen. Alleine wird in Deutschland die Wolle den Schafen nach der neu-erfundenen Art abgeschoren / oder wie für Zeiten / und noch in Italien bräuchlich ist / ihnen ausgeraufft / wo man sie drey Tage vorher hungern läßt / daß sie Wolle desto leichter gehen lassen? oder werffen sie wie die Caramannischen Schafe die Wolle von sich selbst ab? Zirolane antwortete: In unserm Lande ist von undencklicher Zeit nach Griechischer Weise die Wolle nicht ausgeraufft / sondern mit der Schäre abgenommen worden. Maßen denn /weil sie sehr feste steht / das letztere gegen dis unschuldige auch dem Menschen so geneigte und nützliche Thier eine strenge Grausamkeit seyn / auch wegen Vielheit der Schafe / welche mit ihren Heerden gleichsam unsere Hügel / wie ihre Haare der Menschen Leiber bekleiden / es mit dem Ausrauffen allzu langsam hergehen würde. Erato fiel ein: das Schaf ist bey nahe das fruchtbarste aller Thiere / und wird schwerlich in der Welt ein anders in mehrer Menge befindlich seyn. Daher unglaublich zu seyn scheinet / aber doch wahr ist: daß zu Jerusalem von Juden in eines Tages zweyen Abend-Stunden oft über drittehalb-hundert-tausend Oster-Lämmer geschlachtet werden / da doch in Syrien die Schafe nicht wie in Illyrien Zwillinge / weniger wie in Indien drey oder vier Lämmer werffen. Zirolane antwortete: Unsere Schafe bringen[198] zwar selten zwey Lämmer / weil sie aber nur anderthalb-hundert Tage trächtig gehen / oftmals des Jahres zweymal / sonderlich wo sie eine hohe und trockene Huttung haben. Erato bestätigte: daß dis in Lybien / Magnesien / Mesopotamien / und Italien gleichfals geschehe. Alleine /warumb soll in Deutschland die Trockenheit eine Ursache ihrer Fruchtbarkeit seyn / da doch in Asien der Morgenthau und das nasse Graß im Sommer / und in Indien der abregnende Honig oder Zucker so dienlich ist? Zirolane versetzte: In den heissen Ländern kan die Nässe ihnen freylich nicht schädlich seyn / wie in unserm kühlen und regenhafften Deutschlande; wo die Berge und sandichten Felder die besten Trifften sind /darauf sie nicht allein wol stehen / sondern auch die zärteste Wolle bringen / hingegẽ auf fetten Wiesen sie leicht verhütet werden; ja viel niedrige Gegenden nicht über drey Jahr einerley Schafe auswintern. Daher auch die Marsinger von ihren Nachbarn den Logionen das aus der Erden gegrabene Stein-Saltz in grosser Menge holen / und ihre Schafe damit von allen wäßrichten Kranckheiten befreyen; wie auch ihre Schaf-Milch geschmacker machen; welche ohne dis die süsseste ist / ungeachtet die Ziegen-Milch narhaffter / die Küh-Milch aber gesünder seyn soll. Jedoch macht man in Deutschland nicht wie in andern Ländern / von Schaf-Milch viel Butter / weil die Küh uns damit reichlich versorgen / aber eine grosse Menge Käse / welche keinen in der Welt nachgeben. Unter diesem Gespräche brachten die Priesterinnen einen drey-jährigen Widder / in welchem Alter sie bey vollkommensten Kräften seyn sollen / geführet / welcher nicht nur einer gantzen Heerde Führer / sondern auch ein Fürbild des Ammons / und des grossen Alexanders abzugeben verdient hätte. Er gieng mit vollen Springen der Frühlings-Priesterin zu / welche ihm beyde Hände auf den Kopf legte / welches nicht alleine der Thiere Freylassung aus der herrschafftlichen Gewalt und die GOtt geschehende Zueignung / sondern auch die Aufbürdung menschlicher Sünden bedeutet. Wie sie denn auch den bey den Egyptiern gewohnten Fluch über ihn aussprach: Alles Böse der Opfernden und gantz Deutschlandes müsse dir auf deinen Kopf kommen! Hierauf scharreten die neu-geweihten Jungfrauen unter das Altar ein Loch / in welches sie den vorher mit vielen Blumen bekräntzten Widder stieß / mit beygesetzten Worten: Alles unser Unheil fahre mit dir in den Abgrund. Worauf denn der Widder lebendig in der Grubẽ verscharret ward. Erato fieng hierüber an: Ich sehe hier eine neue Art der Hertha zu opfern / indem dieser mit frembder Schuld befleckter Widder den Tod einer entweihten Vestalischen Jungfrau ausstehen muß. Denn ob zwar andere Völcker der Proserpina und andern unterirrdischen Göttern auch nicht auf Altären / sondern in Gruben schwartze Opfer bringen; so werden doch selbte geschlachtet und verbrennet / nicht aber vergraben. Die Priesterin antwortete: Unterdessen ko t unser Opfer der Erden Eigenschafft am nechsten / welche das allgemeine Begräbnüs aller Dinge ist; und so gar die Leichen heilig macht / und ihr daher für unbeerdigten Leibern Abscheu habt / und nicht glaubt: daß der höllische Fährmann sie überführen dörffe. Alleine unsere Beerdigung des lebendigen Widders verhüllet ein grösser Geheimnüs / nemlich: daß in denen begrabenen Leichen nicht alles Leben erloschen sey. Erato hätte gerne mehr Auslegung hierüber gehabt; aber die Priesterin erinnerte sie auf nachfolgendes Sommer-Opfer acht zu haben. Dieses war ein junger starcker Ochse von grossen Hörnern und harten Klauen; welchem sich kaum der Europen entführende Jupiter /weniger der Widder / den Epicurus streitende Cotta zu vergleichen unterstanden hatte. Nach dem die Priesterinnen ihn genau betrachtet hatten: ob er auch ein[199] ander Haar als rothe an seinem Leibe hatte / bekräntzten sie ihn mit Weitzen-Eeren / Blumen / Kräutern /Obste / Reben und allerhand andern Früchten. Erato fragte hierbey: ob denn denen Deutschen eben so wol als den Egyptiern zu ihrem Opfer kein Ochse taugte /der ein weiß oder schwarz Haar hätte? und woher das käme / weil sie schwerlich wie diese es wegen des Tiphons thäten / der roth gewesen seyn soll? denn weil sie wüste: daß auch die Römer dem Hunds-Sterne einem rothen Hund / die Juden eine Feuerrothe Kuh nicht allein opferten / sondern sie auch in einem zweyfach roth-gefärbten Tuche verbrenneten / müste die rothe Farbe wol auf was sonderliches zielen? zumal ja sonst die rothen Haare für die unvollkommensten / und welche am geschwindesten grauen / gehalten / und die roth-härichten Leute von den Egyptiern verlachet werden. Jedoch wüste sie nicht zu begreifen / warumb GOtt mit der rothen Farbe versöhnet werden könte / welche das Geblüte entzündete / und daher die Ochsen und Numidischen Hüner zu Zorne bewegte. Die Priesterin sagte: die Einfältigen meynen: man opfere rothe Ochsen nur darumb / weil die rothe Farbe dem Rindvieh am gemeinsten ist; allein wir halten die rothe Farbe nicht unbillicher für die schönste und vollkommenste / als die weisse für die erste und reineste; also weil GOtt das beste gehöret / diese zwey für die geschickste zum Gottesdienste. Denn unsere Lehrmeisterin die Natur zeiget uns ja selbst: daß die vollko ensten Sternen / Blumen / Gewächse / ja der Wagen unserer Seele das Blut selbst roth sey. Unter diesem Gespräche gieng der Ochse drabende und mit grossem Brüllen dem Altare zu / welches /weil die Ochsen nach der Weide / die Kühe nach den Kälbern blecken / für gar gut / und dahin ausgelegt ward: daß den Ochsen selbst nach der Aufopferung verlangte. Erato wunderte sich hierüber / und meldete: wo es wahr wäre: daß jemals eine Kuh / welche nach den Stutten die geilesten Thiere seyn sollen / eines brüllenden Ochsen liebreitzendes Brüllen dreißig Stadien weit gehöret habe / würde auch dieser mit seinem Sterbe-Liede so weit gehöret werden müssen. Alleine dis verstünde sie nicht / warumb dieses Ochsen Hörner nicht nur mit So er- sondern auch mit Frühling- und Herbst-Gewächsen gezieret würden? die Priesterin antwortete: weil dieses Thier ein rechtes Horn des Uberflusses / und daher auch das vollkommenste Opfer ist. Dahero / ob schon auch andere Völcker der Sonnen Pferde / dem Krieges-Gotte Wölffe / dem Priapus Esel / der Diana Hirschen / der Ceres Schweine / der Hecate Hunde / dem Esculapius einen Hahn opfern / so ist doch ein Ochse allen euern Göttern angenehm; und eurem Jupiter taug kein ander Thier / als der Ochse zum Opfer. Es ist wahr / sagte Erato; und die Smyrner schlachten ihrem Bubrastis auch nur Ochsen. Die Egyptier verehren zu Heliopolis in gestalt des güldenen Ochsen Mnevis den Osiris oder die Sonne / des Apis den Monden. Sie bildeten auch die Isis mit Ochsen-Hörnern / weil Mercurius ihr einen Helm von einem Ochsen-Kopfe aufgesetzt / und bey den Griechen die Jo / bey den Phöniciern die Göttin Astarte gleichfals einen Ochsen-Kopf zum Wapen ihres Reiches erkieset / und solchen auf ihrem Haupte durch die gantze Welt getragen haben soll. Dahero bey den Egyptiern auch die Ochsen / nicht aber die Küh / die gemeinsten und grösten Opfer sind. Die Priesterin versetzte: Alles dis rühret ohne Zweiffel von der grossen Nutzbarkeit des Rindviehes her. Deñ dieses ist der fürnehmste Werckzeug des nie genung gerühmtẽ Ackerbaues / umb dessen Erfindung Ceres /Triptolemus / Osiris / Buzyges / Bacchus / Abides der Terteßier König streiten; wir Deutschen aber die Spannung der Ochsen für den Pflug unserm Man als dem ersten Ackermanne zuschreiben. Daher auch in Deutschland sich Königinnen nicht geschämet haben /[200] Ackers-Leute von der Pflug-Schaare zu holen und zu heyrathen; und der Ackerbau ist bey uns eine anständige Beschäfftigung des Adels / welcher sich doch mit der sonst so nützlichen Handlung zu beflecken vermeinet. Ohne die Ochsen aber würden die Edlen selbst ihre Hände an dem Grabscheite roh reiben /und jedermann mehr Eicheln als Brodt / und dis gleichwol nicht unbeschwitzet essen müssen. Diesemnach denn für Zeiten / fürnemlich zu Athen und bey den Phrygiern es kein geringer Verbrechen war einen ackernden Ochsen / als einen Bürger zu tödten. Erato fiel ein: Aus diesem Absehen enthalten sich so wol die meisten Indianer und Africaner / als für Zeiten Pythagoras von Rindviehe zu essen; ja die Phönicier und Egyptier werden ehe mit Menschen / als Rindfleische ihren Hunger stillen. Die Priesterin sagte: Am Anfange der Welt hätte man sich alles Fleisches enthalten; nach dem man aber erst in der eisernen Zeit bey Erlegung der wilden und schädlichen Thiere Fleisch zu essen angefangen; wäre die menschliche Grausamkeit vollends auch den zahmen und nützlichen Thieren an Haut und Haare kommen; und hätte man nunmehro kein Bedencken die uns kleidenden Schafe / den uns bewachenden Hahn / und die uns säugenden Ziegen /und den ackernden Ochsen zu verzehren / dessen Arbeitsamkeit das Pferd seinen Haber und Gerste / der Hund seinen Unterhalt / die Vogel ihre Körner / der Mensch seine Speise zu dancken hätte / und dessen man weniger als der nie auf die Schlachtbanck kommenden Elephanten / Kamele und Pferde entbehren könte. Sintemal der Ochse fast aller andern Thiere Ampt vertreten muß; wie denn ehe von den Phöniciern die Rollwagen mit den eisernen Zancken / von Arabern die Waltzen / von andern die Flegel erfunden wurden / muste das Rindvieh auch die Körner aus den Eeren treten. Erato meldete: daß dis noch in Asien und bey den Scythen geschehe; welche ihre bewegliche Häuser auch von Ochsen fortziehen liessen. Ja Cybelen / welche nebst dem Bacchus die Ochsen zum ersten für die Wagen gespannt hätte / wäre es mit Ochsen in Rom einzufahren nicht verschmählich gewest. In Indien aber dienten sie gar zur Reiterey an statt der Pferde / und wäre die Ochsen-Post daselbst nicht nur die gemeinste / sondern auch die geschwindeste; Wie denn auch nicht nur des Bacchus Schoß-Kind Ampelus / sondern auch Hercules auf einem Ochsen geritten hätte. Die Priesterin fiel ein: Bey uns Deutschen sind die Ochsen zwar nicht so geschwinde / aber im Ziehen thun sie es in zähen Aeckern am Pfluge / und auf abschüssigen Bergen an Wagen den Pferden zuvor. Von der Küh-Milch / daraus wir Käse / und zeitlicher als die Griechen Butter gemacht haben / schöpfen wir unsere halbe Nahrung / ihr Fleisch ist schon auf Agamemnons und Nestors Taffel eine niedliche Speise gewest ihre Hörner dienen uns so wol zum Kriegs- und Freuden-Gethöne / als zu Trinck-Geschirren; mit ihrem Miste und Huf tinget man die magern Aecker und Weinberge / ihre Häute kleiden uns; und es ist eben so wenig am Rindvieh als an den Schafen etwas / was nicht seinen absondern Nutzen hat. Diesemnach sich nicht zu verwundern ist: daß für Zeiten Neleus nach des Iphiclus Ochsen so lüstern gewest; daß Euristheus dem Hercules aufgelegt hat des Geryons Ochsen aus Hispanien zu entführen / und daß Eryx sein Reich gegen des Hercules Ochsen zum Preiße des Kampfs aufgesetzt / und Iphidamas seinem Eydame hundert Ochsen zum Braut-Schatze mitgegeben habe. Massen denn auch in den Jüdischen Gesätzen ein Dieb gestohlene Sachen nur zweyfach / ein entwendetes Schaf vierfach / ein Rind aber fünffach wieder zu geben verdammet; in der Egyptischen Bilderschrifft aber Ochsen der Erde und der Speise Sinnenbild ist. Westwegen auch in den Träumen des Apis und Archelaus die fetten[201] Kühe reiche / die magern Kühe und Ochsen / welche die Eeren fressen /hungrige Jahre viel deutlicher / als die neun von dem Drachen der Zeit gefressenen Sperlinge so viel Jahre der Trojanischen Belägerung und die zwölf gegen dem Romulus auffliegende Geyer so viel hundert Jahre des Römischen Glückes und Wachsthums bedeutet haben. Dahero sich so viel weniger zu verwundern: daß man vermittelst eines solchen Thieres / mit dem gleichsam unser Wol- und Ubelstand verknüpft ist / GOtt zu versöhnen / und Menschen zu verbinden gewohnet ist. Massen denn die beleidigten Scythen sich auf einen gebratenen Ochsen setzen / und die vorübergehenden durch Austheilung eines davon geschnittenen Stücke Fleisches zu ihrer Hülffe und Rache als durch einen Eydschwur gleichsam unabschläglich verbinden / und wie die Römer mit einer geschlachteten Sau ihre Frieden bestetigen / also bey den Molossen unter Beschwerung der Bindnüsse ein Ochse in kleine Stücke zerhacket; gleich als wenn kein heiliger Zeuge als dis Thier darzu gezogen werden könte. Erato lobte diese Gewohnheit und versicherte: daß wie Agamemnon sein dem Achilles gethanes Versprechen darmit versichert hätte: daß er mit blutigem Degen zwischen einem zum Opfer zerhauenen Ochsen durchgegangen wäre / also auch die Juden mit ihren neuen Bunds-Genossen bey Bestetigung ihres Bundes zwischen einem zertheilten Ochsen / die Böotier und Macedonier aber bey Musterung ihrer Heere zwischen einem zerstückten Hunde durchzugehen pflegten. Auf diese Weise hätte Diomedes und Ulysses den mit dem Antenor gemachten Vertrag befestigt / Chalcas das Griechische Heer zwischen einem zerhauenen Schweine / Xerxes das Persische zwischen dem zerfleischten Sohne des Pytheus durchgeführt / und jener es von der Pest / dieser vom Ausreissen befreyet. Zwischen diesem Gespräche kam dieser starcke Ochse für das Altar / so bald ihn nun die hohe Priesterin Thußnelde mit dem Wasser aus dem fürnehmsten Brunnen besprengte / fiel er mit den Vörder-Füssen auf die Knie nieder / gleich als wenn er in ihr oder in diesem Wasser eine Göttliche Krafft verspürte / und sich selbst willig zur Abschlachtung darstellte. Thußnelde legte ihm hierauf die Hand auf den Kopf / und sagte darzu: dein Kopf trage unsere Missethaten / dein Blut wasche unsere Seelen-Flecken ab / dein Fleisch gebe GOtt einen süssen Geruch ab; unsere Andacht aber vermische sich mit der Flamme /und opfere GOtt mehr unsere Hertzen / als das Feuer dieses Rind. Sie hatte kaum diese Worte ausgeredet /als eine junge Priesterin mit einem grossen Messer in einem Augenblicke dem Ochsen durch einen Streich die Gurgel und den halben Hals abschnitt / etliche andere aber in irrdene Gefäße das Blut auffiengen / andere inzwischen auf das Altar einen grossen Holtzstoß legten. Thußnelde tauchte sieben mal in das Blut ihren rechten Spieß-Finger / bestrich darmit die Ecken des Altares / hernach goß sie sieben Schalen in den Fuß des Altares / und sieben in die Brunnen. Als Erato dis gewahr ward / fieng sie an: Ich sehe wol: daß die siebende Zahl in Deutschland so heilig / als in Italien / Griechenland und Asien sey; allwo man diese Zahl / wie auch den siebenden Tag dem Apollo gewiedmet hat. Wie denn auch des Apollo Leyer eben so wol / als die Pfeiffe des Pan sieben Röhre gehabt haben soll; gleich als wenn der Lauf der Sterne / und die Verbindung der gantzen Natur in dieser Zahl bestünde. Ich weiß auch: daß die Egyptier die Wochen in sieben Tage getheilet / sie denen sieben Irrsternen zugeeignet haben; daß sie für jedem grossen Feyer sich sieben Tage aller Thiere enthalten; daß sie in ihrer Reinigung bey Verehrung der Isis das Haupt sieben mal ins Meer-Wasser eintauchen / im Feyer des Osiris eine Kuh sieben mal umb den Tempel führen /und vom Osiris erzehlen: daß sein gefundener Leib sieben Ellen[202] lang gewesen sein solle. Bey den Inden habe ich gleichfals angemerckt: daß den siebenden Tag und das siebende Jahr Menschẽ und Vieh von aller Arbeit ruhen; daß sie ihr Altar sieben mal mit Oel / und mit Blute ansprengen; daß sie ihre Priester in sieben Tagen einweihen / daß die einen Knaben gebährenden Weiber / und welche einen Todten anrühren / wie auch die Aussätzig- gewesenen / sieben Tage für unrein gehalten / und bey ihrer Reinigung sieben mal abgewaschen / von ihnen insgemein sieben Ochsen / sieben Widder / Lämmer und Ziegen geopfert / die für unrein gehaltene Erde / und die entweihten Altäre sieben mal versöhnet werden / sieben Priester den grösten Gottesdienst verrichten / sieben mal des Tages beten / die Weiber sich sieben Tage reinigen / daß der Juden Leibeigene das siebende Jahr frey lassen. Nicht weniger ist mir verborgen: daß Pythagoras die siebende Zahl der Pallas und Jungfrauschafft zugeeignet habe / weil sie weder in zwey Zahlen getheilet / noch aus ihrer Verdoppelung eine Zahl gemacht werden kan / unter der zehnden / welche das erste Ende aller Ziffern und Zahlen ist. Die Brachmannen tragen sieben Ringe / die Griechen und Armenier verehrten die siebende Zahl als ein grosses Geheimnüs / jene haben sieben Lautbuchstaben /geben für dem siebenden Tage keinem Kinde den Nahmen / sie erkieseten zu Zerstörung der Stadt Thebe sieben Heerführer / man zehlet sieben Weise und so viel Wunderwercke der Welt / das sieben-bergichte Rom feyerte alle Jahr das Fest der sieben Berge. Daselbst hält man in der grossen Rennebahn sieben Rennen / und nicht nur zu Rom / sondern fast in der ganzen Welt würde beym Gottesdienste stets auf die siebende Zahl gesehen. Daher dieses nicht so wol aus einer zufälligen Ubereinstimmung der Völcker / als aus der Natur / oder von GOtt selbst herrühren müste. Die Priesterin bestätigte dis letztere / und sagte: die Einigkeit wäre die Wurtzel aller Zahlen /weder gleiche noch ungleich / männlich und weiblich; ihr selbst eigener Anfang und Ende / und die Vollkommenheit selbst; welche zwar nicht zehlbar ist / in sich aber unermäßliche Zahlen begreiffet / und aus sich gebieret. Denn GOtt wäre eines / und ausser aller Zahl. Unter den Zahlen aber wäre die siebende ihrem eigenen Wesen nach die vollkommenste; weil sie aus sieben Einessen / oder aus einer Eines und einer Sechs zusammen gesetzt / welche letztere alleine zugleich halbiret und gedrittelt werden kan. Die siebende Zahl begreift in sich die erste Zahl die zwey / welche des aus der Göttlichen Einigkeit hergeflossenen edelsten Geschöpfes / nemlich des aus Seel und Leibe bestehenden Menschens Bild ist / und die Fünfe /unter welcher Zahl der höchste GOtt sein aus ihm gezeugtes Ebenbild / die Seele der Welt aller andern Seelen Ursprung / die hi lischen und endlich die irrdischen Dinge begriffen sind: Endlich bestehet die siebende Zahl aus einer drey und viere / derer jene ungleiche der Zahlen Mann und Vater / diese gleiche das Weib und die Mutter der Zahlen ist. Jene ist das erste ungleiche / diese das erste gleiche Maaß / nemlich ein drey- und viereck abbildet. Alle Flächen müssen zum minsten drey / alle gantze Cörper zum wenigsten vier Ecken haben. Alle diese haben drey Mäß-Ruthen /nemlich die Länge / die Breite und Tieffe / und haben in sich viererley Ende / nemlich den Punct / den Strich / die Auswendigkeit / und die Dichtigkeit. Uberdis ist das Drey-Eck ein unerschöpfliches Geheimnüs; sintemal es drey Einigkeiten unzertrennlich mit einander verbindet: daß sie nicht halbiret werden können; Und gleichwol bleibet das Drey-Eck eine solche Einigkeit: daß / man schneide gleich von selbtem weg / was man wolle / so bleibt doch ein Drey-Eck übrig. Dahero so wohl das Drey-Eck als die gedritte Zahl / ein geheimes Mahlwerck GOttes und der Ewigkeit ist. Die Viere aber ist die erste theilbare Zahl / durch welche GOtt / der[203] alles aus nichts erschaffen / die gantze Natur und die widrigsten Dinge / nemlich Erde / Lufft / Feuer / Wasser / welche aber nur zwischen sich drey Räume und Entfernungen machen / durch eine wunderwürdige Mäßigung ihrer Eigenschafften mit einander verknüpft hat. Ja Pythagoras hat die vierdte Zahl auch für ein geheimes Bild / und für die Vollkommenheit unser Seele gehalten / also bey demselben jedesmals geschworen / der unser Seele die vierdte Zahl zueignete. Wiewol die Seele auch ein aus dem Verstande / aus dem Muth oder der Hertzhaftigkeit und der Begierligkeit bestehendes Drey-Eck ist. Diesemnach die siebende Zahl der Knoten oder das Band aller Dinge / und die Fülle aller Vollkommenheiten gerühmet wird; also die Natur als eine weise Mutter nicht ungefehr / sondern aus gutem Wolbedacht so vielmal mit dieser Zahl beschäfftiget ist. Der Seele der Welt Ursprung soll in sieben Enden begrieffen seyn; so wol das gestirnte Kreutz als die Sieben-Gestirne bestehet an sieben Sternen; und der sieben irrenden Sternen Lauf ist die Richtschnur der gantzen Welt. Der Monde durchlaufft in viermal sieben Tagen / welche Zahl aus eines / zwey / drey / vier / fünf /sechs / sieben zusammen getragen ist / den gantzen gestirnten Thier-Kreiß. In den ersten sieben Tagen macht sein neues Licht sich zu einer Sichel / und laufft aus Mitternacht von dem Striche des Steinbocks bis ans Mittel der Sonnenbahn und des Hi els / in den andern siebenen zu einer Kugel / und rennt bis an den Krebs und das euserste Mittags-Ziel; In den dritten vermindert er sich zu einem halben Kreiße / und wendet sich wieder bis an den mittelsten Sonnen-Zirckel; in den letzten siebenen verschwindet es gar / und gedeyet damit wieder in sein euserstes Nord Ziel. Und in dieser Frist der acht und zwantzig Tage leidet der Monde siebenerley Veränderungen / kriegt auch so vielerley Gestalten. Nach welcher Richtschnur denn auch die Katzen als Monden-Thiere sieben mal gebähren / und zwar das erste mal sieben / das andere sechs / das dritte fünf / das vierdte vier / das fünfte drey / das sechste zwey / und das siebende mal ein junges / und also so viel Kätzlein / als der Monde Tage hat / gebähren sollen. Nichts minder bindet sich das Hertze der Welt die Sonne an diese Zahl. Denn nach dem kürtzten Tage hält sie im Anfange des siebenden Monden den Zügel an / und kehret nach ihrem Stillestande zurücke. Nach dem längsten Tage bleibt sie im Anfange des siebenden Monden wieder stehen; und in gleicher Frist macht sie zweymal des Jahres Tag und Nacht gleiche. Die Erde nähret in sich siebenerley Ertzt / die Mahlerey sieben Farben / die gelehrte Welt sieben freye Künste / und die Singe-Kunst sieben Gethöne. Das grosse unbändige Meer hält gleichfals diese Zahl zu seinem Zaume / in dem es in sieben Tagen unterschiedener Beschaffenheit des Monden durch Regung des in seinem Saltze steckenden Feuers / als einer zur Bewegung geneigten Seele wächset / und abni t; Und auf selbtem brüten die Eißvogel im Winter auch sieben Tage. Insonderheit aber hat die kleine Welt der Mensch mit dieser Zahl eine vielfache Verwandschafft / und füraus seine Zeugung. Sintemal der sieben Stunden in der Mutter bleibende Saamen sich befestiget: daß er gar bleibt. Im siebenden Tage wird er mit einem dünnen Häutlein überzogen. Ja alle sieben Tage kriegt die Frucht eine merckliche Verbesserung / und im siebenden Monat ihre Vollkommenheit; also daß sie von kräftigen Müttern auch in dieser Zeit ans Tagelicht gebohren wird. Nach der Geburt fällt den Kindern im siebenden Tage die Nabelschnure ab; nach zweymal sieben Tagen sehen sie ins Tagelicht / nach siebenmal sieben Tagen wenden sie die Augen auf alles sichtbare. Nach sieben Monaten wachsen ihnen die ersten Zähne / nach[204] zweymal sieben Monaten sitzen sie beständig / nach dreymal siebenen reden / und nach viermal siebenen gehen sie sicher / nach fünfmal siebenen eckelt ihnen für der Mutter-Milch. Im siebenden Jahre fallen den Kindern die Zähne aus; im vierzehenden Jahre reget sich die Zeugungs- und Geburts-Krafft / im dreymal siebenden hat der Mensch ausgewachsen / und die Männer werden bärticht. Im viermal siebenden Jahre kriegen sie ihre völlige Kräfften des Leibes / in denen sieben folgenden des Gemüthes / in dem siebenmal siebenden geht das gesetzte Alter an / und stehet der Mensch gleichsam sieben Jahre stille / im achtmal siebenden aber fängt er an unvermerckt / im neunmal siebenden mercklich abzunehmen / das zehnmal siebende Jahr aber ist das Ende des menschlichen Lebens. Uberdis wächst der Mensch ordentlich sieben Füsse hoch. Er hat sieben edle Glieder / nemlich die Zunge / das Hertze / die Lunge / die Leber / den Miltz und zwey Nieren; und sieben andere der Speise dienende / nemlich die Gurgel / den Magen / der Bauch /die Blase / und drey vornehme Därme / ferner sieben seine Grösse ausmachende Theile / nemlich Beine /Marck / Blut-Puls-Spann-Adern / Fleisch und Haut; und seiner euserlichen Stücke sind ebenfals sieben /der Kopf / die Brust / zwey Hände / zwey Füsse und die Scham; ja jeder Arm und Bein bestehet aus sieben Theilen; und in dem Kopfe sind zwey Nasen- / zwey Ohren- / zwey Augen-Löcher / und das siebende ist der Mund; der Leib aber hat auch eben so viel Bewegungen / nemlich Wachsthum / Abnehmen / Erhöh-Erniedrigung / Wendung auf die rechte und auf die linke Seite / und endlich die Herumbdrehung. Endlich ist sein gantzes Wesen aus sieben Dingen zusammen verbunden / der Leib aus vier Elementen / die Seele aus Verstande / Gedächtnüsse und dem Willen. Diesemnach keines Verwunderns darf: daß alle Völcker diese vollkommenste Zahl für ein Geheimnüs und Heiligthum halten / auch im Gottesdienste solche für alles und jedes / was wir unserm Schöpfer schuldig sind / angewehren. Unter diesem Gespräche hatten die Opfer-Mägde den Ochsen aufgehauen / und das Gedärme daraus genommen; die Priesterinnen aber selbten unzerstückt auf den Holtzstoß geschoben. Hierauf verfügte sich die hohe Priesterin Thußnelde selbst in eine zwischen denen dreyen Brunnen gelegene Höle /und brachte in einer Ampel Feuer heraus / darmit sie den Holtzstoß auf dem Altare anzündete. Erato fragte hierüber: was dis für ein heiliges Feuer wäre? ob es vielleicht vom Himmel gefallen / wie das / welches bey den Juden so viel mal die Opfer angezündet hätte; und welches sie hernach so viel lange Jahre / bis sie nach Babylon gefänglich weggeführet / behalten /auch mitler Zeit in einem Brunnen verborgen hätten /und noch zu Anzündung ihrer Opfer brauchten? die Priesterin antwortete: Ihr Feuer wäre zwar nicht vom Himmel gefallen / sondern ein unterirrdisches / welches in einem Feuer-Brunnen angezündet / und mehr als tausend Jahr daselbst aufgehoben worden; jedoch /wie alle unterirrdische Feuer dem himmlischen zu vergleichen; sein Ursprung auch viel gewisser wäre / als welches irgendswo vom Himmel gefallen seyn solte. Erato versetzte: Sie tadelte das unterirrdische Feuer nicht; aber an dem wäre gleichfals nicht zu zweifeln: daß das Hi lische der Juden und anderer Opfer angezündet hätte. Die Persen und Brachmannen betheuerten: daß es auch bey ihnen geschehen; dahero diese es so wol / als die Vestalischen Jungfrauen zu Rom / wie auch die Frauen zu Delphis und Athen / sorgfältigst unterhielten / jene aber / als die Seele aller Dinge /und die Scythen als den Ursprung der Welt anbeteten. Dem Perseus wäre gleichfals in Persien / dem Selevcus in Macedonien auf seinem väterlichen Altare /und zu Rom des Cicero Ehfrau von sich selbst angezündet worden. Nicht[205] anders fienge auch in Sicilien auf dem Vulcanischen Hügel das Reben-Holtz / und in der Salentinischen Stadt Egnatia / bey den Lydiern in der Stadt Cäsarea und Hypapis das Opfer von sich selbst anzubrennen. Emylia hätte durch das von sich selbst wieder anglimmende Feuer ihre Unschuld bewehret: daß sie es nicht aus Nachlässigkeit verleschen lassen / und zu dem Ende hätte Numa dem anzündenden Jupiter ein Altar gebauet. Die Priesterin fiel ein: Sie wolte den Göttlichen Einfluß in anderer Völcker aus Andacht gelieferte Opfer nicht widersprechen; aber das dieses Rind mit Haut und Haar verzehrende Feuer würde dem Ihrigen auch ein unfehlbares Zeugnüß geben: daß ihr Opfer dem einigen Gotte einen süssen Geruch abgeben müste; weil dieser Brand keinen Gestanck erregte / ungeachtet nichts wohlrüchendes darein kommen wäre; und auch im heissesten Sommer auf das Opfer-Fleisch keine Fliege oder Mücke sässe. Die Königin Erato begegnete ihr: Es wäre dieses wohl merckwürdig; iedoch geschehe beydes auch in dem Jüdischen Tempel. Die Einwohner der Stadt Accaron hingegen verehrten in Gestalt einer Fliege den Gott Baalzebahim / die Arcadier den Miagrus / die zu Cyrene den Achor / daß nur ihre Opfer von Fliegen unbeschmeisset blieben. Hercules hätte zu Olympia deshalben selbst dem Fliegen vertreibenden Jupiter einen Ochsen geschlachtet / und daher käme zu Rom in des Hercules Heiligthum noch weder Fliege noch Hund. Und die Egyptier / welche wegen ihrer aus dem Schlamme des Nilus hervor kommender unzehlbarer Fliegen das gröste Ubel mit einer Fliege abbilden; mahlen auf Veranlassung einer Göttlichen Wahrsagung an alle ihre Tempel und Spitz-Säulen eine Fliege zu Vertreibung dieses Geschmeisses. Die Trachinier aber ruffen den Hercules umb Ausrottung der Heuschrecken / die Erythreer umb Vertilgung der Regen-Würmer / die Griechen den Smintheischen Apollo umb Verjagung der Mäuse an. Und die von diesen Thieren geplagten Phönicier hätten für Zeiten ihren Göttern güldene Mäuse / wie die in Freyheit gediegenen Leibeigenen und Knechte den Haus-Göttern eine Kette / die aus dem Schiffbruch entronnenen der Isis oder dem Neptun eine Taffel / die Fechter dem Hercules ihre Waffen gewiedmet. Hierüber verbrennte dieser Ochse geschwinder / als sich iemand frembdes hätte einbilden können / und kein Mensch ward des wenigen übeln Geruchs gewahr / ungeachtet keine wolrüchende Sachen ins Feuer kommen waren / wormit sonst die Lüffte gereiniget / und die heiligen Oerter ihre Götter zu bewirthen geschickt gemacht werden. Thußnelde lag inzwischen mit ausgebreiteten Armen betende auf der Erden / und versteckte gleich sam ihr Antlitz in die von dem Altare fallende Opfer-Asche. Als sie sich aber aufrichtete / stunden ihr die Andachts-Zehren noch auf den Wangen / und ihr feuriger Eiver Gott zu dienen sahe ihr aus den lebhaften Augen. Daher auch Erato anfieng: Warlich diese Fürstin ist zugleich eine demütige und hertzhafte Beterin; und ziehe ich diese ihre Bezeugungen weit den Egyptischen für / welche aus vermeynter Demuth dreymal die Finsternüß anruffen / ehe sie den verborgenen Gott anbethen / und aus Eiver sich im Beten in Götter verwandelt zu werden sich einbilden / also ihren Göttern altes Ubel andräuen / die Serer aber ihre Götzen gar geisseln / da sie ihnen nicht helfen würden. Nach vollbrachtem Sommer-Opfer ergrieffen etliche dem Herbste gewiedmete Frauen den großbärthichten der Heerde Ziegen hochmüthig-vorgehenden und gleichsam seine männliche Ober-Herrschafft übenden Bock; bekräntzten seine Hörner mit Trauben / Obste und Herbst-Blumen; streichelten ihn bey dem Barte / und leiteten selbten für das dritte Altar. Die Königin Erato lächelte hierüber / und fieng an: Dieser Bock hat einen so[206] ansehnlichen Gang: daß ich mich nun nicht mehr wundere / warumb die Morgenländer den grossen Alexander / und Cybele ihren geliebten Knaben Atys oder Athud einen Ziegen-Bock geheissen habe. Ich sehe ihn auch für so starck an: daß er besser / als die langöhrichten Wald-Ziegen in Egypten und Arabien / wie auch auff den Circensischen Spielen zu Rom den Knaben zum reiten dienen / auch Zügel und Zaum ihm besser anstehen / er sonder Zweifel auch gegen Feind so behertzt / als jener Sibarinische Bock gegen den unzüchtigen Hirten Crathin aus gerechter Eiversucht Rache ausüben würde. Diese Priesterinnen aber thun diesem Bock so schön und schöner als die geilen Weiber der Stadt Mendes / wo sie an statt des heßlichen Priapus Ziegen und Böcke / wie an statt der Diana eine Katze und für den Anubis einen Hund anbeten / und mit ihnen Nothzucht treiben; weil in diesen dafür Abscheu habenden Thieren die Natur unschuldiger als im Menschen die Vernunfft ist. Wenn ich auch in Deutschland nicht schon was bessers gelernt hätte / dörffte ich leicht in den Irrthum fallen: daß sie diesen Bock wie die Cyrener und Thebaner an statt des Ammons und Jupiters / oder wie die Arcadier an statt des Pans verehrten. Allein was haben die Deutschen für ein Absehen: daß sie insonderheit zum Herbst-Opfer Ziegen oder Böcke brauchen? Geschicht es vielleicht ihnen zur Straffe / oder weil sie in Gärten und Weinbergen grössern Schaden thun / als das aufgehende Ziegen-Gestirne den Reben? Weswegen sie auch die Griechen dem Bacchus opfern. Die Priesterin antwortete: Andacht und Opfer solten mit Rache und Straffe keines weges vermählet seyn. Erato versetzte: Eine gerechte Rache aber ist Gott kein Greuel / zumal da er dem Menschen über alle Thiere eine Herrschafft eingeräumt hätte; also daß er sie nicht nur zu seinem Nutzen verbrauchen / sondern auch bestraffen kan. Dahero die Juden sich berechtiget halten / die stossenden Ochsen zu steinigen / die Römer jährlich eine Anzahl Hunde zwischen der Jugend und des Summanus Heiligthume zu creutzigen / weil sie bey Ersteigung des Capitols nie gebollen. Ja Draco hat in seinen Gesetzen so gar über die verwundenden Waffen Urthel und Recht zu hegen anbefohlen / in dem Düpolischen und Buphonischen Feyer werden die Schwerdter verda t / welche einen Ochsen umbgebracht / und die Thasier liessen des Fechters Theagenes Bild ins Meer werffen / weil er einen Menschen erschlagen hatte. Diesemnach auch die Egyptier glauben: daß nur die Thiere / welche der Menschen wandernde Seelen aufnehmen / keines weges aber die / welche zum opfern taugen / Gott angenehm sind. Aus welchem Absehen sie auch nur die für abscheulich gehaltenen rothen Ochsen opfern / und ihre verfluchten Köpfe in Nil werffen. Die Priesterin begegnete ihr: Unsre Gewalt über ein Thier rechtfertiget nicht unser Opfer / welches wir nur zum Werckzeuge und Wagen unsers Hertzens brauchen sollen / und welches wir Gott täglich zuzuschicken schuldig sind. Wie mag sich aber unser Hertz mit einem straffbaren Thiere gatten? oder wie kan Gott das Thier angenehm seyn / welches wir seines Verbrechens halber hassen / oder für einen Greuel halten / zumal der ein sündiger Geitzhals ist /wer nicht dem freygebigen Gotte das allerliebste liefert. Erato bekennete: daß die Priesterin recht / und der Deutschen Gottes-Dienst guten Grund hätte. Und schiene das von Gott den Juden gegebene Gesetze dahin zu zielen: daß sie bey Lebens-Straffe von den Thieren kein Unschlitt und Blut essen / sondem dieser Kern Gott geopfert werden solte. Die Priesterin fiel ein: Weil die Ziegen und Böcke bey uns auch unser die nützlichsten Thiere gerechnet werden / halten wir auch für unsere Schuldigkeit selbte nicht Gott vorzuenthalten. Denn über diß / daß ihr Fleisch guten[207] Geschmacks ist / halten es die Aertzte auch fürs gesündeste / weil es trocken und leichte zu verdeyen / dünnes Geblüte macht / auch die warmen und trockenen Leibes-Kräfften stärcket. Erato pflichtete ihr bey und meldete: daß diß Fleisch auch zu Rom und in Griechenland unter die Lecker-Bißlein gezehlet / ja von denen verwehnten Mäulern die trächtigen Ziegen lebendig aufgeschnitten / und mit dieser unzeitigen Frucht Milch und Blut begierig eingeschluckt würde. Die Priesterin versetzte: Diß wäre nicht nur eine verschwenderische Grausamkeit / da man den Ursprung des Lebens zum Grabe machte / sondern es wäre auch der Gesundheit abbrüchig; indem die säugenden Böcklein mehr milchicht sind / als durch kräfftiges Blut ein vollkommenes Fleisch bekommen. Erato pflichtete der Priesterin in beyden bey / meldende: daß hierauf sonder Zweifel das Jüdische und Arabische Gesetze sein Absehen hätte; krafft dessen sie keine saugende Ziege essen / oder selbte in der Milch ihrer Mutter kochẽ / also diß / was des Lebenden Nahrung gewest / zu des Todten Würtze verbrauchen dörfften. Bey eben diesen Völckern wäre auch eine Abscheu auf die Thiere unmenschlich zu wütten. Dahero sie auch in einem Tage nicht die Kuh und ihr Kalb / das Schaf und ihr La / die alte und junge Ziege schlachten / noch alle Vögel eines Nestes mit ihrer Mutter tödten dörfften. Zu Athen wäre es auch straffbar /einen lebenden Widder abziehen / Thiere mit glüenden Eisen tödten: daß sie mirbe Fleisch kriegten /Kranchen und andern Vogel besserer Mastung halber die Augen ausstechen / und den Säuen auf den Bauch springen: daß sie zur Unzeit ferckeln. Die Priesterin kam hierauf wieder in ihre Erzehlung / und rühmte die Ziegen-Milch als die gesündeste und nahrhafteste nach der Frauen-Milch / weil die Ziegen meist trocknende Kräuter und Blätter ässen. Nach ihr käme allererst die Esels- denn die zu fette Schaf- und endlich die Kuh-Milch; also daß wie der Ochse zum ackern / das Pferd zum reiten / der Hund zum wachen / das Schaf zur Kleidung / also die Ziege der Milch halber geschaffen zu seyn schiene. Erato fiel ihr bey / und sagte: daß die Amaltheische Ziege ihrer guten und mit Honig vermischten Milch halber / damit Jupiter auf Creta / wie Esculapius mit Hunds-Milch soll ernähret worden seyn / unter die Gestirne kommen wäre; ihrer viel in Morgenland pflegten auch deswegen nach eingesa leten Früchten mit Ziegen-Milch ihre Bäume /Aecker und Wiesen anzufeuchten: daß sie folgendes Jahr desto fruchtbarer seyn mögen. Uber diese Milch aber schafftẽ in Sudländern die Ziegẽ und Böcke noch einen andern grossen Nutzen. Denn weil sie in Phrygien / Cilicien / Lycien und Africa sehr lange Haare hätten / ja in Morgenland wenig von den menschlichen zu unterscheiden wären / würcken die Araber nicht nur ihre Hüten / die Armenier Zeuge und Kleider / die Assyrier Tapeten / welche denen seidenen wenig nachgäben / daraus / sondern die Jüdischen Weiber näheten und stickten damit / ja das Frauenzimmer trüge sie auf ihrem Haupte wie krause Haarlocken. Die Frau von Buren fügte bey: daß die Ziegen auch den Menschẽ durch Zeigung unterschiedener heilsamer Kräuter genutzt hätten / und noch jährlich ihnen durch Anschauung der Sonne nicht so wohl den Aufgang des Hundssternes andeutete / als die Menschen anwiese ihr Auge allezeit gegen der unerschaffenẽ Sonne zu wendẽ. Unter diesem Gespräche stand der zum Opfer besti te Bock / so lange die auf dem Rückẽ liegende und die Augen starr gegen den Hi el haltende Priesterin betete / als ein La stehen. Hierauf stand sie auf / legte dem Bock ein blut-rothes Tuch auf den Kopf / band selbtes an / und sprach; Alle unsere Missethaten kommen auf deinen Kopf /und unser Unglücke breche mit dir den Hals. Als sie ihn nun gegen Mitternacht wendete / lief er aus allen Kräfften den Hügeln zu. Erato fieng an:[208] Ich finde mit gröster Verwunderung allhier der Juden / Araber und Egyptier Opfers-Art / welche ihren eben so verfluchten Bock Azazel einem bösen Geiste (wo anders dieses Wort nicht den Nahmen eines Berges / oder des verbannten Bockes selbst bedeutet) zu senden; nachdem sie ihm mit einer roth-tuchenen Zunge / welche sie auch an die Pfosten der Tempel hingen / und wenn sie weißlicht ward / ihre Sünden getilgt zu seyn gläubten / alles Ubel auf den Kopf gelegt haben. Westwegen die Egyptier auch von einigen Thieres Kopfe zu essen für ärgsten Greuel achten. Die Priesterin versetzte: Es könte wohl seyn: daß zwischen anderer Völcker und der Deutschen Opfer-Bocke sich einige Gleichheit ereignete; sie hätte sich auch unterrichten lassen: daß die Römer nicht nur die wohlthätigen /sondern auch die Böses zurück ziehenden Götter /worunter sie den Mercur / Apollo und Hercules rechneten / anzubeten pflegten; daß die Griechen den guten Jupiter / und den Schaden abwendenden Pluto /die Chaldeer die gütigen und schädlichen Irr-Sterne /die Egyptier den geneigten Osiris / und den bösen Typhon / die Persier den gläntzenden Oromazes / und den schwartzẽ Areimanius verehrten; alleine sie könte sich kaum bereden lassen: daß Leute / welche einen Funcken vom Lichte gesunder Vernunfft in sich hätten / der Finsternüß dienen / und eine fromme Seele einem bösen Geiste opfern solte. Dahero sie denn diesen Bericht allezeit als einen Mißverstand des Jüdischen Gottes-Dienstes und für eine irrige Auslegung des Pöfels gehalten hätte. Erato fiel ein: Ich wil niemanden einer so abscheulichen Abgötterey verdammen / und werden freylich wohl in Geheimnüssen Hülsen für Kern verkaufft. Ich erinnere mich auch: daß die Egyptier in einem gewissen Feyer den Typhon aufs ärgste schimpfen / und den ihm an der Farbe ähnlichen Esel für ein unreines und teuffelisches Thier halten. Ich werde auch ein anders zu muthmassen daher veranlasset: daß die Jonier den güldenen und ins gemein heilig genennten Meer-Fisch den Meer-Göttern / die Milesier einen Ochsen dem Jupiter / die Brachmaner allerhand gefangene Vögel durch Freylassung ihren Göttern zu wiedmen / die Indianer durch Einsalbung und Bekräntzung der Elephanten Gott zu verehren meynen; und als Epimenides Athen von der Pest befreyen wolte / ließ er eine Menge schwartze und weisse Schafe auf den Richt-Platz treiben / und hernach hingehen / wo sie hin wolten. Bey den Juden opfern auch die vom Aussatze gereinigten einen lebendigen Vogel / den andern aber tauchen sie in des geschlachteten Blut und in flüssendes Wasser /lassen ihn aber hernach in die freye Lufft flügen. Endlich pflegen auch die Griechen Kranckheiten und alles böse zu den Wald-Ziegẽ zu verbannen. Alleine / weil ich von der hohen Priesterin einen Fluch gehöret habe: daß dieser Bock mit allem Ubel den Hals brechen soll / verleitet mich mein Vorwitz zu fragen: Ob diesem Bocke iemand einiges Leid anthue; wie bey den Juden / da ein Mann den Bock Azazel in die Arabische Wüsten begleitet / und nachdem er ein Theil seiner an die Hörner gebundenen rothen Zunge an Fels feste gemacht / ihn in Abgrund herab stürtzt; wiewohl einige auch diese Zerschmetterung dem Winde zueignen. Die Priesterin antwortete: Ihrem Bocke dörffte als einem schon in die Freyheit gelassenen und Gott gewiedmeten Thiere kein Mensch bey Lebens-Straffe nichts in Weg legen / wiewohl noch niemand wäre gefunden worden / der sich rühmen könte: daß er einen solchen Bock iemals wieder zu Gesichte bekommen hätte.

So bald dieser Bock aus dem Gesichte kam / faßten sich etliche zur ewigen Jungfrauschafft verlobte Priesterinnen mit dem grösten und schwärtzesten Bären /kräntzten selbten mit Epheu und andern Herbst-Blumen. Erato[209] lächelte und sagte: Ich sehe wohl / die deutschen Priesterinnen zieren ihre Bären eben so /wie Bacchus seine in Panter-Thiere verwandelte Ammen geputzt hat. Alleine was haben diese sanftmüthige und schneeweisse Jungfrauen mit diesem grausamen und schwartzen Thiere für Gemeinschafft? Ismene antwortete: Unser Nordliches Deutschland hat so wenig an weissen Bären / als weissen Raben Mangel / und würde solche hier zu sehen kein solch Wunderwerck seyn / als da zur Zeit des Königs Arcesilaus sich ein weisser Rabe schauen ließ. Alleine man hält in Deutschland die schwartze Farbe so wenig als in Africa für unwerth / sonderlich die / welche die Raben-Farbe / die Gagaten und der schwartze Sammet gläntzend ist. Westwegen nicht nur die Laodiceischen Schafe / und ihre kohlschwartze aber weiche Wolle denen Milesischen mit ihren schneeweissen Fellen fürgezogen werden / sondern die schwartze Augen und Raben-Haare sind auch eine grosse Zierde des Frauenzimmers; dahero sie auch ihre Haare mit den Eyern / dem Blute und Gehirne der Raben sorgfältig schwärtzen. Die Königin Erato färbte sich / und bath: Man möchtẽ lieber ihrer Unwissenheit durch Unterricht rathen / als durch Herausstreichung tadelhafter Dinge ihr Mängel ausstellen. Sie wüste zwar: daß in Asien und Griechenland dem Winter schwartze Thiere geopfert würden / sie wüste aber die Ursache nicht / ausser daß Empedocles gelehret: die Schwärtze und Kälte bestünde in einerley Wesen. Sintemal die Schwärtze mit dem Winter keine Gleichheit hätte / da die Erde mit der weissen Wolle des Schnees als mit einem Pflaum-federnen Bette für der schädlichen Kälte bekleidet / und mit diesen leichten Flügeln des Himmels bedeckt wird. Die Priesterin fiel ein: Wir nehmen für den wäßrichten Winter einen schwartzen Bär zum Opfer / weil die Nässe auch die weißlichte Leinwand schwärtzlicht macht / und die tieffsten Wasser selbst schwartz zu seyn scheinen; insonderheit aber weil die die Schweiß-Löcher verstopfende Nässe die Schwärtze / das Feuer aber / daß etwas weiß zu scheinet / verursacht. Daher viel daran zweifeln: Ob der die Augen verblendende Schnee weiß /sondern vielmehr / wie er in Armenien roth aussihet /oder in dem Eylande Thule / gar schwartz sey. Alleine die Bären sind vielmehr als ein lebendes Bild des Winters zu diesen Opfern besti t. Sintemal die Natur gleichsam / wie der / ungeachtet seiner grossen und dichten Haare allerfrostigste Bär ruhet / welcher vier Monat in einer Höle steckt / und von seinem die übrige Jahres-Zeit allzu fett gemästetem Leibe zehret /und mit seiner Abmagerung allererst seine Kräfften wieder kriegt. Wiewohl seine Augen von so langer Verschliessung derogestalt verdüstert sind: daß sie nach Honige ausgehen / wormit die sie stechenden Bienen ihnen mit dem Blute ihre Beschwerligkeit abzöpfen. Uber diß ist der Bär dem Schweine am ähnlichsten / welches sonst bey den meisten Völckern unter die vier Opfer-Thiere / weil es ohne diß lebende nichts / sondern nur todt zur Speise nütze / und sehr nährend ist / gerechnet; ja weil es durch das Wielen seines Rissels den Acker-Bau gelehret haben soll /von den Egyptiern gar göttlich verehret wird. Erato fiel ein: Werden aber nicht die Bären für unreine Thiere gehalten? Ich weiß wohl / antwortete die Priesterin: daß die Morgenländer ins gemein alle als unrein verwerffen / die nicht gespaltene Klauen haben /und nicht wiederkäuen / wie auch alle Fische ohne Schuppen / und alle Fliegen / wiewohl diese die meisten Araber für rein halten; alleine wir finden deshalben keinen Grund in der Natur unserer Lehrmeisterin / welche alles rein und gut geschaffen hat. Zu dem[210] haben nicht nur die Juden für ihrem blossen Nahmen /sondern auch die Araber / Mohren und Indianer für den Schweinen und ihrem Fleische eine grosse Abscheu / vielleicht / weil sie sich stets im Kothe verunreinigen / Unflat essen / und die an ihnen säugenden Kinder aussätzig werden sollen. Erato brach ein: Die mitternächtigen Deutschen haben vielleicht auch darumb so viel mehr Ursache Bären zu opfern / weil beyde gestirnte Bären bey ihrem Angel-Sterne stehen /und daß dieses die Löwen und Panter-Thiere an Grausamkeit und Arglist übertreffende Thier so viel mehr ausgerottet werde. Die Priesterin gab zur Antwort: Im Himmel und im Monden wären so wenig Thiere / als auf der Erde Sternen; und wenn man Gott was geben wolte / müste man nicht anzielen die Natur zu erschöpfen / oder gantze Geschlechter der Thiere / welche Gott alle zu was gutem geschaffen hat / zu vertilgen. Die Natur hätte den Schlangen an ihr Zahn-Fleisch Gifft / den Wolff-Zähnen die Raub-Sucht /das Brillen den Löwen / welche die Nomaden und andere Africanische Völcker zu Verlassung ihrer Länder gezwungen / und mit ihrem stinckenden Atheme die nur angerochene Speise vergiften / gleichsam eine zauberische Krafft alle Thiere damit zu betäuben /und ihnen ihre Bewegligkeit zu benehmen eingepflantzt; ihre ohne Marck und Hölung sich befindende Beine so harte gemacht: daß man daraus wie aus Kieseln Feuer schlagen kan; ihre Zungen lechsen nach Blute / ihre Eisen-harte Zähne zermalmen Gebeine; ihre Klauen zerkneten das Fleisch; und ihre Seele hungert nach ausgerissenen Hertzen. Der Egyptischen Schlangen Gifft tödtet in vier Stunden; ihm kan ohne Abschneidung des gebissenen Gliedes nicht begegnet / ja sie selbst nicht einst von Zauberern beschworen werden; gleichwohl aber verehren die Römer die Wölfin als eine Nährerin ihres Uhrhebers; die Griechen wiedmen sie dem Krieges-Gotte. Die Egyptier zu Thebe beten den Apollo in Gestalt eines zu Nacht sehenden Wolfes an. Die Löwen sind in Phrygien der Cybele geheiligt / und der Nil betet Schlangen / der Ganges Crocodile an. Warumb sollen denn unsere Bären nicht zu opfern taugẽ? welche ein so wohlschmeckendes Fleisch zum essen haben / derer nach Art der Finger zertheilte Vörder-Klauen unter die niedlichsten Speisen gerechnet werden. Denn ob zwar die Bären sehr grausam / auch die grösten Ochsen anfallen und zerreissen; so geschicht doch diß nur bey gröstem Hunger / welcher sie auch ihre eigene Klauen abzulecken zwinget / oder wenn man ihnen ihre Jungen geraubet / welche sie inbrünstiger als andere Thiere zu lieben Ursache haben / weil ihre Zunge sie aus der After-Geburt / darein sie gantz eingewachsen seyn / mit vielem Lecken und Müh abtrennen muß. Unter diesem Gespräche hatte die hohe Priesterin ihr Gebete vollendet / nach welchem sie Schwefel und Saltz in eine Schale voll Wassers mischte / und solches dem Bären in Hals goß. Ich sehe wohl / sagte Erato: daß Schwefel und Saltz hier auch zu den Opfern und zu Reinigungen wie bey den Griechen gebraucht werden; und soll jener gewiß ein Kennzeichen feuriger Andacht / dieses der Freundschafft seyn /welche man beym Gottes-Dienste mit Gotte zu machen vermeynet; westwegen man auch diese besten Würtze der Speisen für was Göttliches rühmet; und wie die Egyptischen Priester den Euripides und andere Krancken mit saltzichtem Meer-Wasser gesund gemacht; also wird diß auch in Asien bey allen Feyern zu Weyh-Wasser unserer Seelen-Gebrechen darmit abzuwaschen verbrauchet. Und Aristides hat zu Bekräfftigung des von den Griechen der Stadt Athen geleistetẽ Eides glüende Eisen ins Meer geworffen. Die[211] Priesterin gestand: daß auch sie bey ihrem Opfer auf ein und das ander erzehlte ihr Absehn setzten. Sintemal die Deutschen nicht nur das Saltz für eines der grösten Göttlichen Geschencke achten / welches aller / insonderheit aber der in Deutschland so sehr gemeinen Milch-Speise den rechten Geschmack / allen Kräutern und Gewächsen / allen heilsamen Hirsch- und Einhörnern ihre Krafft / ja allen Geschöpfen ihre beständige Tauerung giebet / Fleisch / Fische und Leichen für der Fäule verwahret / sondern auch die Berge / Flüsse / Brunnen und Seen / woraus Saltz gegraben / oder geschöpft / wie auch die Eich-Bäume und Haseln / daraus bey uns Saltz gebrennet wird /für heilig halten / und daß GOtt daselbst den Betenden viel näher sey / auch ihr Begehren unzweifelbar erhöre. Westwegen umb die bey der Sale sich befindende Saltz-See zwischen den Hermunduren und Catten oft die blutigsten Kriege entstanden wären. Erato fiel ein: Es lohnet wol vor die Müh / wo das Saltz sparsam ist / darumb zu streiten / weil diese Würtze aller Würtzen im menschlichen Leben unentbehrlich; und ungeachtet es nur an unfruchtbaren Orten wächset / doch die Ursache aller Fruchtbarkeit / und daher in der gantzen Welt hochgehalten ist; insonderheit aber bey den Egyptiern / wo sie mit ihrem Rothen ihre Leichen für der Verwesung verwahren; und in Italien / da sie ihr Tarentinisches Meer-Saltz für das weisseste und süsseste rühmen / und destwegen die Saltz-Göttin Salacia für des Neptun Gemahlin / welche das saltzichte Meer in Ebb und Flutt bewegte / verehren. Die Priesterin begegnete ihr: wenn die Deutschen nicht gar wol wüstẽ: daß nicht mehr als ein Gott Geber alles Guten wäre / würden sie mehr als einiges andere Volck der Saltz-Göttin zu dienen Ursache haben; sintemal sie zwischen der Elbe und Weser in der Chauzen / wie auch in der Cherusker Gebiete / und bey den Hermunduren an der Sale / nichts minder im Noricum an fetten und fruchtbaren Orten auskommentliche Saltz-Seen und Brunnen / bey den Logionen aber köstlichere Saltz-Bergwercke als die Cyrener / und die Indianer auf dem Dromenischen Gebürge haben /welches doch mehr als alles Gold und Perlen dem Könige eintragen soll. Sintemal bey uns das klärste Kristallen-Saltz unerschöpflich gehauen / und in die halbe Welt verführet wird; welchem die Natur noch diese Wolthat beygesetzt hat: daß es in der Tieffe gantz leichte ist / und ohne grosse Müh herauf gezogen wird / in der Lufft aber allererst seine Ertzt-glei che Schwerde beko t / und so wol dem Menschẽ zur Speise / als dem Rind- und Schaf-Vieh zur Fruchtbarkeit / Fettigkeit / mehrerm Milchgeben / und zur Zärtligkeit der Wolle dienet. Uberdis giebet das deutsche Meer so wol Oel zum Saltzsieden / als das Hispanische / welches zu Einsaltzung der Häringe / die in unserm Nord-Meer in so unbegreiflicher Menge gefangen werden: daß es scheinet: es habe sich die Helffte des Meer-Wassers in diese Fische verwandelt / wormit nicht nur Deutschland / sondern gantz Europa und zum Theil Africa von unsern See-Fahrern versorget wird. Westwegen bey den Taxandern das Begräbnüs dessen / der diese hochnützliche Einsaltzung erfunden / mit grosser Ehrerbietung gewiesen wird. Unser zu den Opfern gebrauchtes Saltz aber bedeutet das Saltz unserer Gemüther / und zielet auf die tiefsinnige Andacht / wormit wir den Göttlichen Geheimnüssen nachdencken sollen. Unterdessen hatte die Priesterin das Gebete vollendet / nach welchem sie ihm noch drey Schalen voll gesaltzen und geschwefelten Wassers über den Kopf goß mit beygesetzten Worten: Mit dir werde ersäuffet all unser Ubel und Unglück! Hierauf namen etliche Priesteriñen den Bär und stürtzten ihn ins Wasser / welcher denn zu aller Verwunderung alsbald untersanck; da doch sonst dieses Thier so wol schwimmen kan. Hierauf wuschen alle Priesterinnen /welche die[212] Versöhnungs-Opfer nach dem empfangenen Fluche angerühret hatten / ihre Kleider aus den Brunnen. Erato fieng hierüber an: diese Reinigung ist in alle Wege nöthig / weil diese Thiere so viel frembde Flecken übernehmen müssen; und kommen die Deutschen disfalls andern Völckern gleich; aber ist etwas besonders: daß der Widder der Erde / der Ochse dem Feuer / der Bock der freyen Lufft / der Bär dem Wasser zu theile wird. Die Priesterin fiel ein: dis ist die Art unsrer Opferung / nicht aber unser Ziel. Denn wir halten den Empedocles / der die Elemente für Götter gehalten / und die / welche sie entweder deutlich / oder unter einer andern Schale anbeten / für Abgötter. Sonst aber wird nur mit diesen jährigen Versöhnungs-Opfern derogestalt verfahren. Denn von allen andern wird nur das Fette / die Nieren / ein Theil der Leber / darmit die Galle bedeckt ist / und das Därm-Netze / auf den Altaren / der Kopf / die Füsse und Eingeweide auf einem ungeweiheten Holtzstosse verbrennt / die Brust und das rechte Vörder-Viertel gebraten / und von denen Priesterinnen verspeiset /alles übrige Armen und Frembden ausgetheilet. Die Königin Erato fieng an: die Armenier und Persen theilen von den Opfer-Thieren alles aus / weil sie meynen: daß GOtt sich mit dem Opfer ihres Lebens völlig vergnüge. Auf dem Altare verbrennen sie alleine das Därm-Netze / als aus welchem sie so wol als Römer und Griechen denen Opfernden ihr künftig Glücke wahrzusagen wissen. Die Juden / Araber und Syrier aber verbrennen in gewissen Opfern von Widdern und Schafen nur das Unschlitt und die Schwäntze / welche aber so groß und feiste sind: daß sie bey Byzanz zehn / im kleinern Asien zwölf / in Africa sechzehn / in Arabien dreißig bis vierzig / in Egypten achtzig / ja bis anderthalb-hundert Pfund wiegen / und also mehr / als anderwerts ein gantzer Schöps austragen / indem die vorsichtige Natur die übrige Fettigkeit / welche die Schafe sonst erstecken würde / in ihre ein- bis drey-Ellen-lange Schwäntze treibet / denen sie auch kleine Rollwagen / wormit sie sie nicht auf der Erde wund reiben / anbinden / und bey ihrer Zusammenlassung den Schafen auf den Rücken binden oder gar abschneiden müssen. Massen sie denn auch denen Lebenden das Fett öfters ausschneiden / und die Haut an den Schwäntzen wieder zusammen nähen. In Indien aber giebt es gar Schafe / welche auf der Brust / auf jeder Achsel und Hüffte / wie auch auf dem Rücken und hinten einen / also sieben Schwäntze haben / für derer Fettigkeit sie mehrmals nicht gehen können. Die Priesterin sagte: Bey dieser Beschaffenheit ist nichts würdiger von solchen Schafen zu opfern / als die Schwäntze / wie bey uns die Nieren / welche das fetteste an unsern Schafen / die Schafe die fettesten unter den Thieren sind. Inzwischen maßte sich eine jede Priesterin eines absondern Opfers an / wurden also durch Hülffe der vielen Opfer-Mägde in weniger Zeit hundert Widder / so viel Böcke / funfzig Ochsen und fünf und zwantzig Bären abgethan. Wiewol dieser Gottesdienst sich nahe bis an den Abend erstreckte. Nach dessen Vollendung wurden das Fürstliche Frauen-Zimmer von der hohen Priesterin dieses Tages /nemlich Thußnelden in einer saubern Höle herrlich gespeiset / und die halbe Nacht in vergnügter Ergetzligkeit zugebracht; worbey denn Erato ihre Schwermuth mit allerhand Schertz-Reden klüglich zu verstellen wuste / und gegen Thußnelden die grosse Freyheit der Hohen-Priesterin bey dem Heiligthume der Hertha rühmte: daß sie bey dem deutschen Feldherrn zu schlaffen berechtiget wäre. Weil nun Thußnelde ein Gelübde gethan hatte: daß sie bis zu ihres Herrmanns Rückkunfft nichts anderm als täglicher Andacht obliegen wolte / ihre Entfernung aber denen andern Fürstinnen so beschwerlich / als der finstern Welt die Abwesenheit der Sonne fürkam / verliebten sie sich nach und nach in die annehmliche[213] Einsamkeit dieses Ortes: daß sie gantzer zwey Monate alldar zubrachten / und wo nicht gar ihres Kummers vergaßen / doch selbten einander möglichst erleichterten. Zumal der Cheruskische Hof zu Deutschburg ohne dis fast öde /und der Stadthalter Adgandester nur zugegen / Hertzog Flavius und Malovend aber mit dem Fürsten Zeno und Rhemetalces gegen Norden Deutschland zu beschauen verreiset waren.

Nach oberwehnter Zeit erwehnte die eine Priesterin in ihrem Gespräche: daß nur sechs Meilen von dar gegen Mittage bey dem Nordlichen Ursprunge des Dymel-Flusses ein Ort wäre / wo die Deutschen ihrer künftigen Begebnüsse unfehlbare Gewißheit zu erfahren vermeinten. Die allen Menschen angebohrne / insonderheit aber denen Verliebten anklebende Begierde bevorstehendes Glücke vorzusehen verursachte: daß Erato und Ismene / wiewol unter dem Vorwand den daselbst sich befindenden heiligen Brunn zu beschauen fast täglich Thußnelden in Ohren lagen eine Reise dahin zu thun / welches sie denn auch im Heu-Monate willigte; weil ohne dis daselbst im längsten Tage des Jahres auch gewisse Andachten gehalten werden. Sie kamen daselbst glücklich an; und nach deme sie nahe darbey auf einem Schlosse des Ritters Waldeck übernachtet hatten / kamen sie des Morgens der Sonne zuvor den heiligen Brunn zu beschauen /welcher auf der Spitze eines Stein-Felsens nicht ohne Verwunderung zu schauen / auch wegen seines hellen und gesunden Wassers nicht genungsam zu rühmen ist. Daher auch keine war / welche nicht mit Ehrerbietung daraus schöpfte / davon tranck / und etwas besonders daran zu rühmen wuste. Erato erwehnte insonderheit: daß dieser Bruñ eben so aussehe / wie der wahre Bruñ des Nilus in dem Africanischen Monden- Gebürge beschrieben würde. Sintemal sein Wasser auch so süsse / sein Grund so tief / sein Ablauf unter dem Berge seyn solte / und destwegen die Erhöhung des Wassers in beyden so viel verwunderlicher wäre. Der Einsiedler / welcher diesen Brunn in Aufsicht hatte / und zugleich Priester und Wahrsager war /hörte alle diese Lobsprüche an / brach aber endlich in diese Worte heraus: das edelste dieses Brunnens ist: daß man aus seinem unaufhörlichen Quelle / und nimmermehr versäugenden Ablauffe die Ewigkeit des Göttlichen Wesens / aus seinem so süssen und reichen Strome aber die wolthätige Hand des grossen Schöpfers erkennen kan. Mehr andere nachdenckliche Reden führte er von dem Brunnen / dadurch er bey allen Fürstinnen das Ansehen eines weisen und frommen Mannes erhielt / und keine das Hertz hatte ihn umb einig künftiges Ding zu fragen. Den andern Morgen aber fügte sich Erato zu dem Brunnen / und traf den Einsiedler gleich an / als er unten am Felsen aus seiner Höle herfür kroch. Nach seiner Begrüssung und andern Freundschaffts-Bezeigungen folgte sie ihm auf den Fels / muste aber seinem Waschen und Beten über eine gute Stunde zuschauen. Nach diesem redete er sie selbst in Griechischer Sprache an / und fragte: was sie schon wieder auch so zeitlich / und zwar alleine an diesem heiligen Orte verlangte? Sie antwortete ihm: das Glücke hätte Zeither so seltzam mit ihr gespielet: daß sie nicht etwan aus Vorwitz /sondern zu künftiger Richtschnur ihres Lebens nöthig zu wissen hätte / was vom Göttlichen Verhängnüsse ihr ferner bestimmet wäre. Weil nun dieser heilige Ort denen Sterblichen einen Blick in das Geheimnüß künftiger Begebnüsse zeigen solte / bäte sie ihn: er möchte ihr und ihrem bekümmerten Zustande mit gutem Rathe nicht entfallen. Der Einsiedler antwortete: Er wäre ein Knecht der daselbst wohnenden Gottheit / und ein Diener aller Bekümmerten. Er wolte ihrem Verlangen auch ohne Verzug willfahren / wenn sie sich zu der nöthigen Vorbereitschafft verstehen wolte. Erato erklärte sich ihm in allem zu gehorsamen. Hierauf[214] führte er sie unter den Fels in eine Höle / darinnen aus drey Steinritzen so viel Quelle eines Armes dicke in eine von der Natur ausgehölete Tieffe spritzte. Der Einsiedler wusch sich daraus / und wieß sie dahin an: daß sie bis zu seiner Wiederkunfft sich darinnen baden müste. Erato war bereit solches zu vollstrecken / fragte aber vorher: ob dis ein solcher Quell / wie der Bruñ Cassotis in Phocis wäre / worvon die heiligen Frauen die Gabe der Wahrsagung bekämen? und ob sie nach diesem Bade selbst die Wissenschaft künftiger Dinge erlangen würde / wie dieselbigen / welche sich auf der Gräntze Lyciens in dem Bruñen badeten / der dem Thyrxeischen Apollo gewiedmet wäre? Der Einsiedler lächelte / und sagte: Er wäre zwar der Griechischen Sprache / aber nicht der Griechischen Wahrsagerey kundig. Erato traute sich nicht mehr etwas zu fragen / sondern näherte sich dem Wasser seinen Befehl zu vollziehen / prellte aber im Augenblicke zurück / weil sie alle Ritze der Stein-Felsen von Schlangen und Nattern angefüllet befand. Als der Einsiedler dis gewahr ward / versicherte er sie: daß alle diese Thiere so wenig Gift / als er selbst hätte / und sie ihr weniger als dis gesunde Wasser schaden würden. Erato bat: Er möchte die Ubereilung ihrer Furcht für kein vorsetzliches Mißtrauen annehmen. Sintemal sie sich wol zu erinnern wüste: daß die Weisen eine Bothmäßigkeit über die Schlangen hätten / und nicht nur Orpheus das Zischen der Drachen zu stillen / das Gift der Nattern auszuleschen / und seine gestochene Eurydice gleichsam wieder aus der Hölle zu erlösen gewüst hätte; sondern daß auch die Psyllen mit ihren Lippen / die Marser mit ihrer Zunge / die Theßalier mit ihren Liedern / die Colchier mit ihrer Hand / die Chaldeer mit ihren Zeichen / die Africaner mit ihrem Schlangen-Holtze / die Araber mit Steinen /darauf giftige Thiere gebildet wären / Schlangen /Molche und Scorpionen aus ihren Löchern herfür zu ziehen / selbte zu Ausspeyung ihres Giftes in einen Kreiß zu dringen / mitten vonsammen zu sprengen /auch die Vergifteten für allem Schaden zu bewahren wüsten. Nach dem sie aber diesen heiligen Ort von so viel Schlangen besessen sehe / würde ihre Landes-Art hoffentlich ihre vorwitzige Frage entschuldigen: ob diese kriechende Thiere in Deutschland etwas zu der Wissenschafft künftiger Dinge beytrügen. Der Einsiedler fragte: In welchem Land sind denn die Schlangen klüger / als die Menschen? Erato versetzte: fast allenthalben / wo man auch denen Vögeln dis zueignete. Daher wüsten nicht nur die Römer zu erzehlen: daß eine sieben Kreiße machende Natter dem Eneas die Jahre seiner Herumbirrung / eine von dem untersten Altare springende Schlange dem Sylla einen herrlichen Sieg wider die Samniter / zwey andere dem Tiberius Grachus durch Anbeissung seiner Opfer den Untergang gewahrsaget hätte: sondern man glaubte auch in Asien ins gemein: daß wenn sich einem Reisenden ein Krocodil zeigte / oder eine Natter über den Weg lieffe / solches Hindernüs und Unglück bedeutete. Fürnemlich aber glaubten die Indier: daß wer eines Drachen Hertze oder Leber ässe / der Vögel Wahrsagungen verstünde / welches auch Democritus von dem Fleische gewisser Vögel gelehret / aus derer Blute Schlangen wachsen sollen; Und Melampus soll eben diesen Verstand bekommen haben / nach dem sein Gehöre durch Beleckung seiner Ohren von Schlangen wäre geschärfft worden. Nichts minder soll der aus des Cadmus Schlangen-Zähnen gezeugte Ophion auf sieben denen Irrsternen zugeeigneten Taffeln alle künftige Geschichte verzeichnet / des Priamus Kinder Helenus und Cassandra von denen im Tempel des Thymbreischen Apollo ihre Sinnen-saubernden Schlagen die Wahrsagerkunst überkommen haben. Massen denn auch die Griechen den Wahrsager-Gott in Gestalt einer Schlange verehren. Der Einsiedler lächelte /und[215] fieng an: die Natur hätte den Menschen wol unterrichtet durch Vernunfft allem Gifte der Schlangen /wie der Stärcke der Elephanten / und dem Grimme der Panther zu steuern / den Schlangen aber keinen Verstand den Menschen zu lehren / oder die Wissenschaft künftiger Dinge gegeben; welche nicht einst aus denen himmlischen Lichtern / weniger von diesen Würmern zu holen wäre; wiewol das geringste Ungeziefer GOttes Allmacht zu preisen / und die Sterblichen zu dem allmächtigen Schöpfer zu leiten genung wäre; welcher ihm diese Vorsehung allein vorbehalten hätte / und das künftige nicht anders als das gegenwärtige in einem Spiegel sähe / jedoch Menschẽ /Vögel / Schlangen / Sterne / Feuer / Wasser / Bäume /Blätter / Steine und alle unbeseelte Dinge zu Werckzeugen brauchte / dis / was in der Geheim-Kammer seiner Allwissenheit verborgen läge / uns bisweilen zu entdecken. Dieses niemals fehlenden Wahrsagers Güte / nicht aber den Schlangen / nicht dem Wasser /auch ihm selbst nicht würde sie zu dancken habẽ / da ihrem Zweifel ein Licht würde aufgesteckt werden. Erato unterstand sich nicht mehr ein Wort zu sprechen / zumal der Einsiedler auch aus der Höle gieng /sie aber entkleidete sich und stieg behertzt in das Wasser / umb welches eine unglaubliche Menge Schlangen und Nattern / gleich als wenn sie von einem Zauberer beschworen / und zu ihrer Bewachung bestellt wären / einen Krantz flochten. Kurtz hierauf vermischten sie ihr Zischen mit dem Geräusche der Quelle / gleich als wenn jene für die Lufft /diese für das Wasser stritten / welches unter beyden das annehmlichste Gethöne machen könte, Erato hörte dieser beliebten Zusa enstimmung mit solcher Vergnügung zu: daß sie ihr soviel Ohren wünschte /als Argos Augen gehabt haben soll. Ja das Zischen dieser Schlangen bezauberte mehr als jemals einige Sirene thun kan / die Königin Erato: daß sie in einen tieffen Schlaf sanck. Wie sie erwachte / sahe sie die Schlangen zu ihrer grösten Erstaunung in einer gantz andern Stellung / und als sie ihre neue Verflechtungen genau betrachtete; bildeten die in einander verwickelten Schlangen in Griechischer Sprache gar deutlich diese Worte für: Liebe den Flavius. Erato schalt bey sich selbst ihre Augen als Betrüger / bildete ihr auch nichts fester ein / denn daß ihr träumte. Nach dem ihren Augen aber alle Sinnen das Wort redeten / kam sie auf die Gedancken: dieser Einsiedler wäre von Ismenen unterrichtet ihr und ihrer gegen dem Zeno gefaßter Liebe zu Liebe der Königin durch solche Zusammenschwerung der Schlangen eines anzubinden. Als sie sich aber eine gute Weile mit diesen Gedancken geschlagen hatte / fuhren die bisher stummen Schlangen mit einem fast süsserem Zischen wie Pfeile von sammen / und flochten aus sich selbst diese neue lebendige Schrifft zusammen: Die Natur verbeut dir des Zeno Liebe, Erato hätte bey Lesung dessen für Verwunderung mögen in einen Stein verwandelt werden; und hielt sich nun selbst mehr als die Schlangen bezaubert. Wie tiefsinnig sie gleich nun dem Verstande dieser Worte nachdachte / konte sie doch zu ihrer Auflösung keinen Schlüssel finden / und sich nur bescheiden: daß Wahrsagungen als Rätzel der Göttlichen Versehung so lange unerforschlich bleiben / bis der kräftige Finger der Zeit daran das Siegel abbricht. Unter diesen Gedancken schläfften die ihr Gethöne wieder verneuernden Schlangen sie zum andern mal so lange ein / bis sie durch den Ruff ihres Nahmens aus dem Schlaffe erweckt ward / und sie sodenn alle Schlangen / ja allen ihren Schatten verschwunden sah; hierüber aber in ein Schrecken gerieth: daß sie nicht nur aus dem Bade / sondern nach Erraffung ihrer Kleider nackt und trieffend aus der Höle sprang. Sie zohe sich eilfertig an / und sahe: daß die Sonne bey nahe schon das Mittel des Hi els[216] erreicht hatte. Sie saße ein Weile unten an der rauschenden Bach / und verlohr über Betrachtung des ihr begegneten Ebentheuers gleichsam alle Sinnen / würde auch noch viel länger daselbst unbeweglich blieben seyn / wenn nicht ein durch das Gepüsche dringender Hirsch sein Geweihe an dem nechsten Felsen geweltzet / und durch dessen Geruch etliche Schlangen aus den Ritzen gelockt hätte: welche die Königin in ein neues Schrecken versetzte; bis sie sah: daß der Hirsch die gröste davon erwischte / zerbiß / verschlang / und darauf einen guten Trunck aus der Bach that. Ob ihr nun zwar dis frembde fürkam / weil in den heissen Ländern die Hirsche nach verschlungenen Schlangen langsam / und bis ihr sie sonst tödtendes Gift verraucht sey / trincken; so erinnerte sie sich doch: daß nach des Einsiedlers Berichte die Schlangen umb diesen Fels kein Gifft hätten. Wordurch ihr Gemüthe denn auch etlicher maßen beruhiget / und sie von ihren wahrsagenden Schlangen das beste zu hoffen verursacht ward. Daher faßte sie ihr ein Hertze auf den Fels zu steigen / und sich nach dem Einsiedler umbzusehen / von deme sie eine Auslegung ihres Gesichtes zu erbitten meinte. Als sie nahe auf dem Gipfel war / hörte sie Menschen reden / welches sie denn bewegte das Gepüsche mit den Händen von einander zu drücken / und sich nach ihnen umbzuschauen. Sie erblickte zum ersten den Einsiedler und bald darnach Ismenen / welche ihr beyde den Rücken / ihre Antlitzer aber dem Brunnen zu kehrten. Diese beyde waren auch mit einander in solcher Embsigkeit begrieffen: daß die Königin sich nicht scheute durch das Gestrittig sich ihnen noch umb ein gutes Theil zu nähern /umb ihre Wortwechselung desto eigentlicher zu verstehen; da sie denn den Einsiedler derogestalt reden hörete: Weil sie weder von dem / den sie liebte / noch von dem / den sie heyrathen solte / einiges Haar /Brief oder ander Geschencke bey sich hätte / solte sie zwey gleiche Stücke Rinde von den nechsten Buchen schneiden / und auf jeden eines oder des andern Nahmen schreiben / hernach solche in Brunn werffen / so würde sich unverlängt ereignen / welchen unter beyden ihr das Verhängnüs besti et hätte. Ismene leistete dieser Anweisung in allem ohne Verzug willigste Folge. Sie hatte aber kaum beyde Rinden in den Bruñ geworffen / als die eine mit Gewalt wieder heraus gestossen / und über dreißig Schritte weit vom Brunnen geworffen ward. Ismene fragte umb diese Bedeutung; der Einsiedler aber antwortete: daß dis / was der Brunn in sich behielte / vom Verhängnüsse beliebt /das von sich gestossene aber verworffen würde. Diese Antwort gab Ismenens Füssen gleichsam Flügel die verworffene Rinde aufzusuchen. Sie hatte solche aber kaum in die Hand kriegt / als ihr vorhin trauriges Antlitz sich wie der gewölckte Hi el ausklärte / und sie laut zu ruffen anfieng: GOtt Lob! mein Wunsch ist gewähret / Catumer verstossen / Zeno erwehlet. Welche Worte denn die Königin Erato abermals fast außer ihr selbst setzten; Gleichwol aber erholte sie sich wieder / und zwar meist aus Begierde die Schrift auf der Rinde zu sehen. Also trat sie wenige Schritte herfür / Ismenen aber gerade unter die Augen / und rechtfertigte sie: was das Verhängnüs auf ihren Zeno ihr für ein Ausspruchs-Recht einräumete? Ismene /welche sich niemandens weniger als der Königin alldar versehen hatte / röthete sich hierüber / und trat etliche Tritte zurücke; Sie faßte aber bald wieder ein Hertze / und sagte: Sie begehrte die Eyversucht gegen Menschen nicht zu schelten; aber welche man wider die Göttliche Versehung ausüben wolte / wäre verda lich oder zum wenigsten fruchtloß. Hiermit zeigte ihr Ismene die mit dem Nahmen des Fürsten Catumer bezeichnete Rinde / welche so leichte war: daß sie durch keine menschliche Stärcke hätte vom Brunnen so weit geworffen werden können. Erato sahe sie mit starren Augen an / und erstummete; hernach rief sie:[217] O ihr Götter! warumb verknüpfft ihr zarte Seelen so feste mit einander: daß ihr sie hernach mit desto schmertzlicher Empfindligkeit von einander trennet? Unglückliche Erato! hast du in einer so weiten Ferne deinen Zeno wieder funden: daß du nicht nur ihn /sondern auch die Hofnung ihn zu besitzen auf einmal verlieren müssest? Alleine / wo stehet geschrieben: daß ich meiner andern Seele des Fürsten Zeno vergessen soll? Sind die Schlüsse des Verhängnüsses deutlicher in diesem Brunnen / als in den gestirnten Ziffern des Himmels zu lesen? Wer hat das Wasser zu einer geheimen Schreibe-Taffel Gottes gemacht / in welches kein Mensch etwas aufzeichnen kan? Die eivrige Erato wäre noch weiter in ihrer Ungeduld fortgefahren / wenn der Einsiedler nicht mit ernsthafter Gebehrdung eingebrochen wäre: Hüte dich! wer du auch seyn magst / die diesen Brunn begeisternde Gottheit zu lästern. Deine heutige Reden lassen mich muthmassen: daß du dem Griechischen Gottesdienste beypflichtest. Ist dir aber unbekant: daß in dem Spartanischen Gebiete nicht weit von des Esculapius Altären eine kleine See sey / darein an dem Feyer der Jo die Betenden Brodte zu werffen pflegen? Werden von selbigem Wasser nicht eben so wol die Opfer der Erhörten behalten / derer aber ausgespeyet / welchen GOtt ihren Wunsch nicht gewehren wil? Gehet es nicht eben so mit dem in den Becher des brennenden Etna geworffenem Golde / Silber und anderem Opfer her? Was aber mag das Griechische Wasser / das Sicilische Feuer /die Opfer-Asche / Lorbeer-Blätter / und andere todte Dinge für eine geschicktere Eigenschaft zur Wahrsagung / als unsere Quellen haben? Sti et aber die dir von den Schlangen gegebene Wahrsagung nicht mit der Andeutung dieses Brunnen überein? Verdienen aber die deutschen Schlangen nicht so viel Glauben /als die in heissern Ländern / weil diese giftiger / und /wenn sie entweder mit Staube ihre Ohren verstopfen /oder wieder singen / dem Beschwerer selbst tödtlich /unsere aber lauter und unschuldig sind? Erato erkennete ihre Ubereilung / und bat: seine Sanftmuth möchte die Schwachheit eines verliebten Weibes nicht für eine vorsetzliche Verachtung dieses Heiligthums auslegen. Irrthümer wären niemanden ehe als ihrem Geschlechte zu verzeihen / und die Liebe entschuldigte auch die Vergehungen kluger Männer. Die ihr widerfahrne Schlangen-Wahrsagung wäre so viel Wunders / und so klar gewest: daß in der Welt nichts darmit zu vergleichen wäre. Ismene ward begierig dis zu vernehmen; und nach dem sie den ihrer Liebe gethanen Eintrag aufs beste entschuldigt hatte / beschwur sie sie bey ihrer Freundschafft / sie wolte ihr hiervon nichts verhölen / und durch die von diesem heiligen Manne erwehnte Ubereinstimmung beyder Wahrsagungen ihrem Unverstande ein heller Licht anstecken. Erato war geneigt ihr zu willfahren / der Einsiedler aber kam ihr mit einer umbständlichen Erzehlung zuvor / umb beyden darzuthun: daß ihm nichts / was gleich in seiner Abwesenheit daselbst geschehe / unwissend wäre. Erato bestätigte alles zu Ismenens unbegreiflicher Entsetz- / aber auch zu nicht geringerer Vergnügung; welche denn ihren Vorwitz nicht hemmen konte den Priester zu fragen: ob das mit den rauschenden Quellen so wol einsti ende Gethöne ein angebohrnes Zischen solcher Schlangen / oder ein göttlicher Klang wäre? Der Einsiedler fieng an: Mich jammert eurer Einfalt. Glaubt ihr nicht daß wenn eure verwöhnte Ohren von aller Unsauberkeit gereiniget wären / euch das verdrüßliche Brüllen der Löwen /das Bläcken der Küh / das Meckern der Ziegen / das Heulen der Wölffe / das Gruntzen der Schweine / das Wiegern der Pferde / das Bellen der Hunde / das Spinnen der Katzen / das Schwirren der Heuschrecken so lieblich als das Schlagen der Nachtigall / das Singen der Menschen / und so[218] süsse / als das erwehnte Zischen der einschläfenden Schlangen fürkommen würde? In welchem Verstande deñ auch für keine Falschheit zu halten ist: daß die Schwanen annehmliche Grabe-Lieder singen. Kan euch auch unbekandt seyn: daß die aufschwellendẽ Bruñen / die rauschenden Bäche einẽ süssen und einschläffendẽ Klang von sich gebẽ? Habt ihr nicht gehöret: daß ein Fuchs in Cilicien nach dem Schwalle der Flöten tantze und sich aufschwelle? daß ein Fluß in Arabien wie eine Laute spiele; und in Hispanien ein vom Winde geregter Strom den annehmlichsten Klang von sich gebe? Ist nicht eben eine so liebliche Bach in Phrygien / welche zu tichten Anlaß gegeben hat; Daß der in solch Wasser verwandelte Marsyas noch immer seine Thorheit besinge? Ja die Erfindungen der Menschen wissen in ihren Lust-Gärten das Gethöne der Vögel und Säiten-Spiele nachzumachẽ. Wisset überdis ihr nicht: daß das grosse Gebäue der Welt nichts anders / als eine wolgesti te Harffe des grössesten GOttes sey? Daher auch die Egyptier ihrem Osiris / die Griechen ihrem Apollo eine Leyer mit sieben Säiten / und ihrem Pan eine Pfeiffe mit sieben Röhren zueignen? Da nun alle Thiere / ja das verächtliche Gewürme Theile dieser Säiten sind / wie dis zu erweisen die künstliche Weberey der Spinnen / die unvergleichliche Baukunst der Bienen überflüßig erhärtet; ist sich nicht zu verwundern: daß diese frembde Fürstin in ihrer heiligen Selbst-Gelassenheit an dem Zischen der heilsamen Schlangen eine so grosse Ergötzligkeit wahrgenommen habe. Sintemal nichts so geringes auf der Erden kreucht / was nicht eben so wol mit dem süssen Gethöne des Himmels / wie in der Singe-Kunst jeder niedriger Thon mit dem / welcher acht Staffeln höher ist / und wie in der Rechen-Kunst die Eines mit der Zehne überein ko t; so gar: daß der Roß-Kefer den Rind- oder Esels-Mist nicht anders als mit dem Neu-Monden zusammen kugeln / und in einem Monden-Jahre von sieben mal sieben Tagen in einen jungen Kefer ausbrüten kan. Aus welchem Absehen denn die alten Sternseher fast alle Thiere / und insonderheit die Drachen / die Erd- und Wasser-Schlangen unter die Gestirne versetzt; die Griechen aber die Geheimnüs unter ihre Getichte versteckt haben. Wie aber soll eines Thieres Schall aufgeräumten Ohren nicht annehmlich klingen / da der grosse Schöpfer der Welt /welcher der Natur nichts wider-stimmiges eingepflantzt hat / den Schnabel der Vögel / die Rachen und Mäuler der Thiere / ja das stumme Athemholen der Fische eben so wol als die Zunge des Menschen zu seinem Lobe gestimmet hat. Erato schöpfte über diesen Worten nicht nur ungemeine Vergnügung /sondern auch eine Lüsternheit was mehrers von der allgemeinen Einstimmung der Welt zu vernehmen; bat ihn daher: Er möchte ihr das Geheimnüß von der Harffe der Welt / und von ihren sieben Säiten etwas klärer entwerffen: daß ihre Einfalt was nützliches hiervon fassen könte. Der Einsiedler antwortete: Weil der Mensch umb dis zu verstehen von GOtt eine vernünftige Seele bekommen hätte / ja selbst eine der fürnehmsten Säiten wäre / könte er mit Gewissen ihr dis Verlangen nicht abschlagen / wo sie ihm anders so viel Gedult ihn zu hören geben wolte / als er versichert wäre: daß sie seine Lehre mit der Warheit übereinstimmig befinden würden. Denn in der Welt wäre kein verstimmter und abscheulicher Gethöne / als Lügen. Ismene und Erato versprachen ihm zugleich alles / was er verlangte; Daher er denn ohne fernern Verzug anfieng: Die eitelen Griechen tichten: des Apollo Leyer habe destwegen sieben Säiten gehabt; weil bey seiner Geburt die Schwanen siebenmal umb das Eyland Delos geflogen wären; und des Pan Pfeiffe sieben Röhren / weil er aus der verfolgten Syrinx so viel Stengel Schilf-Rohr gewachsen seyn soll.[219] Allein es sind dis entweder ertichtete Eitelkeiten / oder allzu unverständliche Versteckungen der Warheit. Dis aber ist vielmehr der Vernunft gemäß; daß der Himmel /das Feuer / die Lufft / die Erde / das Wasser / die Pflantzen / die Thiere und der Mensch die sieben einstimmigen Säiten in der grossen Harffe der Welt / das Gewichte / das Maas / und die Zahl aber die drey Bogen seyn / wordurch GOtt die Seele der Welt / welcher so wol mit dem grossen Alles seiner unzehlbaren Geschöpfe / als mit sich selbst allezeit einstimmig ist / in diesem so das annehmliche Gethöne erreget / und allen Säiten den Geist der Eintracht einflöße. Der Himmel fürnemlich ist gleichsam der Ursprung / das Muster und die Richtschnur aller vollkommenen Zusa ensti ungen / darinnen die sieben Kreiße der Irrsternen absonderlich sieben Säiten der hi lischen Leyer / jeder Stern aber eine singende Zunge abzugeben scheinet. Welches anzudeuten denn die Leyer selbst unter die Gestirne erhoben / von den alten Weisen aber nachdencklich gelehret worden ist: daß im Himmel nichts sey / was nicht seine Stimme künstlich erheben könne. Dieses aber geschiehet nicht nur in der wolabgetheilten Grösse und in dem unterschiedenen Stande eines jeden Sternes; wie solche zu der Ferne seines Standes / und zu seiner Würckung erfodert wird / also nicht zu fragen ist: daß die Sonne das Hertze der Welt / welche die andern Sternen erleuchtet / und die gantze Natur erwärmet / der gröste ist /und in der Mitte der unholde Saturn am fernesten /und der wäßrichte Monde am niedrigsten stehe. Dieser ist von der Erde einer Staffel weit entfernet. Der Mercur steht über dem Monden / wie auch die Venus über dem Mercur eine halbe / die Sonne darüber anderthalbe / Mars über der Sonne eine / Jupiter über dem Mars / und Saturn über dem Jupiter / wie auch der höchste Gipfel des Himmels jedes eine halbe Staffel weit; also daß es vom Gipfel bis zur Erde sechs /und also so viel Staffeln weit ist / als ihrer die Singekunst in sich hat. Die Entfernung jedes Irrsternes von der Erde aber stimmet überaus artlich mit ihrer Grösse ein; also: daß die kleinsten die nechsten sind; und je grösser ein jeder / je weiter er von uns stehet / und also die Nähe der Kleinigkeit in ihren Würckungen hilft / und die Ferne die allzuheftigen Einflüsse der grösten Gestirne miltert. Nichts minder machet die Bewegung der Gestirne den Himmel zu einer gleichsam aus Ertzt gegossenen und klingenden Kugel; darinnen jedes zwar seinen absonderen Lauf hat / aber doch wie die zusammen-gestimmten Röhre einer sie ben-fachen Pfeiffe mit allen einträglich übereinkommt; also daß / obgleich die Irrsterne gantz widrig lauffen / sie doch auf gewisse Zeit sich mit einander vereinbaren; also: daß der in dreißig Jahren allererst den Thier-Kreiß durchlauffende Saturn / die in einem Jahre durchreñende Sonne / ja den in viermal sieben Tagen auskommenden Monden nicht versäumet; daß zwischen dem frostigen Saturn und feurigen Mars der gütige Jupiter / zwischen der trockenen Venus und dem nassen Monden der linde Mercur eine Mäßigung / und sogar eine Zusammenstimmung widriger Gethöne macht. Eben so sind die zwölf Zeichen des gestirnten Thier-Kreißes durch ihre Eigenschafften als durch Knoten an einander verknüpft. Dem feurig und trockenen Widder stimmet der kalte Ochse mit seiner Trockenheit / dem trockenen Ochsen die warmen Zwillinge / den zugleich nassen Zwillingen der kalte und nasse Krebs ein. Eine solche vierthönichte Zusammenstimmung machen in gleicher Ordnung der Löwe / die Jungfrau / die Wage / der Scorpion / und die dritte nicht anders der Schütze / der Steinbock /der Wassermañ und die Fische; daß also durchgebends das fünfte Zeichen dem vorhergehendẽ /wie im Singen der achte Thon dem ersten gantz gleichsti ig ist. Welche Eintracht deñ[220] auch durch der Gestirne kräfftige Würckung biß in die innerste Schoß der Erde / und in den Abgrund des Meeres sich erstrecket / und weder Thier / Fisch oder Gewächse ist / welches nicht einen ihm gleichstimmigen Stern im Himmel habe. Absonderlich stimmet die Sonne mit dem Löwen / als ihrem Hause wohl zusammen / und sie kriegt in selbtem zweyfache Kräfften / wie der Monde im Krebse / Saturn im Wassermanne und Steinbocke / Jupiter in Fischen und Schützen / Mars im Widder und Scorpion / Venus im Wassermanne und Stier / Mercur in der Jungfrau und Wage. Gleiche Zusammenstimmung finden wir in Elementen / ungeachtet dem Feuer nichts mehr als das Wasser widrig zu seyn / auch Lufft und Erde keine Verträgligkeit mit einander zu haben scheinet. Denn weil das Feuer 2. mal so diñe als die Lufft / 3. mal so leichte / und noch einmal so scharff als das Wasser; diß aber zweymal so scharff / dreymal so dinne / und viermal so leichte als die Erde ist; machen ihre unterschiedene Eigenschaften auch die Zusammenstimmung des allerwidrigsten. Dem scharffen / dinnen und beweglichen Feuer ko t die stumpfe Lufft / weil sie dinne und beweglich ist / bey. Das dicke Wasser verträgt sich mit der Lufft / weil es stumpf und beweglich / und die unbewegliche Erde mit dem Wasser / weil sie wie jene stumpf und dicke ist; also zwischen Feuer und Erde /Lufft und Wasser einen Mittel-Thon ihm macht / und die Lufft so weit vom Feuer / als das Wasser von der Lufft / und die Erde vom Wasser seinen Klang erniedrigt. Das Wasser hat zur sondern Eigenschafft die Nässe; mit der Kälte aber stimmet sie der Erde / die von Natur allezeit kalte Erde mit ihrer Trockenheit aber dem Feuer ein. Das allzeit trockene Feuer vereinbart sich durch die Wärmbde der Lufft / und die Lufft durch die Nässe dem Wasser. Alleine / wie schlecht würde die grosse Harffe der Welt zusa enstimmen /wenn die Elemente nur mit einander / nicht aber auch mit dem Himmel überein stimmen solten. Die Erde hat nichts / was denen Gestirnen abgeht / und diese alles / was die Erde. Im Monden finden unsere Fern-Gläser die grossen Gebürge des Taurus / des Imaus /und Paropamisus; ja die Feuer-speyenden Berge Etna und Hecla / den Nil / den Ganges / Rhein und andere Flüsse / unterschiedene Meere mit Epp und Flutt /Regen / Thau und Schnee; ja unsere vernünftigste Weltweisen Thiere und Menschen. Woraus wir gleichsam zu schlüssen genöthigt werden: daß es in der Sonne und andern edlern Sternen nicht schlechter beschaffen seyn könne. Diese Ubereinstimmung ereignet sich auch in allen vermischten Dingen / derer keines in der Lufft / auf der Erde und im Meere befindlich ist / welches nicht Feuer / Lufft / Erde und Wasser zusammen in Eintracht bringe / ungeachtet etliche Gewächse hitzige / andere kältende Würckungen haben. Aus dieser Einstimmung fleust: daß alle Flüsse dem Meere zueilen / daraus sie ihren Ursprung haben; daß die Dünste sich in die Lufft ziehen und den geneigten Sternen nähern; daß die Glut allezeit gegen dem Himmel kli t; daß so viel Thiere und tausend Gewächse einen heimlichen Zug zu den Sternen haben; daß der Löwe sich für dem Hahne fürchtet /weil die Sonne in diesen einen stärckern Einfluß / als in jenen hat; daß die Sonnen-Wende der Sonne den gantzen Tag nachziehet; daß der Lotus-Baum seine des Nachts zugeschlossene Blätter mit der aufgehenden Sonnen aufhüllt / am Mittage völlig ausbreitet /mit dem Abende nach und nach zuschleust. Ja wir finden in den Eingeweiden der Erde alle hi lische Irr-Sterne. Das Silber ko t dem Monden / das Quecksilber dem Mercur / das Kupfer der Venus / das Eisen dem Mars / das Zinn dem Jupiter / das Bley dem Saturn bey / und kein Thier geht / schwi t oder kreucht auf der Erde und im Meere / das nicht einem dieser Gestirne beystimme.[221] Nicht geringer ist die Zusammenstimmung der irrdischen Dinge unter einander selbst. Die Ulmen spielen mit den Wein-Stöcken / das Wind-Kraut mit den Dornen / Epheu mit Eichen und Buchen; die Einhörner verlieben sich Jungfrauen; ja die Drachẽ selbst haben mehrmals beym Frauenzimmer Gift und Wildnüß abgeleget. Ja weil der Stahl vom Magnet / die Spreu vom Agsteine / die Mutte vom Lichte sich ziehen läßt / ist es kein Wunder: daß alle empfindliche Seelẽ von Saitenspielẽ einen Zug fühlen / und ein süsses Gethöne der saugendẽ Kinder andere Milch sey: daß die Vögel durch die Pfeiffe sich ins Garn / die Fische sich ins Netze / die Meer Schweine durch die Harffe ans Ufer und vom Amphion zu Schiffe / die Nordischen Schwanen in die Kefichte / die Hirschen durch Menschen-Stimme in die gestellten Garne locken lassen. Die wilden Elefanten in Indien lassen sich durch Seiten-Spiele bändigen / und die hartneckichten Camele nehmen darbey ihre Bürde willig auf. Ja wie ein Steinfels bey Megara /worauf bey Erbauung der Thebischen Mauern des Apollo Laute gelegen / soll bey seiner Anrührung ein süsses Gethöne von sich gegeben haben; also haben mich etliche Griechen versichert: daß die Eylande an dem Lydischen Ufer sich beym Klange der Flöten ins Meer entfernen. Gewiß aber ist: daß auch die stumme Spinne darmit: daß sie ihr Gewebe in sechs dreyeckichte Felder abtheilet / uns die Erfindung nach iedem Drey-Eck ein wohl abgetheiltes Seiten-Spiel zu fertigen an die Hand gäbe: welches wunder-würdig zusammen stimmen muß / wenn man es nach der Spinnweben Muster mit zehn Seiten beschnürte. Zu geschweigen: daß Pythagoras von dem Dreyschlage dreyer gegen einander wohl abgetheilter Hämmer die Seitenspiele zu stimmen gelernet haben soll. Die Königin Erato konte ihre über dieses Einsidels Rede geschöpfte Vergnügung länger nicht verbergen; sondern betheuerte: daß seine Erzehlung mehr ihr Gemüthe /als das süsse Zischen der Schlangen ihre Ohren belustigt hätte / sie könte auch nicht glauben: daß die von den Sonnen-Strahlen klingend-werdende Säule des Memnons in Egypten ein annehmlicher Gethöne von sich gäbe. Der Einsiedler versetzte: Er wolte ihre Höfligkeit für keine Heucheley aufnehmen / wenn sie glaubte: daß keine vollkommenere Harffe in der Welt / als der Mensch wäre. Erato antwortete: Sie hätte daran niemals gezweifelt / weil sie gewust: daß gegen der Menschen-Stimme aller andern Thiere Thon ein Geheule / und alle Seiten-Spiele ein todtes Wesen wären / welche von jener allen Verstand als die Seele der Liebligkeit bekommen müsten. Die Natur hätte zu dem Munde / als dem Aufenthalte der Seele / der Pforte der Worte / dem Brunn der Beredsamkeit / der Wahrsagerin der Gedancken / der Mutter der süssesten Menschen-Stimme alle Kunst und Weißheit angewehret / des Mundes Gestalt und Würde nichts abzubrechen. Alle Glieder wären schier zu Gehülffen der Stimme geschaffen. Die Lungen dienten ihr zu Blasebälgen / die hole Brust und der Hals zu Röhren den nöthigen Wind in den Mund zu leiten. Aus dem Gehirne giengen viel Spann-Adern zu Bewegung dahin / und das Haupt feuchtete den Mund nothwẽdig dazu an. Im Munde allein stünden die Zunge / der Gaumen / die Zähne / die Lippen / das Zäpplein / die Kehle und viele andere nöthige Werckzeuge der Stimme zu Diensten. Ihre Würde hätte sie ins Haupt / als in den Königlichen Sitz des Gemüthes erhöhet / dessen Dolmetscherin sie ist; wormit sie die Geheimnüsse der Vernunft und die Schlüsse des Willens mit einer so viel mehr durchdringenden Liebligkeit kund mache. Der Einsiedler fiel ein: Diß alles wäre wohl wahr: der Mund stellte eine süsse Flöte / an der die Lufft-Röhre das Rohr / die Zunge die spielenden[222] Finger abgeben; die Zunge aber eine beseelte Laute für /welcher Seiten die Zähne wären. Mit dieser hätte Orpheus Bäume und Felsen rege gemacht / Mercur die wilden Leute gebändigt; dahero diesem auch die Zunge gewiedmet wäre / in Egypten aber sie / nebst vier Zähnen ein Sinn-Bild der Singe-Kunst und Seiten-Spiele abgäbe. Alleine hierinnen bestünde doch nicht der Grund seines vorigen Schlusses. Denn ob zwar eine singende Menschen-Stimme durch Marck und Beine zu dringen; Felsen rege / Geister unbeweglich / und Sterbende gleichsam wieder lebend zu machen vermöchte; so wäre doch was viel grössers / welches den auch stummen Menschen zum Werckzeuge der allersüssesten Zusammenstimmung machte. Ismene fieng an: Weil wir alle Menschen / und also solche Werckzeuge sind / wolle er uns durch seine tieffsinnige Auslegung doch so glücklich machen: daß wir uns / und unsere Glückseligkeit kennen lernen. Der Einsiedler begegnete ihr: Wisset ihr denn nicht / holdselige Kinder: daß der Mensch Gottes vollkommenstes Geschöpfe / ein Begrieff aller Wunderwercke / eine kleine Welt sey? da nun die grosse Welt eine vollkommene Harffe / der grosse Gott ihr Stimmer ist; wie soll die kleine nicht der grossen / als das Muster dem Wercke zusagen? Sintemal in der grossen Welt nichts so groß oder klein ist / was nicht auch die kleine in sich hat; ja die kleine / als das einige Ebenbild Gottes / begreifft in sich etwas edles / was der grossen mangelt. Der niemals ruhenden Sonne stimmet das stets schlagende Hertze bey; welches in so viel Stunden / als jene Tag und Nacht macht / in den Adern durch den gantzen Leib das Geblüte herumb treibet /alle Glieder beseelet / und durch seine Bewegung nicht nur die Augenblicke / sondern Stunden / Tage und Jahre abmißt; also das Hertze in der verborgensten Einsamkeit einem genauen Aufmercker zu einer unfehlbaren Uhr dienen kan. Der Monde ko t dem Gehirne bey / welches wie jener die Unter-Welt durch sein silbernes Thau-Horn / also dieses alle Glieder durch seinen Einfluß bethauet. Der Miltz zeucht wie der Saturn / die Galle wie der Mars alles schädliche aus dem Leibe an sich. Die Lunge hat in ihm die Verrichtung des Mercur / die Nieren der Venus / die Leber des Jupiters. Die Augen haben die Gleichheit und das Ampt der festen Gestirne / wo sie nicht zu weilen durch ihre kräftige Regungen es gar der Sonne zuvor thun. Mit dem Feuer stimmet das Gesichte / mit dem Gehöre die Lufft / mit dem Fühlen die Erde / mit dem Geschmacke das Wasser / mit dem Geruche beydes überein. Was ist den Alpen / dem Taurus und unserm Hartz-Gebürge ähnlicher als der Rückgrad / den Felsen gleicher als die Gebeine? In unserm Geblüte /Eingeweiden und Feuchtigkeiten stecket nicht nur Saltz / Schwefel und Queck-Silber / sondern alles Ertztes Eigenschaften / und wir zeugen in uns so wohl Steine als die Berge. Unser Fleisch und Glieder kriegen nicht anders von den Lebens-Geistern als die Bäume von der Krafft der geistigen Erde Nahrung und Wachsthum. Die Kräuter und Blumen sind nichts anders als Haare der Felder; unsere Adern aber selbstständige Flüsse und Quelle. Unsere Thränen und der Schweiß gleichen dem Thau und dem Regen / unser Lachen dem Blitze / unser Dräuen dem Donner /unser Seufzen und Athemholen dem Winde / unser Zittern dem Erdbeben. Unsere anmuthige Kindheit bildet den schönen Früling / unsere feurige Jugend den hitzigen Sommer / unser mannbares Alter den fruchtbaren Herbst / unser ohnmächtiges Alter den kalten Winter ab; ja unser Tod begegnet nicht nur Sternen / Felsen / Städten / Eylanden und Ländern /welche vom Meere oder Erdbeben verschlungen[223] werden / sondern ist eine kräfftige Wahrsagung: daß die grosse Welt so wenig als die kleine ewig seyn werde. Erato fiel ein: Ich lerne aus dieser Auslegung nun allererst meiner Lehrmeister Unterweisung recht verstehen: daß es einen Ober- und untern Himmel / und zweyerley Sternen gebe; daß in dem Menschen der Saamen aller Dinge verborgen liege / und in diesem kurtzen Begriffe mehr / als in allem Umbkreisse der Natur / ja der Mensch gegen andere Geschöpfe ein Gott / und allein ihm zu gefallen die Welt erschaffen sey. Der Einsiedler antwortete: Mit dieser Umbschrenckung kan man den Menschen für ein so grosses Wesen gelten lassen / welcher sonst aber gegen Gott weniger als ein Sonnen-Staub zu rechnen ist. Worbey ich denn selbst nachgebe: daß auch der menschliche Leib einiger massen mit Gott eine wiewohl entfernte Vergleichung vertrage. Denn wie Gott ein alles begreiffender und unbegreifflicher / die Welt aber ein Unermeßlicher Kreiß ist / also bildet nicht nur das menschliche Haupt eine Kugel / sondern auch der sich ausbreitende Leib einen Kreiß ab / darinnen der Nabel / oder vielmehr das Ende des Leibes der Mittel-Punct ist. Uber diß gibt der menschliche Leib ein vollkommenes Vier-Eck ab / wenn seine vier Striche von dem äusersten Ende der Finger gezogen werden / dessen Mittel-Punct das Ende der Zwisel ist. Erato erforschte an ihrem eigenen Leibe alsofort beyde Abmässungen / und erwehnte: daß Pythagoras durchs Vier-Eck den einigen und ewigen Gott abgebildet hätte; die Egyptier aber alle Geheimnüsse der Irr-Sternen in viereckichte Siegel versteckten / und die Thracier nicht / wie alle andere Völcker biß auf zehn /sondern nur biß auf vier erstreckten. Der Einsieder lobte so wohl der Königin Sorgfalt / als ihren Beysatz / versicherte auch beyde Fürstinnen: daß im Menschen alle ordentliche Bildungen der Mäß-Kunst zu finden wären. Dahero wenn man vom Ende des Rückgrades umb den ausgestreckten Menschen einen Kreiß machte / die Spitzen der Hände / der Füsse und des Hauptes an solchen rührten / würde man an ihm das vollkommenste Fünf-Eck / und von denen beyden Fußsolen biß zum Nabel ein richtiges Dreyeck / an denen ausgestreckten Beinen und Armen aber ein gleichseitiges Viereck finden. An denen empor gestreckten Armen ko t der Ellebogen der Scheitel in Niedersenckung der Armen das äuserste der Finger dem Knie schnurgleiche / und im ersten Falle ist der Nabel / im andern das Ende der Zwiesel ein richtiger Mittel-Punct. Nichts minder haben auch die Glieder gegen einander eine so geschickte Abtheilung: daß die Mäß-Künstler von Ausspannung der Armen die Klaffter / oder eine Menschen-Länge / von dem Ellbogen die Elle / von der Fuß-Länge den Schuch / oder halbe / von der Spanne das Drittel der Elle / ja alle Maasse genommen; ja nach des menschlichen Leibes Stellung die vollkommensten Säulen / Fenster / Thüren / Bogen / Häuser und Tempel abgetheilet / wie folgende Bildhauer nach des Polyclatius Muster alle ihre Bilder abgemässen haben. Erato fiel ein: Bey so richtigem Maaße erkenne ich meinen Irrthum in der unnöthigen Verwunderung über drey nach Artaxata kommender Mahler / derer einer an dem Nagel meines Daumens / der andere an dem äusersten Gliede meiner kleinen Zeh / der dritte von einem Auge biß zum andern das Maaß nahm / und ieder mich nach meiner richtigen Grösse abbildete. Noch viel weniger aber ist für unbegreifflich zu halten: daß Pythagoras aus einem Schritte des Hercules / Phidias aus einem Kreile seines Löwen / Timantes aus eines den Daumen des Polyphemus mässenden Zwerges Stellung des Riesens Grösse ausrechnen konte. Der Einsiedler versetzte: Es ist so leichte aus einem Gliede aller Grösse zu[224] urtheilen / als viel kleine Zahlen in eine grosse zusammen zu setzen. Denn der Nagel der Zähen und Hände ist die Helffte des gantzen Gliedes. Das grosse Glied des Daumens ist so groß / als der Mund aufgesperret werden kan / und so weit die unterste Lippe vom Ende des Kines entfernet ist. Das kleineste Glied des Daumens aber reicht von der Höhe der untersten Lippe biß an die Nase an. Das gröste Glied des Zeigers ist so lang als die Stirne hoch ist. Seine zwey kleinesten Vörder-Glieder mit dem Nabel haben die Länge der Nase. Das erste und gröste Glied des Mittel-Fingers reichet von der Nase biß in die Tieffe des Kines / das mittelste biß zum Ende der Unter-Lippe / das dritte vom Munde biß zur Nase. Die Länge des Spieß-Fingers ist die Helffte der Hand / biß zum Gelencke des Armes / die gantze Hand aber hat die Länge des Antlitzes. Dieses aber hat drey gleiche Längen / derer nemlich eine von der obersten Stirne biß zun Augen /die andere biß zun Lippen / die dritte biß unter das Kinn sich erstrecket. So weit es vom Kine biß zur Brust ist / so breit ist der Hals. Die Entfernung des Kines von dem Wirbel / beträgt den Umbkreiß des Halses / und die Helffte des Gürtels. Die Gurgel steht so weit vom Kine / als die Nase von der Mitte der Augen-Brauen; und die Weite der Nase vom Kine stimmet mit der Ferne des Knotens im Halse mit dem Ende desselbten überein. Die Breite der Augen-Höle von oben her bis unten zu / die Vorragung der Nase /und die Länge der kleinen Furche zwischen der Nase und dem Munde haben einerley Maaß. Wie die Weite des Mundes / die Höhe der Stirne / die Länge der Nase / der Ohren / des Daumens / und der Raum unter der Nase / bis zum Kine auch ein gleiches. Von der oberen Einbiegung der Nase biß zu den eusersten Winckeln der Augen ist es so weit / als von diesen zun Ohren. Beyde Augen-Brauen tragen den Kreiß der Augen / der halbe Umbkreiß des Ohres aber die Weite des Mundes / die Weiten der Nase die Länge des Auges aus. Zwischen dem Wirbel und Kine sind die Augen / zwischen dem Wirbel und Knien der Nabel / zwischen der Nase und dem Brust-Beine der Knoten am Halse der Mittel-Punct. Die Fläche der Hand ist so breit als das Fuß-Bret. Die Entfernung der ausgestreckten Hände / und die von einander Spannung der Füsse ko t der gantzen / die Rundte des Leibes unter den Achseln der halben Länge des Menschen bey. Der Mittel-Punct auf der Brust biß zum Wirbel / wie auch die Zwisel biß zum Knie / und das Knie biß zum Knöchel / nichts minder die Breite der Achseln / und die Länge vom Ellebogen biß zum eusersten Mittel-Finger sind ein Mäß-Stab des vierdten Theiles an der menschlichen Länge. Die Weite von einer Wartze biß zur andern / und von Wartzen biß zum Munde / oder zum Nabel kommen genau mit einander ein / und betragen das siebende Theil der menschlichen Länge. Von dem Wirbel ist es so weit als von der Achsel zum Ellebogen / und der Mensch achtmal so lang. Die Breite der Brust und der Umbkreiß des Hauptes tragen das fünfte Theil der Länge aus. Die Därme sind sieben mal so lang als der Mensch. Alle einzele Glieder / als die Nase / der Mund und der Nabel stehen gleichfalls in der Mitte; alle zweyfache aber auf der Seite / iedoch damit alles wohl zusammen stimme / gerade gegen einander über. Diese und hundert andere zusammen-stimmende Abmässungen menschlicher Glieder muste der Einsiedler Ismenen und der Erato so langsam erzehlẽ / auch theils wiederholen: daß sie derselben Wahrheit an einander durch ihre Ausmässung erforschen konten. Wie nun an beyden alles auf ein Haar eintraff / ruffte Ismene mit hellem Munde: O der wunderwürdigen Mäßkunst! O des unvergleichlichẽ Werckmeisters! welcher in Erschaffung der kleinen Welt so groß / wo nicht grösser / als in dem[225] Baue der grossen ist! Alleine trifft diß Maaß so eigentlich auch in Männern / und allen Menschen ein? Der Einsiedel antwortete: In allen / welche ausgewachsen / und keine Krüpel durch Zufälle / oder durch Irrthum der Natur / worzu Fälle und Versehungen der Mütter mehrmals Ursache geben / worden sind. Denn also kan das Maaß ihrer Glieder so wenig als ein krummes Richtscheid / ein wanckender Circkel / oder eine ungleiche Wage eintreffen. Wie denn auch in neugebohrnen Kindern / als noch unvollkommenen Geschöpfen das Maaß / insonderheit des Hauptes eben so wenig / als das Gewichte des Blutes und der Feuchtigkeiten in krancken Leibern fehlet. Massen denn in einem gesunden recht-gebildeten Menschen acht Theile Blut / halb so viel Wasser / zwey Theil Galle / und nur ein Theil schwartz und schwermüthig Geblüte seyn soll. Wie nun diese wohl-abgetheilte Vermischung die Ursache der Gesundheit und einer lebhaften Farbe ist; also bestehet in dem rechten Stande und der gehörigen Grösse der Glieder die Schönheit. Die vollkommenste Schönheit aber ist in der Seele zu suchen; welche nicht nur mit dem Leibe eine wunder-würdige Zusammenstimmung / wie der Himmel mit der Erde hat /sondern auch nach des Plato Meynung aus lauter zusammen klingenden aber wesentlichen Zahlen bestehet; oder gar nach Anaxanders und des Aristoxenus Meynung eine sich selbst rege machende Zahl ist. Wie nun die Harffe des Leibes von der Gleichheit der Glieder gestimmet wird; also machen die Kräffte und Würckungen die Flöte der Seele rege / welche durch die Vernunft / durch die Begierde / und Empfindligkeit / als durch drey Röhre ihren Klang eröffnet; denen als ihren Gebieterinnen die Glieder des Leibes als fertige Handlanger auf was wenigers als einen Winck gehorsamst zu Gebothe stehen. Diese Zusammenstimmung hat die Seele auch mit den Gestirnen /aus welchen sie / vieler Meynung nach / ohne diß sollen entsprossen seyn / und in selbte aus ihren sterbenden Leibern wieder empor flügen. Ihre gewächsige Krafft ko t dem Monden / ihre Einbildung dem Mercur / ihre Begierligkeit der Venus / ihre Lebhaftigkeit der Sonne / ihr Trieb oder Eiver dem Mars / ihre Behägligkeit dem Jupiter / ihre Fähigkeit alles anzunehmen dem Saturn / ihr Wille aber dem ersten Bewe gungs-Grunde bey. Die Königin Erato fiel ein: Ich erinnere mich bey dieser weisen Auslegung meiner Lehrmeister Unterweisung: daß die Seele im Leibe eben diß / was der Fuhrmann im Wagen / der Steuermann im Schiffe / nach des Anaxagoras und des Milesischen Thales Meynung / der regende Verstand / oder die Bewegungs-Krafft des Leibes / nach Alcmäons Urthel / hi lischer Eigenschafft / nach des Ephesischen Heraclitus Lehre ein Funcken vom Wesen der Sterne / nach des Pontischen ein Licht sey. Hingegen aber hat mich mehrmals irre gemacht / wie bey vorhergesetztẽ Meynungen bestehen könne: daß unser Democritus die Seele für ein aus eitel Sonnen-Staube bestehendes Wesen / Archelaus für eine Regung solcher unsichtbarẽ Kleinigkeiten / Diogenes sie für eine reine Lufft / Hippon für ein aus Wasser / Xenophanes für ein aus Wasser und Erde / Parmenides für ein aus Feuer und Erde / Empedocles für ein aus allen Elementen / Epicurus für ein aus Feuer und Geiste bestehendes Ding / Hipparchus sie für die Krafft des Feuers / Asclepiades für ein von allen Sinnen bewegtes Fleisch / Critolaus für den besten Auszug aus allen Dingen gehalten habe. Der Einsiedler lächelte hierüber / und sagte: Alles dieses wären Irrthümer alberer Weisen. Dahero nicht nur die Egyptier / welche die Seele für eine die Leiber[226] regende Krafft hielten / sondern auch Pythagoras und Hippocrates diese Meynung als eitel verwürffen / und die Seele als ein Kind Gottes / und für einen durch den gantzen Leib ausgegossenen Geist verehrt hätten. Wie denn auch die Seele ein wahrhafter Geist / und ein Bild des grossen Schöpfers wäre. Obige Irrthümer aber haben ihren Ursprung aus der Neigung und Zusammenstimmung der Seele mit dem Leibe her / welche Eigenschafft sie mit ihrem Wesen vermengen. Denn die Erde hat etlicher massen eine Verwandnüß mit ihrer Empfindligkeit / das Wasser mit ihrer Einbildungs-Krafft / das Feuer mit ihrer Bewegung / die Lufft mit ihrer Vernunfft / der Himmel aber mit ihrem Verstande. Ob wir beseelte Menschen nun zwar uns selbst / nicht weniger den grossen Gott die Seele aller Seelen kennen /und mehr wissen / was die Seele nicht sey / als was sie ist; so ist doch der der weiseste unter allen Menschen / der aus der Eigenbewegligkeit der Seele / und aus dem / daß sie nicht gezeugt wird / und ein Ebenbild des ewigen Gottes sey / ihre Unsterbligkeit erkennet / und sie mehr zu einer mit dem heiligen Schöpfer / als mit dem fleckichten Leibe einstimmenden Harffe machet.

Der eingeschlichene Abend nöthigte die Königin Erato und die Fürstin Ismene nach abgelegtem Dancke für so heilsame Unterrichtung von diesem guthertzigen Einsiedler Abschied zu nehmen / und auf das Waldeckische Schloß zu kehren; allwo die Hertzogin Thußnelde und das andere Frauen-Zimmer sich über beyder heimliche Entfernung nicht wenig bekümmert hatten. Wie nun Erato und Ismene sich die erste halbe Nacht / und hernach unzehlbare mal über der seltzamen Wahrsagung mit einander besprachten / und ihre Liebes-Regungen allerhand seltzame Anstösse erlitten; also brachten sie es durch ihre Lob-Sprüche dahin: daß die Hertzogin Thußnelde biß zu Ende des Heu-Monats in selbiger Gegend sich aufhielt / und mehrmals mit allen Fürstinnen den Einsiedler heimsuchte / die übrige Zeit aber mit Beschauung der Gebürge / Bruñen / Flüsse / und andern nur ersinnlichen Ergetzligkeiten kürtzte; und mehrmals bekennete: Sie hätte in dieser annehmlichen Gegend allererst gelernet: daß die Vergnügung des Gemüthes / wie der Thau des Himmels nicht von denen Mist-Hauffen der Städte / sondern von den Kräutern der Felder zu sammlen / ja eine solche Einsamkeit nicht nur zu seiner eigenen Genüssung und zur Betrachtung Gottes am geschicksten / sondern auch der Lebens-Art Gottes am ähnlichsten wäre.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Zweyter Theil, Leipzig 1690, S. 8-19,21-227.
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